SGA/ALEXA: Family Ties – Teil 2

„Was sollte das?! Dieser Mann scheint offensichtlich nicht ganz Herr seiner Sinne zu sein. Was haben Sie mit ihm zu schaffen?!“ Aufgebracht trat der General vor John und Woolsey, als er seine Frau wieder losließ.

„Das ist eine lange Geschichte, General. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Tochter da rausholen“, beruhigte ihn Woolsey.

„Und hoffentlich noch bevor er erfährt, was wirklich los ist.“, ergänzte John.

„Was meinen Sie? Alexa würde niemals irgendwelche Informationen preisgeben. Sie wurde speziell darauf trainiert, auch der stärksten Folter standzuhalten“, erklärte der General beinahe stolz.

„Das mag sein. Aber wenn er Alexa´s Selbstheilungskräfte entdeckt, ist sie geliefert“, erklärte John.

„Mich interessiert eher, wieso er lebt und wie wir ihn endgültig wieder loswerden“, antwortete Ronon gereizt.

„Wir müssen sie da raus holen!“, beschloss John erneut.

„Ja, nur wie? Alles was nicht Sie oder der Antiker ist, wird abgeknallt und so wahnsinnig wie der jetzt ist, glaube ich ihm durchaus, dass er in der Lage ist, einen Jumper von Himmel zu holen. Ich meine, wenn er schon einen Replikator erschaffen konnte … wer weiß? Vielleicht hat der ihm dabei geholfen, Waffen zu entwickeln…“

„Nein …“, unter brach der General Rodney. „…auch wenn dieses Gebäude ursprünglich für Menschen gedacht war, die sich zurückzogen und einen ruhigen Ort zur Mediation für den Aufstieg suchten, besitzt diese Anlage Verteidigungssysteme, die durchaus in der Lage sind, ein Gateschiff, ich nehme an, dass sie das mit Jumper meinten, abschießen zu können.“

„Na sehen sie! Mit einem Jumper können wir da nicht hin. So schnell können wir uns gar nicht tarnen, wie man uns dann vom Himmel holt“, referierte Rodney.

John überlegte kurz und hatte plötzlich eine Idee. „Dann eben was größeres.“

„Was?“, fragte Rodney ahnungslos.

„Die Tristanius!“

„Was?“, wiederholte Rodney, diesmal eher aus Überraschung.

„Wie lange dauert es, mit der Tristanius nach M8Z-087 zu kommen?“, wollte John von Rodney wissen.

„Ähm … äh, im Hyperraum nicht ganz dreißig Minuten …“, antworte er, bevor er realisierte was Sheppard wohl plante. „… nein, nein, nein, nein! Sie ist noch nicht hundertprozentig fertig. Es sind noch dutzende Reparaturen und Initialisierungen notwendig, bevor sie…“

„Sie muss nicht hundertprozentig fertig gestellt sein, Rodney. Der Hyperraum funktioniert, wir können mit den Drohnen feuern und der Schild funktioniert auch. Mehr brauchen wir im Moment nicht.“, versuchte John ihn von einem endlosen Vortrag abzuhalten.

„Ja, aber nur sporadisch! Das Risiko, dass die Schilde gerade dann zusammenbrechen, wenn wir sie am nötigsten brauchen, ist viel zu hoch. Haben Sie vorhin nicht zugehört?! Wir arbeiteten zwar noch daran, aber wenn Kolya tatsächlich in der Lage ist, schon einen Jumper runterzuholen, dann möchte ich nicht wissen, mit welchen Waffen er auf die Tristanius…“

„Rodney! Wie lange brauchen Sie für die Schilde?“

„Tsss! Soll dass ein Witz sein?! Normalerweise eine Woche oder so! Vielleicht schaffen wir es an einem Tag, wenn Zelenka sich nicht wieder so dumm anstellt! Aber das bezweifle ich stark!“

„Sie haben eine halbe Stunde!“, gab Sheppard ihm zu verstehen.

„Was?! Ne´ halbe Stunde?! Sie sind verrückt?! Das reicht doch nie im Leben…“

„Je länger Sie mit mir diskutieren, desto weniger Zeit haben Sie“, entgegnete John ruhig.

„Eine halbe Stunde! Wie kommen Sie nur immer auf solche absurden …“

„Los!“, befahl John etwas lauter, ohne weiter darauf zu achten, wie McKay danach wutentbrannt und laut meckernd davon stapfte und zwei Gänge weiter noch zu hören war, als er nach Zelenka rief.

„Wollen Sie mich in Ihren Plan einweihen, Colonel?“, fragte Woolsey, wobei er jedoch genau wusste, dass John ihn schon noch informiert hätte.

„Ich glaube, dass Kolya sich bewusst ist, dass wir seinen Aufenthaltsort kennen. Er sagte, dass er das Tor gut bewachen lässt, daher gehe ich davon aus, dass es sich nicht im Gebäude befindet“, erklärte John und sah dabei fragend zu Tristanius.

„Korrekt, es ist im freien, einige hundert Meter vom Gebäude entfernt“, pflichtete dieser im bei.

„Wir sorgen für Ablenkung von zwei Seiten. Wir schicken die Tristanius da hin. Während sie von oben für Ablenkung sorgt, schicken wir noch ein oder zwei MALP´s mit Rauchbomben durchs Tor. Auf diese Weise gewinnen wir auch schon mal einen kleinen Überblick über die nähere Umgebung um das Tor herum.
Wir gehen durch, nieten alles um, was sich bewegt, stürmen Kolya’s Versteck, holen Alexa und kommen zurück“, fuhr John schnell und selbstsicher fort.

Woolsey dachte kurz nach und nickte dann einverstanden. „Und nehmen Sie eine ARW mit. Der Replikator sollte möglichst nicht am Leben bleiben.“

„Verstanden“, sagte Sheppard und wurde auch gleich von Tristanius aufgehalten.

„Ich komme mit“, erklärte Tristanius schnell und wandte sich gleich wieder an seine Frau. „Hast du meine Ausrüstung noch?“

„Ja und deine restlichen Uniformen und Sachen auch. Es ist alles in meinem Quartier.“

„Einen Moment mal! Wie, Sie kommen mit? Also bei allem Respekt Sir, aber Sie sind verletzt. Machen Sie sich keine Sorgen, wir bekommen das schon hin. Ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Tochter da-“

„Meine Verletzung hat Sie sie nicht zu kümmern, Colonel. Abgesehen davon, kenne ich dieses Gebäude sehr gut und ich habe früher selbst solche Operationen und Geiselbefreiungen durchgeführt.  Ich werde mir von Ihnen nicht verbieten lassen, meine Tochter da rauszuholen. Ich kann auch gerne alleine gehen.“

„Alleine werden Sie gegen ihn und seine Männer nicht ankommen, das wissen Sie“, entgegnete John ruhig und hoffte dass der General einsichtig wäre.

Doch dieser gab so schnell nicht auf „Möglich. Aber Alexa ist meine Tochter. Wenn Sie glauben, dass ich einfach hier still rum sitzen und warte, haben Sie sich getäuscht. Abgesehen davon, will dieser Kolya doch einen Antiker … den soll er haben.“

John sah ihm direkt in die Augen, in denen er Entschlossenheit und einen starken Willen erkennen konnte.  Die gleiche Entschlossenheit und den gleichen Willen, die er auch schon bei Alexa sah. Doch er sah noch mehr in seinen Augen. Er sah die Erschöpfung und Verzweiflung der letzten Monate, die Freude und das Glück, seine Familie wieder gefunden zu haben, die Liebe und Sorge um sie, Wut und Verzweiflung, dass seine Tochter in die Hände eines Wahnsinnigen geraten war.

Nein, er würde es ihm nicht ausreden können und wenn er ehrlich war, würde er an seiner Stelle vermutlich genauso handeln. Zudem hatte er auch Recht. Er kannte das Gebäude, er könnte ihn gebrauchen, wenn sie wirklich schnell und einfach an Alexa rankommen wollten.

„Na schön. Wir starten in einer Stunde“, gab John nach und machte sich sofort auf den Weg, um mehrere Teams zu rufen und zu instruieren.

Doch der Antiker-General drehte sich wieder zu Elisha. „Die Tristanius?“

„Das Schlachtschiff, das wir damals Alexa geben wollten“, erklärte Elisha kurz und mit einem leichten Anflug von Stolz.

„Sie … sie hat es nach mir benannt?“ Der General war völlig überrumpelt.

„Ja natürlich. Was hast Du denn erwartet? Und jetzt komm, du musst dich fertig machen.“
Kurz schüttelte er schmunzelnd mit dem Kopf und folgte seiner Frau.


Kolyas Planet

Immer wieder musste Alexa dagegen ankämpfen, nicht das Bewusstsein zu verlieren.  Nun saß sie immer noch gefesselt auf dem Stuhl und konnte sich nicht rühren, selbst wenn sie nicht angebunden wäre.

Kolya beobachtete sie eine ganze Weile, ging auf und ab, umkreiste sie oder blieb gar einige Minuten stehen, um sie mit einem ausdrucklosen Blick zu mustern. Als er bemerkte, dass sie sich wieder gefasst hatte, nahm er ihr den Knebel aus dem Mund, drehte seinen Stuhl zu ihr herum und nahm wieder Platz. Abermals musterte er sie von oben bis unten, bis sein Blick wieder zu ihrem Gesicht wanderte.

„Sagen sie Alexa … ist da wirklich etwas zwischen Ihnen und dem Colonel? Seine Reaktionen lassen mich immer mehr zu diesem Schluss kommen. Aber ich nehme nicht an, dass Sie mir das beantworten werden.“

Alexa blickte ihn nur kurz aber finster an und drehte sich dann angewidert weg.  Sie hatte sich mittlerweile so weit unter Kontrolle, um sich auch an eine Lektion, die sie während ihrer Ausbildung auf der Militärakademie lernte, zu erinnern.  Die Fähigkeit Schmerzen zu ignorieren.  Eigentlich bestand der Trick nur darin, dem Gehirn, vielmehr einem Teil des Gehirns, der für die Schmerzempfindung und Weiterleitung zuständig ist, Fehlinformation zu vermitteln. Sie erinnerte sich nicht mehr an die genauen Worte ihres Ausbilders während der Lektion, aber die Übungen, die darauf folgten, waren noch sehr deutlich in ihrem Gedächtnis.

Kolya schien zu bemerken, dass etwas im Kopf seiner Gefangenen vorzugehen schien und als er glaubte zu wissen was es war, runzelte er teils überrascht, teils beeindruckt die Stirn.

„Beeindruckend! Wenn Sie wirklich gerade das tun, was ich glaube … bin ich wirklich beeindruckt. Mehr von Ihnen, als von Sheppard, denn ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass er Ihnen das beigebracht haben soll. Ich frage mich so langsam, ob er wirklich Ihr vorgesetzter Offizier ist, oder ist es eher anders herum? Sie scheinen körperlich gut trainiert zu sein, sind für eine Frau erstaunlich stark und schnell, können sich hervorragend verteidigen, sind hart im Nehmen, stur und dickköpfig wollen wir auch nicht vergessen. Zudem scheinen Sie ein enormes militärisches Wissen und Können zu besitzen. Und wenn ich mich nicht irre, versuchen Sie gerade, Ihre Schmerzempfindung auszuschalten. Bei meinem Volk haben wir eine Bezeichnung für all dieses Können und Wissen. Hoch spezialisierte Kriegsführung.“

Alexa antwortete nicht. Sie war noch immer voll konzentriert, registrierte aber, wie er aufstand, auf sie zuging und sich vor sie hockte.

Nachdenklich betrachtete er ihre Wunden. „Dieses Antikergen ist wirklich … sehr effektiv. Und dabei spreche ich nicht nur davon, dass es Ihnen den Zugriff auf die lantianischen Systeme ermöglicht und deren Bedienung vereinfacht. Nein, ich bin viel mehr von Ihren anderen Fähigkeiten fasziniert. Allem voran Ihre Heilfähigkeit, Ihre spezielle Ausbildung, die Sie zweifellos erhalten haben … das muss Sie zu einem wirklich sehr wertvollem Mitglied der Expedition machen“, erklärte er, stand auf, und ging zu ihr rüber.

Er hockte sich vor sie, griff nach ihrem Bein, auf das er vorhin schoss und drückte langsam seinen Daumen in die Wunde. Alexa schloss die Augen, atmete ein paar Mal hörbar ein und aus und kämpfte gegen den Drang, schreien zu müssen. Kolya zog verwundert lächelnd die Augenbraue hoch und stand wieder auf. Langsam ging er zum Tisch zurück, nahm sich ein Tuch, das dort lag und wischte sich das Blut von seiner Hand.

„Ich bin wirklich froh, dass meine Männer Sie gefunden haben. Hätte ich jemand anderes, zum Beispiel Doktor McKay, hätte ich jetzt wahrscheinlich entweder Ohrenschmerzen durch sein Gejammer, oder er wäre schon längst tot, weil er wohl nicht so lange durchgehalten hätte wie Sie oder ich es mir sein Gezeter nicht mehr antun wollte.“

Alexa hatte nicht übel Lust, ihm eine passende Antwort zu geben, doch sie war noch immer zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Abgesehen davon, kannte sie ihn mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass es ihn mehr ärgerte, wenn sie nicht auf ihn einging, und weiterhin die Unbeugsame spielte. Sie war sich allerdings auch im Klaren, dass auch er nicht so schnell locker lies, sie zu reizen.

Kolya setzte sich wieder und fuhr sich mit der Hand nachdenklich über die Lippen  „Ich denke, Sie müssen ganz schön durstig sein. Wenn Sie mir versprechen, keine Mätzchen zu machen, bin ich geneigt, Sie losbinden zu lassen.“

Neugierig sah er sie an und wartete auf eine Reaktion von ihr. Doch mehr als ein abschätziges Schnauben bekam er nicht zu hören. Wieder lachte er laut auf und nickte einem seiner Männer zu, sie loszubinden.
Währenddessen nahm er eines der Gläser, die neben dem Wasserkrug standen, füllte es und stellte es an den Rand des Tisches, nicht mehr als eine Armeslänge von sich weg. Alexa regte sich anfangs jedoch nicht.

„Wenn Sie glauben, dass ich es Ihnen reiche, haben Sie sich geirrt. Sie werden mit der Kugel im Bein vielleicht keinen Fluchtversuch mehr machen können, aber … ich wette, bis an diesen Tisch werden Sie es bestimmt schaffen.“

Schwerfällig hob Alexa ihre Arme, vermied es dabei ihre Miene zu verziehen, als sich ihr gebrochener Arm mit ziehenden Schmerzen meldete, Die Heilung hatte zwar begonnen, war aber noch nicht abgeschlossen.  Sie rieb sich die Handgelenke, die bisher an den hinteren Stuhlbeinen gefesselt waren. Ihr fiel Kolyas neugieriger Blick auf. Sie wusste was er wollte. Er wollte sie am Boden sehen. Er wollte sehen, wie sie vor Schmerz stöhnend versuchte aufzustehen, ihr dann die Knie kraftlos einknickten und sie zu Boden fallen würde. Doch das wollte sie ihm niemals zeigen.

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In Kierans Gesicht spiegelten sich Besorgnis, Ärger und Neugier im Wechsel zu den Szenen, die sich auf dem Bildschirm boten. Hatte er diesem Menschen vorhin nicht einen Weg offenbart, wie er diesen Sheppard am besten aus der Reserve locken konnte? Und vor allem, hatte er ihm nicht genügend deutlich gemacht, dass er seiner Gefangenen lieber nicht so zusetzen sollte?

Ihre Verletzungen waren zwar für jeden offensichtlich, doch Kieran konnte sie, wenn er sich nur ein wenig auf Alexa konzentrierte, selbst spüren. Er spürte den dumpfen Schmerz von zwei angeknacksten Rippen auf der rechten Seite, das Prickeln, Kribbeln, ziehen und pochen des gebrochenen Knochens im linken Unterarm, der sich bereits regenerierte. Auch die Schnitt- und Platzwunden spürte er mindestens genauso deutlich, wie sie.
Aber das war für ihn die einzige Möglichkeit, ihren Gesundheitszustand und ihre derzeitige Verfassung zu kontrollieren und zu überwachen.

Er wusste, dass all diese Verletzungen jemand anderes womöglich längst regungslos am Boden liegen und verzweifeln lassen würden. Genau wie das Wissen, ein Gefangener zu sein, ohne Aussicht auf Rettung, kaum in der Lage sich selbst zu befreien und das jeder Versuch zur Gegenwehr zum Scheitern verurteilt wäre. Jeder andere wäre vermutlich schon längst zusammengebrochen und hätte sich ergeben. Doch er kannte Alexa anders. Zumindest von früher.

Kieran hatte gehofft, schon damals ihren Willen gebrochen zu haben, hatte gehofft, dass sie in all der Zeit physisch, hauptsächlich aber psychisch und mental schwächer geworden wäre. Bisher allerdings zeigte sie kaum Anzeichen dafür. Aber genau das war es, was ihn einerseits faszinierte und die ganze Sache umso spannender und aufregender, andererseits aber auch schwieriger und gefährlicher machte.

Genauso faszinierte es auch Kolya. Auch ihm ist das Verhalten seiner Gefangen nicht entgangen. Ihre Hartnäckigkeit und Auflehnung faszinierte ihn ebenso, wie ihn ihren Sarkasmus und ihre freche Äußerungen provozierte.

Es gehörte einst zu Kierans Wissenschafts-, Studien- und Lehrgebiet. Er studierte, erforschte, und lehrte die Psychologie. Kieran verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen als er beobachtete, wie Kolya sie mit Wasser zu locken versuchte.

In all den Jahrtausenden hatte sich doch nichts an der simplen Natur der Menschen geändert, die glaubten, einen Soldaten mit solch simplen Methoden demütigen zu können. Kolya erwartete doch nicht etwa, dass sich Alexa auf dieses Spiel einlassen würde? Nun gut, bei seinesgleichen mochte das klappen, aber nicht bei einer konditionierten Soldatin wie Alexa, die auch auf Folter und Gewalt vorbereitet war. Dann zog er eine Augenbraue hoch, denn Alexa stand tatsächlich auf …

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Sie hatte sich gestrafft, tief eingeatmet, auf die Zähne gebissen und hatte ihr gesamtes Gewicht auf ihr gesundes Bein verlagert. Nur sehr langsam und zitternd konnte sie sich erheben. Aber sie hatte es geschafft, aufrecht stehen zu können. Jetzt kam es nur auf den ersten Schritt an. Noch einmal atmete sie tief durch, biss noch etwas fester auf die Zähne und machte sich innerlich auf den heftigen Schmerz in ihrem Bein bereit. Sie sah, wie Kolyas Neugier weiter wuchs, sah wie sein Blick zu ihrem Bein glitt.

Sachte und langsam lagerte sie ihr Gewicht wieder auf das verletzte Bein und spürte schon den scharfen, schneidenden Schmerz einer glühend heiß erscheinenden Kugel, der sich von der Wunde ins Schienbein und sogar bis in den Rücken auszubreiten schien. Noch einmal zog sie scharf aber tonlos die Luft ein, bis sie sich sicher war, auch auf dem verletzten Bein stehen zu können. Schnell setzte sie wieder mit dem gesunden Bein nach und tat einen weiteren Schritt.

Einen Schritt nach dem anderen, wenn auch nur leicht hinkend, führte sie schlussendlich an den Tisch und somit auch zum Wasserglas. Doch noch berührte sie es nicht. Ihr Blick wanderte stattdessen nun selbst zu Kolya.
Wieder wechselte sein Gesichtsausdruck, durch das heben der Augenbrauen, zu Faszination und Verwunderung, auch wenn sonst keine Bewegung folgte.

„Sie erstaunen mich von Minute zu Minute mehr … nur zu, trinken Sie. Sie müssen wirklich sehr durstig sein“, sagte er und machte ein eher gleichgültige Handbewegung in Richtung Glas. Doch Alexa rührte es noch immer nicht an.

„Was denn? Glauben Sie, ich hätte es vergiftet oder mit Drogen versetzt? Keine Sorge, das ist reines frisches Wasser“, fügte er lächelnd hinzu, während er sich selbst ein Glas nahm und ebenfalls mit Wasser füllte.

Langsam führte er es zu seinem Mund und trank es in beinahe einem Zug aus, ließ seine Gefangene dabei aber nicht aus den Augen.

Wieder sah sie zu dem Glas, nahm es dann in ihre linke Hand, wobei sich wieder der Knochenbruch durch zeihende Schmerzen bemerkbar machte. Doch sie ignorierte es und sah stattdessen nachdenklich in die klare Flüssigkeit.

Langsam drehte sie sich mit ihrem gesamten Körper zu Kolya, sah ihm stoisch ins Gesicht, während sie ihren Arm mit dem Glas ausstreckte und das Wasser langsam aus dem Glas zu Boden fließen ließ. Als das Glas leer war, stellte es wieder geräuschvoll auf den Tisch zurück und starrte ihren Gegner herausfordernd an.

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Kieran schüttelte grinsend den Kopf. Sie verhielt sich so, wie er es von ihr erwartet hatte und von anderen Soldaten kannte – sie zeigte keine Blöße, keine Schwäche und widerstand der Provokation mit einem kalten Lächeln. Kolya musste sich schon etwas Besseres einfallen lassen.

Aber nun gut. Vielleicht war es an der Zeit andere Seiten aufzuziehen und Alexa an die Grenzen ihrer Kraft und Stärke zu führen… oder aber zu beobachten, ob sie diesen Schutzpanzer auch noch aufrecht erhalten konnte, wenn sie glaubte, alleine und unbeobachtet zu sein.

Vorausahnend wie Kolya nun reagieren würde, wandte er sich an einen von seinen Männern. „Hol deinen Kommandanten her, ich will mit ihm sprechen. Sofort.“

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Geradezu gelangweilt hatte Kolya verfolgt, wie das Wasser plätschernd zu Boden fiel, ihn dunkel verfärbte und seine Gefangene das Glas wieder mit Nachdruck zurückstellte.

„Das war dumm …“, seufzte er und stand langsam und hörbar ausatmend auf.

Nur für einen Bruchteil einer Sekunde sah er in ihre Augen, die nichts als Verachtung und Hass verrieten.
Dann schlug er zu. Er schlug ihr so fest ins Gesicht, dass sie durch die Wucht beinahe über den Tisch geschleudert wurde. Schnell ergriff er sie an ihrem Arm, drehte sie auf den Rücken und drückte sie mit seiner Hand an ihrem Hals gegen die Tischplatte.

„Wirklich dumm! Das war das einzige Glas Wasser, das ich dir gegönnt hätte. Hättest du es dankbar angenommen, hätte ich dir auch etwas zu essen gegeben, aber so…“

Aus seinem Augenwinkel sah er gerade noch, wie der Wasserkrug in rasender Geschwindigkeit auf ihn zukam.
Mit aller Kraft, die ihr noch in dieser Lage zur Verfügung stand, schleuderte sie ihm den Krug gegen den Kopf, wodurch er von ihr abließ und aufschreiend zurück stolperte.

Alexa richtete sich wieder auf, starrte ihn wütend an und sah, wie er zu seiner Schläfe griff, auf der nun eine Platzwunde prangte.

„Du bist wirklich ein kleines, undankbares, stures Miststück. Aber dir werde ich deinen Stolz schon noch austreiben!“

Gerade in dem Moment, als er erneut auf sie zu steuerte und sie sich auf einen neuen Angriff gefasst machte, kam einer seiner Männer in den Raum gestürmt.

„Kommandant! Man wünscht Sie zu sprechen.“

„Nicht jetzt. Ich habe da noch etwas zu erledigen, verschwinde!“

„Man wünscht Sie aber sofort zu sprechen, Herr“, erwiderte der ehemalige Soldat nachdrücklich.

Kolya funkelte ihm noch einen wütenden Blick zu, bevor er sich erneut über die blutende Stelle an seinem Kopf fuhr und wieder zu seiner Gefangenen sah. Nochmals holte er zu einem Schlag aus, der Alexa dann doch zu Fall brachte. Benommen blieb sie liegen.

„Bringt sie wieder in ihre Zelle!“, befahl Kolya.

„Sie ist sehr temperamentvoll, nicht wahr?“, fragte Kieran mit leichtem Spott in seinem Ton, kaum dass Kolya den Raum betrat.

„Haben Sie mich deshalb rufen lassen?! Und wo ist Korran überhaupt?“, brachte Kolya fassungslos und mit gereiztem Unterton in der Stimme hervor.

„Ich habe Sie rufen lassen, um Sie vor einer großen Dummheit zu bewahren. Gegen etwas Druck und einige Ihrer Methoden, die Sie verwenden um an Informationen zu kommen, habe ich nichts einzuwenden, aber wenn Sie Ihre Gefangene weiterhin als Druckmittel gegen Sheppard einsetzen wollen, sollten Sie sich etwas zügeln.“

Argwöhnisch musterte Kolya sein Gegenüber. „Machen Sie sich keine Gedanken, ich weiß was ich tue …“

Kieran bedachte ihn mit einem zweifelnden Blick, antwortete jedoch noch nicht.

„Sie wollen doch den Vorfahren, wieso dann auf einmal das Interesse an ihr? … Mir drängen sich da Fragen auf, ob Sie vielleicht …“

„Ich will nach wie vor den Vorfahren. Aber wenn Sie ihrer Gefangenen weiterhin so zusetzen, sehe ich es kommen, dass Colonel Sheppard bald keinen Grund mehr haben wird, um her zu kommen. Sie scheinen ihr Ziel aus den Augen zu verlieren, Kolya…“, redete Kieran eindringlich auf ihn ein. „…und was Korran betrifft, ich schätze es überhaupt nicht, wenn sich ein Mann eine Frau mit Gewalt zu Eigen machen will.“

„Ich habe meine Männer noch ganz gut unter Kontrolle.“

„Sie sich dafür umso weniger. Ich bin sicher, dass Sheppard sich bald hier einfinden wird…“ Kieran trat Kolya nun direkt gegenüber und vertiefte seinen Blick in dessen Augen. „…bis dahin, lassen Sie von Alexa ab, verstanden?“

„Verstanden“, gab dieser leise flüsternd und geistesabwesend zurück.

„Gut. Nun, wir sollten uns etwas ausruhen. Gehen Sie in ihren Raum zurück, schlafen Sie etwas. Sheppard wird bald hier sein.“

Kolya gehorchte. Träge drehte er sich zur Tür und verließ den Raum. Kaum dass er in seinem Raum ankam, blinzelte er verwirrt und legte sich leicht benommen nieder. Minuten später fiel er in eine traumlosen Schlaf.

Kaum dass die Tür geschlossen war, ließ Kieran sich erschöpft in einen Stuhl sinken. Widerwillig musste er sich erneut in den Verstand eines niederen Menschen einklinken, um diesen zu seinen Gunsten, eigentlich zu Gunsten aller, zu leiten und erneut auf den richtigen Weg zu führen. Doch das wichtigste war, die wahre Identität Alexas weiterhin zu verschleiern. Von seiner ganz zu Schweigen.

Kolyas Interesse an Sheppard würde wahrscheinlich schlagartig verfliegen, sollte er herausfinden, wer er und seine Gefangene wirklich seien. Mehrmals atmete er tief durch, die Augen waren dabei geschlossen. Es hatte ihn schon eine Menge Kraft gekostet, sich mit Korrans Verstand zu verbinden.

Das Gehirn dieser Menschen war zwar einfach und seinem weit unterlegen, aber genau da lag auch das Problem. Ging er zu schnell oder zu grob vor, könnte es zu Verletzungen oder gar zum Tode führen. Und so sehr ihn diese niedere Menschen auch zuwider waren, er brauchte sie. Noch. Bald würde sich jedoch das Level des Spiels erhöhen und er wäre auf fremde Hilfe nicht mehr angewiesen.

Das Chaos in seinen Gedanken und die Schmerzen hinter seinen Schläfen verschwanden allmählich. Kieran drehte sich in seinem Stuhl wieder zu dem Bildschirm, verschränkte seine Arme vor der Brust und sah zu, wie Alexa zurück in die Zelle gebracht wurde. Nicht gerade rücksichtsvoll stützte man sie und schleifte sie in die Zelle. Doch anstatt sie zu der kleinen Bank zu bringen, sodass sie sie sich setzen konnte, ließ man sie regelrecht zu Boden fallen, auf dem sie nun einige Minuten regungslos lag. Er spürte, dass sie noch etwas benommen war und krampfhaft versuchte, wieder zu sich zu kommen und Kraft zu schöpfen. Nur Augenblicke später bemerkte er, dass sie sich regte …

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Langsam robbte Alexa sich zur Wand und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie. Sie spürte, wie sie immer schwächer wurde, wollte sich etwas ausruhen, vielleicht auch schlafen. Es war nicht nur Schmerz, der sich in ihren Gliedern verteilte und sie beinahe lähmte. Es war Erschöpfung, unendliche Müdigkeit und wenn sie tief in sich kehrte, empfand sie auch schon einen Hauch Resignation, die unaufhaltsam durch ihren gesamten Körper strömte.

Ihr Herz aber schrie danach, an der Hoffnung festzuhalten. Ihr Verstand hingegen, versuchte ihr etwas mitzuteilen. Wie ein Echo hörte sie immer wieder diese seltsam vertrauten Stimmen. Eine davon gehörte Colonel Sheppard. Sie hatte aus einem unerfindlichen Grund das Gefühl, dass seine Stimme während der Übertragung unbedingt einen Weg zu ihr finden wollte.

-„Machen Sie sich keine Sorgen. Wir haben bisher noch immer alles gefunden, was wir finden wollen. Auch wenn es schon lange als vermisst und verschollen gilt.“-

Irgendetwas sagte ihr, dass diese Aussage nicht an Kolya gerichtet war. Doch was konnte Alexa mit einer solchen Information anfangen? Es würde ihr nicht hier raushelfen. So sehr sie sich auch bemühte, sie erkannte die eigentliche Bedeutung nicht. Und die andere Stimme? Die fremde und doch vertraut klingende Stimme, die erbost und drohend zugleich wirkte?

-„Ich werde Sie eigenhändig töten! Sollten Sie sie auch nur … Ich werde Sie töten!“-

Es war weniger der Inhalt dessen, was die Stimme sagte, es war vielmehr die Emotion die hinter den Worten steckte. Emotionen wie Wut, Angst und Verzweiflung, doch irgendwie glaubte sie, auch eine unterschwellige Freude heraushören zu können.

Oder war es vielleicht letzten Endes doch nur ihr übermüdeter Verstand, der ihr einen Streich spielen wollte?
Möglicherweise war es aber auch der Replikator, der sie mit seiner Freundschaft und seinem Mitgefühl täuschen wollte. Versuchte er, sie mit der Information über einen fremden Komplizen, den sie aus ihrer Vergangenheit kennen würde, abzulenken, damit er unbemerkt tiefer in ihren Geist eindringen konnte? Ihre Konzentration auf diesen mysteriösen Fremden könnte währenddessen ihre geistige Abschirmung geschwächt haben.

Oder hatte er gelogen, als er sagte, dass er ihre wahre Identität nicht verraten würde? Dass er nicht auf ihre Erinnerungen zurückgreifen könnte? Womöglich konnte er es doch und spielte mit ihr, denn sie glaubte plötzlich, die Stimme aus ihrer Vergangenheit zu kennen.

Sie hatte kaum noch Kraft darüber nachzudenken. Immer wieder schien sie sie einzuschlafen, sie bemerkte, wie schwer es ihr fiel sich zu bewegen und seien es auch nur kleine Bewegungen, wie das Suchen nach einer angenehmen Position für ihren gebrochenen Arm. Doch noch durfte sie sich nicht ausruhen. Zuerst musste sie sich um ihr Bein kümmern.

Mit dem letzten bisschen Kraft rief sie sich wieder zur Konzentration und griff in ihre Hosentasche, aus der sie eine Glasscherbe heraus nahm, die sie vorhin von Kolya unbemerkt einstecken konnte. Es kam ihr gerade recht, dass dieser Glaskrug bei der Abwehr Kolyas auch zersplitterte. Danach zog sie ihren Gürtel aus dem Hosenbund und band ihn etwas oberhalb der Wunde um ihr Bein. Einmal kräftig fest zugezogen und die Durchblutung war zumindest nicht mehr so stark. Nachdem sie zunächst das Loch in ihrer Hose etwas erweiterte, atmete sie noch einige Male tief durch und machte sich dann ans Werk.

Ein verletztes Bein ohne Kugel war besser zur Flucht geeignet, als ein verletztes Bein mit Kugel. Zumal bereits auch dieser Heilprozess allmählich begann. Innerhalb von wenigen Stunden wäre die Wunde verheilt, doch die Kugel, immer noch im Gewebe steckend, würde beginnen zu wandern und könnte dabei größere Blutgefäße verletzten. Nein, sie musste raus. Da sich das Projektil nicht senkrecht ins Fleisch gebohrt hatte, sondern eher etwas waagerecht, musste sie die Schusswunde um einige Zentimeter erweitern um an die Kugel zu gelangen.

~~~///~~~

Kieran war geradezu fasziniert, von Alexas Handeln. Noch immer zeigte sie kaum Schwäche oder Resignation, wenn man mal von den Gedanken, die sie vorhin eher verwirrten, mal absieht. Gespannt sah er dabei zu, wie die Gefangene mit schmerzverzerrtem Gesicht, die Glasscherbe an ihre Schusswunde ansetzte und langsam einen Schnitt machte.

Obwohl sie sich das Bein mit ihrem Gürtel abgebunden hatte, sah er, wie das Blut den Stoff ihrer Hose tränkte und dann langsam zu Boden tropfte. Wieder hatte er genau das vor Augen, was er eigentlich von ihr wollte. Ihr Blut. Doch es würde ihm nichts nützen, wenn sie es ihm nicht freiwillig geben würde…

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Die Scherbe fiel klirrend zu Boden, keuchend schnappte sie nach Luft, doch sie war noch lange nicht fertig. Tränen hatten sich schon gebildet, als sie begann, mit Zeigefinger und Daumen in die Wunde einzudringen. Sie realisierte, dass sie damals auf der Akademie vielleicht doch nicht so gut aufgepasst hatte.

So sehr sie sich auch bemühte, nicht vor Schmerzen aufzuschreien und aufzugeben und die Finger zurück zu ziehen, konnte sie doch ein Wimmern nicht verhindern. Die Tränen verschleierten mittlerweile ihre Sicht und das Wimmern wurde auch immer lauter, als sie endlich die Kugel fand. Mit einem kleinen Ruck und einem etwas lauteren Schrei konnte sie die Kugel endlich rausziehen.

Noch immer stöhnend und winselnd legte sie die beiden Stoffseiten ihres aufgeschlitzten Hosenbeins über die Wunde, lockerte den Gürtel etwas um ihn über der Wunde zu platzieren und zog erneut aber nicht mehr so fest zu.
Völlig erledigt und benommen sank sie zur Seite und ließ ihren Tränen nun doch freien Lauf. Mit letzter Kraft hatte sie sich noch von der Kamera weggedreht, wusste sie doch noch immer, dass man sie beobachtete. Doch ob man ihr Wimmern und Schluchzen hörte, war ihr beinahe egal.

Augenblicke später wurde sie jedoch von einer erneuten Schmerzwelle erfasst, doch es waren nicht die Verletzungen, die Kolya ihr zugefügt hatte. Es waren wieder diese mörderischen Kopfschmerzen, die sie immer wieder verkrampfen ließen und sie in die Bewusstlosigkeit trieben. Doch kurz bevor sie in die erlösende Schwärze tauchte, wurde ihr plötzlich klar, zu wem diese vertraut klingende Stimme gehörte. Ein letztes Wispern kam über ihre Lippen. „Vater! …“

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Kieran begann zu lächeln und er beugte sich vor, um sich zu versichern, dass seine Augen und sein telepathisches Gespür ihn nicht betrogen. Konnte es sein, dass Alexas Schutzpanzer Risse bekommen hatte und sie nicht länger die unnahbare starke Soldatin war? Erfüllte sich nun seine Hoffnung, sie gebrochen zu sehen?
Ja, ja da war es wieder, es gab einen Augenblick der Schwäche, weil ihr bewusst wurde, in was für einer aussichtslosen Lage sie steckte.

Ein anderer Beobachter würde nur wahrnehmen, dass Tränen über ihre Wangen rannen, und dies auf körperliche Schmerzen schieben. Aber Kieran glaubte den wahren Grund erkannt zu haben. Auch wenn sie sich der Kamera entzog und sich wegdrehte, ein kurzer Blick in ihre Augen, die nach Hilfe zu schreien schienen und das verzweifelte Wispern nach ihrem Vater genügte, um zu wissen, dass es wohl nicht mehr lange dauern würde, bis auch der letzte Widerstand gebrochen sei…

Zufrieden nickte er und weidete sich genüsslich an diesem Anblick. Nicht mehr lange, und er hätte bei Alexa einfaches Spiel…


Atlantis

Die Teams waren schnell zusammen getrommelt. Keiner von seinen Männern hatte sich lange bitten lassen müssen, um an einer Rettungsaktion für die Antikerin teilzunehmen. Die meisten hatten sich schon vor einer Stunde bereit gemacht und warteten nun im Gateraum auf den Befehl auszurücken. Doch die Tristanius war noch nicht fertig.

Auch wenn John liebend gerne sofort losgezogen wäre, er musste warten. Die ganze Aktion musste zeitlich gut durchdacht sein, sollte sie erfolgreich sein. Abgesehen davon, brauchten Rodney McKay und Radek Zelenka die ohnehin schon knappe Zeit, um sich um die Schilde zu kümmern. Dieser Außenposten mochte vielleicht gut bewacht und mit Abwehrwaffen ausgestattet sein…einen Jumper könnte Kolya vielleicht auch von Himmel holen, aber ein solches Kriegsschiff wäre schon ein ganz anderes Kaliber. Dennoch, vermutlich wären die Waffen stark genug, um das Schlachtschiff zumindest zu beschädigen und kampfunfähig zu machen.

Alles was John nun tun konnte, war warten. Und er hasste es zu warten. Er hasste das Warten, weil ihm in dieser Zeit immer Gedanken und Probleme durch den Kopf schwirrten, die ihn nur ablenkten und verwirrten.

Gedanken an Alexa zum Beispiel. Immer wieder sah er die Bilder vor sich, wie sie dort gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl saß und nichts anderes tun konnte, als es hilf- und wehrlos geschehen zu lassen, dass der Replikator rücksichtlos ihre Gedanken erforschte. Er wusste, wie schmerzhaft eine solche Sondierung sein konnte.

Erinnerungen an sein erstes Aufeinandertreffen mit den Replikatoren kamen in ihm hoch. Auch seine Gedanken wurden von so einem Ding gelesen. Er würde nie vergessen, wie sich dessen Hand wie ein glühend heißes Messer einen Weg in seinen Schädel bahnte und sein Gehirn dabei wie ein nasser Lappen nach Informationen durchgewrungen wurde.

Aber auch die Bilder seiner eigenen Gefangenschaft bei Kolya kamen in ihm hoch. Auch er hatte gefesselt und geknebelt auf einem solchen Stuhl gesessen und war Kolya praktisch hilflos ausgeliefert.

Doch während dieser sich bei ihm noch zurück gehalten hatte und dem Wraith die Arbeit überließ, legte er nun bei Alexa selbst Hand an. Zusätzlich. Als ob es nicht schon so schlimm genug sei, dass eines dieser verfluchten Blechbüchsen in ihrem Kopf rum wühlte. Nein, er wollte noch seine sadistischen Praktiken an ihr probieren.
Und was sollte das Gerede von Elizabeth? Woher wusste er davon?

Beim besten Willen konnte er sich nicht vorstellen, das Alexa ihm das erzählt haben, geschweige denn, dass dieser Replikator, dies durch seine Sondierung in Erfahrung gebracht haben könnte. Alleine schon Kolyas erneute Existenz stieß nicht nur gegen sein Verständnis, sie verstieß gegen jegliches Naturgesetz. Nein, irgendetwas stimmte da ganz und gar nicht.

Doch er wollte nicht weiter darüber nachdenken, als er plötzlich eine ganz klare und ruhige Gewissheit verspürte. Er würde ihn töten. Nochmals. Ohne Wenn und Aber. Die Gründe für sein Leben, sein Wiederauftauchen, sie waren ihm egal. Er würde ihn genau wie damals erschießen. Nur dieses Mal würde er ihm noch eine Kugel in den Kopf jagen, notfalls seine Leiche zerstückeln oder Verbrennen und die Reste im All zerstreuen. Er würde dafür sorgen, dass er niemals wieder seiner Brutalität und seinem Wahnsinn nachgeben würde und seinen Freunden oder ihm jemals wieder so nahe käme.

Erschrocken über sich selbst und über seine Gedanken, beschloss John, sich etwas frische Luft um die Nase wehen zu lassen. Sollte die Rettungsaktion gelingen, dürfte er sich nicht solchen Gedanken und Empfindungen hingeben.

Von den Anwesenden im Kontrollraum unbemerkt, konnte John sich auf den großen Balkon schleichen und stützte sich nun auf das Geländer. Einige Male atmete er tief durch und begann auch schon langsam sich einigermaßen zu entspannen, auch wenn die Gedanken ihn nicht loslassen wollten. Daher bemerkte er zunächst gar nicht, wie sich seine Mutter ebenfalls auf den Balkon geschlichen hatte und ihn mit ihrem Ausruf aus seinen Gedanken schreckte.

„Oh mein Gott!“, rief sie erstaunt aus, als sie sich vorsichtig über das Geländer beugte.

Noch nie in ihrem Leben, hatte sie eine solche Schönheit und Erhabenheit gesehen, wie die, die sich ihr gerade bot. Mit großen Augen bestaunte sie die verspielte und doch funktionelle Architektur, die sie mit keinem einzigen Bauwerk, das sie bisher gesehen hatte, vergleichen konnte.

Es war geradezu sakraler Anmut, mit dem sich die Türme und Gebäude in die Höhe erstreckten. Die futuristischen Vorstellungen einiger Künstler aus ihrer Jugend, die für sie immer wie Märchen geklungen hatten, schienen nun Wirklichkeit geworden zu sein.

Und dennoch schien ihr dieser unsagbar fremde Anblick auch irgendwie vertraut, hatte er doch etwas von der Reinheit und Erhabenheit gotischer Kathedralen. Das kaum zu hörende Rauschen des Wassers, das tief unter ihr gegen die Piere schlug, das Sonnenlicht, das einige Teile der Gebäude, vor allem aber die Fenster in ein leichtschimmerndes Gold und den umliegenden, endlos erscheinenden Ozean in ein glitzerndes Meer verwandelte… es war schlichtweg atemberaubend.

So sehr sie sich auch bemühte, sie fand einfach keine passenden Worte, um diesen Ort zu beschreiben.
Kühl aber angenehm wehte ihr eine leichte Brise der Meeresluft ins Gesicht und erfrischte sie geradezu, als sie ihren Blick zu dem endlos erscheinenden Horizont wieder auf die Piers schweifen ließ. Doch es war mehr, als nur die Kühle und die kaum wahrzunehmende salzige Feuchtigkeit in der Luft, die sie berührte. Ihr war, als umwehe sie ein Hauch Ewigkeit, als sie glaubte, dass dieser Ort irgendwie zeitlos zu wirken schien.

„Grundgütiger! Das ist also das echte Atlantis. Es ist so…“

„Riesig?“, ergänzte John schmunzelnd den Satz seiner Mutter.

Seit ihrem erstaunten Ausruf beobachtete er leicht lächelnd, wie seine Mutter mit ehrfürchtigen und staunenden Augen ihre Umgebung betrachtete. Fassungslos und in Gedanken versunken schüttelte sie den Kopf. „Und wunderschön. Wie groß ist sie?“

„Können wir immer noch nicht genau sagen. Wir haben die Stadt noch immer nicht ganz erforschen können. Aber wenn man sämtliche Räume, bekannt oder unbekannt, zusammen nimmt, könnte man es mit der Größe aller Räume in Manhatten vergleichen.“

Carols Augen wurden noch größer und Johns Lächeln noch verschmitzter. „Das sagenumwobene Atlantis…Platon hat es in seinen Erzählungen anders beschrieben. Sie ist noch viel größer und …fortschrittlicher, als…als ob sie aus der Zukunft käme und nicht schon so alt sei.“ Nochmals ließ sie ihren Blick zum Horizont und über die Piers schweifen, bis ihr etwas auffiel. „Was ist das?“, fragte sie und deutete dabei weit nach links.

„Das ist die Tristanius. Ein Schlachtschiff.“

„Schlachtschiff? Es sieht nicht aus, wie ein Schiff.“

Normalerweise hätte John sich nach dieser Aussage und dem Gesichtsausdruck seiner Mutter stark beherrschen müssen, um nicht laut los zu lachen, aber ihn bedrückten immer noch die vielen Gedanken und Eindrücke der letzten Stunden. „Es ist ja auch kein Schiff zur See, Mom. Es ist ein … Raumschiff.“

„Ein Raumschiff … das ist doch wohl ein Scherz?“, meinte sie und sah tadelnd zu ihrem Sohn.

Doch dieser schüttelte nur mit dem Kopf. Wieder sah sie zunächst erstaunt, dann irritiert zu dem Schiff und den Piers unter sich. „Und wo ist Land? Ich meine, ich sehe keine Insel, keine Erde, kein Festland oder …“

„Das ist weiter da hinten …“, erklärte John und machte eine eher lässige Handbewegung nach vorne. „… die Stadt schwimmt auf dem Meer.“

„Eine schwimmende Stadt? Natürlich! Und gleich willst du mir wahrscheinlich erzählen, dass sie … keine Ahnung … auch fliegen kann?“

John schmunzelte, entschied sich aber, nicht weiter darauf einzugehen. Seine Mutter würde es entweder nicht glauben wollen, oder es würde sie vollends überfordern. Er konnte bereits jetzt schon sehen, dass all diese Eindrücke und Erkenntnisse der letzten Stunden und Tage sie ziemlich beanspruchten.

Carol hingegen bereute schon fast ihren schnippischen Ton, den sie gerade angeschlagen hatte und entschuldigte sich mit einem reumütigen Blick bei ihrem Sohn.

Schweigsame Augenblicke vergingen, in den beide ihren Blick schweifen ließen und schwiegen, bis Carol erneut von dem Anblick förmlich überwältigt wurde.

„Irgendwie kann ich immer noch nicht glauben, dass wir hier auf einem anderen Planeten sind. Das ist wirklich … unbeschreiblich. Es ist so fremd und vertraut zugleich. So ruhig und friedlich.“

Atlantis war ruhig und friedlich. Ja, das stimmte. Zumindest die meiste Zeit. Aber die Galaxie rundherum? Die war alles andere als ruhig und friedlich. Nicht nur wegen den Wraith, den Replikatoren oder anderen Feinden die noch da draußen lauern mochten. John schluckte als sein Blick unwillkürlich über die Tristanius schweifte.Erneut kehrten die Gedanken an die kommende Mission zurück. An Alexa, die aus Kolyas Fängen befreit werden musste.

Ein kalter Schauer lief ihm bei dem Gedanken an ihn über den Rücken. Krampfhaft versuchte er wieder zur innerlichen Ruhe zu finden, atmete einige Male kontrolliert ein und aus. Er versuchte dabei die Aufmerksamkeit seiner Mutter nicht auf sich zu ziehen, doch es wollte ihm nicht wirklich gelingen, denn die Anspannung und Wut waren zu groß.

Er erinnerte sich, dass sie schon immer ein regelrechtes Gespür für die emotionale Verfassung eines anderen hatte und sie ihn daher doch nur wieder in ein Gespräch verwickeln und ausfragen würde. Doch war es bereits zu spät…

Es fiel Carol schon schwer, sich von dem atemberaubenden Anblick los zu reißen, schließlich war sie ja aus einem andern Grund auf den Balkon gekommen. Denn was jetzt wieder vor ihr geistiges Auge trat, war die Maske des Hasses, die er während des Gesprächs mit dem Entführer gezeigt hatte. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie ihren Sohn so gesehen. Immer wieder huschte ihr Blick zu ihm herüber, wobei er jedoch weiterhin starr geradeaus auf das Meer blickte. Sie besah sich jedes einzelnes Detail seiner Statur, seiner Kleidung und der Ausrüstung, die er noch immer bei sich trug.

Besonders lange blieb ihr Blick auf seiner Waffe hängen, die im Halfter an seinem rechten Bein steckte. Sie fühlte, wie sich in ihrem inneren ein Knoten bildete, wenn sie nur schon daran dachte, dass John diese Waffe auch benutzen würde, ganz zu schweigen von der Vorstellung, dass er dies wohl auch schon haben musste.
Ihre Augen wanderten wieder aufwärts. Ihr fiel seine angespannte Haltung auf, auch wenn er wohl versuchte locker und ruhig zu wirken, konnte sie sehen, dass er einen regelrechten inneren Kampf mit sich auszufechten schien.

Alleine schon seine Hände, die krampfhaft das Geländer umklammerten, bis sich die Knochen weiß hervortaten, zeugten von großer Anspannung. Die zuckenden Muskeln um seine mahlenden Kiefer sprachen ebenfalls dafür. Sie war sich sicher, würde sie ihm gerade direkt in die Augen sehen können, sie würde nur kalte Wut und unbändigen Hass sehen, auch wenn er sich so weit ganz gut im Griff zu haben schien, um beides nicht offen zu zeigen.

Und die Psychologin in ihr wusste in diesem Moment- dieser andere Mann hatte ihrem Jungen etwas angetan. Etwas Schreckliches.

Ihre Neugier, vor allem aber ihre Sorge wuchs weiter an. Sie wusste aber auch, dass es wohl keinen Sinn machte, vorsichtig und mit Bedacht, um Hunderte Ecken herum ihn in ein Gespräch zu verwickeln, in dem er vielleicht den einen oder anderen Hinweis eher versehentlich preisgab. Das hatte vielleicht funktioniert, als er noch ein kleiner Junge war und die Probleme, der Ärger und die Sorgen noch nicht so groß oder besser gesagt, erst gar nicht vorhanden waren. Aber spätestens als Teenager fielen weder er noch Dave nicht mehr auf die eigentlich sonst gut funktionieren Methoden einer renommierten Psychotherapeutin herein und schütteten ihr ihre Herzen aus.

Dennoch hatte John immer ihren Rat und ihre Bereitschaft, jederzeit ein offenes Ohr für ihn zu haben, respektiert und auch schon das eine oder andere mal beansprucht. Meist ging es dabei um Probleme in der Schule, gelegentlich offenbarten sich dabei aber auch schon Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen Vater und Sohn.

Nein, ihr blieb wohl keine andere Wahl. Auch wenn sie sich nicht sicher war, wie er wohl reagieren würde- direkte Konfrontation wäre wohl die einzige Möglichkeit, etwas zu erfahren. Deshalb sah sie ihren Sohn plötzlich ernst an und fragte: „John, wer ist dieser Kolya? Was ist zwischen dir und diesem Mann geschehen?“

Wieder war zu sehen, dass sich seine Haltung noch weiter anspannte, sein Griff sich noch eiserner um die metallene Stange des Geländers legte, und er seine Zähne noch fester zusammenbiss.

Ein kurzer aber intensiver Blick zu ihr folgte. Wobei er anfangs jedoch glaubte, sie mit einem gereizten und ablehnenden Blick davon zu überzeugen versuchte, nicht weiter zu fragen, konnte er nun hingegen in ihren Augen Neugier und Unverständnis, aber vor allem Besorgnis und Angst erkennen. Ihm wurde bewusst, dass sie nicht aufgeben würde, dafür kannte er sie zu gut.

Er war früher schon mehr als einmal Zeuge von ihrer Beharrlichkeit und ihrer Ausdauer geworden, wenn es darum ging, jemanden zum Reden zu bringen oder etwas in Erfahrung zu bringen. Und das nicht nur als Therapeutin, sondern auch in der Rolle als Mutter und Ehefrau. John atmete nochmals tief durch, versuchte seine Stimme beherrscht klingen zu lassen.

„Kolya ist ein Terrorist“, erklärte er kurz und trocken, während er weiterhin auf den Horizont starrte.

„Auf mich macht er eher den Eindruck eines Soziopathen.“

John ging nicht auf die Äußerung seiner Mutter ein. Dass Kolya nicht mehr ganz richtig im Kopf war und schon krankhafte, wahnsinnige Züge zeigte, war ihm nicht entgangen.

„Da ist doch noch mehr, John“, forderte sie ihn leise und einfühlsam auf weiter zu sprechen.

John rang mit sich. Irgendwie verspürte er plötzlich den Drang, ihr alles erzählen zu wollen. Alles, was schon seit Jahren tief in seinem Inneren rumorte, Dinge, an denen er noch immer nagte oder ihn auch schon so manche Nacht schlaflos hatte verbringen lassen. Dinge, über die er noch nicht einmal mit den Psychologen der Stadt, damals Kate Heightmeyer, noch mit dem neuen, diesem Doktor Wingers gesprochen hatte.

Er wusste, sie würde ihm zuhören, wenn er erst einmal angefangen hätte, zu reden. Sie würde ihn nicht drängen, ihn nicht ständig mit irgendwelchen Fragen bombardieren und mit Schlussfolgerungen und eigenen Meinungen, die man ihm einreden wollte, unterbrechen. Ihr könnte er sich vollends anvertrauen. Andererseits wollte er nicht den Fehler begehen, sie noch weiter in Angst und Schrecken zu versetzen und ihr Kummer zu bereiten. Die entsetzten, besorgten und fragenden Blicke vorhin im Kontrollraum waren auch ihm nicht entgangen. John überlegte genau, was er ihr erzählen würde.

„Er versuchte, vor einigen Jahren mit einem kleinen Stoßtrupp Atlantis an sich zu reißen. Rodney und Elizabeth hatte er als Geisel genommen. Ich habe ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht … und am Ende auch noch auf ihn geschossen. Seitdem ist er etwas sauer auf mich.“

„Sauer auf dich? John, ich bitte dich. Ich habe in meinem ganzen Leben, in meiner ganzen Laufbahn noch nie einen solchen …. Rachedurst bei jemandem gesehen. Und was ist mit seinem Gerede, von wegen von den Toten auferstanden und du hättest ihn erschossen? Ich verstehe das nicht!“

John wand sich, doch Carol gab nicht auf. „John? Rede mit mir.“

„Vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren habe ich ihn erschossen.“

Carol schluckte, ihr Blick glitt für einige Sekunden zu seiner Waffe, bevor sie sich wieder fasste und sich auf ihren Sohn konzentrierte. „Erschossen … Entschuldige bitte, aber er sieht noch ziemlich lebendig aus.“

„Tja, das ist ja das große Rätsel und der Grund, dass hier alle… im Dreieck springen.“

„Na dann kann er das ja nicht sein. Vielleicht… vielleicht ist das ja nur jemand, der ihm sehr ähnlich sieht…“

John schüttelte vehement den Kopf. „Er ist es.“

„Aber was macht dich da so sicher? Es könnte auch sein Zwillingsbruder sein, oder…“

„Ich kenne ihn, Mom … Ich weiß, dass er es ist“, brachte er gereizt hervor.

Carol merkte, dass er wohl bald an die Grenzen seiner Geduld stoßen würde. Und genau dies könnte der Moment sein, in dem er vielleicht einfach darauf los reden und mehr preisgeben würde. Das hoffte sie zumindest. Aber es war etwas anderes was sie einerseits überraschte, andererseits irritierte. Er war überzeugt von dem was er sagte.

„Na schön, dann… könnte es denn möglich sein, dass du … na ja, dass du ihn damals vielleicht … nicht… richtig getroffen hast?“ Wieder schüttelte John den Kopf. „Vielleicht warst du zu weit weg, oder …“

„Ich stand gerade mal fünfzehn oder zwanzig Meter vor ihm…ich habe ihn getroffen.“

„Und wenn der Schuss nicht … tödlich war? Wenn er das überlebt hat? Was ist mit einer kugelsicheren Weste?“

„Carson hatte bestätigt dass er tot sei!“

„Wer ist Carson?“

„Carson Beckett war damals unser leitender Stabsarzt. Er war dabei als ich …“

„Könnte er sich geirrt haben?“

John hatte genug. „Er hat sich nicht geirrt. Es war ein direkter Treffer … mitten ins Herz. Er war sofort tot. Er wurde begraben. Carson, Teyla, Ronon und Rodney waren dabei als … Sie waren dabei als ich ihn erschossen habe.“

Carol überlegte. „Könnte er dann vielleicht auch … aufgestiegen sein und wieder …?“

„Kolya?! Mit Sicherheit nicht. Du hast doch Jackson gehört. Zum Aufstieg braucht es bestimmte Voraussetzungen und die hat er garantiert nicht.“

„Was ist dann geschehen?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete John und konnte nicht mehr verhindern, dass seine Gedanken in alle möglichen Richtungen rasten.

-Ein Klon? Aber wer könnte ihn geklont haben? Michael? Immerhin war es sein Fachgebiet. Aber Michael und Kolya kannten sich nicht. Abgesehen davon war Kolya schon länger tot als er und zudem…was sollte er davon haben, wenn er Kolya geklont hätte? Er hätte keinen Nutzen davon, ihm ging es doch immer um etwas ganz anderes. Und woher weiß Kolya nur all das über Elizabeth? Woher hat er den Replikator? Und wenn er doch selbst ein Replikator ist?-

„Und was willst du jetzt tun?“, fragte Carol besorgt und riss ihn somit aus seinen Gedanken.

„Alexa da raus holen.“, erwiderte John knapp. Mehr brauchte sie nicht zu wissen. Der Rest würde sich ohnehin ergeben und er spürte, dass er dieses Gespräch endlich beenden musste.

Erneut musterte Carol ihren Sohn für einige Augenblicke, ehe sie es mit einer anderen Strategie versuchte, um ihn aus der Reserve zu locken. „Diese Alexa … ist es wahr, was er sagt? Ist da etwas zwischen dir und dieser Frau?“


Zur gleichen Zeit in Elishas Quartier

Hektisch hatte der General in einer der Boxen, die Elisha schon vor einigen Tagen von Celtes nach Atlantis gebracht hatte, nach seiner Uniform gewühlt. Auch andere Ausrüstungsgegenstände und Waffen hatte er finden können, nur funktionierten sie nicht mehr.

Während Dorian sie schnell reparieren sollte, befand er sich nun im Badezimmer, machte sich frisch und entschied, in der verbleibenden Zeit, sich noch schnell seines Bartes zu entledigen.

Immer wieder hatte er während seiner Tätigkeit innegehalten, als seine Frau ihm auf die Schnelle erzählte, was in der langen Zeit ihrer Abwesenheit vorgefallen war. Woher die Menschen kamen, die nun in Atlantis lebten, wie sie ihre Tochter gefunden und zurückgebracht hatten und auch wie sie selbst vor einigen Tagen eher durch Zufall auf einem Planeten in einem kleinen alten Dorf gefunden wurde.

Elisha informierte ihn auch über Alexas momentanen Gesundheitszustand, ihre fehlenden Erinnerungen, die nur langsam zurückkehren und die Gehirnaktivität, die mit schmerzhaften Attacken wieder zunehmen würde. Tristans Besorgnis wuchs immer mehr.

„Dann mussten diese Menschen irgendetwas falsch gemacht haben, als sie sie aufgeweckt haben“, schlussfolgerte er, nachdem er mit seiner Rasur endlich fertig war und sich noch etwas kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt hatte.

„Nein, das glaube ich nicht, Pa. Die Kapseln sind so konzipiert, dass man eigentlich nichts falsch machen kann“, wandte Dorian zweifelnd ein, als er die ganze Zeit über das Gespräch seiner Eltern verfolgt hatte und diese nun wieder aus dem Badezimmer kamen.

„Das glaube ich auch nicht. Aber man glaubt, dass sie während all dieser Zeit wohl einem Magnetfeld oder Ionensturm oder ähnliches zu nahe kam und somit die Programmierung der Kapsel durcheinander geriet, was diese Amnesie und die geringere Gehirnaktivität verursacht haben könnte…“

Elisha schwieg wieder und blickte ihn mit einem bedeutungsschweren Blick an. Kurz überlegte er und wandte sich dann wieder zu seinem Sohn. „Könnte das sein? Können solche Phänomene so etwas verursachen?“

„Schwer zu sagen. Theoretisch wäre es möglich. Ich müsste mir die Kapsel genauer ansehen, aber selbst wenn sie solchen Ereignissen zu nahe gekommen wäre, kann ich mir nicht vorstellen, dass es solche Auswirkungen gehabt haben könnte. Es gibt zu viele Sicherungen, die solche Zwischenfälle berücksichtigen oder gar verhindern. Allerdings… wenn man bedenkt, welche Vorgeschichte Alexa… “ Dorian ließ den Satz unausgesprochen.

Tristanius hingegen sah rätselnd zwischen seiner Frau und seinem Sohn hin und her und machte sich Gedanken.

„Ich glaube wir haben damals einen großen Fehler gemacht, Tristan.“

„Die Prozedur? Ihr glaubt, die Prozedur sei schuld daran?“

„Ich weiß nicht. Es wäre doch möglich. Vielleicht im Zusammenhang mit der langen Stase…“

Wieder folgte ein fragender Blick des Elternpaares zu Dorian.

„Seht mich nicht an. Ich kann aus medizinischer Sicht nichts dazu sagen. Aber bei allem andern, muss ich wie gesagt erst einen Blick darauf werfen.“

„Das hat Zeit, bis ich sie wieder hergebracht habe …“, gab der General bedrückt zurück. „… und sie weiß gar nichts mehr?“

„Nur einige Dinge. Hier und da etwas, was ihre Arbeit betraf, kürzlich erinnerte sie sich auch wieder an ihren ersten Ausflug mit einem Torschiff“, brachte Elisha leicht lächelnd hervor.

„Was ist … eigentlich mit Darius? Erinnert sie sich an ihn?“

Sie schüttelte betrübt den Kopf und sah zu ihrem Sohn, dessen Blick nun auch traurig und abwesend durch das Quartier schweifte.

Es versetzte auch ihm jedes Mal einen Stich im Herzen, wenn er den Namen seines einstigen besten Freundes hörte. Auch er vermisste ihn. Dennoch riss er sich wieder zusammen und lenkte seine Gedanken wieder zu den Waffen seines Vaters und zu seiner Schwester. „Kannst du ihr helfen?“, fragte er und legte resigniert die Waffe zur Seite. Um sie wieder funktionstüchtig zu machen, würde er mehr Zeit brauchen.

„Wenn ich doch nur den genauen Grund kennen würde … Die hiesigen Ärzte und auch ich haben sie untersucht. Abgesehen von der eher niedrigeren Gehirnaktivität, konnten wir überhaupt nichts Ungewöhnliches feststellen. Ihre Erinnerungen kehren zwar zurück, wenn auch langsam, aber jedes Mal wenn die Aktivität zunimmt, bekommt sie diese Attacken und … ich kann nichts tun, außer ihr dieses Serum zu geben.“

„Was für ein Serum?“, wollte Tristanius wissen.

„Diese Menschen haben es damals wohl entwickelt, als sie ihren ersten Anfall hatte. Es soll gegen die Schmerzen wirken und auch prophylaktisch vor weiteren schützen. Erst als ich es mir genauer angesehen habe, habe ich erkannt, dass es zwar nicht vorbeugend wirkt, aber großes Potenzial besaß. Wir konnten es dann gemeinsam so weit verbessern, dass es ihr innerhalb weniger Minuten hilft und sie schnell wieder auf die Beine bringt. Ich werde dir nachher etwas davon mitgeben, nur für den Fall, dass sie wieder eine Attacke hatte.“

„Ist gut.“

Wieder schlugen die Gedanken und Sorgen um ihre Tochter, die sich schon seit Stunden in den Händen eines Verrückten befand und gequält wurde, erneut mit fast unbarmherziger Härte zu. Immer wieder sah sie Alexa an diesen Stuhl gefesselt, sah ihre vielen Verletzungen, sah wie man ihr immer neue hinzufügte, sie hörte die höhnische Stimme des Entführers und immer wieder den entsetzlichen Schrei ihrer Tochter, wenn dieses merkwürdige Ding seine Hand in ihren Kopf steckte oder als die Kugel ihr Bein traf.

Sie hatte das Gefühl als würde ihr Herz zerreißen, als würde man es ihr bei Lebendigen Leibe rausreißen wollen. Doch die Stimme und die Berührung ihres Mannes, der vor ihr hockte und ihr Gesicht in seine Hände nahm, riss sie wieder aus ihren Gedanken.

„Sorge dich nicht. Ich werde sie dir wiederbringen“, flüsterte er ihr zu.

„Ich weiß.“

„Tut mir leid, Pa. Aber ich kann die Waffen nicht funktionstüchtig machen. Nicht in dieser kurzen Zeit“, brachte Dorian enttäuscht hervor und ließ auch die gewehrähnliche Waffe resigniert auf das Bett fallen.

„Und wie soll ich ohne Waffen diesen Außenposten stürmen und deine Schwester befreien? Ich kann ja auch ohne Waffen kämpfen, aber in einem solchen Fall bin ich auf sie angewiesen!“

„Es tut mir Leid, Vater. Ich bekomme es nicht hin, Ich müsste sie komplett auseinander nehmen, die Fehlfunktion lokalisieren und dann wieder zusammensetzen. Aber die Zeit reicht dafür einfach nicht! “, verteidigte sich Dorian fast ebenso aufgebracht, wie sein Vater es zuvor gewesen ist.

„Frage doch einfach Colonel Sheppard nach ein paar Waffen. Er wird dir bestimmt welche geben, wenn du ihm erklärst, dass deine nicht mehr funktionieren“, schlug Elisha vor.

Doch Tristanius prustete verächtlich. „Colonel Sheppard! Vertraust du ihm etwa? Vertraust du diesen Menschen?“, wollte er wissen und bemerkte selbst den leicht vorwurfsvollen Unterton in seiner Stimme.

„Alexa vertraut ihnen und du weißt, dass sie ihr Vertrauen niemals leichtfertig vergeben hat. Aber in den letzten Tagen habe auch ich gelernt ihnen zu vertrauen. Wenn diese Leute nicht wären, würden wir immer noch in unseren Kapseln liegen oder wären vielleicht schon tot. Sie haben sich um unsere Tochter gekümmert, sie helfen ihr und uns und vielen anderen Menschen in dieser Galaxie auch. Lerne sie doch erst einmal besser kennen, bevor du dir ein Urteil bildest … und akzeptiere ihre Hilfe. Du weißt, er hat Recht. Alleine würdest du es nicht schaffen, sie da raus zu holen“, sprach Elisha ihrem Mann gut zu und lehnte sich gegen ihn.

Genau wie früher, vernahm sie nun auch wieder dieses leichte Augenrollen und das leise ergebene, knurrende Geräusch aus seiner Kehle. Meist geschah dies, wenn er genau wusste, dass sie Recht hatte und er ihr dann klein beigab.

„Aber er soll mir nicht in die Quere kommen. Glaube mir, ich habe seine Reaktionen im Kontrollraum gesehen, als er mit diesem Kerl gesprochen hat. Er wird die erst beste Gelegenheit nutzen und ihm hinterher jagen. Ich werde nicht auf ihn warten oder ihm Deckung geben, unsere Tochter hat für mich Vorrang.“

Elisha ging nicht weiter darauf ein, sie bedrückte noch etwas ganz anderes. „Es gibt da noch etwas was du wissen solltest … Alexa hat seit kurzem emphatische Fähigkeiten. Sie spürt die Emotionen anderer.“

Überrascht hob der General die Augenbrauen. „Wirklich? Das ist neu. Aber das muss doch nicht schlecht sein. In manchen Situationen kann dies doch eher von Vorteil sein. Sie könnte die Gemütslage ihrer Gegner sehr schnell erkennen und deren nächste Schritte erahnen.“

„Schon, aber … mich beschäftigt etwas anderes. Sie hat mir erzählt, dass sie, während sie auf anderen Planeten war und euch gesucht hat, gelegentlich etwas gespürt hat … eine fremde und mächtige Präsenz, dunkel und böse und eine Besessenheit, die von ihr ausging …“

Schlagartig war es still im Quartier. Sowohl Tristan als auch Dorian starrten Elisha mit großen Augen an. Eine solche Beschreibung hatten sie selbst nur ein einziges Mal zu Ohren bekommen. Vor dreizehntausend Jahren, als plötzlich das unbeschwerte und glückliche Leben ihrer Tochter, eigentlich aller Familienmitglieder und enger Freunde durch den kranken Wahn eines Wissenschaftlers ein jähes Ende fand. Sie wussten wovon Elisha sprach, oder besser gesagt, von wem.

„Er ist tot, Elisha“, versuchte Tristanius sie zu beruhigen.

„Wir haben niemals einen Beweis dafür gefunden. Im Gegenteil, man ging sogar davon aus, dass er womöglich den Aufstieg erreicht hatte. Tristan, ich habe ihre Reaktionen, ihr Verhalten gesehen, als sie es mir erzählte … sie bildet sich das nicht ein … ich glaube, er ist wieder da.“


Auf der Tristanius

„Tja also ich denke, Ihre Fantasie spielt Ihnen einen Streich, Rodney. Sie glauben Colonel Sheppards Vater zu kennen, dabei ist es doch wohl nur die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn, die Ihnen da etwas suggeriert“, erwiderte Radek und versuchte verzweifelt, so schnell wie möglich die Schilde des Schlachtschiffes zum Laufen zu bringen.

Aber noch eiliger hatte er es, Rodneys nerv tötendem Gerede und Rätselraten zu entkommen. Schon beinahe die gesamte halbe Stunde, die ihnen der Colonel gegeben hatte, verbrachte er liegend unter einer der Konsolen auf der Brücke und suchte nach dem Grund für das ständige Zusammenbrechen der Schilde, während McKay, zwar eigentlich mit Hilfe der schematischen Darstellungen der Energieleitungen, das gleiche tun sollte, seine Zeit aber lieber mit dem Grübeln, warum ihm der Vater des Colonels irgendwie bekannt vorkam, verbrachte.

„Nein, nein, nein, nein, das ist kompletter Blödsinn, Radek. Abgesehen davon, gibt es zwischen den beiden so gar keine Ähnlichkeit. Wenn, dann eher mit seiner Mutter. Nein, ich bin hundertprozentig sicher, dass ich ihn schon mal irgendwo gesehen habe. Aber bei den ganzen Leuten, die schon in meinem Leben getreten sind … kein Mensch kann von mir verlangen, dass ich mir jedes Gesicht merken muss.“

„Tut auch keiner, Rodney. Aber Colonel Sheppard hat verlangt, dass die Schilde laufen und zwar in … wenigen Minuten. Also, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich auch einmal bequemen würden und mich hier nicht alleine unter der Konsole nach dem Problem suchen lassen“, entgegnete Radek gereizt und schüttelte fassungslos den Kopf, als er für einen kleinen Augenblick einen eher gelangweilten Rodney McKay, dessen Hände in seinen Hosentaschen steckten, in der Mitte der Brücke stehen sah.

„Übertreiben Sie nicht so, Radek. Ich habe meinen Teil der Arbeit schon längst erledigt. Bei mir liegt der Fehler nicht, er muss bei Ihnen sein. Aber da Sie Ihre Zeit ja lieber mit anderen unwichtigen Sachen zu vertrödeln scheinen, bleibt mir wohl keine andere Wahl, als mich selbst auf den Boden zu legen“, meckerte der Kanadier und machte sich missmutig auf den Weg zu seinem Kollegen.

Doch kaum war er bei ihm angekommen und hatte sich zu ihm herabgebeugt, rief Radek einen entzückten Schrei der Freude in seiner Muttersprache aus. „Oh, díky Bohu! Našel jsem to! Teď jsem ho za krk!” -Oh, Gott sei Dank! Ich habe es gefunden! Jetzt habe ich ihn vom Hals!-

„Was?!“, fragte Rodney perplex.

„Ich habe es gefunden“, erwiderte der Tscheche, während er sich sogleich an die Arbeit machte, das Malheur zu beheben.

„Wirklich? Was Sie nicht sagen. Und wieso klingt dann Ihr Kauderwelsch länger, als das was Sie mir eben übersetzt haben? …“, forderte Rodney mit schnippischer Stimme zu wissen, wobei Zelenka nur mit den Augen rollte. „… und wo soll nun Ihr lang gesuchter Fehler liegen?“

„Bei den Energieleitungen, die zu den Schildemittern führen. Es ist ein einfacher Wackelkontakt. Warum ist mir das nicht früher aufgefallen? Na, ist ja auch egal. Die Zeit für eine fachmännische Reparatur wird nicht reichen, also muss es auch provisorisch gehen.“

„Ja natürlich muss es nun provisorisch gehen, Sie haben ja auch schließlich zu lange gebraucht um … Energieleitungen?“

„Hm?“

„Ja natürlich!“, rief Rodney beinahe ekstatisch aus und schnippte mehrmals mit seinen Fingern.

„Energie! Das ist es! Daher kenne ich ihn! Ha!“

„To bylo dobré. Teď má konečně ztratil svou mysl …“ -Das war es wohl. Jetzt hat er endgültig den Verstand verloren…-

Irritiert aber gleichzeitig auch beunruhigt beobachtete der Tscheche, wie sein Vorgesetzter und Kollege aufgeregt im Kreis ging und sich wie verrückt über etwas zu freuen schien.

„Radek, ich weiß jetzt woher ich ihn kenne.“

„Ah ja?“ brachte Radek skeptisch hervor und fuhr mit seiner Reparatur fort.

„Ja! Es war während der Semesterferien, ich war damals noch ein Student. Habe extra Kanada verlassen um in dieser Zeit in einem Kraftwerk zu arbeiten und praktische Erfahrungen zu sammeln. Wobei ich eigentlich schon genügend Erfahrungen gehabt hätte. Aber sie haben mir nicht mal zuhören wollen!“, regte er sich plötzlich auf.
Doch Radek verstand die Welt nicht mehr. War er jetzt völlig übergeschnappt? Wovon redete er denn da bloß?

„Ich hatte eine geniale Idee, wie man die Speicherung von elektrischer Energie in großen Mengen, aber vor allem die Kraftwerkskapazitäten, die dadurch ganz schön in Mitleidenschaft gezogen wurden und immer noch werden, effizienter gestalten könnte. Aber sie haben einfach abgeblockt. Ich habe wirklich alles versucht. Zuerst ging ich zu meinem Vorgesetzten, der war ja noch halbwegs von meinen Berechnungen und Plänen angetan und hatte mir auch versprochen, mit seinen Vorgesetzten zu sprechen. Aber es kam gleich eine Woche später zu einer Absage. Und das ohne eine Begründung.“

Zunächst hatte Radek wohl ziemlich ratlos und verwirrt aus der Wäsche geguckt, schüttelte dann aber den Kopf und machte mit seiner Tätigkeit weiter, ließ Rodney jedoch weiter lamentieren.

„Also ging ich selbst zu den Verantwortlichen. Sie wollten allerdings nicht verstehen, dass die Kosten für solche Umbauten und Umstellungen nur einmalig seien und sich auf langer Sicht nur profitabel auf die Firma und möglicherweise auch auf die Endverbraucher auswirken würden. Gut es hätte vielleicht eine Zeit lang gebraucht, die Kosten waren auch etwas hoch, aber die Berechnungen waren korrekt und der Plan wäre auch locker ausführbar gewesen.“

„Was Sie nicht sagen“, erwiderte Zelenka diesmal gelangweilt und versuchte immer noch des technischen Problems und dem Verständnis über Rodney Erzählung Herr zu werden.

„Ich habe mir dann nochmal Gedanken gemacht, meinen etwas mehrseitigen Vorschlag überarbeitet und ging zum Vorstand. Doch die ließen mich noch nicht mal vorsprechen. Sie haben mich durch eine Sekretärin wieder wegschicken lassen. Einer Sekretärin! Das müssen sie sich mal vorstellen! Aber dumm wie diese Sekretärin nun mal war, bot sie mir doch glatt die Möglichkeit, meine Verbesserungsvorschläge dem Chef höchstpersönlich vorzutragen. In seinem Büro in der Chefetage habe ich ihn allerdings nicht vorfinden können, also schlich ich mich zurück, durchforstete den Schreibtisch der Sekretärin, als die wohl gerade ihre Kaffeepause hatte und machte mich nach der persönlichen Faxnummer des Chefs schlau. Sicher, ich hätte meine Arbeit auch in seinem Büro liegen lassen und darauf hoffen können, dass es sonst niemand in die Finger bekäme, aber das Risiko war mir zu groß. Und siehe da… einige Tage später bekam ich ein Schreiben, vom Boss höchstpersönlich. Es war zwar auch eine Absage, mit der Begründung, die Kosten seien zu hoch, um nicht zu sagen, untragbar, aber immerhin wollte er das Konzept im Hinterkopf behalten und lobte sogar meine Arbeit und mein Mitdenken.“

„Ach wirklich?“, brachte Radek eher zweifelnd heraus.

„Ja.“

„Und was hat das Ganze mit Colonel Sheppards Vater zu tun?“, stöhnte Radek ergeben und hoffte bald mit seiner Arbeit fertig zu sein, denn Rodney war es mit Sicherheit noch lange nicht.

„Ganz einfach. Dieses Schreiben war vom Firmeneigner höchstpersönlich unterschrieben“, brachte Rodney vor Stolz fast platzend hervor.

„Und? Das ist doch nichts Besonderes.“

„Wenn die Unterschrift aber P Punkt Sheppard lautet schon.“

Radek sah ihn verwirrt an.

„Verstehen Sie denn nicht? P Punkt Sheppard! Patrick Sheppard! Ihm gehört das Kraftwerk, in dem ich damals arbeitete. Ihm gehören mehrere Kraftwerke, er war auf dem Bild, dass ich damals immer in einem der Personalräume gesehen habe. Er ist der Big Boss! Daher kam er mir die ganze Zeit so bekannt vor.“

„Sie haben damals in der Firma von Colonel Sheppards Vater gearbeitet?“, fragte Zelenka irritiert, als er mit seiner Arbeit fertig war und aufstand.

„Ja! Verblüffend nicht wahr? Es war wie gesagt nur während meiner Semesterferien, und ich war wohl für die meisten Angestellten dort eher so etwas wie ein Praktikant, aber ja.“

„Hm, tja. Wissen Sie was? Damals war ein Sheppard Ihr Boss und jetzt hat wieder ein Sheppard das sagen. Das finde ich verblüffend.“ Grinsend verließ ein schadenfroher Radek Zelenka die Brücke und ließ einen völlig verdutzten Rodney McKay zurück.


Auf Kolyas Planet

Kieran hatte sich nicht lange an dem Anblick der geschwächten Gefangenen erfreuen können, denn plötzlich machten sich Zweifel in seinem Inneren breit. Aber es waren keine Zweifel an seinem Vorhaben, sondern eher an der Gefangenen und auch an seiner Beobachtung.

Hatte sie möglicherweise nicht nur aus Verzweiflung und Verlangen nach ihrem Vater gerufen? War es möglich, dass die fremde Stimme, die er eben noch bei der letzten Übertragung gehört hatte, tatsächlich zu ihrem Vater gehörte? War es möglich, dass der Alte tatsächlich noch existierte und nach Atlantis zurückgefunden hatte?

Er kannte Alexas Vater nicht besonders gut. Er hatte ihn vor einer halben Ewigkeit nur einmal kurz gesehen und kennengelernt, als der General höchstpersönlich seine Tochter zur Militärakademie begleitet und dort angemeldet hatte. Und schon damals bemerkte er die starke Persönlichkeit des Mannes. Doch erst viel später erkannte er die Wahrheit, die hinter dieser Persönlichkeit, hinter dessen innerer Stärke und in seinem, vor allem aber im Blut seiner Tochter steckte. Dennoch war er sich beinahe sicher, diese fremde Stimme dem General zuordnen zu können.

Das fehlte ihm gerade noch. Jetzt würde sie wieder, oder besser gesagt immer noch unter den Schutz eines der stärksten Agema`s stehen. Kieran fluchte leise in seiner Muttersprache.

Agema! Wächter aus uralten und absolut reinen Ahnenreihen. Sie besaßen einen immens starken Willen und hohe Intelligenz, genossen eine exzellente Ausbildung, waren im Kampf sehr erfahren und hatten von Natur aus einen ausgeprägten Beschützerinstinkt. Sie waren dazu auserkoren, die Trägerinnen eines ganz spezifischen Genfaktors zu schützen. Eines Genmerkmals, das sie zwar auch selbst besaßen, aber nicht nutzen konnten, im Gegensatz zu den weiblichen Urahnen. Diese Ahnen, deren Erbfaktor, sollte mit der Zeit und der Evolution eigentlich verloren sein. Ebenso die Wächter. Doch es gab eine kleine Handvoll der Urahnen, die ihre genetische Evolution, die Weitergabe dieses Merkmals, äußerst streng kontrollierten und überwachten. Und dazu gehörten auch die Vorfahren des alten Generals.

Er konnte sich zwar schon einmal eines Wächters entledigen, aber der Alte war erfahren, undurchschaubar und würde keinesfalls so schnell aufgeben. Die Atlanter würde er vielleicht ohne viel Mühe vom Hals bekommen, aber der Alte… er würde wohl nicht so schnell aus dem Weg zu räumen sein. Andererseits… er wäre der einzige. Der letzte verbliebende Wächter. Da war sich Kieran sicher. Nirgendwo sonst würde es noch Agema´s geben, die ihm in die Quere kommen könnten und sie schützen würden. Zudem könnte auch das Alter des Generals von Vorteil sein.

Auch wenn eine solche Kapsel, wie die, die Familie Thalis genutzt hatte, sie im Gegensatz zu den anderen nicht altern ließ, so hatte der General mittlerweile dennoch ein Alter erreicht, in dem sich schon die ersten Schwächen und Gebrechen zeigen könnten. Wenn der Vater tatsächlich wieder in seine Stadt zurückgekehrt war, würde er höchstwahrscheinlich an der Rettungsaktion für seine Tochter teilnehmen. Das wäre dann auch gleich die passende Gelegenheit, seiner Verfassung auf den Grund zu gehen und die Schwächen, die ersten Altersschwächen, in Erfahrung zu bringen, von denen er später profitieren könnte. Hätte er dann auch den Alten aus dem Weg geräumt, würde nichts und niemand mehr zwischen ihm und Alexa stehen.

Kieran betrachtete wieder die Gefangene. Noch immer lag sie regungslos am Boden. Sie hatte Kolya kaum Informationen über sich Preis gegeben. Auch der Replikator hatte keinen Erfolg bei der Sondierung. Doch Kieran zweifelte auch an ihm.

Misstrauisch beäugte er ihn. Direkt nach der letzten Übertragung hatte man ihn in seinen Raum gebracht, wo er noch immer still und regungslos an einer Wand stand und auf weitere Instruktionen wartete. Doch Kieran verzichtete darauf, ihn zu befragen. Er wusste dass der Replikator die letzte Sondierung genutzt hatte, um sich mit Alexa ungestört und unbemerkt unterhalten zu können. Er konnte sich denken, was dieser ihr mitgeteilt hatte. Sie würde nun wissen, dass Kolya wiedererweckt wurde und er nun auch einen Komplizen hatte, der mehr an ihr, als an den Atlantern und der Rache an Sheppard interessiert sei.

Genau das kam ihm gerade Recht. Er wollte, dass sie es weiß. Er wollte sie und die Atlanter ins Grübeln bringen, sie genügend ablenken. Eben mit dieser Information über einen plötzlich aufgetauchten Fremden, der sich als Komplize von Kolya entpuppte, der aber auf keinen Fall seinen Namen, seine gesamte Existenz verraten würde. Dafür hatte er bei dem Replikator durch eine entsprechende Programmierung und bei Kolya und seinen Männern durch eine Drohung gesorgt.

Alexa und die Atlanter wären so mit dem Lüften um die Existenz des Komplizen beschäftigt, dass sie gar nicht merken würden, wie genau dieser ihnen immer näher kam und sie schwächte. Das einzige Problem dabei war nun mal das vermutlich erneute Auftauchen des alten Generals. Auch wenn sich sein Ziel nicht mehr an ihn und an die spezielle gemeinsame Vergangenheit erinnerte, ihr Vater hingegen hätte nichts vergessen. Daher wäre es nun umso wichtiger, bei der Befreiungsaktion, nicht von den Atlantern und schon gar nicht von dem Alten entdeckt zu werden und auch keine Spuren zu hinterlassen.

Andererseits war der General nun mal der einzige, der seine Tochter vielleicht nicht mehr ganz so ausreichend schützen könnte. Auch er wäre mit Sicherheit in all diesen Jahrtausenden schwächer geworden.
Und er musste ihn loswerden. Was läge dann näher, ihn noch weiter zu schwächen und ihn in Angst und Schrecken zu versetzen und zu warten bis ihm ein Fehler unterlief?

Kieran verwarf jegliche Gedanken an Sicherheit und Risiko, nahm sich ein kleines Stück Papier und schrieb in einer Uralten Sprache nur fünf kleine Wörter darauf. Er hätte diese kleine Notiz, diese kleine unscheinbare Mitteilung auch auf moderneren Weg übermitteln können, aber diese altmodische und für ihn primitiv erscheinende Art der Kommunikation hatte doch etwas. Kieran verlangte nach etwas Uralten. Also konnte er sich auch einmal etwas Altem bedienen, von dem er wusste, dass nur der Vater die Worte verstehen würde.

Offen legte er den beschrifteten Papierstreifen auf die Mitte des Tisches und fixierte ihn mit einem Glas, so dass er nicht durch kleinere Luftzüge davon geweht werden konnte, aber noch gut zu erkennen und zu finden war.
Langsam wandte er sich wieder dem Replikator zu und aktivierte ein Kraftfeld um ihn herum.

„Das ist nur zu deiner Sicherheit. Du wirst hier in diesem Raum bleiben. Egal, was in den nächsten Minuten oder Stunden geschehen wird, du bleibst hier. Verstanden?“

„Ja, ich habe verstanden“, antwortete der Replikator und sah seinem Erschaffer hinterher, wie er den Raum verlies.

~~~///~~~

Kieran spazierte gemächlich die Flure der kleinen Station entlang. Für einen Augenblick sah er auch noch bei Kolya vorbei und stellte zufrieden fest, dass dieser noch immer tief und fest schlief. Er würde erst aufwachen, wenn Colonel Sheppard mit seinen Begleitern eintreffen würde. Er war sich sicher, dass Sheppard herkommen würde. Nur nicht auf die Art und Weise, wie Kolya es sich vielleicht vorstellte. Er wusste auch, wie der heutige Tag zuneige gehen würde.

Zufrieden aber dennoch wehmütig lächelte er. Zu schade dass dieser erste Spaß zu schnell zu Ende sein würde.
Aber er freute sich bereits auf die kommende Zeit und auf das, was sich noch ergeben würde. Er ließ es sich auch nicht nehmen, weiter zu den Arrestzellen zu gehen und sich dort die bewusstlose Gefangene anzusehen. Wieder musste er dem Drang widerstehen, sie einfach zu ergreifen und mit ihr zu Verschwinden. Doch die danach folgende Zeit, die er benötigen würde, um sie sie von seiner Idee und seinem Vorhaben zu überzeugen, wäre vermutlich extrem lang, kräftezehrend und schwer.

Nein, auf andere Art und Weise würde es wohl besser sein, ihm mehr bringen und auch noch größeren Spaß machen. Abgesehen davon, war er sich noch immer nicht ganz sicher, in wie weit sie sich verändert hatte und das ließe sich nur durch eine genaue Beobachtung, die auch etwas Zeit beanspruchte, in Erfahrung bringen.
Noch einmal sah er sich um, bevor er sich nur einige Sekunden auf das Kontrollpanel konzentrierte. Augenblicklich fiel das Kraftfeld in sich zusammen und das Gitter erhob sich. Mit einem musternden Blick schritt er leise auf die junge Frau zu und blieb dicht bei ihr stehen, um sie zu betrachten.

Sehnsuchtsvoll glitten seine Augen vom Kopf bis zu ihren Füssen, registrierten jeden einzelnen Zentimeter ihres Körpers. Jede Verletzung, seien es Schrammen, Kratzer, Schnitte oder gar die Schusswunde an ihrem Bein hatte auch er spüren können, als sie noch bei Bewusstsein war. Doch am schlimmsten war der Kopfschmerz, der sie heimsuchte und sie in die Ohnmacht getrieben hatte. Er ahnte, dass ihre fehlenden Erinnerungen ein Grund dafür sein konnte. Doch solange sie bewusstlos war, konnte er die genauen Hintergründe nicht herausfinden. Genauso wenig, wie wenn sie wach wäre. Er müsste sich dafür tiefer in ihren Verstand einklinken und das würde ihn schlussendlich verraten. Dafür war es noch viel zu früh.

„Armes Ding. So stark und doch so schwach …“ wisperte er und strich ihr beinahe zärtlich eine Strähne aus dem Gesicht, als er sich zu ihr hinunter beugte. „… zu gerne würde ich dir deine Schmerzen nehmen…ich könnte es, dass würdest du wissen, wenn du dich daran erinnern könntest. Doch es ist noch nicht so weit …. Mach dir keine Sorgen, Alexa, die Zeit wird kommen, in der du mich bitten wirst, dir zu helfen und ich … ich werde für dich da sein. Ich werde dich heilen und schützen, wir werden uns lieben … und du wirst uns beide zu den mächtigsten Geschöpfen machen, die das Universum je beherbergt hat. Du weißt ja gar nicht, was in dir steckt, was durch deine Adern fließt …“

Zaghaft und zitternd strich er ihr über das Gesicht. Es war nur der Hauch einer Berührung, als er seine Finger über ihre Stirn, dann über ihre Augen, die Wange und schließlich über ihre Lippen strich. Das Verlangen nach ihr stieg so plötzlich in ihm an, dass er dieses Mal ernste Schwierigkeiten mit seiner Selbstbeherrschung hatte.
Seine Atmung und sein Puls waren beschleunigt, als er glaubte sich nicht mehr halten zu können und seine Lippen auf die ihren legen zu müssen, sich aber dann doch noch plötzlich von ihr abwandte, die Zelle verlies, das Gitter hinunter ließ und auch das Kraftfeld wieder aktivierte.

„… und du weißt auch nicht, welche Folgen deine Attraktivität auf mich und meine Gefühle hat. Schon bald… Alexa, bald …“, flüsterte er und verschwand in einem grellen gleißendem Licht.


Atlantis

John schüttelte leicht den Kopf und wiegelte ab. „Mom, du hast doch selbst gesagt, dass Kolya ein Soziopath sei. Er ist wahnsinnig, er versucht alles, um mich aus der Reserve zu locken…“ Er sah nur kurz zu seiner Mutter, die ihn immer noch besorgt musterte. „…Nein, da ist nichts zwischen uns. Alexa ist ein Mitglied meines Teams….“ Er machte eine kurze Pause. „… ich werde sie nicht zurücklassen.“

„Genauso … wie deine Kameraden damals in Afghanistan?“

Überrascht sah er wieder zu Carol, die auch gleich erschrocken von seinem teilweise wütend wirkenden Blick fortfuhr.

„Dein Vater, Dave und Doktor Jackson haben mir vorhin erzählt, was damals geschehen ist.“

„Ja, ich bin sicher … Dad … war sehr ausführlich dabei“, erwiderte John bitter und mit einem leicht ungläubigen Kopfschütteln.

„Eure Streitigkeiten sind demnach noch schlimmer geworden“, schlussfolgerte Carol betrübt.

„Er hat seine Standpunkte und Meinungen … ich habe meine“, antwortete John mit einem Schulterzucken, doch die Mutter sah, dass es in ihm wühlte und rumorte. Es musste ihm mehr zu schaffen machen, als er bereit war zuzugeben.

„Das ist offensichtlich, ja … John, ich erinnere mich daran, dass du mir einmal versprochen hast, ihm entgegen kommen zu wollen. Und jetzt erfahre ich, dass du zum Militär gegangen bist …“

„Ich habe mein Versprechen nicht gebrochen, Mom“, erwiderte John schnell und merkte, dass er allmählich die Geduld verlieren würde.

Abermals kamen unangenehme Gedanken, Erinnerungen und Emotionen in ihm hoch, als er sich an jenen Tag erinnerte, an dem er seiner Mutter ein Versprechen gab und sie dann für immer verloren zu haben schien.

„Aber du bist Soldat geworden. Das war doch nicht sein Wunsch John und meiner auch nicht.“

„Das vielleicht nicht, aber ihm entgegen zu kommen, war auch nicht das einzige Versprechen, dass ich dir gegeben habe, erinnerst du dich?“

„Und du dachtest, indem du dem Militär beitreten würdest, könntest du dieses Versprechen am besten einhalten?“

„Mom, ich habe … ich kann jetzt wirklich nicht…“

„John ich möchte nur wissen, warum du zum Militär gegangen bist. Ist das denn so schwer zu verstehen?“ fragte Carol leise, beinahe verzweifelt und legte ihre Hand auf seine Schulter.

John drehte sich zu ihr um, sah einen Moment erneut die Sorge, Neugier und Verzweiflung in ihren Augen und musste erneut mit seinen Empfindungen ringen. „Hast du etwa … glaubst du denn, ich hätte meine Versprechen, die ich dir damals gegeben habe, gebrochen? Habe ich dich … irgendwie verletzt … oder enttäuscht?“

Erschrocken sah sie zu ihm auf. Es war nicht seine beinahe gereizt klingende Stimme, die Anspannung, die seinen Körper immer noch im Griff zu haben schien oder das er begann, aufgebracht mit seinen Händen zu gestikulieren, es war sein Blick, der von Angst, Reue und Kummer gezeichnet war. Carol wurde klar, dass es nach ihrem Tod damals eine schreckliche Zeit für die ganze Familie gewesen sein musste.

Sie erinnerte sich, dass es schon sehr früh zu Meinungsverschiedenheiten und manchmal auch sehr heftigen Streitereien zwischen John und seinem Vater gab. Auch Dave geriet schon das eine oder andere Mal mit seinem Vater aneinander, aber im Gegensatz zu seinem älteren Bruder war er sehr schnell einsichtig und folgsam seinem Vater gegenüber. Aber John… John hatte schon immer seinen eigenen Kopf. Einen Dickkopf den er zweifellos von seinem Vater geerbt haben musste. Und wenn beide aufeinander trafen, krachte es schon mal gewaltig im Hause Sheppard. Manchmal wurde es sogar so schlimm, dass Carol alles an Verhandlungstechniken, diplomatischen Geschick oder Vermittlungsversuchen einsetzen musste, um die hitzigen Gemüter zu beruhigen.

Doch je älter John wurde, desto weniger brachten diese Mittel etwas. Mehr als einmal half nichts anderes mehr, als selbst einmal die Stimme zu erheben und beide zu trennen, was John meist dazu veranlasste, wütend das Haus zu verlassen und oft für ganze Tage und Nächte bei Freunden unter zu tauchen oder sich in das Strandhaus zurückzuziehen, dass die Familie zu den vielen anderen auch besaß.

Was musste, oder viel eher, wie musste es nach ihrem Ableben zwischen den beiden zugegangen sein? Sie wagte es nicht recht, sich das vorzustellen. Auch bezweifelte sie, dass sie es jemals erfahren würde, auch wenn sie noch so neugierig und besorgt sei, nichts und niemand würde ihr auf irgendeine Weise helfen, mehr aus seiner Vergangenheit mit seinem Vater herauszufinden.

„Du hast mich nicht verletzt oder enttäuscht John. Das hast du noch niemals getan. Ich möchte nur verstehen, was dich zum Militär … was geschehen ist, als ich nicht mehr…“

„Ich kann dir das nicht sagen … nicht jetzt. Ich habe dir versprochen, dass wir darüber noch sprechen werden. Aber ich muss mich im Moment auf andere Dinge konzentrieren.“

~~~///~~~

„Worüber sie wohl so lange sprechen?“, fragte Dave, mehr an sich selbst gerichtet, als an seinen Vater oder gar Doktor Jackson, der sich mit der restlichen Familie Sheppard noch immer im Kontrollraum befand und dem emsigen Treiben der Techniker und Wissenschaftler zusah.

„Sprechen? Die einzige Person, die da wohl spricht, dürfte deine Mutter sein. John bekommt garantiert wieder mal den Mund nicht auf. Das kennen wir doch. Hätte sie mich gefragt, hätte ich ihr gleich gesagt, dass sie bei ihm auf Granit beißt. Vergebene Liebesmüh!“ knurrte Patrick, der dem Blick seines jüngsten Sohnes gefolgt war und nun zum Balkon sah, auf dem er seine Frau bei John stehen sah, die ihm anscheinend beruhigend über den Arm strich.

Er wusste und erinnerte sich daran, dass seine Frau immer gerne mal die Beziehung zu ihren Söhnen etwas inniger gestaltet hatte. Aber seiner Meinung nach hatte sie die beiden zu sehr verwöhnt und verhätschelt. Während Patrick seine Söhne zu selbstständigen uns stolzen Männern und knallharten Geschäftsleuten erziehen wollte, befand es seine Frau für wichtiger, mit John und Dave vieles gemeinsam zu unternehmen und sich währenddessen mit ihnen über Gott und die Welt zu unterhalten, vor allem aber ihre Gemütslage ständig im Auge zu behalten und mit Gesprächen zu analysieren.

Nicht selten verbrachte sie Nachmittage und Wochenenden mit ihnen auf Spielplätzen und in Abenteuer- und Erlebnisparks. Je älter sie wurden, desto verrückter wurden die Ideen von ihr, Dave und John. Sogar auf Achterbahnen wollten sie sie mitschleppen, doch Carol riss nach ihrer ersten unangenehmen Erfahrung mit einer solchen Achterbahn das Steuer um und versuchte ihren Jungs ein Riesenrad schmackhaft zu machen, was bei John natürlich ebenfalls in helle Begeisterung ausbrach. Liebte er doch alles was schnell, oder möglichst in luftiger Höhe war und auch nur im Entferntesten mit der Fliegerei zu tun hatte.

Den Vogel schoss sie allerdings ab, als sie mit einem sechzehnjährigen John und einem dreizehnjährigen Dave zu einem Kongress der Psychologen in Palm Springs gereist war. Es war Patrick ja schon zuwider, dass seine Söhne nicht zumindest einen Teil ihrer Schulferien mit lernen oder Ferienjobs verbringen wollten. Nein, sie begleiteten lieber ihre Mutter zu einer zweitägigen Tagung, in der über die verschiedensten seelischen Störungen und Krankheitsbilder und neue Therapieformen gesprochen wurde.

Und als ob das nicht schon schlimm genug gewesen war, spendierte sie den beiden im Anschluss daran auch noch eine ausführliche Führung durch das Flugzeugmuseum, was bei John natürlich für noch größere und träumerische Höhenflüge sorgte. Von jenem Tage an hatte John nur noch eines im Kopf. Ganz zu schweigen von der Tapete in seinem Zimmer, die anstatt mit den ersten Postern von leicht bekleideten Frauen beklebt, lieber von den neuesten Flugzeugmodellen überdeckt, oder besser gesagt ersetzt worden war.

Doch das war nur die Spitze des Eisbergs. Der Schalter zur Fliegerei wurde an seinem siebzehnten Geburtstag völlig umgelegt. Carols ganz besonderes Geburtstagsgeschenk an ihren Ältesten bestand aus einem Besuch bei einer Flugshow der Air Force in San Francisco und endete damit, dass sie es sogar schaffte, einen Piloten zu überreden, dass John sich mal in einem der neumodischen Kampfjets setzen zu durfte.

Während Dave die ganze Szenerie eher mit verhaltener Begeisterung beobachtete, bemerkte Patrick mit einem äußerst flauen, um nicht zu sagen grollenden Bauchgefühl, wie John sich nur mit äußerste Mühe zurückhalten konnte, nicht irgendetwas anzufassen oder in die Hand zu nehmen, was ihm ja natürlich strikt verboten wurde.
Carol hingegen platzte fast vor Stolz über Johns Neugier, Wissensdurst und Intelligenz, die sogar den Piloten, überraschte. Schlimmer war allerdings die Erkenntnis, dass John schon beinahe genauso viel wusste wie der Pilot selbst, manchmal sogar mehr, als dieser Major, dessen Namen er nicht mehr wusste.

Sein Tod, wohlgemerkt im übertragenen Sinne, trat ein, als dieser Major Ich-setze-diesem-Jungen-Flausen-in-den-Kopf seinem Ältesten sagte, dass er eines Tages einen hervorragenden Piloten abgeben würde. Von diesem Moment an lag ein unbeschreibliches Funkeln in Johns Augen, dass noch immer nach all dieser Zeit aufleuchtete, wenn es sich um fliegen oder Flugzeuge drehte.

Dieses Funkeln sollte niemals vergehen, auch wenn Patrick alles daran setzte, seinen Sohn wieder „auf die richtigen Bahnen“ zu lenken, was ihm nur sehr schwer und mühevoll, aber auch nur zeitlich begrenzt gelungen war.

~~~///~~~

„Ich habe dir doch gesagt, er ist tot Elisha“, brachte Tristan ruhig und geduldig hervor, wobei er jedoch merkte, dass diese Geduld sehr bald erschöpft wäre. Seine Nerven waren ohnehin bis zum Zerreißen gespannt. Stand doch das Leben seiner Tochter auf dem Spiel.

„Und ich habe dir gesagt, dass sie es sich nicht einbildet …“, erwiderte sie entschieden. „… und so Leid es mir tut, aber ich bezweifle, dass sie ihn damals wirklich erschossen hat. Du weißt, dass er jeden das denken und sehen lassen kann, was er will, oder was er zu seinem Vorteil nutzen kann.“

Rätselnd und mit dem Kopf schüttelnd schritt er zum Fenster, um nur kurz einen Blick auf das riesige Schlachtschiff zu werfen, dass seine Tochter ihm zu Ehren nach ihm benannte. „Ich weiß nicht Elisha. Sie hätte es doch gemerkt, wenn er sich an ihrem Verstand …“

„Hätte sie es wirklich? Du hast gesehen, was er mit ihr gemacht hat. Was er ihr angetan hat. Es war ein Wunder, dass sie es überhaupt noch nach Hause zurückgeschafft hatte. Nein, er hatte mit ihr gespielt, er hatte ihr etwas vorgemacht“, erklärte die Antikerin.

„Und er hat es vermutlich erneut vor …“, schloss Dorian sich der Meinung seiner Mutter an, als er aus dem Badezimmer kam und sich ebenfalls etwas frisch gemacht und umgezogen hatte.

Auch ihm schien seine alte Kleidung nun etwas zu groß zu sein. Die langen Monate, die Vater und Sohn ständig auf der Suche verbrachten, von einem Planeten zum anderen reisten und so manche Mahlzeit hatten ausfallen lassen, hinterließen Spuren bei den beiden. „… ich frage mich nur… warum jetzt? Ich meine, Kieran hatte über dreizehntausend Jahre Zeit, sie einzusammeln und…“

„Hast du ihnen davon erzählt? Hast du diesen Menschen das mit Kieran erzählt, oder etwas über die Prozedur, die wir bei ihr vornehmen mussten?“, unterbrach Tristan seinen Sohn und wandte sich wieder an seine Frau.

„Nein, natürlich nicht. Ich werde ihnen auch nichts sagen. Aber … was machen wir nun?“

„Als erstes die Ruhe bewahren. Als zweites werde ich sie zuerst einmal zurückbringen. Verzeih Elisha, ich bezweifle, dass er zurückgekehrt ist. Alexas emphatische Fähigkeiten spielen ihr wohl einen Streich. Du hast selbst gesagt, dass sie es nicht kontrollieren könne. Ich werde mit ihr sprechen, sobald sie zurück ist und es ihr besser geht. Danach sehen wir weiter“, erklärte der General bestimmt und machte sich daran das Quartier zu verlassen.

~~~///~~~

John hatte es geschafft, seine Mutter zu beschwichtigen und sie erneut auf einen anderen Zeitpunkt zu vertrösten, an dem er mit ihr über seine Vergangenheit und seinem Entschluss dem Militär beigetreten zu sein, reden würde.
Zunächst galt es jedoch andere, wichtigere Dinge zu erledigen.

John aktivierte sein Funkgerät. „Wie sieht´s aus Rodney?“, wollte er von McKay wissen.

„Ich arbeite schon so schnell wie menschenunmöglich!“, schrillte McKay`s gereizte Stimme durch das Kommunikationsgerät.

„Arbeiten Sie schneller, McKay! Die halbe Stunde ist gleich um.“

„Ich denke, ich habe es! Ich kann allerdings nicht garantieren, dass die Schilde konstant laufen werden, Zelenka hatte zu lange gebraucht, um das Problem zu finden. Also konnte es nur provisorisch gerichtet werden, aber ich lasse ihn hier. Er wird sich im Notfall darum kümmern müssen!“, antwortete Rodney in seiner üblichen Manier, wobei sich John regelrecht vorstellen konnte, wie Radek wohl hinter ihm stand, mit den Augen rollte und leise einen tschechischen Fluch aussprach.

„Einverstanden. Kommen Sie wieder zurück. Major Lorne, melden Sie sich sofort im Kontrollraum“, forderte John und sah dann wieder zwischen seiner Mutter und dem Schiff hin und her.

„Willst du sehen, wie es startet?“, fragte John mit einem schelmischen Lächeln.

„Nur wenn dein Bruder und dein Vater es auch sehen können“, antwortete sie mit beinahe dem gleichen Lächeln.
John wusste sofort, worauf sie hinaus wollte.

Er sollte auf seinen Vater zugehen und ihn dazu einladen, sich mit ihm und vielen anderen den Start anzusehen. Es sollte so etwas wie ein kleiner symbolischer Schritt sein, der die Familie wieder etwas näher bringen sollte. Doch John wusste, dass es dazu mehr bedarf, als nur die Einladung zu einem Start eines Raumschiffes. Und er wusste auch, dass dies auch ihr bewusst war. Nur für wenige Augenblicke dachte er darüber nach, gab dann aber dem bittenden Augen und dem überzeugendem Lächeln seiner Mutter nach.

Gerade als er Lorne im Kontrollraum erscheinen sah, begab er sich in Begleitung seiner Mutter wieder nach drinnen. Nur kurz warf er seinem Bruder und seinem Vater einen eher nichtssagenden Blick zu, beobachtete wie sich seine Mutter wieder an die Seite ihres Mannes stellte und sich an seinem Arm einharkte.

„Major, Sie werden mit der Tristanius nach M8Z-087 fliegen. Zelenka wird mit Ihnen kommen und sich um die Technik kümmern. Sobald Sie in der Umlaufbahn angekommen sind, geben Sie uns Bescheid. Die ganze Aktion muss zeitlich getimt sein. Warten Sie dann auf weitere Anweisungen“, instruierte er seinen Stellvertreter, der sich mit einem „Ja Sir!“ sofort auf den Weg machte.

Es dauerte nur einen Moment bis auch McKay wieder im Kontrollraum auftauchte, zusammen mit der Antiker-Familie im Schlepptau.

„Sie lassen diesen Major Lorne das Schiff fliegen?“, fragte Tristanius etwas konsterniert, als er die letzten Stufen zum Kontrollraum hinaufstieg.

„Ja Sir, machen Sie sich keine Sorgen. Er hat schon mal ein lantianisches Schiff kommandiert. Er bekommt das schon hin“, erwiderte John vertrauensvoll und hoffte, ihn dadurch etwas zu beruhigen und zu besänftigen.

Er hatte den Eindruck, dass der General mit jeder Minute, in der er nun wieder in Atlantis sei, andere Menschen kennenlernte, andere Technologien und Vorgehensweisen erlebte, eben alles das ihm fremd und merkwürdig vorkam, nervöser, vor allem aber misstrauischer wurde. Aber konnte man es ihm verdenken?

Durch einen Überfall während eines Besuchs auf einer Forschungsstation, sein ganzes bisheriges Leben, wie er es kannte, wurde auf den Kopf gestellt. Dreizehntausend Jahre vergingen, in denen er regelrecht auf Eis lag und dann, als er erwachte, musste er feststellen, dass seine Familie auseinander gerissen worden war. Nichts war mehr so wie er es kannte. Seine Heimat konnte er nicht mehr erreichen. Er musste auf hartem Wege feststellen, dass sich in all diesen Jahrtausenden vieles verändert hatte. Kein Zugriff auf Technologie, kein festes Zuhause, Gefahren wie zum Beispiel Begegnungen mit anderen Völkern, die nicht gerade gut auf Fremde zu sprechen waren, oder die Wraith, von denen er bisher ja noch nicht wusste… seine Freunde, Kollegen und Bekannte existierten schon lange nicht mehr. Das einzige was ihn wohl voran getrieben hatte, was ihn zum Überleben überredete, war die Hoffnung seine Familie wieder zu finden, wenn auch alles andere für ihn verloren schien.

Das hier war seine Stadt gewesen, er hatte das Oberkommando. Dutzende, ach was hunderte Leute dienten einst unter seinem Kommando. Alles wurde mit einem Schlag ausgelöscht und nun kehrte er zurück und glaubte, seine Familie wieder in die Arme schließen zu können, musste dann aber erfahren, dass er kurz davor war, ein Mitglied seiner Familie, seine Tochter, sein jüngstes Kind an einen Wahnsinnigen zu verlieren.
Wer wäre da nicht gereizt, misstrauisch und vermutlich sogar wütend?

„Abgesehen davon hat Alexa nur wenigen den vollen Zugriff auf das Schiff ermöglicht. Sie hat sehr genau darauf geachtet, wer es fliegen darf und wer nicht. Ich habe dir doch gesagt, dass sie diesen Leuten vertraut und du kennst sie doch. Sie weiß, was sie tut“, schaltete sich nun auch Elisha ein und drückte sich kurz an seinen Arm um ihn zu beruhigen, bevor er sich erst richtig aufregen würde.

Mit großen Augen hatten Carol, Dave und Patrick der kurzen Konversation zwischen John und diesem außerirdischen General gelauscht und musterten nun auch seine Frau mit neugierigen und teils zweifelnden Blicken. John konnte sich praktisch denken, was in den Köpfen seiner Familie gerade vor sich ging. Bevor es möglicherweise noch zu peinlichen, unpassenden Fragen oder Kommentaren kommen würde, stellte John die beiden Familien und Doktor Jackson einander vor.

„Äh, General, Misses Thalis, Dorian, ich möchte Ihnen meine Familie vorstellen. Meine Eltern, Carol und Patrick Sheppard und Dave, mein Bruder und das ist Doktor Daniel Jackson. Leute, das ist Alexas Familie. General Tristanius Thalis, seine Frau Elisha und ihr Sohn Dorian.“

Während man sich zur Begrüßung die Hände reichte, die beiden Frauen sogar verhalten lächelnd einige Worte austauschten, wurden die Antiker immer noch staunend betrachtet.

„Das Schiff startet jeden Moment, Sir. Wenn Sie es sich ansehen wollen …“, erklärte John und wies dabei auf den großen Balkon, bevor er sich dann wieder seiner eigenen Familie zuwandte.

„Äh …“, begann John zögerlich, bis er sah dass seine Mutter ihm ermutigend zunickte. „… wollt ihr auch mal ein Raumschiff starten sehen? Es ist zwar kein Spaceshuttle, aber…“, sagte John und wartete nervös auf eine Antwort oder zumindest auf eine Regung. Doch sein Blick lag öfters und auch länger auf dem Gesicht seines Bruders, als auf dessen seines Vaters.

Doch gerade dieser ging auf Johns Vorstoß ein. Wenn auch zweifelnd. „Raumschiff?“

John nickte nur einmal kurz, seine Mutter kam ihm zu Hilfe. „Ja Patrick! Das musst du dir ansehen. Es ist so riesig. So was habt ihr noch nicht gesehen. Und diese Stadt … sie ist … noch viel größer und schöner, als ihr es euch vorstellen könnt!“

Carols Begeisterung und Enthusiasmus schlug nun auch auf ihren Mann und ihren jüngeren Sohn über, die John überrascht und fragend ansahen. „Los John. Zeig deinem Vater und deinem Bruder, was ich meine“, bat Carol lächelnd und drängte ihre drei Männer in Richtung Balkon.

John unterdrückte ein Kopfschütteln als er gerade noch sah, dass Daniel Jackson ihnen lächelnd folgte.

Zusammen mit Doktor Jackson und den beiden Wachen, die ständig die Neuankömmlinge bewachten und begleiten sollten, betraten sie den Balkon und gesellten sich zu den Antikern. Doch die Schritte von Dave und Patrick verlangsamten sich, als sie den endlosen Horizont und nichts weiter als riesengroßen und tiefblauen Ozean erblickten.

Genau wie bei seiner Mutter zuvor, beobachtete John mit einem Hauch Stolz in der Brust, wie sich seine Familie staunend und sprachlos ihre Umgebung ansah.

„Colonel Sheppard, wir sind bereit zum Start“, hörte man Lornes Stimme durch das Funkgerät.

„Verstanden Lorne, dann legen Sie mal los und Major … bitte lassen Sie das Schiff an einem Stück. Wenn auch nur ein Kratzer dran kommt, werden Köpfe rollen … und zwar unsere, nachdem Alexa sie uns abgerissen hat“, erklärte John und wusste genau, das Lorne grinsend im Kommandostuhl sitzen musste.

„Ja Sir, ich werde mich bemühen. Lorne Ende.“

Augenblicke später hörte man nur das leise und dumpfe metallische Geräusch, als die Andockklammern gelöst wurden und das Schiff einige Meter von Atlantis wegtrieb. Kaum hatte es den Mindestsicherheitsabstand erreicht, fuhr auch schon der Antrieb hoch und ließ das Schiff in Unmengen von aufsteigendem Wasserdampf Meter für Meter in die Höhe steigen…

Fast eine halbe Stunde war vergangen, in der man zusah, wie das Raumschiff startete, sich immer weiter in die Höhe erhob, sich in einen winzigen kleinen Punkt verwandelte und zum Schluss gar nicht mehr gesehen wurde.
Immer wieder bat Carol mit einem Stoß in Patricks Rippen, ein Gespräch mit seinem ältesten anzufangen. Doch es kamen anfangs nur Fragen über Atlantis, dessen Technologie und die Arbeit, die das Erforschen einer  fremden Galaxie so mit sich bringt. Doch mittlerweile hatte Sheppard Senior es geschafft, John einige Fragen zu stellen, die eher ihn alleine betrafen. Zum Beispiel was genau denn nun seine Aufgabe wäre. Und John beantwortete sie. Doch wirklich sicher, worauf dieses Frage-Antwort-Spiel hinaus laufen sollte war er sich erst, als er zufällig beobachtete, wie seine Mutter seinem Vater wieder einen kleinen Schubser gab.

„Dann warst du also all die Jahre hier und hast fremde Planeten erforscht?“, fragte Patrick weiter.

„Ja, die letzten sechs Jahre, beinahe.“

„Und du hast hier das Kommando, oder ist Mister Woolsey…“

„Woolsey ist der Leiter der Expedition, auf ziviler Ebene. Das Militär auf dieser Basis untersteht mir.“

„Und das Militär ist wohl für die Sicherheit der Expedition verantwortlich“, schlussfolgerte sein Vater.

„Wenn Mister Woolsey mal ausfällt oder nicht da ist, dann übernimmst du?“, fragte Carol, wobei sie die Antwort eigentlich schon längst wusste.

Ihr ging es jedoch darum, dass John, Dave und ihr Mann sich wieder etwas unterhalten und dass John ganz nebenbei noch etwas mehr über sich und seine Arbeit verriet. Abgesehen davon, dass sie der Meinung war, dass ihr Ältester stolz auf sich sein konnte und dies auch seiner Familie zeigen sollte.

Und John wusste ganz genau, was sie da gerade vorhatte. „Jep.“

John wurde aus dem Ausdruck dem ihm sein Bruder und sein Vater gerade zuwarfen, nicht wirklich schlau. Waren es Zweifel, Belustigung, Unglaube oder war da vielleicht schon eine winzig kleine Spur von Anerkennung, Bewunderung oder gar Stolz?

„Dann haben Sie den gleichen Posten, den meine Tochter inne hat“, meldete sich nun auch Tristanius zu Wort.

„Ja Sir, sieht ganz so aus.“

„Sie haben allerdings keine Befehlsgewalt über sie…“

„Genauso wenig wie Ihre Tochter über mich und meine Leute …“, unterbrach John ihn gleich.

„Aber wir arbeiten zusammen … in einem Team.“

Tristanius knurrte kaum hörbar. „Ich gehe davon aus, dass das nicht gut funktioniert hat. Unsere militärischen Vorgehensweisen, Taktiken, Erfahrungen und Fähigkeiten unterscheiden sich wohl zu sehr von den Ihren.“

„Oh, ich weiß nicht, General. Wir sind uns ähnlicher als sie denken.“

Nun war es der Gesichtsausdruck des Generals, aus dem John wieder nicht schlau wurde. „Sie sagten vorhin, dass Ihr Major Lorne schon mal ein Schiff unseres Volkes geflogen hatte. Wo ist dieses Schiff jetzt? Wie ist seine Kennung?“

„Es hieß Orion.“

„Das sagt mir nichts.“

„Wir haben es so genannt. Ursprünglich hieß es…“ John sah sich fragend nach Rodney um, der ihm auch prompt aushalf.

„Hipofaralcus.“

„Hipofaralcus?! Interessant. Hipofaralcus war einst ein General. Schon lange vor meiner Zeit war er bereits eine Legende. Sein Leben, seine Arbeit, einfach alles war ein Pflichtfach während meiner Ausbildung. Und was meinen Sie mit `Es hieß´? …“, fragte der Antiker nun und sah fordernd zu seinem Gesprächspartner. „Sie wollen mir doch jetzt nicht sagen, dass…“

„Doch leider. Es wurde im Kampf gegen die … Wraith zerstört.“, gab John zögernd zurück, aber nicht aus Angst vor der Reaktion des älteren Mannes, sondern eher vor der Neugier seiner Familie.

Durch seine Antwort hatte er ihnen wieder einmal Informationshäppchen vorgelegt, die sie früher oder später mit Bestimmtheit aufgreifen und genauer nachfragen würden. Und wie sollte er ihnen beibringen, dass es in dieser Galaxie Kreaturen gab, die den Menschen mit ihren Händen das Leben aussaugten? So schonend wie möglich? Oder am besten gar nicht? John kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken und einem Weg zu finden, die Neugier seiner Familie zu stillen, ganz zu schweigen davon, die fragende Sorge, die wieder in den Augen seiner Mutter lag, zu beruhigen.

„Sie haben bestimmt schon von ihnen gehört, vielleicht auch welche gesehen. Sie sind groß, grünhäutig, ziemlich hässlich und …“ Was sollte Sheppard nun sagen? Es gab nun keine andere Beschreibung mehr, die auf sie zutraf, abgesehen von jenem Teil, den er eigentlich lieber auslassen würde.

Doch wieder war es Rodney, der ihm zu Hilfe kam, nur diesmal unerwünscht. „… saugen den Menschen mit ihrer Hand das Leben aus.“

John kam noch nicht einmal richtig dazu, die Augen zu verdrehen und Rodney einen giftigen Blick zuzuwerfen, als ein erneuter schockierter Ausruf seiner Familie ertönte.

„Was?!“

„Das ist ein Scherz, oder?!“ fügte Sheppard Senior noch hinzu.

Und auch dieses Mal konnte John nicht mehr darauf eingehen, denn Tristanius erinnerte sich an eine Begegnung mit den Wraith. „Oh ja. Ich habe von ihnen gehört. Ja, es sind wirklich … üble Zeitgenossen …“, pflichtete Tristanius ihm knurrend bei und sah dabei zu seinem Sohn, der irgendwie angespannt wirkte.

Er wusste, das Dorian schon mehrmals während ihrer Suche auf diese Wesen getroffen sein musste. Er war nur froh, dass er ihnen jedes Mal entkommen oder sich verstecken konnte.

„John, das ist doch wohl ein Scherz?!“, forderte Carol energisch zu wissen.

„Jetzt … also … nein. Jetzt beruhigt euch erst mal. Können wir später darüber sprechen?“, bat John verzweifelt.

Allmählich wurde es ihm zu viel. Neugierige Familienmitglieder, die unangenehme Fragen stellten und dadurch noch unangenehmere Erinnerungen wach riefen und ein Antiker General, der offensichtlich wieder voll in seinem Element war und so schnell wie möglich, durch ebenso unpassende und unbequeme Fragen und Kommentare das Kommando übernehmen zu wollen schien.

„…Sie werden mir zu einem anderen Zeitpunkt sicherlich mehr dazu und … zu den letzten Jahrtausenden erklären…“, gab Tristan in einem typisch militärischen Ton von sich und wandte sich wieder an seine Frau. „…du wolltest mir für Alexa etwas mitgeben …“

„Ja natürlich. Ich hole es, aber Dorian, du musst mir bei etwas helfen.“

„Geh mit deiner Mutter“, wies der General seinen Sohn an, sah den beiden hinterher und wandte sich dann wieder an die restliche Gesellschaft auf dem Balkon.

„Colonel, ich muss gestehen, es ist mir etwas … peinlich, aber nach all dieser Zeit sind meine Waffen wohl etwas …“

„Verstehe. Sicher, kein Problem. Wir können Ihnen gerne aushelfen. Allerdings mache ich mir immer noch Sorgen um Ihre Verletzung, Sie sollten vielleicht besser …“

„Ich sagte Ihnen bereits, kümmern sie sich nicht um mich. Sorgen Sie sich lieber um sich und ihre Männer“, erwiderte Tristanius und verließ den Balkon.

„Man, was ist denn das für ein Brocken?“, fragte McKay verwundert.

„Ein General, Rodney“, lautete Johns Antwort.

„Ja, aber was für einer? Kommt mir eher vor wie einer dieser Drill-Sergeants des Militärs. Ob er auch so mit seiner Tochter umspringt? Eines sage ich Ihnen, mit mir macht er das nicht. Er hat sowieso keine Befehlsgewalt mehr … Oder?“

John antwortete nur mit einem kurzen skeptischen verziehen seiner Grimasse und folgte dem General in den Gateraum, doch für Rodney eröffnete sich gerade eine andere gute Gelegenheit.

„Ähm, äh, Mister Sheppard, ich wollte die Gelegenheit gerne nutzen…“ Schnell preschte er hervor und hinderte somit das Elternpaar ebenfalls den Balkon zu verlassen. „…Rodney McKay, Doktor Rodney McKay“, stellte er sich vor.

„Ja, ich weiß“, entgegnete Patrick lächelnd.

„Ah ja, wirklich, Sie erinnern sich wieder?“

„Warum sollte ich das nicht? Ich habe Sie gerade mal vor wenigen Stunden kennengelernt.“

„Oh ja, aber nein, so war das nicht gemeint. Wir kennen uns schon von früher.“

Patrick überlegte. „Nein, tut mir leid, aber …“

„Na ja, zugegeben, vielleicht nicht persönlich. Aber ich habe mal für Sie gearbeitet. Sehen Sie, ich war früher in meinen Semesterferien bei Ihnen kurzfristig in einem Ihrer Kraftwerke tätig. Ich habe Ihnen mal einige schriftliche Vorschläge zur Effizienzsteigerung bei der Speicherung größerer Energiemengen unterbreitet. Nur leider … wurden sie … abgelehnt.“

„Tatsächlich? Nun … es tut mir sehr leid Doktor, aber ich erinnere mich wirklich nicht daran. Immerhin arbeiteten viele Leute für mich und tun es heute noch. Nicht jeder ist mir persönlich bekannt.“

„Ja ja, das mag wohl so sein, aber vielleicht erinnern Sie sich doch an mich. Ich bin … ich war sogar vor dem Vorstand und habe dort vorgesprochen und schließlich habe ich meine Vorschläge sogar zu Ihnen gebracht. Sie haben mir sogar selbst schriftlich geantwortet.“

„Wirklich?“, fragte Patrick, eher um das Gespräch langsam oder sicher zu einem zu Ende zu bringen, denn zum einen erinnerte er sich wirklich nicht an diesen Mann und zum anderen hatte dieser Doktor McKay eine merkwürdige Art an sich. Eloquent war eines der Wörter, die Patrick gebraucht hätte, um diesen Mann eher freundlich und mit Bedacht zu beschreiben. Aufdringlich und nerv tötend war eine andere Art der Beschreibung, die aber ebenfalls voll auf ihn zutreffen würde.

„Ja! Ich habe schon die ganze Zeit überlegt, wieso Sie mir so bekannt vorkommen, aber dann fiel mir ein, dass ich Ihr Bild damals immer in einem Aufenthaltsraum in einem der Kraftwerke gesehen habe. Und dann erinnerte ich mich auch an das Schreiben, das Sie mir sendeten. Es war zwar auch eine Absage, aber es war von Ihnen unterschrieben…“

„Nun, Ihr Enthusiasmus, Fleiß und Ihre Mitarbeit und Mitdenken in allen Ehren, aber das sind Standard-Schreiben, Doktor McKay. Was glauben Sie, wie viele solcher Schreiben auf meinem Schreibtisch gelandet sind? Auch mein Sohn Dave wird sich mittlerweile kaum davor retten können. Aber ich bin sicher, dass Ihre Ideen und Vorschläge gründlich überprüft wurden. Es gibt tausende von Gründen, warum Ihre Arbeit abgelehnt wurde. Und Sie werden da sicher nicht der einzige gewesen sein.“

„Nein, nein natürlich nicht. Nur dachte ich vielleicht, dass Sie sich vielleicht daran erinnern.“

„Leider nicht, Doktor, tut mir wirklich leid. Es ist auch schon einige Zeit her. Aber wie es aussieht, haben sich Ihr Fleiß, Wissen und Ihre harte Arbeit bewährt, und Sie haben es zu einem leitenden Wissenschaftler gebracht. Und es ist auch erfrischend zu erfahren, dass sie einst in meinem Betrieb angefangen haben. Das ist … ich bin schon etwas beeindruckt, dass es Sie nun hierher verschlagen hat.“

„Tja, nun die Welt ist klein, nicht wahr?“

„Ja, das ist wohl wahr. Zumal Sie mittlerweile zwar nicht mehr in meinem Betrieb, dafür aber für einen meiner Söhne arbeiten. Erstaunlich welche Zufälle es gibt“, antwortete Patrick lächelnd und verlies nun ebenfalls den Balkon. Wieder einmal blieb Rodney sprachlos und mit angeknackstem Ego zurück.


Krankenstation

„Gibt es schon Neuigkeiten?“, fragte Jennifer Keller, als sie Mutter und Sohn in die Krankenstation kommen sah.

„Mein Mann und Colonel Sheppard brechen gleich auf. Ich will ihnen nur noch schnell etwas von dem Serum mitgeben. Und Dorian, kannst du bitte den kleinen Scanner so einstellen, dass dein Vater ihn auch zum Untersuchen von Alexa gebrauchen kann?“, fragte Elisha bittend, während sie im Medikamentenschrank das Serum nahm und einen Injektor damit füllte.“

„Auf was soll ich ihn programmieren?“

„Du musst das Ding so einstellen, dass dein Vater es weiterhin zum … ran schleichen nutzen kann und später als medizinischen Scanner. Er soll ihm anzeigen können, ob Alexa eine Attacke hatte.“

„Medizinischer Scanner ist kein Problem, das weißt du, aber was diese Attacken angehen, da brauche ich etwas mehr. Referenzmaterial wäre schon nicht schlecht“, erklärte Dorian, während er sich bereits an die Arbeit machte.
Elisha sah nur kurz zu Jennifer.

„Reichen einige Daten aus vorherigen Untersuchungen?“, fragte die Mutter.

„Du hast doch gesagt, dass ihre Gehirnaktivität stetig zunimmt. Gib mir die Daten der letzten Untersuchung und ich könnte was damit anstellen.“

Während Jennifer ihm die letzten Untersuchungsergebnisse seiner Schwester zugänglich machte, fiel Elisha auf, das Dorian plötzlich begann zu zittern.

„Was ist mit dir? Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

Ertappt schreckte er zusammen, schüttelte kurz seine Hände aus und beruhigte seine Mutter wieder. „Sicher, keine Sorge Mutter. Mir geht es gut. Ich bin nur etwas müde und Sorgen mache ich mir auch.“

„Die letzte Zeit muss wirklich hart für dich und deinen Vater gewesen sein, aber das ist jetzt vorbei. Sobald deine Schwester wieder hier ist, wird alles wieder gut. Dann können wir uns alle wieder ausruhen“, beruhigte sie ihn und drückte leicht seine Schulter.

„Ist das das Serum, das du entwickelt hast?“, wollte er danach wissen, versuchte dadurch von sich abzulenken und arbeitete weiterhin an dem kleinen Gerät

„Ja. Aber nicht ich habe es entwickelt. Das waren Doktor Keller und Doktor Beckett von der Erde. Ich habe es mit ihrer Hilfe etwas verbessern können. Es hilft ihr jetzt beinahe sofort.“

„Oh, Merdas! Zeigt dieses Bild gerade einen Anfall an?“, fragte Dorian, als er erstaunt und schockiert zugleich auf den Bildschirm starrte.

„Ja“, lautete Elishas Antwort, als sie dem Blick ihres Sohnes folgte und die rot bis blau gefärbten Bereiche auf dem Schema eines Kopfes sah.

„Ist es wirklich so heftig? Dann wundert es mich nicht, dass es sie jedes Mal aus den Schuhen wirft. Kannst du denn gar nichts tun?“

„Nein. Bisher habe ich, haben wir wirklich nichts gefunden, dass ihr diese Anfälle nehmen könnte. Aber ich werde nicht aufgeben.“

„Ich weiß Mutter, und ich bin sicher, dass dir sehr bald etwas einfallt“, ermutigte Dorian seine Mutter als er sah, dass ihr diese Problematik wohl ziemlich zusetzte.

Wieder strich sie ihm liebevoll durch die Haare und über seine Schultern. „Ich bin so glücklich, dass ich euch wieder habe und dass euch nichts geschehen ist“ erwiderte sie ihm dankend und fiel ihrem Sohn erneut um den Hals.

„Ähm, Ma … ich habe den Scanner fertig. Wir sollten ihn schleunigst zu Vater bringen, bevor er wieder so ungeduldig wird.“


Kontrollraum

„Wie sieht es mit dem MALP aus?“, verlangte John von Chuck zu wissen.

„Wir haben eines, das eigentlich ziemlich ramponiert ist. Da vermutlich doch darauf geschossen wird, spielt das jetzt auch keine Rolle mehr. Sergeant Beavers bringt gerade die Rauchbomben daran an“, klärte der Techniker ihn auf.
„Was ist mit Lorne? Schon was gehört?“

Doch Chuck kam nicht mehr dazu, zu antworten, als gerade dieser sich über Subraum meldete und Bescheid gab, mit dem getarnten Schlachtschiff in der Umlaufbahn von M8Z-087 zu sein und auf weitere Befehle zu warten.

„Na schön, dann wird es jetzt wohl Zeit“, entgegnete John, und wollte sich schon auf den Weg zur Treppe machen, als seine Mutter ihn am Arm festhielt.

„John … bitte sei vorsichtig“, flüsterte sie ängstlich.

John fühlte diesmal die Blicke seiner Teamkollegen an sich haften, die bereits unten vor dem Gate warteten. „Bin ich immer“, beruhigte er sie und sah zu seinem Vater, der zwar ansetzen wollte etwas zu sagen, dann aber offensichtlich doch keinen Ton über die Lippen brachte.

Sein Bruder hingegen wünschte ihm viel Glück, bevor sich auch Doktor Jackson zu Wort meldete.

„Ich könnte Sie begleiten, ich habe auch schon des Öfteren an solchen Aktionen teilgenommen.“

„Das weiß ich, aber ich brauche Sie hier. Abgesehen davon, sollten Sie auch nur eine Kratzer abbekommen, wird Landry mich in der Luft zerreißen“, erwiderte er und lief dann hinunter zu den anderen.

„Was ist?!“, fragte er gereizt, erntete jedoch nur amüsiertes Grinsen.

„Rivers, geben Sie dem General eine P-90, eine Beretta, genügend Munition und ein Funkgerät.“

Rivers tat wie ihm Sheppard befahl und fühlte sich sogar verpflichtet, dem General zeigen zu wollen, wie diese Waffen und das Funkgerät zu gebrauchen und nach zu laden zu seien. Doch zum Erstaunen aller hatte Tristanius dies innerhalb weniger Sekunden selbst herausgefunden und sah nun wie Elisha auf ihn zu eilte.

„Das ist das Serum. Gib es ihr, wenn sie wieder eine Attacke hatte. Dorian hat den Scanner so umprogrammiert, dass du sie damit auch untersuchen kannst.“

„Ist gut“, antwortete der General und steckte den Injektor sorgsam in seine Brusttasche.

Noch einen Blick erlaubte er sich in die Augen seiner Frau, in denen er pure Angst und Sorge erkannte. Er hasste das nagende Gefühl zu wissen, dass seine Frau litt. Hatte sie denn nicht schon genug durchgemacht? Hatte sie denn nicht erst vor kurzem noch gedacht, dass er tot sei? Hatte sie nicht vorhin miterleben müssen, wie ein offensichtlich Wahnsinniger ihre Tochter quälte? Und nun begab auch er sich in Gefahr. Schon wieder bestand die Möglichkeit, dass sie innerhalb eines Tages beinahe ihre gesamte Familie verlieren könnte. Tristan konnte verstehen, wie sie sich wohl fühlen musste, konnte es sich aber nicht leisten, genügend darauf einzugehen.
Dennoch ließ er alle Zurückhaltung außen vor, strich ihr zärtlich über die Wange, zog ihren Kopf zu sich und küsste sie.

„Ich werde sie uns wiederbringen“, versprach er flüsternd, während seine Stirn die ihre berührte.

„Vergiss aber nicht, dich selbst auch wieder zurück zu bringen. Lass mich nicht nochmal so lange warten.“

„Ich werde es nicht vergessen, das verspreche ich dir. Achte auf deine Mutter“, bat er seinen Sohn, der ihm daraufhin ebenfalls viel Glück wünschte und sich mit Elisha dann wieder in den Kontrollraum zurückzog.

Nur kurz sah er seiner Familie nach bevor er sich dann an Colonel Sheppard wandte. „Ich weiß, dass zwischen Ihnen und diesem Kolya irgendetwas vorgefallen sein muss und mir ist vollkommen egal was das war. Für mich hat die Befreiung meiner Tochter Vorrang. Wenn Sie einen Alleingang unternehmen wollen, um ihre Rachegelüste zu stillen, werde ich Sie nicht aufhalten. Ich werde ihnen aber auch nicht helfen, ihnen Deckung geben oder auf Sie warten. Alexas Sicherheit hat für mich oberste Priorität. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt, Colonel.“

„Vollkommen klar, General. Wir beide haben das gleiche Ziel“, erwiderte John mit all seiner Selbstsicherheit.

„Das wird sich noch zeigen“, erwiderte Tristanius und sah dem schwarzhaarigen Mann hinterher wie er sich an seine Männer wandte.

„Okay, zugehört! Das wird eine einfache, schnelle und saubere Aktion. Das MALP wird mit den Rauchbomben vorgeschickt und sorgt so schon mal für ausreichend Ablenkung und Deckung. Rivers keine Stunner …“, wies er den jungen Marine an, der dabei war, einige Stunner zu verteilen. „… wir schießen scharf. Was euch vor die Flinte kommt, wird erschossen, keine Gefangenen, keine Fragen. Weavers, Sie und ihr Team sichern das Stargate auf der anderen Seite und kümmern sich auch um das MALP, Mitchum und sein Team kümmern sich um freies Geleit vom Gate zur Anlage und zurück. Der Rest kommt mit uns. Wir gehen schnell rein, holen unsere Zielperson und verschwinden so schnell wie möglich. Keine Alleingänge, keine Heldentaten. Läuft Kolya einem von euch über den Weg …schießt. Alles verstanden? … Also los“, befahl er, als er sah, dass seine Männer einverstanden zustimmten und bereit zum Ausrücken waren.

Nur ein kurzer Blick zu Alexas Vater folgte, der seinen Instruktionen ausdruckslos gefolgt war, bevor er sich dann an nach oben an den Gate-Techniker wandte.

„Anwählen!“, ertönten die Stimmen von John und Tristanius.

„Was soll das Rick? Du hättest ihm wirklich sagen können, dass er vorsichtig sein, oder dass er auf sich aufpassen soll. Hätte es dich von deinem Thron gestoßen, deinem eigenen Sohn Glück zu wünschen? Du enttäuschst mich langsam wirklich!“, fuhr Carol ihren Mann an, der daraufhin zunächst überrascht, dann betreten in den Gateraum hinunterblickte und beobachtete, wie das Tor angewählt wurde.

Carol hingegen schlang ihre Arme um sich selbst und wandte sich kopfschüttelnd und besorgt von ihrem Mann ab. Sie sah lieber dem Tortechniker zu, wie er die Symbole der Toradresse in den Wählcomputer eingab und die Bildübertragung der Kamera des MALPs auf einen Bildschirm legte.

Sekunden später etablierte sich das Wurmloch, das MALP wurde losgeschickt und kaum dass es auf der anderen Seite ankam, wurde es auch schon von mehreren Männern beschossen. Augenblicklich kamen die Rauchbomben zum Einsatz und machten es in den folgenden Momenten unmöglich noch etwas zu erkennen.

Woolsey ging zum Geländer und gab Sheppard ein Zeichen. „Zehn bis fünfzehn Mann um das Gate herum, der Rauch ist verteilt, Colonel. Sie können los … und viel Glück!“, rief er und sah zu, wie sein leitender Militärkommandant Seite an Seite mit Alexas Vater, dutzenden von Marines und den Lebenszeichendetektoren durch das Tor stürmte.

Man hörte einige Schüsse und Schreie, aber erkennen konnte man auch viele Sekunden später nichts. Es dauerte einige Minuten, bevor der Rauch sich verzog, und etliche Tote am Boden liegend, zu sehen waren.
So weit Woolsey erkennen konnte, war keiner aus Atlantis dabei. Diese Erkenntnis ließ ihn kurz aufatmen, doch er wusste nur zu gut, dass die Operation noch nicht beendet war. Das Gate schaltete sich ab und zurück blieben zwei besorgte Familien und ein dutzend Freunde.

„Machen Sie sich keine Sorgen, Misses Sheppard. John bekommt das schon hin“, versuchte Daniel die Mutter zu beruhigen, als er ihre Sorge formlich in ihrem Gesicht sehen konnte und beobachtete, wie sie versuchte, sich durch Fragen und Gespräche mit dem Personal abzulenken.

„Ihr Wort in Gottes Ohr, Doktor Jackson. Aber ich nahm an, dass John Pilot sei und solche Aktionen anderen Soldaten überließe“, erwiderte sie bedrückt, aber mit einem Hauch Neugier hinter ihren Worten.

„Er ist Pilot, ja. Ich kenne seine Akte nicht, aber so weit ich weiß, kann er alles fliegen, was nur irgendwie fliegen kann. Er ist aber auch in der Lage, am Boden entsprechende Taktiken durchzuführen“, erklärte Daniel und verkniff sich, mehr zu verraten.

Er wollte weder die Mutter noch die restliche Familie unnötigerweise noch mehr in Angst und Schrecken versetzen. Ihm waren die Reaktionen der Familienmitglieder vorhin auf dem Balkon nicht entgangen, als das Gespräch über die Wraith aufkam. Daniel wusste schon damals, als die Atlantis Expedition startete, dass es zu Problemen verschiedenster Art kommen würde. Schließlich hatte auch er mit seinem Team um O´Neill jahrelang die Milchstraßen-Galaxie erforscht und bereist, hatte mehr als einmal in Trouble gesteckt und so manch brenzlige Situation überstanden. Manchmal aber auch noch nicht einmal das. Wer konnte denn schon von sich behaupten, zweimal gestorben zu sein? Und warum sollte es in einer anderen benachbarten Galaxie anders sein?

Er wusste, dass er log, als er sagte, dass er nicht alle Missionsberichte gelesen hatte, oder dass ihm Sheppards Akte nicht bekannt sei und ihm wurde schlagartig bewusst, dass sie ihn gerade beim Lügen ertappt hatte, als sie sich flüsternd zu ihm wandte.

„Doktor Jackson, Ihr Versuch mich zu beruhigen und in Sicherheit zu wiegen in allen Ehren, aber mir ist klar, dass Sie viel mehr wissen, als Sie bereit sind zuzugeben oder Ihnen vielleicht erlaubt ist, Preis zu geben. Was ist mit den Infos über die Geschehnisse damals in Afghanistan? Da scheinen Sie auch mehr zu wissen, als man meinen könnte. Sie glauben vielleicht, die Tatsache, dass ein Archäologe oder ein leitender Wissenschaftler diese sogenannten SG Teams, wie General Landry es bezeichnete, begleitet, würde von Sicherheit und Harmlosigkeit zeugen. Mich beruhigt sie jedoch nicht. Ich habe vorhin mitbekommen, als Sie meinen Sohn angeboten haben, ihn auf diese … Mission oder wie Sie es bezeichnen, zu begleiten. Sie hätten selbst des Öfteren an solchen Aktionen teilgenommen. Mir ist nicht entgangen, dass Doktor McKay ebenfalls bewaffnet war. Ich nehme an, dass auch Sie im Umgang mit Waffen geschult sind?“

Carol hatte Daniel wohl kalt erwischt und im ersten Moment bewunderte er den Scharfsinn, ebenso wie die Fähigkeit, alle möglichen Informationen anhand ihrer Beobachtungen und der Worte, die gesprochen wurden, vor allem aber die versteckten Informationen hinter diesen Worten, wie ein Schwam aufzusaugen und so geschickt zu verwenden, dass man im ersten Moment nur mit Sprachlosigkeit reagieren konnte.

„Äh, ähm, ja schon, aber nur für Notfälle …“

„Notfälle, wie die, die dazu führen können, dass man zweimal aufsteigt?“ Dass Carol mit dieser fragenden Aussage etwas zu weit ging, wurde ihr augenblicklich bewusst. „Es tut mir leid, Doktor Jackson. Ich wollte nicht … ich war vielleicht nicht mehr da, als John richtig erwachsen wurde und entschied, ins Militär einzutreten, aber ich erkenne noch ganz gut, wenn ein Mensch, ganz besonders einer meiner Jungs harte Zeiten und viele schlimme Dinge erlebt haben muss. Mir ist klar, dass in all dieser Zeit einiges vorgefallen sein muss, womit er noch heute hadert, auch wenn er sich nichts anmerken lässt und selbst glaubt, über vieles hinweg zu sein. Dieses Wissen, dieses Gefühl ist mir zuwider. Und wenn dann auch noch ein Mann wie dieser Kolya auftaucht, solche abscheuliche Taten vollbringt und hinter dessen Worten ganz bestimmte Botschaften stecken, dann reagiere ich wohl wie jede andere besorgte Mutter auch. Ich bin … ich war zwanzig Jahre tot gewesen, aber die Zeit ist nicht stehen geblieben. Mein Mann, meine Söhne haben sich verändert, sind älter geworden, erwachsen. Manchmal kommt es mir so vor, als ob ich Fremden gegenüber stehe und manchmal stelle ich mit Erschrecken fest, dass sich in mancher Hinsicht doch nichts geändert hat“, erklärte sie nachdenklich, in Gedanken versunken, wobei ihr Blick jedoch zu ihrem Mann schweifte, der selbst abwesend zum Stargate hinunter sah.

Patrick wusste genau, von was seine Frau sprach. Er wusste, dass er es wieder einmal verbockt hatte. Warum hatte er vorhin nichts zu seinem Sohn sagen können? Zwei simple Worte hätten doch genügt. Viel Glück!
Es ist doch eigentlich ganz einfach. Aber er hatte sie nicht rausbekommen. Warum? Hatte es körperliche Gründe, warum seine Stimme plötzlich versagte, als er den Mund öffnete? Oder war da vielleicht Angst? Angst davor, dass diese Worte nicht so aus seinem Mund kommen könnten, wie sie sollten? Angst davor, dass John es nicht glauben würde, dass er sich auf den Arm genommen fühlte? Dass er es nicht ernst meinte?

Aber er meinte es ernst! Er hätte es ernst gemeint, wenn er doch bloß einen Ton heraus gebracht hätte.
Er hätte es genauso ernst gemeint, wie damals, als er lange Gespräche mit Dave führte. Das letzte, Tage vor seinem Tod. Er sagte ihm, dass er es bereute. Immer wieder. Und das tat er wirklich. Er bereute, was zwischen ihm und John vorgefallen war. All die Jahre voller Ärger, Enttäuschung, Vorwürfe, Vorschriften und Streitereien, die eigentlich Stolz, Anerkennung, Achtung und Liebe waren. Nur hatte er es niemals so rüber gebracht, wie er sollte. Wie man es von einem stolzen Vater erwartet hätte. Jahre lang schob er seine Firma, seine eigenen Interessen vor.

Es gab einst eine Zeit, an dem er sich schwor, so etwas niemals bei seinen eigenen Kindern zu tun. Doch sein Erfolg ließ ihn diesen Schwur nur allzu schnell vergessen.

Nein, nicht vergessen. Er ließ ihn in die hinterste Ecke seines Bewusstseins verschwinden. Im Laufe der Jahre hatte Patrick oftmals daran gedacht, vielleicht zu weit zu gehen, Fehler zu machen, Versäumnisse geschehen zu lassen. Doch immer wenn er sich dessen wirklich bewusst wurde, Dinge hätte rückgängig machen, einen neuen Anfang starten, ernste Gespräche darüber führen oder gar sich entschuldigen können, weil er seine Worte wieder einmal ohne Bedacht wählte, dann endete es doch wieder in hitzigen Debatten, Wutausbrüchen, Vorwürfen oder John bekam einen Anruf und verschwand jedes Mal für einige Tage oder gar Wochen. Keine Informationen darüber warum, wieso, weshalb oder wohin. Ob er wieder gesund und Munter zurückkam, stand jedes Mal in den Sternen.

Und Patrick hoffte und betete, verfolgte wie besessen die Nachrichten, in der Hoffnung, Meldungen Informationen und Anhaltspunkte über irgendeinen Krieg oder Aufstand, Anschläge oder militärische Operationen in irgendwelchen Kriegs oder Krisengebieten der Erde aufzuschnappen, nur um wenigstens eine vage Vorstellung oder Idee zu haben, wo sein ältester sich gerade aufhalten könnte. Hoffte und betete, dass es keine Meldungen über den Verlust von so und so vielen amerikanischen Soldaten gäbe. Hoffte, dass nicht plötzlich die Air Force vor seiner Tür stand und ihm mitteilen würde, dass John…

Ja, er erinnerte sich nur zu gut, dass er es bereute. Und er erinnerte sich auch an den vergangen Tag, als er zu seiner Frau sagte, dass sie womöglich so etwas wie eine zweite Chance hätten und die Gelegenheit nutzen sollten. Er hatte gerade ein zweite Chance gehabt und lies sie verstreichen. Er hatte die Möglichkeit gehabt, seinem Sohn Glück zu wünschen, seine Besorgnis, seine Zuneigung auszudrücken, doch wieder ließ er diese Gelegenheit ungenutzt.

Was wenn ihm nun etwas passieren würde? Wenn er verletzt oder gar schlimmer, wenn er getötet werden würde? Es wäre nicht enttäuschend, es wäre beschämend. Wo würde dann der Sinn seiner `Rückkehr´ liegen?
Es war an der Zeit, dass er sich nicht mehr daran erinnerte, dass er bereute. Es war an der Zeit, wirklich zu bereuen.


M8Z-087

Blinzelnd erwachte Kolya. Dafür dass er nur kurz geschlafen haben musste, fühlte er sich erstaunlich erfrischt und munter. Die Schatten, die die einzelnen Gegenstände auf seinem kleinen Tisch in seinem Raum durch das einfallende Sonnenlicht warfen, hatten ihre Position kaum verändert. Vermutlich war nicht ganz eine Stunde vergangen, seit er aus einem unerfindlichen Grund eine tiefe Müdigkeit verspürte und sich hingelegt hatte. Nein, so rätselhaft war es eigentlich nicht. Mittlerweile war Kolya sich sicher, dass dieser Kieran ihn irgendwie kontrollieren, lenken und beeinflussen musste. Dass er enorme mentale Kräfte besaß, wusste er. Schon oft wurde er Zeuge, wie er diese einsetzte. Als erstes bei ihm selbst. Kaum dass er seine ersten Atemzüge vollbracht hatte, hatte er diese mächtige, dunkle und kalte Anwesenheit in seinem Kopf gespürt. Kurz darauf kamen die Bilder seines Ablebens in ihm hoch.

Niemals würde er vergessen, wie ihn diese grünbraunen Augen voller Hass und Verachtung anstarrten, wie sich die Waffe seines Gegners blitzschnell erhob und er sogar das Projektil erkennen konnte, das nur einen Wimpernschlag später in sein Herz eingedrungen war. Er spürte einen Groll in sich aufkommen. Doch noch konnte er sich zurückhalten. Für ihn hatte die Rache an Sheppard Vorrang. Niemand würde ihn darum bringen.

„Es wird auch Zeit“, ertönte Kierans Stimme aus der Türangel.

Ruckartig fuhr Kolya hoch, schwang die Beine über die Bettkante und strich sich über die Haare, bevor er sich dann ganz erhob. „Wie lange habe ich geschlafen?“

„Ich würde sagen, beinahe zu lange. Ihr ersehnter Freund ist hier oder besser gesagt er kommt gerade an“, erwiderte Kieran.

„Warum hat man mich nicht informiert, dass er sich gestellt hat?“, fragte Kolya leicht verärgert.

„Nun, dazu habe einige unwiderlegbare Theorien. Zum einen, er hat sich nicht gestellt, sondern kommt gerade mit einem größeren Trupp durch das Tor gestürmt und zum anderen, Ihre Männer sind gerade sehr beschäftigt. Sehen Sie mal aus dem Fenster.“

Kolya drehte sich nur widerwillig und skeptisch zum Fenster, doch was er dann erblickte, überraschte ihn doch sehr. Im ersten Augenblick hatte er sich noch gewundert, warum es plötzlich so dunkel geworden ist, doch als sich die Wolken, die auf merkwürdigste Weise dem Boden immer näher kamen, sich dann aufzulösen schienen und einem riesigen Raumschiff Platz machten, wurde ihm einiges klar.

„So wie es aussieht, hat man Sie ganz schön an der Nase herumgeführt. Es gibt durchaus neue technische Errungenschaften. Ich finde es erstaunlich, wie die Gefangene in ihrer durchaus brenzligen Lage noch immer derart die Oberhand behalten und stattdessen Ihnen auch noch etwas so gut vorspielen konnte. Sie nicht auch?“

Doch Kolya war nicht nach sarkastischen Sprüchen oder Witzen zumute. Wütend stapfte er hinaus in den Flur, in dem schon einige seiner Männer teils panisch umher liefen und hielt einen auf. „Schafft mir Sheppard und sein Team hierher!“

„Kommandant, es sind zu viele. Die Atlanter kamen mit beinahe zwanzig Mann und das Schiff … es ist zu groß! Wir müssen hier weg!“

„Mit zwanzig Mann werden wir fertig, wir müssen zusehen dass wir Sheppard erwischen. Ich will ihn haben! Lebend!“

„Aber es sind zu viele! Das Schiff hat seine Waffen scharf gemacht. Es braucht nur einen gut gezielten Treffer und von dieser Einrichtung ist nur noch Staub übrig. Wir sollten verschwinden!“, schrie der junge Mann, da der Tumult immer lauter wurde.

Kolya sah nur kurz einigen seiner Männer hinterher und fragte sich, ob sie gerade seine Befehle ausführten und alles daran setzten Sheppard und sein Team zu fangen, oder ob sie gerade dabei waren, Reißaus zu nehmen.
Seiner Meinung nach, sah es eher nach letzterem aus, was seinen Groll noch weiter anwachsen ließ. Doch er würde sich nicht so schnell geschlagen geben, er wollte Sheppard, koste es was es wolle.

„Niemand wird verschwinden! Nicht ehe ich Sheppard habe, verstanden?! Seht zu, dass er gefangen wird!“, befahl der ehemalige Genii-Kommandant entschieden und ebenfalls mit lauter Stimme. Aber nicht, weil seine Stimme sonst im Chaos und im Lärm untergehen konnte, sondern eher weil er seinen Worten und seinen Anweisungen mehr Nachdruck verleihen wollte und sein Zorn sich kaum noch in Grenzen hielt.

„Also … wenn ich Sie wäre, würde ich meine Pläne Sheppard jetzt gefangen zu nehmen, noch einmal schnell überdenken“, riet Kieran, kaum dass der Soldat sich von Kolya los gerissen und sich einigen anderen angeschlossen hatte.

Im Gegensatz zu Kolya und seinen Männern war Kieran noch immer die Ruhe selbst.

„Eine bessere Gelegenheit kann ich mir gar nicht wünschen. Nicht nur Sheppard ist hier, sondern auch sein gesamtes Team …“

„Mhm, und fast eine ganze Kompanie und ein ziemlich großes lantianisches Schlachtschiff. Ich nenne diesen Umstand nicht gerade … wie soll ich sagen? … Eine glückliche Fügung…. Sieht nicht gerade gut aus.“

„Mit der Kompanie werden wir fertig und das Schiff wird auf Sheppards Befehl warten, bis es das Feuer eröffnet. Sie werden nicht auf uns schießen, wenn Sheppard in diesem Gebäude ist.“

„Wir?“, fragte Kieran spottend, als er in Richtung Flur sah, auf dem immer weniger Männer zu sehen und auch weniger Tumult zu hören war, als noch vor wenigen Minuten. „… so wie ich das sehe, ist über die Hälfte ihrer Männer bereits auf der Flucht und was Sheppard betrifft … Sie kennen ihn doch am besten. Glauben Sie wirklich, er würde auch nur einen Moment zögern, seinen Leuten auf dem Schiff den Befehl zu Feuern geben, wenn es kaum noch einen Ausweg für ihn und seine Leute gäbe?“

Kieran wartete auf eine Antwort von Kolya. Er wurde sich jedoch sehr schnell bewusst, dass er gegen die Besessenheit dieses Mannes wohl kaum ankam. Er kannte dieses Verlangen, diese Emotion, der Trieb, der ihn zu solchen Handlungen verleitete, nur allzu gut. Er selbst erfuhr es schon mal am eigenen Leibe. Doch im Gegensatz zu ihm, lernte er damit umzugehen, sich zu beherrschen, zu lernen, abzuwarten und sein Wissen und sein Können geschickt einzusetzen, um seinem Ziel vorteilhafter näher zu kommen und letzten Endes erfolgreich zu erreichen.

„Tja, zu schade. Habe mir wohl die ganze Arbeit, Sie ausgraben zu lassen und wiederzubeleben, um sonst gemacht. Aber dennoch, es war … erfrischend, Sie kennen gelernt zu haben“, entgegnete Kieran teilnahmslos und machte sich daran, den Raum zu verlassen.

„Was soll das? Wo wollen Sie hin?“

„Weg von hier. So sehr mich diese Spektakel auch interessiert, ich habe noch andere Dinge zu erledigen. Einen taktischen Rückzug würde ich ihnen auch empfehlen.“

„Ich denke nicht im Traum daran. Ohne Sheppard werde ich nirgendwo hin gehen!“

„Tja dann …“, erwiderte Kieran gleichgültig, wandte sich wieder ab und betrat den Flur, nur um sich nach einigen Metern in Luft aufzulösen.

Augenblicke später verließ auch Kolya hektisch seinen Raum, aber nicht um Kieran einholen zu können, oder zu flüchten. Nein, er hatte bereits etwas anderes im Sinn.

~~~///~~~

Die Entfernung vom Gate bis zur Anlage war eigentlich nicht groß. Gerade mal hundert bis hundertfünfzig Meter. Wenn aber ein dutzend abtrünnige Genii-Soldaten und Söldner im Weg standen und teilweise alles daran setzten, die Truppe auszuschalten, konnte dieser Weg doch etwas mühsam werden.

Glücklicherweise war weder John, sein Team, noch die Marines dran interessiert, sich lange mit ihnen zu beschäftigen. Johns Befehl, alles was vor die Flinte kommt zu erschießen, wurde rigoros eingehalten. Zwar wurden viele nicht erschossen, aber dafür handlungsunfähig gemacht. Ein kurzer Blick zum Antiker General reichte John, um zu sehen, dass auch er sich nicht lange mit diesem Abschaum abmühte. Bei ihm galt: Jeder Schuss ein Treffer. Ob der Schuss tödlich war, interessierte ihn scheinbar nicht. Ergab sich die Möglichkeit, einem dieser Bastarde einen schnellen Tod, durch einen Kopfschuss oder ein Schuss ins Herz zu bescheren, nutzte er diese auch. Ohne zu zögern, ohne zu blinzeln. Ansonsten glaubten eben andere Körperteile daran, dessen Besitzer es dann unmöglich machten, noch einmal eine Waffe in die Hand zu nehmen, oder sich sonst irgendwie behaupten zu können.

John wusste zunächst nicht wirklich, was er davon halten sollte.Kaltblütigkeit? Zielstrebigkeit? Vergeltung? Rache? Oder war es so etwas wie ein automatisches Programm, das in solchen Situationen im Kopf und im Gewissen des Generals aufgerufen und abgespielt wurde?

Andererseits wurde er sich sehr schnell bewusst, dass er selbst auch nicht anders handelte. Er ertappte sich immer wieder dabei, wie er selbst den einen oder anderen Gegner tödlich traf. Und auch er kümmerte sich nicht großartig darum. Wer wusste schon, was sie schon alles in ihrer Vergangenheit getan hatten, was einen so schnellen Tod rechtfertigte? Womöglich war das noch zu human. Wenn er allerdings daran dachte, was diese Bastarde mit Alexa getan hatten, noch vorhatten zu tun, war ihm schon etwas anderes in den Sinn gekommen, wie er sie hätte bestrafen können. Wenn er denn Zeit dazu gehabt hätte. So musste eben auch ein schneller Tod reichen, zumal die Zeit ihm sowieso im Nacken saß und sie mittlerweile auch die Anlage erreicht hatten.

Recht und Links neben der Tür hatte man Stellung bezogen, scannte mit dem Lebenszeichendetektor das innere der Anlage, vor allem den verzweigten Flur, der auch an Alexas Zelle vorbei führen würde. Nahe an der Tür wurden auf dem Scanner gerade mal sechs Lebenszeichen angezeigt. Zweifellos Kolyas Männer, die entweder etwas oder besser gesagt jemanden bewachen sollten, oder sich gerade beratschlagten, ob es klüger sei zu flüchten, oder doch lieber die Befehle ihres Kommandanten zu befolgen.

Sollten sie tatsächlich gerade irgendwelchen Überlegungen nachgegangen sein, so wurden diese durch die Atlanter in Windeseile zerstreut, als man die Tür öffnete, eine Blendgranate in den Flur warf und dann die Ablenkung und Unachtsamkeit nutze, um alle sechs mit gezielten Schüssen außer Gefecht zu setzen. Schnell drang man tiefer in die Anlage ein, folgte Rodneys Hinweis einer Energiesignatur, die sich als Arrestzelle erweisen sollte.

Einige der Marines, führten Johns Anweisungen aus, bezogen Stellung am Eingang zur Anlage und sicherten auch den Eingang zu der Arrestzelle, bereit, jeden aufzuhalten, der versuchen wollte, wieder reinzukommen, rauszukommen oder gar die Gruppe an der Befreiung zu hindern. Doch kaum war man bei ihr angekommen, sah man schon Alexa auf dem Boden liegend.

Sie musste bewusstlos sein. Das Gesicht sowie auch ihre restliche Vorderseite konnte man kaum erkennen.
Sie lag zur Wand gedreht auf der Seite und würde man nicht genauestens hinsehen, konnte man denken, dass sie bereits tot sei. John schluckte schnell den Kloß, der in seinem Hals zu stecken schien hinunter, als er sah, dass sie doch noch eher flach und unregelmäßig atmete.

Tristanius hingegen versuchte, sie mit seinem Blick geradezu mustern zu wollen, als ob er nicht glauben könnte, dass sie direkt vor ihm lag. Nur ein paar Meter vor seinen Füßen. Er sah sie wie hypnotisiert an, als wolle er versuchen, sie durch bloßen Willen aus der Zelle zu schaffen.

John beobachtete die nervöse Anspannung, die mahlenden Kiefer, die Ungeduld, sah wie er von einen Fuß auf den anderen trat und es kaum noch auszuhalten schien.

„McKay, sehen Sie zu, dass Sie diese verdammte Zelle aufbekommen!“, wies John seinen Freund an, was eigentlich unnötig war, da er bereits fieberhaft am Kontrollpanel arbeitete.

„So schnell geht das nicht, es sei denn jemand verrät mir den Code. Sie wissen ihn nicht zufälligerweise?“, fragte Rodney an den Antiker gerichtet, woraufhin dieser selbst versuchte, mit seine Zugangscodes das Kraftfeld auszuschalten und das Gitter zu heben.

Doch er musste sehr schnell feststellen, dass seine Codes wohl nicht mehr gültig waren. „Das System nimmt meine Codes nicht mehr an. Wir müssen die Zelle wohl anders öffnen.“

„Ja, dann äh … lassen Sie mich es noch mal versuchen. In ein paar Sekunden …“

„Das dauert mir zu lange, Doktor“, unterbrach Tristanius Rodney, zog wieder die Beretta und feuerte auf das Bedienfeld, sodass Rodney augenblicklich in Deckung hechtete und das Kraftfeld in sich zusammenstürzte.

Das Gitter erhob sich jedoch nicht, was Tristanius dazu brachte, es eben mit bloßen Händen anzuheben. Mit Mühe hätte er es vielleicht alleine geschafft, doch auch Ronon packte mit an. Sekundenspäter fiel Tristanius neben seiner Tochter auf die Knie, zögerte nur kurz und drehte sie dann behutsam zurück auf den Rücken, woraufhin man nur geschockt reagieren konnte, als man das zunächst oberflächliche Ausmaß der Gefangenschaft der jungen Frau sehen konnte. „Oh mein Gott!“

Schrammen, Kratzer, Schnitte aber auch Platzwunden, die teilweise schon fast völlig verheilt waren, konnten neben dem Schmutz ausgemacht werden. Alleine in ihrem Gesicht waren mehr Verletzungen zu zählen, als an ihrem Armen oder ihrem Dekolleté.

„Sie ist bewusstlos“, stellte John laut fest, damit es auch sein Team hörte, kniete dann auch neben ihr nieder und versuchte sie mit kritischem Blick zu mustern.

Tristanius begann sofort, seine Tochter mit dem kleinen Scanner zu untersuchen. John beobachtete ihn dabei. Mit Erstaunen registrierte er, dass der Mann, der eben noch ein gnadenloser Kämpfer ohne Kompromisse gewesen war, schroff und hart zu jedem, vor allem zu sich selbst, plötzlich eine ganz andere Seite zeigte. Sanft, fast liebevoll, untersuchte er die Wunden und überprüfte ihre Lebenszeichen. Sein Gesicht sprach von großer Sorge um Alexa. Das bewies, dass unter der harten Schale offensichtlich auch ein weicher Kern steckte und das erleichterte John. So würde viel leichter mit ihm umzugehen sein.

Eine ganze Weile ließ er den Antiker, dann erst meldete er sich zu Wort. „Wie sieht´s aus?“, wollte John wissen.

„Dutzende Schnittwunden, nicht tief, Prellungen, ihr linker Arm sowie zwei Rippen auf der rechten Seite scheinen gebrochen zu sein, sind aber beinahe regeneriert, keine inneren Blutungen so weit ich sehen kann, die Wunde an ihrem Bein ist sehr groß aber was mir Sorge bereitet, ist ihr Kopf. Sie muss wohl eine dieser Attacken gehabt haben, wenn ich diese Werte richtig verstehe.“

John beugte sich vor, lugte nun auch auf den Scanner und gab dem General Recht. „Ja. Das war dieser verdammte Replikator! Er muss sie mit seinen Sondierungen provoziert haben.“

Tristan legte den Scanner beiseite und versuchte seine Tochter zu wecken. Immer wieder streichelte er über ihre Wange, tätschelte sie ganz sachte und rief ihren Namen „Alexa … Alexa, hörst du mich? Wach auf!“

„Das bringt nichts, General. Es dauert meist Stunden, bis sie nach einer Attacke mit furchtbaren Schmerzen aufwacht. Sie braucht das Serum“, erinnerte Teyla ihn.

Behutsam griff er unter ihren Kopf und ihren Oberkörper, hob sie an um sie dann in seine Arme zu nehmen, streckte sein Bein aus auf dem er sich und Alexa abstützen konnte und strich ihr einige Strähnen aus dem Gesicht. Dann griff er in seine Brusttasche, nahm den kleinen Injektor heraus, setze seitlich an ihrem Hals an und verabreichte ihr die Dosis.

„Alexa, Kleines. Komm wach auf“, flüsterte er leise und bemerkte gar nicht, wie überrascht seine Begleiter ihn gerade ansahen.

Noch vor kurzem hatte John diesen Mann als eine knallharte, unnahbare, teils skrupellose und auch irgendwie tyrannische Person kennen gelernt und nun sah er einen besorgten, liebevollen und zärtlichen Mann, der seine Tochter im Arm hielt, sie kaum merklich hin und her wiegte und immer wieder sachte über ihren Kopf und das Gesicht streichelte. Er schien seine Tochter sehr zu lieben, das bewiesen auch diese zärtlichen Gesten.
„Alexa … komm zu dir. Schatz, ich bin hier. Du bist in Sicherheit … Öffne die Augen … Alexa …“, bat er immer wieder mal mehr, mal weniger leise.

John wollte gerade den Gürtel, den Alexa sich um ihr Bein geschnallt hatte lösen, als sie tatsächlich langsam zu sich kam.

Blinzelnd öffnete sie die Augen und nahm augenblicklich den stechenden Schmerz in ihrem Kopf wahr. Alles war verschwommen, der Raum, oder wo immer sie sich auch befand, schien sich zu drehen, worauf sie die Augen schnell wieder schloss. Ein Stöhnen entwich aus ihrer Kehle. Sie wollte sich umdrehen, doch sie hatte nicht die Kraft dazu. Ihr war übel, jeder einzelne Körperteil schmerzte, war bleiern schwer. Sie wollte wieder einschlafen, aber etwas hinderte sie daran.

Zunächst wusste sie nicht was es war, doch dann glaubte sie ein Geräusch zu hören. Eine Stimme.
Sprach sie zu ihr? Zum wem gehörte diese Stimme? Was sagte sie?

Alexa kämpfte darum, wach zu werden … ein Teil ihres Ichs riet ihr dagegen. Angst kam in ihr auf, sie wusste nicht warum. Auch wenn sie allmählich erkannte, dass die Stimme zu einem Mann gehören musste. Sie schnappte nach Luft und plötzlich kam auch die Erinnerung an ihre Gefangennahme zurück, die Folter durch Kolya … die Schläge … das Messer … dann der Replikator.

Sie erinnerte sich an die Übertragungen an Atlantis und dass sie die Stimmen von Sheppard und Mister Woolsey gehört hatte, aber diese Stimme… Plötzlich hielt sie inne. Der Replikator! Nein … Alexa begann sich zu wehren … nicht die Stimme ihres Vaters. Das war ein Sakrileg. Ein krankes Spiel dieses Dings.

Mit dem letzten bisschen Kraft, dass sie aufbringen, begann sie sich gegen einen imaginären Feind zu wehren, versuchte ihren Geist vor ihm schützen, ihn aus ihrem Kopf zu verbannen.

„Nein … nicht real … nicht … hör auf! Nicht wirklich … Du bist nicht wirklich hier! Du bist … nicht real …“

„Doch ich bin hier! Alexa … ich bin real, ich bin es wirklich! Sie mich an! … Alexa!“

Woher kannte der Replikator die Stimme ihres Vaters? Kannte sein Timbre, seine Tonart, die schon seit mehr als zehntausend Jahren nicht mehr erklungen war. Etwas in ihr regte sich. Eine Ahnung, ein Gefühl … Mit den Schmerzen kam nun auch langsam ihr Gefühl in ihren Gliedern wieder zurück.

Sie spürte, dass sie wohl nicht mehr auf dem harten und kalten Boden lag. Es war ihr, als ob sie schweben würde, in einer angenehmen Wärme, die sich zu bewegen begann. Nicht nur bewegen,… sie lebte! Die Wärme atmete, roch nach einem Duft, der ihr merkwürdig vertraut vorkam, sie sprach mit ihr, zu ihr, rief sie. Die Wärme berührte sie, streichelte sie, hielt sie…nun war es eine Gewissheit. So konnte sie nur einer in seinen Armen halten, so fühlte sich nur einer an. „Vater?“ fragte sie leise.

„Ja, Alex. Ich bin da. Ich bin da Schatz, mach die Augen auf!“

Wieder blinzelte sie, wieder kehrte der stechende Schmerz in ihrem Kopf zurück. Nicht mehr so stark, aber heftig genug um ein klagendes Seufzen entweichen zu lassen. Die Dunkelheit lichtete sich zu etwas Verschwommenen. Schemen eines Gesichts, keine Augen, kein Mund, keine Nase… Das Bild flimmerte mit jeder Schmerzwelle, die immer schwächer zu werden schien. Und plötzlich nahm das Gesicht Konturen an. Es hatte grüne, gütige Augen, leicht gebräunte und glatte Haut, blassrosa Lippen, auf dem Haupt waren dunkle und kurze Haare, es gehörte zu einem Mann und es gehörte ihrem Vater.

„Pa …“

„Ja … ich bin da, Kleines.“

„Dorian?“, fragte Alexa leise

„Ist in Atlantis, bei eurer Mutter. Es geht ihm gut“

Alexa drückte sich an ihn und begann leise zu weinen.

„Ohh … oh, was … also das ist … ich dachte, er hätte auf sie geschossen, dass sieht eher aus, als … als … als ob da jemand daran rumgestümpert hat!“, stellte Rodney schockiert fest, als John vorsichtig den Gürtel und die Stofffetzen der Hose, die Alexa auf und um die Schusswunde gelegt hatte, entfernte und die nun offen vor ihm lag.

„Sieht aus wie aufgeschnitten“, pflichtete John ihm bei, während er einen Verband aus seiner Weste nahm.

Besorgt glitt der Blick des Vaters zu ihrem Bein, dann wieder ins Gesicht seiner Tochter, die immer noch etwas benommen wirkte und schluchzte. Sein Blick glitt weiter, suchte den Boden in der näheren Umgebung ab und fand schließlich das Gesuchte.

„Ist es auch“, bestätigte der Antiker und griff nach den Fundstücken, die noch immer feucht-rot glänzten.
Er musterte nur kurz die blutverschmierte Glasscherbe und das bleierne Projektil, dann warf er es beinahe wütend wieder weg.

„Oh, wieso machst sie so was nur? Das ist … das ist echt …“, meckerte Rodney wieder mit verzogenem Gesichtsausdruck, als auch er die Scherbe und die Kugel sah.

„Ihre Verletzungen heilen zu schnell, als dass sie hätte warten können. Die Wunde hätte sich verschlossen und das Projektil würde im inneren des Gewebes noch mehr Schaden anrichten. Ihre Selbstheilungskräfte haben auch Nachteile“, erklärte Tristanius ernst und wandte sich wieder seiner Tochter zu.

„Mein Kopf … tut so weh.“

„Ist schon gut. Deine Mutter hat mir das Serum mitgegeben. Dir geht es gleich besser“, tröstete er sie und beobachtete John, wie er Alexas Wunde neu verband.

Kurz schrie sie auf, als John den Verband etwas fester um ihr Bein wickelte, dann versuchte sie sich etwas aufzusetzen. Noch mal drückte sie sich an ihren Vater, der nur zu gerne seine Tochter in den Armen hielt, dann aber dankend die Wasserflasche entgegennahm, die Teyla ihm reichte. Gierig trank sie das kühle Nass und verschluckte sich beinahe daran.

„Langsam“, ermahnte sie ihr Vater.

„Glaubst du, du könntest aufstehen?“, wollte er von ihr wissen, musterte sie dennoch besorgt.

Erst jetzt fiel ihm eher beiläufig auf, dass sie die Kleidung der Menschen trug. Eine schwarze Hose mit seitlichen Beintaschen, die Hosensäume in ebenfalls schwarze geschnürte Stiefel gesteckt. Ein ebenso dunkles Oberteil, dass seiner Meinung nach einen eher zu provokativen Ausschnitt besaß und auch von der Länge her mal gerade so über den Bauchnabel reichen musste. Auch das merkwürdige Gerät, das sie um ihr linkes Handgelenk gebunden hatte, erregte seine Aufmerksamkeit. Doch er hatte weder die Zeit noch den Kopf, sich das nun genauer anzusehen.

„Ich weiß nicht … nur ein paar Minuten …“, antwortete sie, lehnte sich gegen die Wand und betrachtete ihren Vater.
„… wo wart ihr nur die ganze Zeit? Was ist passiert?“, wollte sie wissen und spürte erneut Tränen in sich aufkommen.

„Das ist eine lange Geschichte. Wichtig ist nur, dass deine Hinweise angekommen sind und dass wir hier so schnell wie möglich weg müssen. Wenn wir alle wieder in Atlantis sind, wird alles wieder gut“, beruhigte er sie und strich ihr die Tränen aus dem Gesicht.

Alexa nickte, versuchte aufzustehen und ließ sich von ihrem Vater vorsichtig auf die Beine helfen. Nur kurz schwankte sie gefährlich, lehnte sich abermals gegen die Wand und lächelte verlegen, als sie den besorgten Blick ihres Vaters bemerkte.

„Bist du sicher, dass du laufen kannst?“

„Ich denke schon … Ma hat das Serum wirklich ganz schön verbessern können. Sogar die Schmerzen im Bein sind fast verschwunden.“

„Na das ist doch toll! Wissen Sie wo Kolya ist?“, wollte John wissen und ignorierte den grimmigen Gesichtsausdruck des Antiker Generals.

Tristanius hatte es sich schon in Atlantis denken können, dass dieser Jungspund nicht aufgeben würde. Es stimmte, ihm war egal, was zwischen ihm und diesem Kolya vorgefallen war. Aber nur ein kurzer Blick in die Augen dieses Mannes, diese Art und Weise wie er dessen Name voller Verachtung, Groll und Hass aussprach, vor allem aber der Zustand in dem er seine Tochter fand, die Dinge die dieser Mann ihr angetan hatte, ließ auch ihn erneut an seinen eigenen Vorsätzen zweifeln.

Auch in ihm wuchs eine Wut, Verachtung und Feindschaft an, doch Alexas Zustand und auch zugegebener Maßen seine eigene Verfassung würde nun eine Jagd, ganz zu schweigen eine Auseinandersetzung nicht zulassen. Ganz zu schweigen dass sie definitiv in der Unterzahl waren. Gerade als er antworten wollte, kam ihm seine Tochter zuvor.

„Keine Ahnung, aber ich glaube er ist schon längst über alle Berge.“

Johns Kiefer mahlten erneut. Schon wieder würde Kolya ungeschoren davonkommen.

„Sir, wir sollten zusehen, dass wir langsam hier weg kommen“, kommentierte einer von Johns Männern, die am Eingang zu der Arrestzelle standen und den Flur im Auge behielten.

„Ich frage mich sowieso, warum wir bisher in dieser Anlage noch keinem einzigen von Kolyas Männern begegnet sind. Laufen wohl alle weg“, meinte Ronon mit einem winzig kleinen Lächeln auf den Lippen, während seine Augen eher von Enttäuschung sprachen. Liebend gerne würde er sich nun auf eine kleine Schießerei, oder auch auf einen gepflegten Faustkampf einlassen, hatte er doch vorhin bei der Erstürmung der Anlage nicht genug davon bekommen.

„Ja, sehen wir zu dass wir hier raus kommen“, stimmte John zu.

„Nein, … ich habe noch etwas zu erledigen“, meinte Alexa und versuchte sich wieder aufrecht hinzustellen und das Bein zu belasten. Nur eine kurze Schmerzwelle, die von der Wunde über das Bein und die Wirbelsäule bis in alle andere Glieder auszustrahlen schien, ließ sie kurz aufstöhnen, doch der Schmerz ließ ebenso schnell wieder nach. Sogar einige Schritte konnte sie zunächst humpeln doch auch das besserte sich zusehends.

„Was … erledigen? Was soll das? Wir müssen hier weg! Ich hab Lorne befohlen, den Laden hier mir Drohnen in Schutt und Asche zu legen!“

„Ihr habt die … ihr habt das Schiff genommen?“, fragte sie missbilligend.

„Wir brauchten eine Ablenkung“, erwiderte Tristanius stolz lächelnd.

„Äh … ähm und, äh … was ist mit dem Replikator? Haben Sie etwa vergessen, dass ein paar Drohnen nicht ausreichen um so ein Ding restlos zu vernichten, dass es keine Gefahr mehr darstellt?“, fragte Rodney und konnte sich gar nicht so schnell umsehen, wie Alexa ihm die Anti-Replikatoren-Waffe abnahm und loshinkte.

Alexa … was hast du vor?“, rief ihr Vater ihr nach, als er ihr hinterher eilte.

„Ein Versprechen einlösen!“


Atlantis

Unruhig tigerte Patrick im Kontrollraum hin und her. Seine Hände hatte er hinter seinem Rücken verschränkt, seine Miene war ausdruckslos. Gerade als Woolsey ihn bitten wollte, endlich Platz zu nehmen, da das ununterbrochene Hin und Her langsam an seiner Geduld zerrte, ertappte er sich selbst dabei, wie er immer wieder im Wechsel mit dem Vater seines leitenden Militärkommandanten Graben in den Boden des Kontrollraums lief. Gelegentlich betrat er auch sein Büro, nahm kurz an seinem Schreibtisch Platz, um dann seufzend festzustellen, dass er keinen Nerv hatte, sich um die Arbeit die sich schon auf seinem Tisch stapelte, zu kümmern, oder Anfragen und Berichten von irgendwelchen Abteilungsleitern, die ihn per Email erreichten, zu beantworten. Wieder erhob er sich, verschränkte ebenfalls seine Hände hinter dem Rücken und schloss sich dem Geschäftsmann wieder an.

Carol hingegen studierte die Miene ihres Mannes genau. Patrick versuchte alles, um seine Besorgnis nicht zu zeigen, versuchte seine Gestik, seine Mimik und seine Körpersprache gelassen wirken zu lassen. Versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass die Worte seiner Frau vorhin Wirkung zeigten und er mit Selbstzweifel, eigenen Vorwürfen und trüben Gedanken über die Vergangenheit sinnierte. Dass er hoffte und betete, sein ältester möge möglichst unverletzt wieder zurückkehren, dass er alsbald die Kraft und den Mut finden würde, endlich auf John zuzugehen, um mit ihm zu sprechen.

Doch Carol kannte ihren Mann gut genug um zu wissen, was gerade in seinem Kopf vorging oder welche Empfindungen ihn gerade beschäftigten. Sie wusste schon immer ganz genau, was sie sagen oder welche Knöpfe sie bei ihrem Mann und auch gelegentlich bei ihren Söhnen drücken musste, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. Zufrieden stellte sie fest, dass sie dieses Talent, wie Patrick dies einmal in einem Streitgespräch nannte, noch immer besaß.

Ihr Blick schweifte hinüber zu Dave, der schon immer eine eher ruhigere Natur besaß. Gedankenversunken stand er am Geländer der Empore, hatte die Arme vor der Brust verschränkt, knabberte leicht an einem Fingernagel seiner linken Hand und starrte zum Sternentor hinunter. Da sie ahnte, dass es sehr wahrscheinlich zu einem Streit kommen würde, wenn sie Patrick auf seine Gedanken und seine Sorgen ansprechen würde, wandte sie sich ehr ihrem jüngerem Sohn zu.

„Du kennst ihn doch gut genug, um zu wissen, dass er vorsichtig ist“, flüsterte sie beinahe, als sie sich neben ihn stellte und ihn aus seinen Gedanken riss.

Doch die Aussage war in Wirklichkeit eine Frage, dessen Antwort sie beruhigen sollte. Hoffte sie zumindest.
Und Dave verstand diesen Satz auch als eine Frage. Er wusste und konnte sehen, welche Sorge es seiner Mutter bereitete, dass einer ihrer Söhne einer solchen Arbeit nachging. Und dabei wusste sie noch nicht einmal jedes Detail oder kannte gar die ganze Vergangenheit. Genauso wenig wie er selbst. Was würde das wohl werden, wenn erst mal einige Zeit verginge und John immer wieder mal verletzt würde?

„Ja ich kenne ihn. Er ist immer vorsichtig. Es … es ist nur … ich weiß nicht … was ich sagen soll. Ich mache mir weniger Sorgen um ihn, als … um dich und Vater.“

„Wieso denn das? Uns geht es doch gut. Wir sind gesund und… wir haben uns wieder, uns alle“, antwortete sie leicht lächelnd, doch sie wusste wohl, worauf Dave hinaus wollte.

„Das ist es nicht … Mom. Du … du warst lange … du warst nicht da und jetzt … Dad war auch … ich kann das irgendwie noch immer nicht richtig … verstehen.“

„Ich weiß was du meinst. Und glaube mir, dass es mir und deinem Vater im Moment auch nicht gerade anders ergeht. Ich … ich bin für viele Situationen ausgebildet worden und habe auch schon vieles gehört und erlebt, aber das…das man plötzlich von den Toten aufersteht ist auch mir etwas … zu viel. Und ich bin sicher, dass sich dein Bruder auch so seine Gedanken macht. Aber wir werden das alles vielleicht besser verstehen, wenn etwas Zeit vergangen ist und wir alle darüber gesprochen haben, wie es nun weitergehen soll. Siehst du … dein Vater und ich sehen das alles als so eine Art zweite Chance an. Wir haben uns wieder, ich sehe meine großartigen Jungs, sehe, welche Männer aus ihnen geworden sind, kann sie kennenlernen und Zeit mit ihnen verbringen … so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Es interessiert mich zwar, was genau mit uns geschehen ist, aber…ändern würde ich es bestimmt nicht mehr wollen. Um keinen Preis der Welt. Und ich werde mir das auch nicht nehmen lassen.“

Dave lächelte verstehend, doch noch immer kreisten seine Gedanken an vergangene Zeiten in seinem Kopf umher. Er erinnerte sich an einige Momente, in denen er mit seiner Familie glücklich war, wie sie über etwas gemeinsam lachten, wie sie gemeinsame Ausflüge machten, aber auch an weniger glücklichere Tage, an denen es zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen kam. Und plötzlich war sie wieder da…die Erinnerung an jenen Tag, als es einen Anruf aus dem Polizeirevier gab, kurz darauf einen aus dem Krankenhaus. Alles ging so schnell. Nur einzelne Bildfragmete liefen vor seinem inneren Auge ab.

Die Polizisten … das Cedars-Sinai Krankenhaus … Ärzte, die seinem Vater etwas erklärten, sein Vater, der nach den besten Ärzten verlangte … stundenlange Wartezeit, niemand, der ihm oder seinem Bruder etwas erklären wollte … ein Arzt, der mit dem Kopf schüttelte und sich dann entschuldigte, nichts mehr tun zu können … Lupita, die leise schluchzte und dennoch versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen … Dad, der zitternd und bebend vor ihnen hockte und versuchte zu erklären, was passiert sei …
„Jungs, jetzt hört mir mal zu … eure Mom … sie hatte einen Unfall … mit dem Wagen …“
Ein helles aber dennoch karg ausgestattetes Krankenzimmer, Ärzte und Schwestern, die hektisch ein und ausliefen … seine Mutter, die an dutzende Maschinen angeschlossen, die regelmäßig piepten … Flüssigkeit, die durch einen Schlauch in ihren Arm floss …
Mom, die lächelnd in ihrem Bett lag … lächelnd und doch mit Tränen in den Augen …
„Meine beiden Jungs … macht euch keine Sorgen, es sieht schlimmer aus als es ist … ich habe euch sehr lieb, wisst ihr das? … Ihr müsst mir etwas versprechen …v ersprich mir das John…“
Sein Vater, den er zum ersten Mal weinen sah … John, der sein Versprechen gab … Mom, die ihre Augen schloss … für immer …

„Dave? … Dave?“, rief ihn eine Stimme zurück in die Gegenwart. Mit Mühe hatte er die Tränen unterdrücken können, doch es kostete ihn eine Menge Kraft.

„Entschuldige, ich war … ich war wohl kurz woanders mit meinen Gedanken. Was hast du gesagt?“

Carol lächelte und strich ihm kurz über die Wange. „Ich sagte, dass ich froh bin, dass ich euch alle wieder habe und dass ich stolz auf euch bin.“

„Ich bin auch froh, dass du wieder… dass ihr wieder … da seid.“

Nur für einen Augenblick vergas er alle Zurückhaltung, zog er seine Mutter zu sich und umarmte sie. „Ich habe dich vermisst, Mom …ich habe dich so vermisst.“

Nun war es Carol, die mit den Tränen kämpfte. Sie hatte kaum Erinnerungen, an ihren Tod. Sie konnte sich nur vage daran erinnern, in ihrem Wagen gesessen zu haben.

Ein sonniger Tag … der gewohnt hektische Verkehrsalltag auf einer Kreuzung in der Innenstadt …eine grüne Ampel … Vorfreude auf das Essen mit der Familie … ein kurzer Blick nach links … ein Lastwagen der näher kam … zu nah … zu schnell … Hupen und Bremsgeräusche … grelles Licht, dass von oben zu kommen schien, … Ärzte und Schwestern, die um sie rum standen … hektische Gespräche … eine beigefarbene Zimmerdecke … Patrick, der lächelte …
„Ich liebe dich, Carol …“

Dave und John, die ängstlich aussahen…

„Ich verspreche es dir, Mom …“

Müdigkeit, die sie übermannte … Dunkelheit, die sie umgab und dann … Licht … ein helles und warmes Licht, das sie willkommen hieß …

Nein, an ihren Tod erinnerte sie sich vage und ungern, aber dafür erinnerte sie sich noch gut daran, dass sie ihre Familie vermisste. Dass sie es vermisste, ihren Mann zu sehen und zu berühren, mit ihm zu reden und zu diskutieren und mit ihm zu lachen. Sie hatte ihre Jungs vermisst, hatte sich so sehr gewünscht ihre Jungs wieder zu sehen, ihre Stimmen und ihr Lachen zu hören, Johns freches und Dave eher schüchternes Grinsen zu sehen, über ihre Streiche den Kopf zu schütteln, wie sie ihren Vater und auch sie mit ihren verrückten Ideen in den Wahnsinn trieben, zu sehen wie sie erwachsen wurden…

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte sie das Gefühl, dass alles gesehen zu haben. Gesehen zu haben, wie ihr Mann und ihre Söhne an ihrem Bett standen und weinten, wie zuerst John dann Dave ihren Schulabschluss machten, erwachsen wurden und dann zum College gingen, wie sie ihre erste Freundin hatten. Ja, sie glaubte sogar gesehen zu haben, wie John sich bei der Air Force gemeldet hatte. Doch sicher war sie sich nicht, also tat sie es als eine Einbildung ab.

Nein, sie glaubte eher, das alles verpasst zu haben und nur schwer nachholen zu können. Aber sie würde diese zweite Chance nutzen und sich viel mit ihrer Familie beschäftigen, viel mit ihnen sprechen, viel oder besser gesagt, alles nachholen und erfahren. Widerwillig ließ er sie los. Zu gerne würde er sie länger halten, am besten für immer. Nie wieder würde er sie loslassen. Niemals wieder.

„Ich habe euch auch vermisst“, erwiderte die Mutter, drückte noch einmal Daves Arm und wandte sich wieder den beiden Nervenbündeln zu.

Noch immer gingen sie im Kontrollraum auf und ab, sahen nervös auf ihre Uhren, setzten immer wieder zu Fragen an, beließen es aber doch dabei, da sie entweder wussten, dass man ihre Fragen nicht beantworten konnte oder aber dass sie sich ihre Fragen selbst beantworteten.

Erneut sah sie die angespannte Miene und die Nervosität ihres Mannes und konnte gut nachvollziehen wie er sich fühlen musste. Auch sie spürte eine innerliche Unruhe, Sorge und sogar Angst. Angst, einen ihrer Söhne, die sie gerade erst wieder bekommen hatte, zu verlieren und das auch noch auf einem anderen Planeten, in einer anderen Galaxie, wegen…Außerirdischen. Wieder einmal fühlte sie sich wie in einem dieser billigen Fantasie- oder besser gesagt einem völlig übertriebenen futuristischen und kitschigen Filme. Zunächst machte all das, was sie in den letzten Stunden erlebt, gesehen, gehört hatte kaum einen Sinn, konnte es selbst sich glauben, geschwiege denn verstehen.

Doch dann sah sie auf den Balkon, sah dort eine ebenfalls nervöse und angespannte Frau mit einem jüngeren Mann. Eine Mutter mit ihrem Sohn. Genau wie sie.

„Mein Gott! Reißt euch mal zusammen und hört auf, hier Graben in den Boden zu laufen. Ich macht mich und andere nur noch nervöser!“, brachte sie entnervt und kopfschüttelnd hervor, als sie auf dem Weg zum Balkon und dabei fast in die beiden Männer gerannt war. Ohne auf die entgleisten Gesichter der beiden zu achten, setzte sie ihren Weg zum Balkon fort, meckerte noch murmelnd vor sich her und verschwand dann hinter der Tür.

„Mach dir keine Sorgen, dein Vater wird sie schon zurückbringen“, beruhigte Elisha ihren Sohn, obwohl sie selbst nur noch ein Nervenbündel war.

„Das wird nicht einfach für ihn sein. Er ist verletzt und Alexa … sieht auch nicht gerade gesund aus“, erwiderte Dorian.

„Du kennst doch die beiden. Das sieht schlimmer aus, als es ist. Alexas Verletzungen sind schnell verheilt und um die Schulter deines Vaters kümmere ich mich auch, sobald meine Instrumente …“

„Die Instrumente! Die habe ich fast vergessen! Du brauchst sie ja … ich … ich kümmere mich sofort darum!“, rief Dorian aufgeregt und machte sich daran, den Balkon hektisch zu verlassen.

Leise murmelte er noch eine Entschuldigung, als er beinahe mit Carol zusammenstieß und war dann endgültig nach drinnen verschwunden.

„Er hat es aber eilig, was?“, kommentierte Carol lächelnd und stellte sich neben Elisha, die zum Meer hinaus blickte.

„Er will die Instrumente reparieren und aufladen, die ich wohl sehr bald brauchen werde.“

„Instrumente?“, fragte Carol verwirrt und konnte zunächst nichts mit dieser Aussage anfangen.

„Instrumente, um die Verletzungen meiner Tochter und meines Mannes zu behandeln.“

„Ah, dann sind Sie Ärztin?“

„Ja, Medizinerin.“

„Und das war gerade Ihr Sohn? Ist er auch … Mediziner?“, wollte Carol wissen und versuchte die Frau in ein Gespräch zu verwickeln.

„Dorian ist mein Erstgeborener. Er ist Wissenschaftler. Er forscht, bastelt, experimentiert und repariert vorzugsweise die Dinge und Gerätschaften, die mein Mann oder meine Tochter kaputt machen. Meist in irgendwelchen Einsätzen, in … denen es manchmal richtig heftig wird“, erklärte Elisha lächelnd.

„Und sein Vater … Ihr Mann und Ihre Tochter sind Soldaten? Man denkt immer, dass eher der Sohn in die Fußstapfen seines Vater tritt und nicht die Tochter.“

„Ihr Mann ist nicht vom Militär?“, fragte Elisha.

„Patrick? Nein. Nein, Rick hat … ist … war in der Energiewirtschaft tätig. Er war Geschäftsmann, hatte mehrere Kraftwerke. Er … das letzte woran ich mich erinnere ist, dass er noch mehr Kraftwerke und auch andere Arten der Energiegewinnung entwickeln wollte … oder besser gesagt, entwickeln lassen wollte.“

„Und Ihre Söhne? Sie sind auch nicht in die Fußstapfen ihres Vaters getreten, so wie ich das verstehe.“

„Eigentlich schon. Nur nicht so, wie mein Mann es sich vorgestellt hatte. Eigentlich sollte unser ältester die Firma übernehmen, stattdessen leitet Dave nun die Geschäfte.“

„Ihnen missfällt es, dass Colonel Sheppard … John beim Militär ist?“, schien Elisha aus den Worten, dem Tonfall und dem Gesichtsausdruck der Frau lesen zu können.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob es mir missfällt. Ich bin auf jeden Fall … überrascht. Leider hatte ich nicht mehr mitbekommen, wie es dazu kam. Vielleicht hätte ich es verhindert, vielleicht wäre es auch nicht soweit gekommen … ich weiß es nicht … ich weiß noch nicht einmal, welche Männer meine Jungs geworden sind“, erklärte Carol bedrückt, während sie in Gedanken versunken, zurück und den Kontrollraum blickte und dort ihren Mann und ihren Sohn sah, der sich gerade mit Daniel Jackson unterhielt.

„Tut mir leid, aber das verstehe ich nicht.“

Carol lächelte leicht verlegen. „Ich war … ich bin über zwanzig Jahre nicht für meine Familie da gewesen. Ich … ich war tot. Man sagte mir, dass ich äh … aufgestiegen sein soll und nun … bin ich wieder da … und alles ist anders.“

Elisha riss überrascht die Augen auf. „Aufgestiegen?!“

„Und wieder zurückgeschickt. Sagt man zumindest.“

„Aufgestiegen und zurückgeschickt? Ich habe noch niemals jemanden getroffen, der aufgestiegen, geschweige denn, wieder zurückgekehrt war“, erwiderte Elisha erstaunt und starrte Carol noch immer mit großen verwunderten Augen an.

„Tja, dann ist heute wohl ein besonderer Tag für Sie. Sie haben nicht nur Ihre Familie wieder gefunden, sondern gleich noch drei Menschen getroffen, die aufgestiegen und wieder … rausgeschmissen wurden. Meinen Mann, Doktor Jackson und mich“, entgegnete Carol lächelnd.

„Für Sie muss es aber auch ein schöner Tag sein. Sie haben ihre Familie wieder.“

„Ja … die ich allerdings wieder neu kennenlernen muss.“

„Ich kann mir vorstellen, dass das nicht einfach sein muss. Auch für mich und meine Familie ist nun vieles anders. Aber eines weiß ich mit Bestimmtheit…ich kenne Ihren Sohn John Sheppard noch nicht sehr lange, aber … er ist ein guter Mann. Sie können sehr stolz auf ihn sein.“


M8Z-087

„Ich glaube hier ist es“, meinte Rodney, der den ganzen Weg über mit seinem kleinen Detektor beschäftigt war und den anderen den Weg gewiesen hatte.

Alexa sah nur kurz zu ihm, ließ dann ihre Hand über das Panel gleiten, worauf sich die Tür zischend öffnete.
Sofort sah man den Replikator an der gegenüberliegenden Wand und stürmte mit erhobenen Waffen hinein. „Schalten Sie bitte das Kraftfeld aus, McKay“

„Was? Sind Sie wahnsinnig? Er wird uns alle umbringen!“ antwortete dieser aufgebracht.

„Nein, wird er nicht. Tun Sie´s!“

Der Replikator erhob sich, während McKay mit seinem Computer versuchte, das Kraftfeld aus zu schalten. Mit einem kurzen Summen fiel das Feld in sich zusammen.

„Sag mir wer es ist“, bat sie ihn erneut und trat noch einen Schritt vor..

„Wer was ist?“, wollte John wissen und starrte verwirrt zwischen Alexa und dem Replikator hin und her.

„Ich kann nicht.“

„Du hast gesagt, dass er mich zu kennen scheint. Weißt du … wieviel Zeit vergangen ist? Dass es niemanden mehr … du weißt, was in den letzten Jahrtausenden mit mir gewesen ist.“

Alexa wollte nicht so schnell aufgeben. Sie musste wissen, wer dieser Komplize sei, woher er kam, was er wollte, warum er so handelte. Sie konnte nicht verstehen, warum dieser Replikator so beharrlich schwieg. Sollte er tatsächlich dazu programmiert worden sein, musste dieser Komplize, dieser Mann ausreichende Kenntnisse über diese Technologie besitzen. Doch so sehr sie auch darüber rätselte und nachdachte, ihr fiel absolut niemand ein, der ein solches Wissen haben könnte, abgesehen von den Menschen die nun in Atlantis waren, doch das schien ihr absurd, dass ausgerechnet einer von ihnen so ein…krankes Spiel mit ihr spielen würde.

„Ja, ich weiß. Ich kenne deine Gedanken.“

Tristanius folgte aufmerksam und neugierig dem Gespräch der beiden, hatte sowohl seine Tochter als auch den Replikator im Auge behalten. Er fragte sich, von wem die beiden da wohl sprachen. Wer sollte seine Tochter kennen? Wer sollte dieses Wissen haben, so etwas wie dieses Ding zu erschaffen? Wer ist wohl dieser Kolya?

Sein Blick schweifte zunächst interessiert über diese Maschine, doch dann sah er sich unauffällig in seiner Umgebung, in diesem Raum um, bis sein Blick auf dem Tisch neben ihn hängen blieb. Es war ein kleiner unscheinbarer Papierstreifen, der seine Aufmerksamkeit erregte. An für sich nichts besonderes, wenn da nicht die merkwürdig vertraute. Schriftzeichen darauf wären.

Tristanius verengte die Augen, strengte sich an, die Schrift zu entziffern, doch es gelang ihm nicht so recht. Noch einmal sah er sich unauffällig um, bemerkte erleichtert, dass niemand auf ihn sondern, vielmehr auf diese sprechende Maschine achtete und griff nach dem Papier. Doch kaum konnte er die Schriftzeichen genau erkennen, fluchte er in seinem Geiste. Unbewusst hielt er den Atem an, sein Herzschlag schien einen Moment auszusetzen, er glaubte sein Blut würde in den Adern gefrieren und er bekam eine Gänsehaut. Doch der anfängliche Schock verwandelte sich recht schnell in Panik und Angst. Schweiß trat auf seine Stirn, sein Puls beschleunigte sich, er schluckte und seine Atmung schien sich zu beschleunigen.

Schnell sah er sich erneut um, beobachtete und suchte, doch er fand nichts Verdächtiges. Abgesehen von Kolyas Männern, die er in der näheren Umgebung hören konnte. Der General riss sich zusammen, versuchte wieder zu seiner Ruhe zu finden, steckte den Papierstreifen in seine Hose und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf seine Tochter. Er konzentrierte sich auf seine Atmung und seinen Puls, brachte beides wieder auf ein normales Level.

„Alexa, wir gehen.“

„Gleich …“, antwortete sie ihrem Vater und wandte sich wieder dem Replikator zu. „… ich habe keine Zeit für Spielchen. Nenn mir seinen Namen oder … gib mir wenigstens einen Hinweis!“, bat sie erneut.

„Er wird nichts dergleichen tun!“, ertönte eine Stimme hinter der Gruppe, worauf diese sich ruckartig umdrehte.

Zunächst überrascht, dann zornig starrte John geradewegs in das Gesicht seines Erzfeindes. „Kolya! Es war mehr ein Wispern, als ein erstaunter oder gar wütender Ausruf.

„Sheppard … so schnell sieht man sich wieder. Von Angesicht zu Angesicht.“

John versuchte gelassen zu wirken, doch innerlich kochte er vor Wut. Nebenbei war er noch immer so verwirrt, dass er nur mit Mühe seine Gedanken ordnen konnte. Zweifel machten sich in ihm breit. Er war sich sicher, Kolya damals erschossen zu haben. Carson hatte es sogar bestätigt. Und nun? Nun stand er vor ihm, konnte ihm in die Augen sehen.

Die ganze Zeit hatte er gehofft, dass es eine Täuschung sei, ein übler Scherz von irgendjemanden, ein Replikator, ein Klon, ein irgendwas, nur nicht er. Doch er war es wirklich. John erkannte ihn an seinen Augen. Er sah die Wut, den Hass, die Rachegelüste, glaubte sogar einen gewissen Triumph darin zu erkennen. Aber diesen würde er ihm nicht gönnen.

„Sie sehen gut aus. Der Tod muss Ihnen gut bekommen sein“ brachte John hervor, als er wieder zu seiner Ruhe fand.

Kolya grinste nur höhnisch. „Noch immer zu Witzen aufgelegt, hm? Ich hatte gehofft, dass Sie herkommen würden. Mir wäre es zwar lieber gewesen, Sie hätten sich gestellt und wären nicht mit einem ganzen Trupp durchs Tor gestürmt, aber mir soll es recht sein. Sie sind hier … genau da, wo ich Sie haben will.“

John musste prustend auflachen, als er kurz darauf in den Lauf der Waffe sah, die Kolya auf ihn richtete. „Wie, keine Lust auf Small-Talk? Schade, ich hätte gerne ein bisschen geplaudert. Sie wissen schon … wie war es auf der anderen Seite … gibt es da wirklich so ein Licht oder einen Tunnel? Steht man da wirklich vor einem Gericht und muss sich seiner Taten und Vergangenheit stellen? Kann mir vorstellen, dass es wohl nicht gut gelaufen sein muss. Wie war es in der Hölle?“

„Das werden Sie bald selbst erfahren. Ich war so frei und habe Ihnen einen Platz reserviert. “

„Oh, das ist nett! Ist das nicht nett? …“, fragte John und drehte sich kurz freudig lächelnd zu seinen Teammitgliedern um.„…und was jetzt? Wollen Sie mich einfach erschießen? So schnell können Sie gar nicht daran denken, wie man sie dann abknallt … schon wieder.“

„Sie erschießen? Nein. Sie wollen wissen, wie es in der Hölle ist? Ich werde es Ihnen mit Vergnügen zeigen“, erwiderte Kolya.

„Oh ich fühle mich geehrt, aber das ist echt nicht nötig. All die … Mühe“, antworte John.

Kolya ging nicht weiter auf das Geplänkel ein, er hatte allmählich genug. Noch immer die Waffe auf John gerichtet, wollte er sich langsam in Richtung Replikator bewegen. Doch eine Regung in Ronons Gesicht ließ ihn innehalten. „Ihnen juckt es in den Fingern, nicht wahr?“

„Und wie“, lautete die kurze und knappe Antwort des Hünen.

„Aber Sie zögern … sie wissen ganz genau, dass die Muskeln verkrampfen, wenn auf jemanden geschossen wird. Ganz besonders, wenn es ein Betäubungsschuss ist.“

„Wer sagt, dass ich Sie betäuben will?“

„Mein Finger liegt am Abzug, wenn Sie abdrücken, stirbt auch Colonel Sheppard.“

Kolya wusste, dass er so nicht weiterkommen würde. Er wusste, er war in der Unterzahl, um nicht zu sagen alleine. Doch er hatte Sheppard. Alles andere war ihm beinahe egal. „Also … Sie sind hier Sheppard, Ihr Team ist hier … wo ist der Antiker?“, fragte Kolya, achtete dabei nicht mehr auf den Replikator, der die ganze Szenerie neugierig beäugte.

„Was soll das alles? Sie wissen, dass Sie hier nicht mehr rauskommen. Sie sind alleine, wir sind in der Überzahl und Ihre Männer … na ja, seien wir mal ehrlich, Sie hatten schon mal bessere … die suchen das weite!“, antwortete John.

Alexa und der General blieben jedoch weiterhin unbeeindruckt und hielten sich zurück.

„Ich schätze, er ist auf dem Schiff da draußen. Beeindruckend wirklich. Vielleicht sogar ein bisschen mehr, als die Tatsache, das vor diesem Replikator geheim gehalten zu haben …“, meinte Kolya an Alexa gerichtet. „… wissen Sie, was ich mich noch Frage? Ich frage mich, was Sie sonst noch so geheim gehalten haben. Mal abgesehen von Ihrem vollständigen Namen und Ihrem Rang. Was gibt es sonst noch interessantes über Sie zu wissen?“

„Finden Sie es doch raus!“, antwortete Alexa.

„Oh, das werde ich, obwohl ich schon eine Ahnung habe. Wissen Sie, es gibt da so einige Dinge, die mich von Anfang an verwunderten. Sie haben das Gen, sind gut ausgebildet, Ihre Verletzungen scheinen wirklich erstaunlich schnell zu heilen und vergessen wir auch nicht, dass Colonel Sheppard mit einem ganzen Bataillon und einem … Schlachtschiff der Vorfahren angerückt ist. So viel Aufwand … für eine Person? Und wer ist das? …“, fragte Kolya neugierig, als er sich von Alexa abwandte und nun ihren Vater in genaueren Augenschein nahm. Doch dieser antwortete nicht. „… er trägt nicht die typische Atlantis Uniform … sein Alter entspricht auch nicht gerade dem Durchschnitt Ihrer Männer, Sheppard. Und die Tatsache, dass er sich so schützend vor Ihre kleine Soldatin stellt …“

„Sie wissen ganz genau, dass wir niemals jemanden zurücklassen“, erwiderte John genervt und unterbrach Kolyas Ausführungen über seine Vermutungen.

„Darauf habe ich ja spekuliert und jetzt … jetzt sind Sie alle da. Nur … Sie müssen doch selbst zugeben, dass all diese kleinen Details einen schon ganz schön ins Grübeln bringen, nicht? Hat er Sie etwa ausgebildet? …“ Misstrauisch sah Kolya zwischen dem Antiker-General und dessen Tochter hin und her, ohne zu wissen wie nah er doch an der Wahrheit war.

„Oder sollten Sie vielleicht selbst…sie beide…“

Kolya kam nicht mehr dazu, seine Vermutungen auszuführen, als der Replikator aus dem Stand heraus über die Gruppe hinweg sprang und Kolyas Waffe wegschlug und dann nach ihm griff. Eisern legte sich seine Hand um dessen Hals und drückte immer fester zu. Kolya rang nach Atem, japste und keuchte und versuchte sich erfolglos zu befreien.

„Geht!“, forderte der Replikator.

Doch die Menschengruppe sah überrascht, um nicht zu sagen geschockt zu.

„Was …“, versuchte Alexa zu fragen, doch die Worte bleiben ihr im Halse stecken.

„Ihr solltet … gehen!“, rief er erneut und stieß mit seinem letzten Wort Kolya von sich weg.

Der Stoß war so heftig dass dieser regelrecht durch die Wand hindurch in den benachbarten Raum geschleudert wurde und dort unter Schutt, Geröll und Trümmern der eingebrochenen Wand bewegungslos liegen blieb. Sofort konnte man sehen, dass Kolya einige Verletzungen davon getragen hatte.

Aus einer Platzwunde am Kopf quoll Blut im pulsierenden Takt seines Herzschlages, einige Knochen schienen auch gebrochen zu sein und innere Verletzungen würde er höchstwahrscheinlich auch davon getragen haben.

„Warum … hast du das getan?“, fragte Alexa, als sie ihre Verwunderung unter Kontrolle gebracht hatte.

„Ich … weiß nicht. Ihr müsst gehen.“

„Noch nicht. Ich muss wissen, wer es ist. Du hast gegen Kolya handeln können, dann kannst du auch …“

„Nein! Verstehst du nicht? Er hat mich so programmiert. Warum ich Kolya angreifen konnte weiß ich nicht, aber ich kann dir einfach nicht sagen, wer sein Komplize ist … du solltest dein Versprechen halten und dann gehen“, erklärte der Replikator eindringlich.

„Von was für einem Versprechen wird denn hier die ganze Zeit geredet?“, verlangte Rodney zu wissen, doch es wurde nicht darauf eingegangen.

Nur für einen kurzen Augenblick zögerte Alexa, dann richtete sie die Anti-Replikatoren-Waffe auf ihr Gegenüber.

„Eines solltest du noch wissen …“ Sie sah ihn erwartungsvoll an. „… er ist besessen von dir. Er wird nicht aufgeben.“ Wieder zögerte sie, sah den Replikator dankend und beinahe entschuldigend an. „Halte es … bitte.“

Ein kurzer Blick in seine Augen und sie drückte den Abzug, worauf der Replikator in winzig kleine Teile zerfiel.

„Sie … Sie haben ihm versprochen, ihn zu vernichten?“, fragte McKay perplex, als er den kleinen Haufen metallartiger Splitter auf dem Boden sah.

„Ja.“

„Sind sonst noch welche da?“, wollte Teyla wissen.

„Nein. Nicht das ich wüsste. Was ist mit Kolya?“, wandte sie sich wieder an John.

Genau wie dieser, sah sie auf die Stelle, an der Kolya noch immer bewusstlos lag.

„Lorne wird in ein paar Minuten eine Menge Drohnen hier runter schicken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das diesmal überleben wird. Aber wir sollten dann nicht mehr hier sein“, erklärte Rodney, während John Alexa die ARW aus der Hand nahm und ihr seine Beretta gab. „Gehen wir.“

Das Gebäude zu verlassen war nicht ganz so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatten. Als Kolya erfahren hatte, dass es den Atlantern doch tatsächlich gelungen war, mit einem Trupp bis zu dieser Einrichtung zu gelangen, hatte er alles daran setzen wollen, so viele Gefangene wie möglich zu machen. Als er jedoch einsehen musste, dass seine Männer bei der Stärke von Sheppard´s Soldaten praktisch chancenlos waren, besser gesagt, dass sie stiften gingen, entschloss er sich kurzerhand, Sheppard selbst zu jagen.

Während der Replikator sich mit den Atlantern unterhalten hatte, hatte Kolya das Bewusstsein wieder erlangt. Doch worüber sie gesprochen haben, konnte er nicht verstehen. Sein Kopf und seine Glieder schmerzten zu sehr, er fühlte, wie die warme rote Flüssigkeit seine Wange hinunter rann. Schwindel packte ihn und er glaubte sein Brustkorb würde bei jedem Atemzug zerbersten. Am Rande bekam er mit, wie Sheppard seinen Leuten den Rückzug befahl. Mühevoll versuchte er sich von dem Schutt und den Trümmern zu befreien und aufzustehen. So schnell würde er sich nicht geschlagen geben.

Mit seiner Waffe im Anschlag hinkte er mit schmerzverzerrtem Gesicht durch das Gebüsch, an Felsen und Bäumen vorbei, in Richtung Stargate, wo er nur noch sehen konnte, wie seine Leute nieder geschossen wurden. Zumindest diejenigen, die sich dem Kampf stellten. Hektisch sah er sich um und dann erblickte er ihn, als er gerade das Gebäude verließ und auf dem Weg zum Gate war.

-Schieß!-, war der erste und einzige Gedanke, der ihm in den Sinn kam.

„Sheppard!“

John drehte sich um und sah, wie sein lange tot geglaubter Erzfeind auf ihn zielte.

Doch ein ohrenbetäubendes Geräusch von Triebwerken lenkte Kolya ab. Das riesige Raumschiff, das er eben noch bewundert hatte, schwebte gerade mal mehrere hundert Meter über ihnen.

Kolya dämmerte, dass es nun wohl ziemlich kritisch, oder besser gesagt, erst richtig aussichtslos wurde. Wieder kam ihm die Frage, ob dieses Schiff vom Antiker gesteuert wurde, oder ob nicht doch diese Alexa und der ältere Soldat womöglich die waren, für die er sie nun hielt. Wieder sah er in die Richtung, in der er eben noch John gesehen hatte, konnte ihn aber nirgendwo mehr ausmachen. Er beschloss wieder zurück ins Gebäude zu laufen.


Atlantis

Stöhnend unterbrach Dorian seine Arbeit an einem der vielen Operationsinstrumente, die seine Mutter vermutlich bald brauchen würde. Erschöpf schloss er seine Augen und ließ seinen Kopf langsam auf die Tischplatte sinken.
Er solle auf seine Mutter achten, hatte sein Vater zu ihm gesagt, daher entschloss er sich, seine Arbeit im Konferenzraum neben dem Balkon zu machen, um sie auch immer im Auge zu haben. Wusste er doch, dass seine Mutter schon immer gerne auf den Balkon ging, wenn es Situationen gab, in denen sie eine Ablenkung brauchte oder sich übermäßig Sorgen machte, es aber nicht genug Arbeit gab, um sich mit dieser abzulenken.

Gelegentlich sahen einige Soldaten und Wissenschaftler der Erde bei ihm vorbei, beäugten neugierig die Geräte und Instrumente, stellten Fragen, boten Hilfe an. Aber Dorian lehnte jedes Mal dankend aber freundlich ab. Es war nicht so, dass er sein Wissen und seine Fähigkeiten nicht gerne teilen wollte, oder dass er die Hilfe nicht zu schätzen wusste, nur würde es ihm eine Menge Zeit kosten, zu erklären und zu instruieren, da er nicht wusste, in wie weit das Wissen dieser Menschen um diese Gerätschaften und Technologie reichte.

Abgesehen von einem anderen wichtigen Punkt, lieber alleine arbeiten zu wollen. Es ging ihm nicht besonders gut. Nein, das war beinahe eine Untertreibung. Es fühlte sich miserabel. Ihm war übel, manchmal überkam ihm Schwindel, Krämpfe durchzogen seinen Körper, Schweißausbrüche und Zitteranfälle übermannten ihn.

Er wusste, woher dies alles rührte. Er wusste er musste zurück, wusste, dass er etwas brauchte, doch er wollte nicht. Nicht mehr, niemals wieder. Er war wieder zuhause, in Sicherheit. Er hatte seine Familie wieder. Ihm würde hier nichts geschehen. Ihm drohte keine Gefahr mehr. Es würde nun keine Angst mehr geben. Keine Heimlichtuerei, kein Verstecken, keine Lügen und Ausreden mehr sein Leben bestimmen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Verlangen nicht mehr an ihm zehren würde. Er würde es schon überstehen. Sobald sein Vater mit seiner Schwester zurückkehrte, würde es ihm ohnehin besser gehen. Ein anständiger Schlaf, etwas Gutes zu essen und die Welt würde bald wieder anders aussehen.

Für einige Minuten atmete er kontrolliert ein und aus, wartete bis sein Puls sich wieder normalisiert hatte, das zittern nachließ. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn und machte sich wieder an die Arbeit.

~~~///~~~

Mit verschränkten Armen stand Patrick neben seinem Sohn Dave, starrte hinunter in den Gateraum und beobachtete die Wachsoldaten, die immer wieder vor dem Sternentor hin und her gingen.

Es war schon über eine halbe Stunde vergangen, seit John sich mit einem größeren Team auf den Weg zu einer Befreiungsaktion machte. Eine halbe Stunde, in der man nichts von ihm oder seinen Leuten hörte oder zu sehen bekam, eine halbe Stunde, in der er sich Gedanken machte, grübelte, über die Vergangenheit sinnierte, hoffte und betete. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er sich im Geiste ausmalte, wie es wohl auf diesem anderen Planeten ablaufen könnte. Gab es Gespräche? Verhandlungen? Auseinandersetzungen? Oder gar schon wieder Handgreiflichkeiten und Schießereien? War es womöglich schon zu spät für diese Frau? War sie zu schwer verletzt? Würden sie dadurch den Rückweg nicht schaffen? Was, wenn alles nur eine List war? Wenn es eine Fall war, in die John natürlich prompt rein tappte? Mit Sicherheit war es das. Andererseits, John wusste, worauf er sich einließ, als er durch das Tor stürmte.

Wieder fiel ihm auf, wie seine Gedanken ihm zu sehr zusetzten, seine Nervosität Überhand gewann und er anfing, ungeduldig zu werden. Zum x-ten mal fragte er Dave nach der Uhrzeit und begann mit seinen Fingern auf dem Geländer zu tippen.

Er hatte das Gefühl, jeden Moment vor Anspannung und Ungeduld platzen zu müssen. Noch einmal sah er sich im Gateraum und im Kontrollraum um, sah Daniel Jackson, der nicht minder ruhig schien und seine Frau, die sich auf dem Balkon mit dieser Außerirdischen unterhielt. Doch sein Blick blieb auf Richard Woolsey hängen, der wieder am Schreibtisch in seinem Büro saß.

-Das wäre vielleicht die Möglichkeit!-, dachte Patrick und machte sich auf den Weg.

„Viel Arbeit?“, fragte er, als er am Eingang zu dessen Büro stand.

Woolsey sah überrascht auf. „Nicht mehr als sonst.“, lächelte er dann verlegen.

„Ich kann mir gut vorstellen, dass es manchmal als eine schier unmögliche Aufgabe erscheinen muss, eine ganze Stadt … oder wie man das alles hier auch bezeichnen kann, zu leiten“, meinte Patrick und hoffte inständig, sein Gegenüber in ein Gespräch verwickeln zu können.

Ein Gespräch das ihm hoffentlich einige Antworten gab, die ihm fehlten oder besser gesagt, die ihm sein Sohn niemals geben würde.

„Man könnte meinen, dass man als Expeditionsleiter in einer außerirdischen Stadt, auf einem anderen Planeten, in einer anderen Galaxie schon alles gesehen und erlebt hat, aber …“ Woolsey schüttelte gedankenverloren den Kopf. „… manchmal wird man schon zwei Minuten nach dem Aufstehen, eines besseren belehrt.“

„Abwechslung ist die Würze des Lebens … sagte mein Vater jedenfalls immer. Ich denke mir, dass es wohl nie langweilig wird“, entgegnete Patrick.

„Oh, da sagen Sie was. Aber, ob Sie es glauben oder nicht, heute ist es noch eher einer der ruhigeren Tage. Bitte … setzen Sie sich doch“, bat Richard und wies auf einen der Sessel, als er selbst von seinem Stuhl am Schreibtisch aufstand und sich zu ihm gesellte.

Patrick zog teils überrascht, teils staunend über diese Aussage seine Augenbrauen nach oben, wobei ihm erneut auffiel, dass ihn seine Brille nicht mehr half, richtig zu sehen. Es war vielmehr so, dass das gesamte Bild verschwamm und er das Gefühl hatte, sich noch mehr anstrengen zu müssen, um klar zu sehen. Also nahm Patrick die Brille ab, rieb kurz mit Zeigefinger und Daumen über seine schmerzenden und brennenden Augen und spürte bereits wie die dumpfen Schmerzen hinter seinen Schläfen schwächer wurden.

Verwundert stellte er fest, dass er ohne Brille sogar besser sah. Es war alles klar erkennbar, nichts war mehr verschwommen, egal ob nah oder fern.

„Dann darf ich annehmen, dass Sie wohl jeden Tag Umgang mit Außerirdischen pflegen, oder Leute begrüßen, die von den Toten auferstanden sind?“, fragte Sheppard Senior lachend, während er sich setzte und seine Brille in die Innentasche seines Jacketts steckte.

„Nun … vielleicht nicht mit letzterem, aber Außerirdische … ja, das kommt in etwa hin. Wir haben wieder eine Antiker-Familie hier, die zuletzt vor dreizehntausend Jahren hier lebte … Wie Sie sagten, es wird nie langweilig.“

„Dann dürfte sich mein Sohn wohl auch nie über zu wenig Arbeit beschweren.“
Es war eigentlich mehr eine Frage, als ein Kommentar von Patrick Sheppard und er hoffte darauf, dass Woolsey anbeißen würde.

„Nun … John ist der militärische Leiter. Er hat viele verschiedene Aufgaben. Seine wichtigste ist die Sicherheit und Verteidigung der Expedition und der Basis zu gewährleisten. Ebenso ist er Leiter unseres ersten Eliteteams, um es mal so bezeichnen.“

Patrick hatte das Gefühl, das sein gegenüber angebissen hatte. Nun hieß es dran bleiben. „Nun, dann hat er wohl keinen Grund zur Beschwerde. Von verrückt gewordenen und totgeglaubten Terroristen mal abgesehen.“

Woolsey dagegen roch den Braten. „Mister Sheppard …“

„Nennen Sie mich Patrick“, unterbrach er ihn.

„Richard“, entgegnete Woolsey und fuhr fort. „Patrick, ich kann verstehen, dass diese Situation Sie beunruhigen muss und dass Sie sich Sorgen machen. Glauben Sie mir, wenn ich sage, dass Ihr Sohn einer der fähigsten und integersten Soldaten ist, die ich kenne“, versuchte der Leiter ihn zu beruhigen.

„Das freut mich zu hören, aber …“

Patrick stellte fest, dass er sich wohl zu früh gefreut hatte. Er wusste, dass wieder die Geheimhaltung dazwischen funken würde. Er hatte das Gespräch zwischen Carol und Daniel Jackson vorhin mitbekommen, hatte gehört, wie dieser Doktor Jackson sich wand, als es um genauere Informationen ging. Aber es ging hier um seinen Sohn, Herrgott nochmal! Patrick versuchte es auf direktem Wege. „… John ist mehr als nur Soldat. Er ist … mein Sohn…“ Patrick sah Richard direkt in die Augen. „… was ist zwischen ihm und diesem Kolya? Was ist da vorgefallen?“

Woolsey erwiderte den Blick und dachte kurz nach. Sofort kam ihm die Verschwiegenheitsklausel in den Sinn, die Geheimhaltung, die Missionsberichte, die strenggeheim waren. Alles Dinge, die sonst kaum Beachtung in seinem Arbeitsalltag und auch nicht in seinem Leben hier in Atlantis fanden. Jedenfalls nicht im Sinne, dass er sich vermehrt Sorgen darum machen musste.

Er befolgte die Regeln und Anweisungen des Komitee und war bisher kaum in einer Situation, in der er ernsthaft um die Geheimhaltung und die Geheimnisse bangen musste. Doch plötzlich erschien eine Familie auf der Bildfläche. Ein Vater, eine Mutter und ein Bruder, die teilweise vor Jahren und Jahrzehnten verstorben waren und durch eine außerirdische Macht zurückgeschickt wurden. Die in andere Galaxien reisten, Außerirdische kennenlernten, neugierig wurden, Fragen stellten und letzten Endes besorgt waren. Was für ein Mensch wäre man, wenn man jemanden, der ohnehin schon selbst Dinge gesehen und erlebt hat, die sonst niemand glauben würde, in seiner Angst und Sorge alleine und regelrecht schmoren lassen würde?

Nein, er konnte gut die Neugier und auch die Sorge verstehen, aber gab dies ihm das Recht gegen Vorschriften zu verstoßen?

„Ich kann Ihre Sorge wirklich verstehen und ich weiß auch, dass ein Quäntchen Neugier mit wiegt und das ist in Ordnung, wirklich. Ich an Ihrer Stelle würde wohl auch alles versuchen, um mehr zu erfahren. Gerade mit solchen Erlebnissen und Erfahrungen. Und besonders dann, wenn die eigenen Kinder, die ganze Familie darin verwickelt ist. Aber es tut mir leid, ich darf Ihnen keine genaueren Informationen geben. Es gilt auch hier immer noch die Geheimhaltung.“

„Ach ich bitte Sie, es kann doch nicht geheimer sein als das Stargate-Programm selbst, und dafür habe ich bereits eine Freigabe.“

„Die Missionsberichte unterliegen ebenfalls einer Geheimhaltung, wenn auch einer anderen. Ich fürchte ich kann Ihnen da nicht besonders viel weiterhelfen.“

„Und wenn ich nun auch dafür eine Freigabe beantragen würde?“

Woolsey zögerte kurz. Wieder glaubte er, das Verständnis und Mitleid, das wie ein kleines Männchen auf einer seiner Schultern sitzen und ihm ins Ohr flüstern würde, deutlich zu wahrzunehmen. Auf der anderen Schulter würde das Männchen, das für die Vorschriften und Regeln und schließlich auch für den Verstand stand, sitzen und dagegen halten. Richard selbst hatte zwar keine Kinder, aber konnte gut nachvollziehen, dass ein Vater erfahren wollte, was sein Sohn, zumal noch ein Militär, tat.

„Das können Sie natürlich, aber ich fühle mich verpflichtet, Ihnen zu sagen, dass dies auch mit Colonel Sheppard besprochen werden muss. Auch er hat diesbezüglich ein Entscheidungsrecht.“

Patrick sah Richard lange an, bevor er dann resigniert nickte. Er wusste, John würde niemals zustimmen, was ihn in seiner Annahme, dass in seiner Vergangenheit furchtbares passiert sein musste, nur bestärkte. Aber konnte er es ihm verdenken? Wollte John nicht, dass sein Vater und auch seine Mutter erfahren, was alles in der Vergangenheit geschehen war, um sie nicht zu beunruhigen, oder weil John es wohl nicht einsah, seinem Vater alles zu erzählen, nachdem er bisher sowie so kaum Interesse am Leben seines Sohnes gezeigt hatte?

Aber es interessierte ihn. Es interessierte Patrick schon immer was mit John war. Schon vom ersten Tag ihrer Geburt. Patrick musste alles über seine Jungs wissen. Angefangen von ihrem ersten Schritt, dem ersten Wort dass sie sprachen, den schulischen Noten, ihren Freunden, ihren Spielereien und ihren Hobbys, bis hin zu ihren Berufswünschen und Heiratsplänen.

Interesse und Stolz begleiteten ihn, während er dem Erwachsenwerden seiner Söhne zusah. Nur zeigte er es nicht immer. Und bei John zeigte er meist sogar das Gegenteil. Doch im Grunde bewunderte er Johns Eigenwilligkeit. Etwas was er selbst nie zeigen durfte. Er selbst musste sich damals seinem Vater und dessen Entscheidungen beugen.

Patrick tröstete sich mit dem Gedanken, alles versucht zu haben und mit der Hoffnung, vielleicht im Laufe der Zeit, einiges nebenbei zu erfahren, wenn sich vielleicht jemand verplapperte oder die eine oder andere Situation entstand, in dem er vielleicht doch mit seinem Sohn sprechen konnte. Er würde vielleicht nicht direkt davon sprechen und schon gar keine Details verraten, aber es musste eben ausreichen und wer wusste schon, was noch alles geschehen würde.

„Ich werde versuchen mit John zu sprechen, aber ich verspreche mir nicht viel davon. Sie müssen wissen … ich muss zugeben, das … mein Verhältnis zu meinem ältesten Sohn … nicht immer einfach war. In unserer Familie war immer er der Rebell … und ich war meistens nicht gerade begeistert davon.“

Richard musste lächeln. „Nun … ein Rebell scheint immer noch in ihm zu schlummern und nicht gerade selten kommt er zum Vorschein, wie Sie vorhin gesehen haben…“

Patricks enttäuschter und resignierter Gesichtsausdruck brachte Woolsey zum grübeln. In Wahrheit konnte er sich nicht so recht vorstellen, was Patrick mit Rebell meinte und die kurze aber heftige Debatte zwischen den beiden vorhin reichte auch nicht aus, um einen kleinen Eindruck vom Sheppard´schen Familienleben zu bekommen. Aber dass es zwischen Vater und Sohn wohl nicht so gut gelaufen sein musste, konnte er sich nun denken. Das Männchen des Verständnisses und Mitleids schien in dieser Konversation zu gewinnen.

Richard atmete tief durch und hoffte inständig, nicht zu weit zu gehen oder seinen nächsten Schritt zu bereuen. „Kolya ist in der Tat ein Terrorist. Er stammt vom Volk der Genii. Sie sind von der technologischen Entwicklung etwa fünfzig Jahre hinter uns. Im ersten Jahr, damals war Doktor Elizabeth Weir die Leiterin der Expedition, hatte Kolya versucht, mit einem Trupp Atlantis einzunehmen. Er nahm sie und Doktor McKay als Geisel, verletzte letzteren und drohte Doktor Weir zu töten. Als er mit ihr durch das Gate flüchten wollte …schoss Colonel Sheppard auf ihn. Das war der Auslöser für Kolya, einen großen Hass auf ihren Sohn zu entwickeln. Im Laufe der Jahre trafen sie immer wieder aufeinander, bis der Colonel ihn vor über zweieinhalb Jahren erschoss. Dachten wir bis jetzt zumindest.“

Patrick hörte aufmerksam zu, doch ihm war sofort klar, dass noch mehr vorgefallen sein musste. Er erinnerte sich an die Worte dieses Mannes, die bei den Übertragungen gesprochen wurden. War da nicht die Rede von einem Wraith? Patrick wagte einen weiteren Vorstoß. „Bei den Übertragungen wurde über einen Wraith gesprochen, was hat es damit auf sich?“

Für Woolsey wurde die Angelegenheit mittlerweile zu heiß und es bestätigte ihm nur noch mehr, doch zu weit gegangen zu sein.

„Patrick … ich habe schon mehr gesagt, als ich eigentlich darf. Verzeihen Sie, aber es wäre besser, wenn Sie zuerst mit John …“

Richard wurde durch Chuck unterbrochen. „Gateaktivierung von außen!“

„Ist das John?“, fragte Patrick aufgeregt.

„Wollen wir es hoffen“, meinte Woolsey und kam mit Patrick im Schlepptau aus dem Büro gelaufen.

„Lieutenant Ryan´s ID-Code, Sir!“, ertönte Chuck’s aufgeregte Stimme.

„Schild runter!“, befahl Woolsey und wartete auf Sheppard und seinen Trupp, der nun mit den Antikern zurückkehren sollte.

„Dave, sag deiner Mutter, dass John zurückkommt“, bat Sheppard Senior an seinen Jüngsten gerichtet und sah ihm nur kurz hinterher.

Dorian, der die Gateaktivierung mitbekommen hatte, ließ alles stehen und liegen, rannte hinaus und sah kurz zum Gate hinunter. Aufgeregt drehte er sich wieder um und betrat den Balkon. Unisono ertönten die Stimmen der beiden Söhne, die ihre Mütter informierten. „Sie kommen zurück!“

Augenblicklich fanden sich sowohl Woolsey, die beiden Familien und auch Daniel Jackson im Kontrollraum ein. Während Patrick und Dave am Geländer standen und warteten, blieben Carol, Elisha, Dorian und Daniel Jackson noch eher im Hintergrund und schauten Chuck über die Schulter.

„Sir, wir empfangen wieder MALP Telemetrie. Audio und Video“, erklärte der Techniker wieder.

„Lassen Sie sehen!“

Sofort legte Chuck die Übertragung auf den größten Bildschirm, auf dem man wieder einige Soldaten sehen konnte, die links und rechts auf dem Weg zwischen dem Gate und der Einrichtung Stellung bezogen hatten und diese nun notfalls unter Feuergefecht verteidigten sollten.

Die beiden Familien sahen wie gebannt auf den Bildschirm und versuchten, bekannte Gesichter zu erkennen. Mehr noch, sie versuchten ihre Lieben zu finden, als Richard glaubte, im Hintergrund das Team hinter einigen Büschen und Bäumen hervor stürmen zu sehen.

„Sie haben sie!“, rief er freudig, als er sowohl Sheppard und sein Team, als auch den Antiker-General mit seiner Tochter sah.

Zum Teil erleichtert, aber immer noch ein wenig besorgt atmeten die Anwesenden auf. Carol, Dave und Patrick versuchten in all dem Wirrwarr John zu finden, aber auch Elisha und Dorian suchten nach ihrem Mann, Vater und Schwester. Doch Dave war der erste, der seinen Bruder entdecken konnte. „Da! Da ist John! …“, rief er und zeigte auf den Bildschirm. „… Alles in Ordnung. Es geht ihm gut“, flüsterte er ihm zu, als es sah, das sein Vater sich doch große Sorgen um seinen ältesten zu machen schien.

„Ja, aber noch ist er nicht hier“, antworte Patrick ihm bedrückt und beobachtete weiter, wie John immer wieder umdrehte und auf seine Angreifer schoss.

Carol hingegen, faltete zittrig die Hände aneinander, führte sie zu ihrem Mund und stützte dann ihr Gesicht auf die mittlerweile ineinander verschränkten Finger. Ihr war Angst und Bange um ihren Sohn. Immer wieder glaubte sie, ihre Knie würden nachgeben, ihr Magen rebellierte und ihre Sorge schien ihr Denken zu behindern. Sie wollte nicht hinsehen, konnte gleichzeitig aber auch nicht wegsehen. Sie wusste nicht, was sie dazu veranlasste, weiterhin auf den Bildschirm zu starren. Gerade als sie glaubte, dass sie ihre Kraft endgültig verließ und sie nun in die Knie sacken würde, spürte sie Daves Hand auf ihrer Schulter.

Sie drehte sich zu ihm und sah, dass auch er sich Sorgen zu machen schien. Kläglich versuchte sie zu lächeln, doch es misslang. Dankend ergriff sie seine Hand und klammerte sich an ihn. So würde sie es vielleicht aushalten, bis sie sich sicher war, dass John es unbeschadet zurückgeschafft hätte. Bis er unverletzt vor ihr stehen würde.

Erneut richtete sie ihren Blick wieder auf den Bildschirm, sah zu, wie John Alexa ein neues Magazin für die Beretta zu warf und selbst sein Maschinengewehr, nachlud. Dies alles geschah in Sekunden. Doch plötzlich explodierten kleine Sprengladungen, die Dreck und Steine durch die Luft fliegen ließen. Beim genaueren Hinsehen, konnte Patrick erkennen, dass es sich dabei um Handgranaten handeln musste. Patrick, Dave und Carol kannten solche Bilder bisher nur von Film und Fernsehen, gelegentlich auch durch Nachrichtensendungen, die über irgendeinen Krieg in Afghanistan oder dem Irak oder sonst wo berichteten.

Dorian und Elisha hingegen, hatten alle Mühe Tristanius und Alexa auszumachen. Doch kaum hatte man sie entdeckt, verlor man sie wieder aus den Augen als sich ein feindlicher Soldat auf Alexa warf …

~~~///~~~

Hart fiel sie zu Boden. Das Gewicht des Mannes verstärkte auch noch die Wucht des Aufpralls. Sofort spürte Alexa, dass ihre beiden Rippen, die schon begonnen hatten, sich zu regenerieren, erneut brachen. Mit größter Mühe und noch größerer Pein schaffte sie es, sich umzudrehen und den Mann von sich zu stoßen. Auch aufrichten konnte sie sich, wodurch sie auch in der Lage war, einen erneuten Angriff des Soldaten durch einen gezielten Tritt aus einer Drehung gegen dessen Oberkörper abzuwehren. Doch der Schmerz, der daraufhin wieder durch ihr Bein und ihre Seite zog, brachte sie wieder mit einem Aufschrei zu Fall.

Tristanius reagierte schnell, als er sah, dass man erneut auf seine Tochter losgehen wollte. Rücksichtslos packte er den jungen Söldner, der sich über sie beugte, am Kragen und riss ihn von ihr herunter. Taumelnd stolperte dieser einige Schritte rückwärts und sah amüsiert zu Tristanius, der feststellen musste, dass das Magazin seiner Waffe leer war. Ein kurzer Fluch folgte, dann hastete der General einen Satz nach vorne, schlug dem Angreifer mit der Faust und aller Kraft auf den Brustkorb, worauf dieser sofort tot zusammenbrach. Den nächsten Angreifer konnte er auch mühelos abwehren. Er packte ihn an seinem Arm und nutze dessen Kraft und Schwung gegen ihn selbst ein, sodass er sich in der Luft überschlug und hart auf dem Rücken landete. Ein kurzer, kräftiger Ruck und der Arm war ausgekugelt. Gerade als Tristan fertig war seine Waffe nachzuladen, hörte er den markerschütternden Schrei seiner Tochter. „Vater!“

Beinahe zur gleichen Zeit sah er aus dem Augenwinkel, wie Sheppard mit erhobener Waffe auf ihn und Alexa zugerannt kam und ebenfalls schrie. „Runter!“

Es war mehr ein Fallen, als ein Ducken, als Tristanius der Warnung nach kam. Er hörte das donnern aus der Waffe des Colonels und glaubte sogar, auch das Eindringen der Kugeln in den Körper der Feinde hören zu können.

Von den Kugel getroffen, fielen dicht neben ihm zwei feindliche Soldaten zu Boden. Ihm wurde bewusst, dass, wenn Sheppard nicht geschossen hätte, er nun tot am Boden liegen würde. Wie konnte so etwas passieren? Wieso hatte er die beiden nicht sehen können? Wie konnten sie ihm dermaßen nahe kommen, ohne dass er es bemerkt hatte? Sie waren noch nicht einmal hinter ihm, sondern dicht an seiner Seite gewesen. So etwas war ihm doch noch niemals passiert.

Er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, als bereits der nächste Todeskandidat nahte. Und noch dazu ohne Waffen. Nein, dieser Narr wollte ihn im Nahkampf entgegen treten.

-Nun, wenn du es unbedingt so haben willst-, dachte Tristanius und blockte kurz darauf den Schlag seines Gegners mit der linken Hand ab, ließ das Handgelenk jedoch nicht mehr los.

Im Gegenteil. Er zog an ihm, worauf dieser sich zwangsläufig in eine gebeugte Haltung krümmte und schlug ihm gleich darauf mit der rechten Handkante ins Genick. Auch diese Auseinandersetzung dauerte nur Bruchteile von Sekunden und endete tödlich für den Genii.

John und Tristanius ergriffen Alexa links und rechts am Arm, zogen sie wieder auf die Beine, worauf diese wieder schmerzerfüllt aufstöhnte und rannten weiter in Richtung Gate. Doch wieder eröffneten Kolyas Nachzügler das Feuer. Hinter einem größeren Felsen konnten die drei genügend Deckung finden. Während Alexa ihre Beretta nachlud und dann ihren Vater unterstützte, mit gezielten Treffern die Gegner auszuschalten, nahm John Kontakt mit Lorne auf. „Major Lorne! Machen Sie die Drohen bereit!“

„Wir sind so weit, Colonel. Erwarte Ihren Befehl!“


Atlantis

Noch immer starrte man teils gespannt, teils besorgt und fassungslos auf den Bildschirm. John, Tristanius und Alexa hatten hinter einem großen Felsen, der mitten im Weg lag, Deckung gefunden. Man konnte auch sehen, dass sich das restliche Team ebenfalls hinter kleineren Felsen und Bäumen die am Wegesrand standen, verschanzten und von dort immer wieder Salven in die gegnerischen Truppen schoss.

Immer wieder trafen Kugeln den großen Fels, ließen die drei zusammenzucken und tiefer in ihre Deckung rutschen. Sogar Sand und kleine Gesteinsbrocken splitterten ab und konnten erkannt werden.
Sie waren gerade mal zwanzig oder dreißig Meter vom Gate entfernt und dennoch schien es für Patrick aussichtslos, dass John mit seinen Leuten von dort wieder heil zurückkehren würde. Doch irgendetwas schien sein Sohn zu planen, als er sah, wie er wohl über Funk mit jemanden sprach. Verstehen konnte er jedoch nichts. Alles was man hören könnte, waren Schüsse und unverständliche Schreie.

„Was hat er jetzt vor?“, wollte Carol wissen und kam somit ihrem Mann zuvor.

„Colonel Sheppard … wie sieht es aus?“, fragte Richard, als Chuck ihm eine Funkverbindung hergestellt hatte.

„Na, sehen Sie das denn nicht? Halten Sie den Gateraum frei, wir sind gleich da!“, lautete die knappe Antwort, die mehr geschrien, als gesprochen wurde.


M8Z-087

John blickte sich sicherheitshalber noch einmal um, stellte zufrieden fest, dass all seine Leute aus der Schusslinie waren. Noch ein kurzer Blick zu Alexa und den General, dann gab er den Befehl. „Lorne! … Feuern Sie!“

Nur Sekunden später konnte man sehen, wie helle Lichter aus dem Schlachtschiff schossen und in dem naheliegenden Gebäude hinter dem Wald einschlugen.

„Rückzug! Los! Los! Los!“, schrie John als er sah, wie sich Feuer und Rauch hinter den Baumgipfel erhob.

Schnell packten er und der General wieder Alexa, halfen ihr auf, stützten sie so gut es ging, und rannten mit ihr seinen Leuten durch das Gate nach. Heftige Erschütterungen die durch die Explosionen entstanden, ließen die Erde beben. Sie waren teilweise so heftig, dass sogar das MALP noch während der Fahrt erbebte.

~~~///~~~

Als auch der letzte Mann in Atlantis ankam, schaltete sich das Gate aus. Erschöpft und außer Atem stand man nun im Gateraum. John sah sich nur kurz um und verschaffte sich einen Überblick.

„Allemann vollzählig anwesend. Aber wir brauchen ein medizinisches Notfallteam“, gab er bekannt als Woolsey ihm entgegen gerannt kam.

Nun konnten sich auch die restlichen Familienmitglieder nicht mehr zurückhalten. Allen voran Elisha und Dorian, der seine Mutter noch überholte und stürmisch auf seine Schwester zu rannte. Nicht minder heftig fiel die Umarmung der beiden Geschwister aus, bis Alexa qualvoll aufstöhnte.

„Dorian, Vorsicht! Nicht so fest, sie ist verletzt …“, mahnte der Vater und wandte sich gleich an seine Frau. „…zwei Rippen auf ihrer rechten Seite und der linke Unterarm sind gebrochen, Die Kugel hat sie sich selbst entfernt, aber so wie es aussieht, hatte sie wohl eine dieser Attacken. Aber dein Serum scheint wirklich gut zu helfen“, berichtete er und ließ sich dann ebenfalls kommentarlos in eine Umarmung ziehen.

„Und du?“, wollte Elisha wissen.

„Mit geht es gut“, sicherte er ihr zu.

„Dorian … was habe ich mir für Sorgen um dich und Vater gemacht …“, brachte Alexa hervor, als sie ihre Stirn gegen die ihres Bruder lehnte.

„Du? Du hast dir Sorgen gemacht? Ich bin nicht derjenige, der sich immer in solche Situationen hineinmanövriert. Das Talent besitzt ja wohl nur du“, gab dieser lachend zurück und sah in die erfreuten und tränengefüllten Augen seiner Schwester.

Doch sie dagegen konnte neben selbiger Freude auch Müdigkeit erkennen. War es ihm zu verdenken? Wie lange musste er durch die Galaxie geirrt sein, auf der Suche nach seinem Zuhause, seiner Familie? Doch das alles war jetzt vorbei.

Während sich die lantianischen Familie begrüßte, kamen auch schon Sanitäter hinzu und kümmerten sich um die verletzten Soldaten. Zum Glück war niemand ernsthaft verletzt oder musste gar mit einer Trage in die Krankenstation geschafft werden.

Auch Johns Familie betrat nun zum ersten Mal seit ihrer Ankunft wieder den Gateraum. Während Carol erleichter und besorgt zugleich auf ihren Sohn zu lief und ihm um den Hals fiel, hielten sich Dave und Patrick noch etwas im Hintergrund. „John!“

Schnell löste sie sich wieder von ihm und ließ ihren Blick über die Statur ihres Sohnes gleiten und versuchte Verletzungen zu finden. Aber außer einer kleinen Wunde unter dem rechten Auge, konnte sie nur eine Menge Schmutz und zerschlissene Kleidung ausmachen. „Du bist verletzt!“

„Ist nur ein Kratzer, keine Bange“, beruhigte er sie wieder.

Doch diesmal war es Patrick, der nicht locker ließ. Sehr zu Johns Erstaunen.

„Bist du sicher? Du … du könntest Verletzungen haben, die du noch gar nicht bemerkst.“

„Mir geht’s gut“, erwiderte John und versuchte sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.

Langsam lösten sich die beiden Geschwister, als Tristanius näher trat. Zaghaft und übervorsichtig zog er seine Tochter in eine liebevolle und innige Umarmung, während Dorian seine Mutter noch mal zu sich zog.
Doch die Angst des Vaters, seine Tochter noch mehr zu verletzen oder ihr Schmerzen zuzufügen war zu groß, als dass er sie fest an sich drückte. Auch wenn er es zu gern tun würde. Er konnte ihr Schluchzen hören und regelrecht spüren, wie ihr Körper durch das Weinen erbebte.

Schmerzen durchzogen seine Schulter, als sie sich an ihm festkrallte, als ob sie ihn niemals wieder loslassen wollte. Doch er ignorierte seine eigene Pein. Immer wieder strich er behutsam über ihren Kopf und flüsterte freudige und beruhigende Worte in ihrer Muttersprache und versuchte sie damit wieder zu beruhigen.
Und tatsächlich glaubte er kurze Zeit später zu bemerken, wie sie sich entspannte.

Wie ein Stein fielen plötzlich all ihre Ängste, Sorgen und Befürchtungen von ihr ab. Sie konzentrierte sich voll und ganz auf das Spüren ihres Vaters. Nichts anderes hatte mehr Bedeutung für sie, nichts spielte mehr eine Rolle. Sie spürte keine Angst mehr, keine Schmerzen und sämtliche Stimmen, Geräusche und Gerüche rückten in weite Ferne und plötzlich wurde alles schwarz.

„Alexa … Alexa?“ Der Griff des Vaters verstärkte sich nun doch, als er bemerkte wie Alexa bewusstlos zusammen zu brechen drohte.

„Schnell … bring sie zur Krankenstation“, bat Elisha, während Tristanius seine besinnungslose Tochter auf den Arm nahm und sie eilig davon trug.

„Colonel Sheppard, Sie kommen mit zur Krankenstation“, erklärte Jennifer Keller, als sie sich mit ihrem Personal und den Verletzten ebenfalls auf den Weg machte.

„Mir geht’s gut. Ich bin nicht verletzt.“

Doch die junge Ärztin duldete keine Widerrede und zeigte auch keinerlei Verhandlungsbereitschaft. „Ich meine damit sofort.“

„Geh … du solltest dich untersuchen lassen … nur zur Sicherheit“, meinte Patrick und brachte somit all seine Besorgnis, aber auch Erleichterung zum Ausdruck, was John nur noch mehr aus dem Konzept brachte. Nach einem kurzen Blick zu seiner Mutter und seinem Bruder und schließlich auch wieder zu seinem Vater machte er sich ergeben auf den Weg.

~~~///~~~

Kieran wartete darauf, dass sich die Luke des Notausganges endlich öffnete. Neugierig und aus sicherer Entfernung hatte er die ganze Befreiungsaktion beobachtet. Hatte zugesehen, wie sich die Atlanter Zugang zum Gebäude verschafft und die Gefangene gesucht hatten. Es fiel ihm schwer, sich zu entscheiden, auf wen er letzten Endes mehr achten sollte. Alexa wollte er ungern aus den Augen lassen. Ihren Vater musste er beobachten, um Schwachstellen und Angriffsziele zu finden. Das war auch relativ problemlos. Doch als Kolya unbedingt auf seine persönliche Jagd ging um seine Rachegelüste zu stillen und plötzlich diesem Sheppard gegenüberstand, lenkten ihn wieder diese merkwürdig vertrauten Empfindungen ab, von denen er glaubte, dass sie von Sheppard kamen.

Irgendetwas störte ihn an diesem Mann. Freundschaft und Sorge und eine gewisse Zuneigung waren nur einige Emotionen, die Sheppard für Alexa zu empfinden schien. Abgesehen von einigen anderen, über die sich dieser selbst nicht bewusst war und die Kieran zugegebener Weise nicht verwunderten oder gar störten. Jedenfalls noch nicht.

Nein, tief in diesem Mann schien etwas zu schlummern. Etwas was ihn arg beschäftigte. Wenn er doch nur wüsste, was es war…

Kieran merkte, dass es ihm im Moment nichts brachte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er würde noch früh genug dahinter kommen. Dafür hatte er etwas anderes, wichtiges, erfahren. Die Schwachstellen des alten Generals. Es war genau das, was Kieran vermutete und erhoffte.

Er war unkonzentriert, durch die Verletzungen und den allgemeinen Zustand seiner Tochter abgelenkt und vor allem selbst verletzt. Und auch die generelle Situation seiner Familie schien ihn arg zuzusetzen. Doch alles in Allem lief es nur auf eines hinaus. Es war schlichtweg das Alter. Auch wenn sowohl seine Tochter, als auch er sich schnell wieder erholen würde, reichte es Kieran. Er wusste wo und womit er ansetzen konnte. Ein kleines bisschen weiterplanen, ein wenig Geduld, doch am Ende würde er sein Ziel erreichen.

Kaum hatte Kieran seine Gedanken zu Ende gebracht, öffnete sich auch schon die Luke des Notausstiegs.
Mit letzter Kraft kämpfte Kolya sich nach oben. Keuchend, stöhnend und völlig erschöpft blieb er dann bewusstlos vor Kierans Füßen liegen.

„Tja…ich habe Sie ja gewarnt. Warum hört nur niemand auf mich?“, sprach Kieran eher zu sich selbst und beugte sich dann zu Kolya hinunter…


Atlantis

Behutsam legte Tristanius seine Tochter auf die Liege und machte seiner Frau Platz, die sofort begann, sich die Verletzungen von Alexa genauer anzusehen. Doch nur wenige Sekunden später aktivierte sie den Scanner.

„Wieso ist sie bewusstlos geworden?“, wollte der Vater wissen.

„Vielleicht habe ich ihr zu sehr wehgetan, sie zu fest…“

„Sie ist völlig erschöpft. Sie war seit Tagen auf den Beinen und hat nach euch gesucht. Zudem war sie die letzte Zeit ohnehin angeschlagen und stand unter großem Druck und Stress“, erklärte Elisha, während sie die Scanergebnisse auf dem Monitor begutachtete und nahm somit ihrem Sohn die Befürchtung ab, vorhin zu grob mit seiner Begrüßung gewesen zu sein.

„Wir haben sie immer wieder angehalten, sie solle sich zumindest einen Tag ausruhen, aber … sie hat nicht nachgeben wollen. Sie ist ziemlich stur und … unnachgiebig“, erklärte John, als er die Krankenstation betrat und auf eine der Liegen neben Alexa Platz nahm. Müde schälte er sich aus seiner Einsatzweste und seiner Jacke, legte beides neben sich und wartete mehr oder weniger geduldig auf Doktor Keller.

„Das hat sie von ihrem Vater …“, meinte Elisha und lächelte verstohlen ihren Mann an, der nur halbherzig mit den Augen rollte. „… hast du ihr die gesamte Dosis des Serums injiziert?“

„Ja. Im Übrigen scheint das Serum auch gegen andere Arten von Schmerzen zu wirken“, erklärte der General weiter.

„Ah ja?“

„Ja, als ich es ihr gab und sie wieder richtig zu sich kam, meinte sie, auch keine Schmerzen mehr in ihrer Schusswunde zu spüren.“

„Oh wirklich? Das klingt auf jeden Fall sehr … vielversprechend. Natürlich wären noch einige Test notwendig, aber da werden sich einige Schmerzpatienten auf der Erde sicher sehr freuen. Womöglich sogar Krebspatienten“, erläuterte Jennifer voller Vorfreude, während sie sich daran machte, Colonel Sheppard zu untersuchen und ihm Blut abzunehmen.

„Krebspatienten?“, fragte Tristanius.

„Krebs ist auf der Erde eine sehr ernst zu nehmende und gefährliche Krankheit. Es handelt sich dabei um Tumore, meist bösartige Gewebeneubildungen. Beinahe jede Körperregion und jedes Organ kann betroffen sein. In vielen Fällen endet die Krankheit tödlich. Bis dahin hat der Betroffene meist einen immens langen Leidensweg mit großen Schmerzen und dutzenden kräftezehrenden Therapien und Operationen hinter sich“, erklärte Elisha ernst und zeigte auch eine gewisse Bekümmerung, während sie sich um die Verletzungen ihrer Tochter kümmerte.

Tristanius nickte schweigend. Doch gleichzeitig wunderte er sich über das Wissen und das Interesse seiner Frau an irdischer Medizin und Krankheiten. Andererseits erinnerte er sich mit Stolz daran, mit wie viel Leidenschaft sich seine Frau ihrer Arbeit und ihren Patienten widmete. Es wurde ihm klar, dass sie sich wohl mit Studien und Forschungen über die Erde und ihre Medizin, in der letzten Zeit von ihrer Sorge versucht hatte abzulenken.

„Man hat ihr den subkutanen Sender entfernt“, stellte Jennifer fest, als sie mit Johns Blutentnahme fertig war und einen Blick auf den Monitor erhaschte.

Mit dieser Aussage riss sie den General aus seinen Gedanken und weckte erneut seine Neugier. „Subkutanen Sender?“

„Wir haben alle einen Peilsender unter der Haut implantiert. Dadurch können wir unsere Leute bei Bedarf über größere Entfernungen aufstöbern und gegebenenfalls raus beamen“, erklärte John.

„Sie verfügen über Beam-Technologie?…Auf welcher Technologie basierend?…“, lautete diesmal Dorians neugierige Frage.

„Asgard-Technologie“, erläuterte Rodney, der sich nun der Konversation anschloss.

„Asgard?! Sie kennen die Asgard?“

„Nun, kennen ist etwas untertrieben. Wir sind Alliierte. Oder besser gesagt waren, bis sie Massensuizid begingen.“

„Massensuizid?! Wieso sollten sie das tun?!“, entrüstete sich der General.

„Na ja, durch das ständige Klonen entstanden Komplikationen, die sie nicht in den Griff bekommen haben. Vor etwa 3 Jahren haben sie sich mit ihrem Planeten dann selbst ausgelöscht“, erklärte McKay weiter.

„Niemand von ihnen existiert mehr? Dann … dann ist ihre ganze Technologie, ihre ganze Forschung … all ihr Wissen … alles ist weg?“, fragte Dorian schockiert.

„Nein, nicht ganz … sie haben ihr Vermächtnis uns überlassen.“

„Ihnen?“, kam es diesmal zweifelnd von Tristanius.

„Nun … nicht direkt uns … der Menschheit im Allgemeinen. Also … eigentlich … wenn die Geheimhaltung nicht wäre … Eines unserer Raumschiffe hat eine Asgard Datenbank und wir arbeiten derzeit an einer Möglichkeit, diese zu kopieren … eine Reproduktion zu erschaffen.“

Tristanius kniff die Lippen aufeinander bevor er dieses Thema zur Seite schob. „Darüber sprechen wir ein andermal. Zunächst gilt meine Sorge meiner Tochter. Was ist nun mit ihr?“

„Sie ist im Moment bewusstlos … fangen wir daher am besten oben an. Eine leichte Gehirnerschütterung, dutzende Schnittwunden, wie Doktor Keller bereits feststellte, wurde der subkutane Transmitter entfernt, Schrammen, Kratzer, Hämatome, Zerrungen, Prellungen, Quetschungen, ihr gebrochener linken Arm, der mittlerweile fast vollständig verheilt ist, die beiden gebrochenen Rippen auf der rechten Seite, die ebenfalls beginnen sich zu regenerieren und die Schusswunde ohne Kugel, die auch beinahe verschlossen ist. Alles in allem, genug Arbeit für mich, aber nichts, womit sie nicht fertig wird. Wenn sie sich die nächsten Tage endlich ausruhen kann, wird sie schnell wieder auf den Beinen sein. Sie wird keine bleibenden Schäden davon tragen“, zählte Elisha auf und klang zum Schluss dennoch ganz zuversichtlich.

„Meine Güte! Das klingt ja fast wie ein kompletter Index aus einem Lehrbuch für Medizin“, kommentierte Marie, die weiteres Verbandsmaterial brachte.

„Daran sollten Sie sich gewöhnen. Meine Schwester hat wirklich ein Talent, sich ständig in Schwierigkeiten zu bringen. Glauben Sie mir, das ist noch nichts“, kommentierte Dorian und erntete dafür einen mahnenden Blick seines Vaters.

„Nein, aber es reicht aus. Jetzt ist erstmal Schluss. Sie wird sich die nächsten Tage ausruhen. Tristan, sie wird für mindestens drei Tage vom Dienst freigestellt“, erklärte Elisha entschieden.

„Darüber sprechen wir später“, antwortete dieser.

„Das ist mein Ernst. Ich werde nicht mit dir darüber diskutieren. Du kannst doch nicht erwarten-“

„Sie kommt wieder zu sich“, schaltete Dorian sich ein.

Dumpf dröhnten die Stimmen in ihren Ohren. Ihr Magen rebellierte, doch sie konnte den Brechreiz unterdrücken. Ein merkwürdig brennendes, geradezu kribbelndes Gefühl in ihrem Kopf ließ sie schwindlig werden, doch irgendetwas kam ihr vertraut vor. Waren es die Stimmen? War es die Decke, dessen Farbe ihr so bekannt vorkam, oder war es dieser penetrante Geruch von Desinfektionsmittel und das stetige piepsende Geräusch, das ganz in der Nähe sein musste?

„Alexa … Alexa…“

Fordernd hallte ihr Name in ihrem Kopf wieder. Zögernd und vor allem mit viel Mühe schaffte sie es, ihren Kopf in die vermutliche Richtung der Stimme zu drehen.

„Ma?“ -Atlantis? Ich bin in Atlantis? Krankenstation…Wie…-

„Hallo Schatz, da bist du ja wieder“, sprach Elisha leise und streichelte zart über den Kopf.

-Bin ich wieder? Ich war doch … Kolya … Vater … da war doch Vater … und Sheppard … Traum … alles nur geträumt?- „Traum … habe ich geträumt? Pa … ich habe doch Pa gesehen … oder?“ Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, ein Krächzen.

Elisha lächelte. „Nein, du hast nicht geträumt, dein Pa ist hier“, flüsterte sie und trat dann einen Schritt zur Seite, sodass der Blick auf ihren Mann frei wurde.

Nur wenige Zentimeter war Alexa in der Lange ihren Kopf zu heben, bevor sie ihn dann erleichtert und in Tränen aufgelöst wieder zurück sinken ließ. In einem erneuten Weinkrampf schlug sie ihre Arme über ihrem Gesicht zusammen.

Nicht minder gerührt, aber ohne Tränen, setzte sich der Vater auf die Kante der Liege und versuchte wieder seine Tochter zu beruhigen, als Alexa sich an seinen Ärmel klammerte und sich nach oben ziehen wollte.

Doch ihre Kräfte schienen zu versagen und als dies auch Tristanius bemerkte, griff er unter sie, half ihr, sich aufzusetzen und nahm sie wieder in die Arme.

Während die Mutter sich auf die andere Seite der Liege setzte, kletterte Dorian hinter seine Schwester und drückte sich an sie. Doch diesmal achtete Dorian darauf, weder ihren malträtierten Rippen noch ihrem Arm zu nahe zu kommen.

Das restliche Team blieb, während John sich gerade über Lieutenant Evans Zustand erkundigte. Doch Keller konnte ihn beruhigen und erklärte, dass dieser in spätestens zwei Wochen wieder diensttauglich sei und dass auch sonst niemand der Soldaten ernsthafte Verletzung davongetragen hatte.

Gerade als er dann gehen und Woolsey in seinem Büro aufsuchen wollte, kam dieser selbst in die Krankenstation. „Nun, wie sieht es aus?“

„Evans ist in zwei Wochen wieder auf den Beinen, sonst hat es keinen von unseren Leuten ernsthaft erwischt. Bei Alexa sieht die Sache wohl etwas anders aus“, berichtete John.

„Wie ich bereits sagte, habe ich einiges zu tun, mit ihren offensichtlichen Verletzungen. Aber es ist nicht so schlimm. Ihre Knochenbrüche heilen bereits. Das wichtigste ist, dass sie endlich Ruhe bekommt. Und mein Mann wird morgen operiert“, informierte Elisha ihn.

„Aber … das ist nur ein Kratzer. Eine Binde drauf und fertig“, wiegelte Tristanius ab.

„Eine Operation und fertig. Wenn du nicht aufhörst, wirst du die nächsten Tage deiner Tochter Gesellschaft leisten und durchschlafen.“

„Du willst mich schon wieder für Tage betäuben?“

„Wenn du mich dazu zwingst … Ich werde dich morgen früh operieren und du wirst mindestens einen Tag lang hier bleiben und dich ruhig verhalten.“

„Einen Tag?!“

„Ich kann auch gerne zwei oder drei daraus machen …“

Der General gab auf. Er wusste nur zu gut, dass er gegen seine Frau in medizinischen Dingen nicht ankam. Und schon gar nicht wenn er versuchte, mit ihr zu diskutieren und zu verhandeln. Er würde sich in sein Schicksal ergeben müssen. Und wenn er ehrlich war, befand er es für gar nicht so schlecht. Er war wieder zu Hause, in gewohnter Umgebung und bei seiner Familie. Alle waren in Sicherheit, jedem ging es gut. Die Suche war zu Ende. Keine Angst und Sorge mehr. Seine Fragen würden ihm beantwortet werden. Er könnte sich entspannen und was noch wichtiger war … er wusste dass seine Frau ihn umsorgen würde. Sie hätte ihn ständig im Auge, wäre immer in seiner Nähe … sie wäre einfach bei ihm. Lieber würde er seine Zeit und die Wiedersehensfeier mit ihr in wesentlich privaterer Umgebung verbringen, aber das musste eben warten. So konnte er wenigstens zusehen, wie sie um ihn herum wuseln würde.

„Nun, äh … es ist wirklich schön zu sehen, dass Sie alle wohlbehalten wieder hier sind. Mehr oder weniger. Aber … Sie verstehen sicher dass mein Interesse im Moment hauptsächlich bei Kolya und dem Replikator liegen. Können Sie mir genaueres sagen?“, fragte Richard forschend.

„Tja, ich schätze es ist so abgelaufen, wie sonst auch. Kolya will in erster Linie Informationen. Bekommt er sie nicht, setzt er seine Methoden ein“, antwortete John, setzte sich wieder auf die Liege und verschränkte die Arme.

„Na, ich weiß nicht. Er hat sie ziemlich übel zugerichtet“, konterte Rodney.

„Wie hat das ganze überhaupt passieren können? Wie konnte Kolya Sie gefangen nehmen?“, harkte der Expeditionsleiter nach.

Alexa atmete kurz tief durch, erntete dafür wieder sengende Schmerzen in den Rippen trank einen Schluck Wasser, das Keller ihr reichte und begann zu erzählen. „Lieutenant Evans, sein Team und ich waren bereits auf dem Rückweg und kurz vor dem Gate, als mehrere von Kolyas Männer uns umzingelten und das Feuer eröffneten. Wir haben versucht, uns zum Gate weiterzukämpfen. Ich konnte noch das Gate anwählen, aber dann wurde Evans angeschossen. Ich wollte ihnen Deckung geben, aber dann hat mich so ein Stunnerstrahl erwischt.“

„Und aufgewacht sind Sie dann wieder bei Kolya“ schlussfolgerte John.

„Ja.“

„Was wollte er? Ich meine, wollte er noch etwas anderes, als das was er in den Übertragungen forderte?“, fragte Woolsey.

„Eigentlich nicht. Er wollte den Antiker oder zumindest so viel wie möglich über ihn herausfinden und er wollte Sie“, antwortete Alexa und sah dabei zu Sheppard. „Er stellte immer wieder Fragen über ihn und mich, wollte mehr erfahren. Er glaubte, dass Sie mich ausgebildet hätten … er wollte meinen vollständigen Namen, meinen Rang, Einzelheiten zu meiner Ausbildung. Ich habe ihm nicht geantwortet und wenn, dann war er damit nicht zufrieden …“, gab Alexa mit einem Schulterzucken bekannt. „… Als einige Wachen mich für eine Übertragung aus der Zelle holen wollten, konnte ich sie überwältigen und wollte fliehen. Ich kam nicht sehr weit. Das hat Kolya wohl ziemlich wütend gemacht, deswegen hat er auf mich geschossen. Dazwischen hat er versucht, mich mit etwas zu trinken oder zu essen weich zu klopfen, aber … auch den Replikator … hat er immer wieder eingesetzt …“

„Der Replikator … was … könnte er erfahren haben?“

„Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Selbst wenn er etwas erfahren hatte, glaube ich nicht, dass er es weitergegeben hatte. Ich hatte eher den Eindruck, dass er mir einiges mitteilen wollte.“

„Abgesehen von seiner Bitte, ihn zu vernichten?“, fragte diesmal Rodney.

„Er hat Sie gebeten, ihn zu vernichten? … Ist das wahr?“

„Ja. Bei einer der … Sondierungen … konnte er sich mit mir ungestört unterhalten. Er sagte, dass er wüsste, wer ich wirklich sei und dass er es nicht verraten würde, wenn ich ihn dafür…vernichten würde. Offensichtlich wusste er, dass man versuchen würde, mich zu befreien.“

„Und was ist mit Kolya?“

„Der … wollte mit dem Kopf durch die Wand“, antwortete John.

Richard verstand zunächst nichts mit der Aussage des Colonels anzufangen, dementsprechend fiel wohl auch sein Gesichtsausdruck aus.

„Bevor der Replikator vernichtete wurde … hat er Kolya angegriffen und … durch eine Wand geworfen. So konnten wir dann entkommen. Auf dem Rückweg habe ich ihn nochmal kurz gesehen, wie er ins Gebäude lief, aber Lorne hat alles mit Drohnen dem Erdboden gleich gemacht“, erklärte John ausführlicher.

„Dann können wir mit Sicherheit davon ausgehen, dass Kolya getötet wurde?“

John zögerte zunächst mit einer Antwort. „Also … um ehrlich zu sein … ganz sicher bin ich mir bei ihm nie.“

Woolseys Besorgnis wuchs, ebenso wie Colonels Sheppards Gesichtsausdruck darauf schließen ließ, dass auch er sich über seine eigene Aussage Gedanken machte. „Dass ein Replikator um seine Vernichtung bittet, ist alleine ja schon verwunderlich, nur was mich wirklich stutzig macht, ist …“

„Kolya hat keine Ahnung von Replikatorentechnologie“, beendete John Richards Satz.

„Nein, er nicht … aber sein Komplize“, antwortete Alexa.

„Komplize?“

Kaum das Alexa weitersprechen wollte, ertönte Chucks Stimme durch die Lautsprecher. „Gateaktivierung von außen! … Mister Woolsey, Colonel Sheppard, bitte umgehend im Kontrollraum melden.“

„Wer ist denn das schon wieder? Wir erwarten doch niemanden mehr …“, meinte Richard und nahm über sein Mikrofon Kontakt auf.

„Hier ist Richard Woolsey. Chad, was ist denn los? Wer ist das?“

„Chuck, Sir! Mein Name ist Chuck … und Sie sollten besser herkommen, sonst glauben Sie es mir nie“, lautete die Antwort.

Auf dem Weg zum Kontrollraum nutze McKay die Gelegenheit, John auf den Zahn zu fühlen. „Wieso haben Sie nie erwähnt, dass ausgerechnet Patrick Sheppard Ihr Vater ist? Ich meine …“

„Rodney!“

„… er gehört zu den fünfzig reichsten Männern der USA! Er ist … er ist …“

„Rodney!“

„… er ist … der Energiemogul!“ rief Rodney aufgeregt, während John neben ihm herging und innerlich stöhnte und fluchte.

Er wusste, dass irgendwann solche Fragen auftauchen würden. Nur dass ausgerechnet Rodney seinen Vater erkannte, hätte er nicht gedacht.

Im Kontrollraum angekommen, fiel John als erstes auf, dass etwas fehlte. Um genau zu sein, seine Familie.

„Wo sind denn …“

„Oh! Ich habe Amelia und Doktor Jackson gebeten, ihnen die Cafeteria zu zeigen. Ich nahm an, dass sie mittlerweile schon ziemlich hungrig waren“, erläuterte Richard beiläufig, als sie sich Chuck näherten.

Als zweites bemerkte John, dass eine Gateverbindung bestand. John nickte nur kurz. „Was gibt’s denn?“

„Das da … er ist offensichtlich nicht klein zu kriegen“, erklärte Chuck und wies auf den Bildschirm Zu sehen war Kolya.

John und Alexa, die ebenfalls mit ihrer Familie mitgekommen war, sahen sich überrascht an.

„Lorne hat doch alles hochgehen lassen …“, wisperte Sheppard fast.

„Möglicherweise hat dieser Kolya den Schutzraum der Anlage gefunden“, vermutete Tristanius.

„Schutzraum?“

„Ja, tief unter der Oberfläche ist ein riesiger Schutzraum angelegt worden … eben für solche Fälle. Unter Umständen könnte man dort mehrere Tage ausharren. Allerdings ist er nicht so leicht zu finden. Man muss schon wissen, wo man suchen sollte.“

„Sheppard, überrascht mich zu sehen? Ich wollte mich nur mal kurz melden, um zu erfahren, ob Sie und Ihre Leute wieder wohlbehalten zurückkehren konnten…und um Ihnen mitzuteilen, dass Sie mich nicht so einfach aus dem Weg räumen können“, ertönte Kolyas Stimme.

Man konnte sehen, dass er wohl ziemlich angeschlagen war. Noch immer sah man die Kopfwunde und den Staub und den Dreck in seinem Gesicht und seiner Kleidung. Auch wenn er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, konnte man erkennen, dass er wohl große Schmerzen hatte. Zweifellos hatte er wohl schlimmere Verletzungen, als man vorhin noch erkennen oder erahnen konnte. Gerade als John einen Kommunikationskanal zu Kolya öffnete, sah er, wie seine Familie wieder zurück in den Kontrollraum kam und merkten, dass wohl etwas nicht stimmte.

„Kolya, Ihre Sorge rührt mich ja fast. Uns geht es hervorragend. Nur scheint Ihnen Ihr kleiner Flug nicht allzu gut getan haben“, erwiderte John.

„Freuen Sie sich nicht zu früh, John. Wir werden uns wieder sehen…“

„Oh, kann es kaum erwarten“, unterbrach John ihn.

„Wie kommt es überhaupt, dass Sie noch leben?“, fragte Richard und unterbrach die Drohgebärden der beiden Männer.

Kolya lachte kurz auf, bevor er antwortete. Er wusste worauf diese Frage abzielte. Es ging nicht darum, dass er den Angriff des Replikators und des lantianischen Schlachtschiffes überlebt hatte. Jetzt ging es um sein generelles Wiederauftauchen. „Spielt das wirklich eine Rolle? … Sagen wir einfach, ich hatte ein wenig Glück. Vielleicht war auch ein wenig … Zauberei im Spiel. Womöglich hatte ich aber an jenem Tag auch ein Antikergerät …oder vielleicht war ich auch nie tot. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass ich mein Ziel noch nicht aus den Augen verloren habe. Wo wir gerade davon sprechen, was sagt denn Ihr Antiker zu all dem?“

„Ist der Meinung, dass Sie … einen Knall haben“, antwortete jetzt Alexa, die sich nun nicht mehr zurück halten konnte.

„Alexa, wie schön wieder Ihre Stimme zu hören! Wie geht’s dem Bein? Sind Sie dem Colonel immer noch hübsch genug? Ich hatte schon die Befürchtung, dass er Sie mit all den Schrammen und Schnitten nicht mehr so attraktiv fände, wie vorher. Aber da ich jetzt weiß, dass Ihre Verletzungen erstaunlich schnell heilen, brauche ich mir beim nächsten Mal keine Gedanken mehr zu machen. Nun zurück zu dem Antiker. Da Sie ja mittlerweile wieder sicher in Atlantis sind, können Sie mir doch sicher die Wahrheit sagen. Er war nicht derjenige der das Schiff geflogen hat, nicht wahr?“

„Das würden Sie wohl gerne wissen was?“, entgegnete John.

„Ich schätze, ich war mit meiner Vermutung auf dem Planeten schon sehr nah dran, oder? Ich meine, Ihre kleine Soldatin hat erstaunliche Fähigkeiten und Kenntnisse und dieser Mann, der ihr Team begleitet hat, scheint auch irgendwie … “, trällerte Kolya in einer träumerischen Sprechweise.

„Möglicherweise“, sagte Alexa.

„Möglicherweise? Ach, ich bitte Sie!“

Alexa hatte keine Lust mehr auf dieses Spielchen. „Ach was soll´s“, wisperte sie.

John hatte es mitbekommen und ihm wurde klar, worauf sie hinauswollte und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Mit einem warnenden Blick sah er zu ihr rüber, aber sie tat es nur mit einem genervten und irgendwie entschlossenen Kopfschütteln ab. Aber erst ein Blick zu ihrem Vater, bestärkte sie in ihrem Vorhaben.
John hingegen gefiel das ganze überhaupt nicht und schüttelte resigniert den Kopf.

„Gratuliere Kolya. Sie haben das Rätsel gelöst. Hat aber ziemlich lange gedauert. Aber wenn … Ihr Komplize nicht gewesen wäre, würden Sie wohl noch immer dunkeln tappen, nicht wahr?“

Kolya war im ersten Moment verwundert und er fragte sich woher sie wohl wusste, dass er Hilfe hatte. Doch dann fiel ihm diese Maschine, dieser Replikator ein. Er konnte sich nun denken, dass die beiden es wohl geschafft hatten, irgendwie miteinander zu kommunizieren. Wieder lachte Kolya. „Der Replikator … natürlich.“

„Ja, der Replikator. Was denn? Hat er Ihnen denn nicht gesagt, dass Ihr Freund weiß, wer ich bin?“

Alexa wartete einige Augenblicke. Sie erkannte, dass er zunächst überrascht, dann eher verärgert zur Seite sah, wo sich wohl gerade dieser Komplize aufhalten musste. Zu gerne würde sie diesen nun sehen wollen, erfahren wer dieser Mann sei.

Elisha spürte erneut diese Gänsehaut aufkommen. Wieder beschlich sie dieses Angstgefühl, ihre Kehle schien sich zuzuschnüren und ihr Herz pochte wie verrückt. Irgendetwas an diesem Freund oder Komplizen gefiel ihr ganz und gar nicht. Besorgt sah sie zu ihrem Mann, der weiterhin auf den Bildschirm starrte und sich nichts anmerken ließ.

Was, wenn dieser Mann, von dem gerade gesprochen wurde, dieser Wahnsinnige war? Wenn er nun doch nicht tot war und wieder hinter ihrer Tochter her sei?

Elisha rief sich wieder zur Ruhe und nahm sich vor, mit ihrem Mann zu sprechen, sobald sie unter sich waren und wieder etwas Ruhe eingekehrt war. Vor allem aber, wenn Alexa nichts davon mitbekommen würde. Noch mehr Aufregung, Sorge und Ärger konnte und wollte man sich nicht leisten.

„Vielleicht will er es ja selbst tun und gestehen“, fügte Alexa hinzu und hoffte inständig, dass dieser nun sprechen würde. Hoffte, dass dieser Freund sich zeigen würde. Doch das bezweifelte sie eher, also würde sie sich damit zufrieden geben müssen, wenn sie seine Stimme hören würde. Wer weiß? Vielleicht würde sie ihn ja daran erkennen können. Aber auch das bezweifelte sie und schließlich musste sie auch feststellen, dass dieser Kerl keinen Mucks von sich gab. Wieder spürte sie, wie ihre Frustration wuchs.

„Na dann eben nicht. Offensichtlich gehört er wohl zu der schüchternen Spezies, oder ist es eher Feigheit?“
Auch das schien ihn nicht hervorzulocken.

„Kolya … Sie stellten fest, dass ich das Antikergen habe, das ich eine Soldatin bin. Sie fragten nach meinem Nachnamen, meinem Rang. Sie bemerkten, dass meine … Verletzungen … schneller heilten, als normal. Als Sie merkten, dass Sie nicht weiter kamen, versuchten Sie etwas über meine Ausbildung zu erfahren. Sie glaubten, dass Colonel Sheppard mir beibrachte, einer Folter stand zu halten. Sie wollten alles über den Antiker wissen, bekamen aber keine zufrieden stellende Antwort. Der Replikator konnte an keine Information in meinem Kopf gelangen, oder besser gesagt, er hat alles vor Ihnen verheimlicht. Und nicht nur er. Ihr Freund auch … Er wollte mich beobachten und studieren und hat dabei mit Ihnen gespielt … Sie wollen meinen vollständigen Namen und Rang wissen?“, fragte Alexa, wartete kurz und schaltete dann die Videoübertragung hinzu. „Ich bin Commander Alexa Selina Thalis. Lantianische Militärstreitmacht. Abteilung für Spezialeinsätze. Meine Dienstnummer lautet Alpha 1116987. Stationiert in Atlantis. Dort geboren und aufgewachsen und teilweise ausgebildet worden. Ich unterstehe dem direkten Befehl des Oberkommandierenden und Ratsvorsitzenden in Atlantis, General Tristanius Alarith Thalis … meinem Vater“, erklärte sie, während Tristanius hinter sie trat.

„Dachte ich es mir doch! …“, lautete Kolyas Antwort nach einigem Zögern. „…allerdings hätte ich nicht gedacht, dass Ihr Antiker eine kriegerische Rasse seid.“

„Sind wir auch nicht. Im Gegenteil. Wir sind äußerst friedliebend. Dennoch haben wir ein Militär und können im Notfall kämpfen … sollte man uns herausfordern. Und damit versichere ich Ihnen, dass Colonel Sheppard ab sofort nicht mehr der einzige ist, der eine Kugel für Sie reserviert hat“, erklärte Tristanius.

„Wir werden sehen … wir werden sehen“, erwiderte Kolya finster.

„Also, da das ja jetzt geklärt ist, wäre es doch nur fair, wenn wir nun Ihren Komplizen kennenlernen“, meinte John, doch die Übertragung brauch Augenblicklich ab.

„Tja, er scheint wirklich ziemlich schüchtern zu sein. Schüchtern und feige …“, antwortete Rodney, der mit dem restlichen Team bisher still im Hintergrund geblieben war.

„… Ich frage mich, wer dieser Komplize ist.“

„Jemand, der genug Wissen hat, um einen Replikator zu erschaffen“, schlussfolgerte John.

„Und offensichtlich Tote zum Leben erwecken kann“, schloss sich Ronon an.

„Und mich von früher kennt“, meinte Alexa.

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte John.

„Das hat mir der Replikator sagen können.“

„Und Sie wissen nicht wer es ist? Irgendeine Ahnung?“

Alexa schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich weiß es absolut nicht. Jeden, den ich von früher kenne, ist entweder tot oder steht neben mir… bis auf die, an die ich mich nicht erinnere.“

Besorgt sah Alexa zu John auf und musste sich dann an die Konsole lehnen, bei der sie die ganze Zeit stand.

„Tja, das alles bringt uns nun nicht wirklich weiter. So wie ich das sehe, kommen wir wahrscheinlich noch früh genug dahinter, um wen es sich da handelt. Ich bin wirklich froh, dass es alle … relativ unbeschadet zurück geschafft haben. Ich glaube wir alle sollten uns jetzt erst mal ausruhen. Dieser Tag war wohl für jeden ziemlich … nervenaufreibend“, sagte Richard schlussendlich und wollte somit die Belagerung des Kontrollraums beenden.

„Sie sollten zurück zur Krankenstation“, sprach John ihr leise zu.

Nun hingegen war sich Elisha sicher, dass es sich bei diesem Komplizen um Kieran handelte. Wieder versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen. Sie wollte nicht zeigen, wie entsetzt sie nun war, wie die Nervosität sie erfasst hatte oder welche Angst und Furcht sie verspürte. Ihr wurde mit Schrecken bewusst, dass sich der ganze Wahnsinn von damals wiederholen würde.

Erbarmungslos würde er jeden in ihrer Nähe ausschalten, nur um ihr näher zu kommen. Unbarmherzig würde er wieder hinter ihr her sein, würde sie jagen, sie in den Wahnsinn treiben, bis sie nicht mehr wüsste, was richtig und falsch, was Realität und Fantasie sei. Sie würde nicht mehr wissen, was sie tat, woher sie komme oder gar wer sie war. Er würde nicht aufgeben. Noch schlimmer…es gab nichts und niemanden der ihn aufhalten könne.

„Er hat recht. Du solltest dich ausruhen…“, sagte sie leise zu ihrer Tochter und versuchte somit, so schnell wie möglich aus dem Fokus der Aufmerksamkeit zu entfliehen. „..du gehörst ins Bett.“

„Aber zuerst will ich in die Wanne. So lege ich mich bestimmt nicht ins Bett“, erwiderte Alexa entschieden.

„Eine Dusche reicht bestimmt auch. Ich weiß nicht, ob das heiße Bad im Moment so gut für dich ist. Du könntest wieder kollabieren.“

„Ach was. Mir geht es schon viel besser. Ich will einfach nur ein heißes Bad, Ma … Bitte“, flehte sie beinahe und Elisha gab verständnisvoll nach.

„Na schön, aber ich werde nach dir sehen … nicht dass du mir noch in der Wanne ertrinkst. Und um deine Verletzungen kümmere ich mich auch.“

Von ihrem Vater und Bruder gestützt, machte sich Alexa auf den Weg zu ihrem Quartier und auch das restliche Team verließ endlich die Kommandozentrale.

~~~///~~~

Enttäuscht aber auch wütend blickte er immer wieder in den Spiegel, wusch sich mit einem Tuch und etwas Wasser den Schmutz und das Blut aus dem Gesicht. Seine Augen zeugten von Müdigkeit und Resignation. Jede einzelne Bewegung schmerzte in seinen Gliedern. Seine Hände schienen zitternd und kraftlos. Dennoch schweifte sein Blick immer wieder in den Hintergrund des Spiegels, kam auf der ausdruckslosen Miene Kierans kurz zum ruhen.

„Wenn ich Ihnen nun einige Fragen stellen würde, würden sie dann beantwortet werden?“, fragte Kolya.

„Kommt auf die Fragen an“, antwortete Kieran lächelnd.

„Sie wussten die ganze Zeit, wie dieser Tag enden würde, nicht wahr?“

„Sie denn etwa nicht? Abgesehen davon … habe ich Sie ja gewarnt, aber Sie wollten unbedingt diesen Sheppard.“

„Und Sie wussten auch von Anfang an, wer Sie wirklich ist.“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage.
„Natürlich.“

„Sie haben mich belogen!“, schrie Kolya wütend und drehte sich um.

„Ah ah ah … ich habe Sie niemals belogen, Kolya. Bestenfalls habe ich Ihnen etwas verheimlicht.“

„Wozu? Als ich Sie darauf ansprach, warum Sie ein so großes Interesse an Ihr hätten, da haben Sie-“

„Nicht gelogen. Ich habe immer noch ein Interesse an dem Vorfahren. Ich habe Ihnen nur nicht gesagt, wer sie wirklich ist.“

In Rage warf Kolya das Tuch ins Waschbecken und ging einige Schritte auf Kieran zu. Doch seine Überlegungen ließen ihn schnell wieder stoppen. Der Mann hatte ihn aus dem Totenreich zurückgebracht, konnte praktisch Gedanken lesen, die Menschen regelrecht beeinflussen. Er strahlte auch eine gewisse Macht aus. Die gesagten Worte, das Wissen und die Fähigkeiten, die dieser Mann hatte, sein Handeln und sein Denken, das Kolya immer noch nicht richtig nachvollziehen oder besser gesagt verstehen konnte, ließ allmählich nur auf eines schließen. Doch was wollte er von ihr? „Sie sind selbst ein Antiker … habe ich Recht?“

Kierans Grinsen wurde breiter. Er antwortete jedoch nicht, für Kolya aber reichte dies als Antwort.

„Wieso all das? Wozu brauchen Sie mich? Nur wegen Sheppard? Mit Ihren Fähigkeiten und Ihrem Wissen wären sie locker selbst mit ihm klar gekommen.“

„Stimmt“, lachte Kieran auf.

Kolya betrachtete ihn fragend.

Kieran überlegte kurz, nickte dann bedächtig.

„Na schön, was soll´s … Sie haben recht, ich bin ein Antiker. Und ja, mit Sheppard wäre ich auch alleine fertig geworden. Ein Fingerschnipsen würde genügen. Aber wo bliebe da der Spaß? Abgesehen davon, beobachte ich nun mal gerne.“

„Wieso haben Sie mich dann zurückgebracht? Wozu brauchen Sie mich? Nur damit ich mich an Sheppard rächen kann?“, fragte Kolya ein weiteres, ein letztes Mal.

„Kolya, Sie sind nicht der Mittelpunkt des Universums. Nicht alles dreht sich um Sie… aber dennoch haben Sie nicht ganz Unrecht. Sie können sich an Sheppard rächen und halten ihn mir dabei vom Leib.“

„Und währenddessen wollen Sie sich mir dieser Alexa vergnügen … was hat es mit ihr auf sich? Sie sind beide vom selben Volk, dennoch scheinen Sie weiterentwickelt zu sein, als sie … Lief da etwas zwischen Ihnen? Hat sie Sie verschmäht? Oder haben Sie sie vielleicht betrogen?“

„Vorsicht Kolya! Achten Sie auf ihre Worte“, mahnte Kieran ihn aufbrausend.

„Oder gibt es da auch etwas, wofür Sie sich an ihr rächen wollen?“

„Rächen? Nein, Rache ist nicht mein Metier. Das überlasse ich Ihnen“, antwortete Kieran leiser und stand auf.
Langsam ging er auf Kolya zu.

„Was wollen Sie dann von ihr?“, wollte Kolya wissen und versuchte sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.

„Das hat Sie nicht zu interessieren. Für Sie ist nur wichtig, dass von nun an Alexa für Sie und auch für Ihre Männer absolut tabu ist. Niemand krümmt ihr auch nur ein Haar. Kommen Sie oder Ihre Männer ihr auch nur zu nahe, erfahre ich das und Sie landen schneller wieder in Ihrem Grab, als Ihnen lieb ist … Sie erhalten Ihre Rache an Sheppard. Wie und was Sie mit ihm und seinem Team machen, ist mir gleich. Ich hoffe, ich habe mich klar ausgedrückt“, erklärte Kieran und verzichtete dabei bewusst darauf, in Kolyas Kopf einzudringen.

Er konnte die Menschen auch so ganz gut überzeugen. Zumal Kolya nun über seine wirkliche Identität und sein Können Bescheid wusste.

„Sie vergessen da nur einige Dinge…sie ist in seinem Team und somit zwangsläufig immer in seiner Nähe, oder besser gesagt, er in ihrer. Es könnte schwierig werden…“

„Ach ja? Da ich Sie im Auge behalte, Kolya, erfahre ich es ohnehin, wenn Sie sie haben und wie ich bereits sagte, können Sie mit ihm und seinen Leuten tun und lassen, was Sie wollen. Von ihr lassen Sie einfach die Finger.“

„Und dieser General? Sie steht offensichtlich auch unter dem Schutz ihres Vaters.“

„Mit dem werde ich schon noch fertig. Sollte er Ihnen allerdings zuerst über den Weg laufen … nun, Sie wissen ja wie man jemanden schnell und sauber ausschaltet. Den Rest überlassen Sie mir.“

„Was ist eigentlich … wenn Sheppard Ihnen zuvor kommt? Sie wissen schon … noch bevor Sie sie haben?“

Es war eine geradezu provozierende Art und Weise, wie Kolya fragte und sie gefiel Kieran diesmal ganz und gar nicht. Zumal er genau wusste, dass er höchstwahrscheinlich recht haben könnte. Auch ihm ist bei seinen Beobachtungen und Exkursionen in die Gedanken und Gefühle der Atlanter mehr als einmal aufgefallen, dass die kameradschaftlichen Empfindungen doch eher in Richtung tiefer Freundschaft, Bewunderung und bei manchen sogar zu mehr tendierten. Ganz besonders die Männer. Und Kieran konnte es ihnen nicht einmal verdenken.

Alexa war attraktiv und intelligent. Sie hatte ein bezauberndes Lächeln und Augen, in denen man sich glatt verlieren konnte. Doch es gab noch mehr, dass Kieran an ihr faszinierte, auch wenn er für sein Vorhaben kaum davon profitieren würde. Sie war warmherzig und großzügig, ebenso ehrgeizig, leidenschaftlich und temperamentvoll.

Auch wenn sie Soldat war und in vielen Situationen kalt und unberechenbar wirkte, so konnte sie aber auch mitfühlend und sensibel reagieren. Ja, sie würde sich sogar für vollkommen fremde Leute opfern. Er wusste, dass sie gerne lachte und andere gerne zum Lachen brachte. All das waren Eigenschaften, die sie für ihn und die Männerwelt geradezu perfekt machten. Da würde dieser Sheppard keine Ausnahme sein.

Kieran hatte schon vor einiger Zeit bemerkt, dass diese Eigenschaften und Charakterzüge an ihr, auch Sheppard aufgefallen waren.

Und auch Alexa schien ihn zumindest im Unterbewusstsein anziehend zu finden. Kieran wusste noch nicht ganz genau, was sie so an ihm faszinierte. Vielleicht war es wiederum seine Attraktivität, sein Charme. Möglicherweise war es auch die Ähnlichkeit zwischen Sheppard und dem alten General. Beide waren starke Persönlichkeiten, hatten einen starken Charakter und einen ebenso starken Willen. Beide hatten einen Kommandoposten und Befehlsgewalt und waren äußerst intelligent. Vielleicht war es gerade diese Ausstrahlung. Oder es waren die Gemeinsamkeiten, die ihre Arbeit mit sich brachte. Sie befanden sich ständig in Gefahrensituationen, mussten entweder instinktiv handeln oder bewusst gegen ihre eigene Werte und Moralvorstellung stoßen. Auch mehr als einmal lernten sie wohl ihre körperlichen, geistigen und seelischen Grenzen kennen. So etwas verbindet.
Doch im Gegensatz zu den beiden, wusste er, dass sie wohl mehr für einander empfanden, als nur Freundschaft und Sympathie. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es einem der beiden bewusst wurde und dann….

Wieder kamen ihm seine Überlegungen in den Kopf, ob nicht schon ihr Blut alleine für das was er vorhatte, ausreichen würde. Dennoch versetzte es Kieran einen Stich im Herzen, wenn er nur schon daran dachte, dass sie irgendwann einmal in seinen Armen liegen würde. Dass sie sich ihm oder irgendeinem anderen hingeben könnte. Ein Kuss oder eine Umarmung könnte er ihr noch verzeihen. Doch ihm …

Nein, dann würde er sich rächen. Er würde ihn bis in alle Ewigkeit dafür büßen lassen. Mit dem Wissen um die Möglichkeit, dass Sheppard ihm zuvor kommen könnte, wurde er noch gefährlicher für ihn. Er musste ihn loswerden.

Wieder drang Kolyas Stimme in seine Ohren und brachte ihn in die Gegenwart zurück. „Sheppard scheint bei den Frauen jedenfalls recht gut anzukommen. Was, wenn er sie zuerst hat?“

Kieran betrachte Kolya kurz aber ernst. „Dann haben Sie Pech gehabt und können Ihre Rache vergessen. Im Übrigen …“ Kieran hob die rechte Hand und führte sie an Kolyas verletzte Stirn. „…war das heute das letzte Mal, dass ich Sie aus Ärger und Schwierigkeiten herausgeholt habe und Ihnen helfe. Beim nächsten Mal, werden Sie sehen müssen, wie Sie ihre Haut retten“, erklärte er und ließ Kolyas Verletzungen innerhalb von Sekunden heilen.


Atlantis

Patrick stand an dem großen Fenster des gemeinsamen Quartiers, in das John ihn und Carol gerade mal vor einer halben Stunde gebracht hatte. Er hatte gehofft, noch kurz mit seinem Sohn sprechen zu können, doch John beschränkte sich darauf, ihnen nur schnell zu erklären wie die Wasserhähne und die Duschen in der Nasszelle und der Verriegelungsmechanismus der Tür funktionierte und verschwand dann, um auch seinem Bruder und Doktor Jackson ein Quartier zu geben.

Verstehen konnte er ihn gut. Einerseits war es ein langer und anstrengender Tag und er wollte wahrscheinlich auch nur seine Ruhe haben. Vermutlich musste er auch noch Berichte schreiben oder ähnliche Aufgaben erledigen.

Wenn Patrick ehrlich war, wusste er eigentlich gar nicht so recht, welche Aufgaben John wirklich hatte. Und somit kam er auch schon zum zweiten Punkt, warum John sich wohl schnell zurück gezogen hatte. John tat alles um seinem Vater aus dem Weg zu gehen und somit eine erneute Auseinandersetzung zu vermeiden. Und auch das konnte Patrick ihm nicht verdenken. Zu oft ist es in der Vergangenheit so abgelaufen.

Gespräche zwischen ihm und John endeten meist mit Provokationen, gegenseitigen Anbrüllen und letztendlich in heftigen Streitereien, die meist tagelang anhielten. Manchmal wurde es sogar schlimm, dass John wutentbrannt das Haus verließ und entweder zu Freunden ging oder am Strandhaus übernachtete. Je älter John wurde, desto schlimmer wurde es auch. Sogar Carol konnte da nichts mehr ausrichten oder gerade biegen.

Patrick erinnerte sich an die Momente, in denen er seine Worte und Taten bedauerte. Auch, dass er immer wieder daran dachte, seinem Sohn hinterher zu fahren, die Orte und Plätze aufzusuchen, die John bevorzugte, wenn er sich zurückzog, um noch einmal im ruhigen mit ihm zu sprechen. Einen Mittelweg , einen Kompromiss zu finden oder einfach um sich zu entschuldigen. Doch es gab immer Dinge die ihm im Weg standen, ihn hinderten oder diese Gedanken zerstreuten.

Es waren seine eigenen Pläne, seine Rechthaberei, sein eigener Ehrgeiz und vor allem sein Stolz. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr erkannte Patrick, dass sich seine Empfindungen seinem Sohn gegenüber schon lange verändert hatten. Es war ein merkwürdiges Gefühl und schwer zu beschreiben. Aber es fiel ihm erst gestern so richtig auf. Zunächst hatte er befürchtet, einen weiteren Herzinfarkt zu erleiden. Als sich aber keine Schmerzen oder andere verräterische Symptome breit machten, fiel ihm auf, dass das Gefühl eher dem glich, was man eine blähende Brust nannte. Ein angenehmes, warmes Gefühl. Eines, dass einem automatisch und ohne es zu merken, ein Lächeln ins Gesicht zauberte.

Schlagartig wurde es ihm klar. Wie ein Blitz traf ihn die Erkenntnis. Stolz!
Es war Stolz, den er empfand. Nur nicht sein eigener, sondern den Stolz eines Vaters auf seinen Sohn. Er dachte an den gestrigen Tag. Als er John nach langer Zeit wieder vor sich stehen sah. Groß, dunkelhaarig, zugegebener Maßen auch gut aussehend. Am Leben und auch Gott sei Dank gesund.

Er erinnerte sich daran, wie er im heimischen Wohnzimmer saß und seine Frau erfuhr, dass ihr Lieblings-Struwwelpeter, wie sie ihn früher immer nannte, zum Militär gegangen war. Oder wie im Konferenzzimmer des Stargate Centers dieser General Landry von ihm als leitender Militärkommandanten einer Basis sprach.

Das gleiche empfand er nochmals, als er in Atlantis ankam und sah, wo John lebte und arbeitete. Ein weiteres Mal, als er ihn in seiner Uniform sah und wie er seinen Leuten Kommandos erteilte, die sofort ausgeführt wurden. Wie er auf dem Bildschirm im Kontrollraum seinen Sohn kämpfen sah. Auch als er die Freunde und Kollegen seines Sohnes kennen lernte. Richard Woolsey, der genau wie er, in Harvard studiert hatte und sogar in der gleichen Studentenverbindung gewesen war. Dieser Riese Ronon, der offensichtlich sehr eng mit John befreundet war, die hübsche Teyla und auch diese Alexa, für die er sich heute in Gefahr begeben hatte. Und dann noch dieser McKay…

„Oh mein Gott!“, entfuhr es ihm laut.

„Was hast du gesagt?“, hörte er seine Frau aus dem Badezimmer rufen, aus dem er auch das plätschernde Wasser in der Dusche hören konnte.

„Ach nichts. Ich kann mich nur wieder an diesen McKay erinnern.“

„Wirklich? Dann ist das wahr, was er sagte? Hat er wirklich einmal für dich gearbeitet?“

„Ja, aber das ist schon eine ganze Zeit lang her“, antwortete Patrick und erinnerte sich leidlich an den damaligen Praktikanten und Physikstudenten, der mit seiner Besserwisserei, seiner Arroganz und seinem Zynismus die gesamte Firma auf Trab hielt.

Patrick schüttelte lächelnd den Kopf und war eigentlich ganz froh, dass diese Zeit schon lange vorbei war.

-Es gibt schon merkwürdige Zufälle-, kam ihm durch den Sinn, als er daran dachte, dass John diesen Kerl nun am Hals hatte.

Doch allem Anschein nach, schien er ganz genau zu wissen, wie er mit ihm umzugehen hatte. Mehr noch, auch mit ihm schien John sehr eng befreundet zu sein. Patrick wurde klar, dass sich dies nicht nur zwangsläufig durch die Arbeit so entwickelt haben musste. Immerhin hatte John einige hundert Leute unter seinem Kommando und musste somit wissen, wie man mit Menschen umgeht.

-Im Gegensatz zu mir. Herrgott Patrick! Du kannst ja noch nicht einmal mit dir selbst umgehen.-

Und somit kamen auch gleichzeitig die Reue und das Bedauern in ihm hoch. Er hatte eine zweite Chance erhalten. Eine zweite Chance, um seinem Sohn zu sagen, dass es ihm Leid tat. Dass er es bedauerte, dass alles so gelaufen war. Dass er ihn wohl eher vertrieben hatte, als ihn an sich zu binden. Dass sie keine Familie seien. Und wohl auch nie richtig waren.

Er bereute es, ihm sein Leben diktiert zu haben. Dass er mehr auf seine eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen achtete, als auf die seiner Söhne. Vor allem seinem Erstgeborenem, der schon als kleiner Junge mit seinem Lausbuben-Lachen sogar Senatoren überraschte. Er bereute es auch, seinen Söhnen schon lange nicht mehr gesagt zu haben, wie stolz er eigentlich auf die beiden war. Und wie sehr er sie liebte.

Patrick hatte endgültig genug vom Grübeln und den Selbstvorwürfen. Er fasste einen Entschluss.

„Carol, ich gehe noch mal kurz weg, ich bin bald wieder da“, rief er in Richtung Badezimmer und bekam ein „Ist gut!“ zur Antwort.

Eilig verließ er das Quartier und traf sofort auf einen Wachsoldaten.

„Sir, Sie dürfen sich leider noch nicht ohne Begleitung frei in Atlantis bewegen. Tut mir Leid. Kann ich etwas für Sie tun, Sir?“, erklärte ihm der Soldat.

Wieder keimte dieses warme und geradezu berauschende Gefühl in seiner Brust auf. Dieser junge Mann wusste offensichtlich ganz genau, wer er war, dennoch hielt er sich an seine Befehle. Befehle, die sein Sohn ihm gab. Daher machte es Patrick auch nicht allzu viel aus, dass John seine Familie auf Schritt und Tritt bewachen ließ. Im Gegenteil. Es war wahrscheinlich auch ganz gut so, dass er an diesem Ort eine Begleitung hatte. Wer wusste schon wo er landen würde, würde alleine durch diese Stadt wandeln. Doch das würde er niemals offen zugeben.

„Ja, das können Sie.“

Kaum dass Patrick aus dem Quartier gegangen war, kam Carol, in ein Handtuch gewickelt aus dem Bad und sah ihrem Mann hinterher. Sie wusste ganz genau wo er nun hingehen würde und was er vorhatte und ihrer Meinung nach war das schon lange fällig.

-Es wird auch wirklich langsam Zeit, Rick. Vermassle es bloß nicht-, dachte sie und ging zufrieden lächelnd wieder zurück ins Badezimmer.

~~~///~~~

John hatte gerade den Bericht von Lorne fertig gelesen.

Eines muss man Lorne lassen. Er schafft es immer wieder, seine Berichte sofort fertig zu bringen-, dachte John.

Er hatte ihn schon vor einer Weile gebracht, aber John ging zuerst ins Badezimmer. Jetzt war er fertig geduscht und in Zivilkleidung. Er legte den Bericht auf seinen Schreibtisch zurück, ging zu seinem kleinen Kühlschrank, nahm sich eine Dose Bier und stellte sich wieder an sein Fenster, um hinaus auf das Meer zu blicken.

Alle möglichen Gedanken gingen ihm durch den Kopf, während er seinen Blick über den goldorangenen Ozean schweifen ließ. Sooft hatte er schon die Sonnenuntergänge auf diesem neuen Heimatplaneten von Atlantis gesehen und beobachtet, doch es war jedes Mal anders. Etwas Besonderes. Jeder einzelne war unvergesslich. Genau wie seine Erinnerungen, die allmählich hoch kamen.

Die Tristanius, Replikatoren, Elizabeth, der Wraith Todd, Rodney´s Gemeckere, der Antiker General, Alexa’s Familie, Alexa mit der Hand des Replikator´s in ihrem Kopf … Kolya.
-„Verabschieden Sie sich von Doktor Weir! … Sheppard!… Überrascht?… Nehmen Sie es nicht persönlich, Sheppard! … Auf Wiedersehen, Sheppard! …“

Ein Wraith, der sich an einem nährt. Das soll man nicht persönlich nehmen?!-, dachte John zurück, an die Momente, als er immer wieder auf Kolya traf. Immer wieder kam ihm das Bild hoch, als er Kolya erschoss.

-„Er ist tot, Colonel. Der steht bestimmt nicht mehr auf. Das war ein direkter Treffer.“-

Das waren damals Carson´s Worte, nachdem er ihn untersuchte. Nachdem er ihn direkt ins Herz getroffen hatte.
John trank einen großen Schluck Bier, bevor er versuchte seine Gedanken von Kolya abzulenken.

-Alexa.-

Ja, er hatte es geschafft. Er hatte Alexa zurückgebracht. Ihr Vater und ihr Bruder hatten die Botschaft erhalten, konnten nach Celtes zurückkehren. Lorne brachte die beiden nach Hause.

-Der General. Streng und geheimnisvoll… Ein General der trotz seiner Verletzungen seine Tochter befreien wollte.-

John dachte an die Antikerfamilie und die Freude auf ihren Gesichtern. Die Sorgen und die Liebe, die er in ihren Augen sehen konnte. Den Stolz des Generals, als Alexa sich vor Kolya outete.

-Er wurde doch glatt einen halben Meter größer!-, musste John lächelnd feststellen, als ihm das Bild wieder in den Kopf schoss. -Ein stolzer Mann. Ein stolzer und liebender Vater … … Dad.- kam es ihn nun in den Sinn und sein Lächeln erstarb.

-„… leider mit einer traurigen Nachricht…Ihr Vater hatte letzte Nacht einen Herzinfarkt. Es tut mit Leid, John. Er ist gestorben…“ “Stanford?! Du gehst nach Harvard! Ende der Diskussion!“… „Siehst du nun endlich ein, dass du sie verloren hast. Mit deiner ewigen Geheimnistuerei hast du Nancy regelrecht vertrieben! Du hast Glück, dass sie einen guten Job hat, sonst müsstest du noch Alimente zahlen. Und das Gehalt, das du bei der Air Force bekommst, würde dafür gar nicht ausreichen!“… “Du hättest auf mich hören sollen! Dann wärst du jetzt ein angesehener Geschäftsmann. So wie dein Bruder“… “Ich habe mich um Dad gekümmert! Ich habe das Geschäft weitergeführt, während du dich Gott weiß wo rum getrieben hast!“… “Vermutlich ist das genau das, was Dad wollte!“…..
“Nein John, das wollte er nicht. Er hat bedauert, was zwischen euch passiert ist. Bis zum Schluss“…..-
„Ha! Du?!Du und Kommandant?!“…..

Bitter kamen die Erinnerungen in John hoch. Hatte Dave Recht? Hatte sein Dad es wirklich bedauert? Bisher ging er immer davon aus, dass er im Recht war. Zumindest, dass er selbst wüsste, was für ihn das Beste sei. Er hatte Spaß am Fliegen, also ging er zur Air Force. Und da der letzte Streit davor fast einem Rauschmiss glich, war das der kürzeste Weg beides zu verbinden. John verließ sein Elternhaus und lernte zu fliegen.

Aber jetzt? Wie sollte es nun weitergehen? Die Entscheidungen waren getroffen. Man konnte nichts mehr ändern oder rückgängig machen. Man konnte nur noch versuchen, das Beste daraus zu machen

-„Er hat bedauert, was zwischen euch passiert ist. Bis zum Schluss“.-

Sollte das wirklich wahr sein? Sollte er es wagen? Ein Gespräch mit seinem Vater?

-Na, heute bestimmt nicht mehr. Und morgen? Morgen will ich ihnen die Stadt zeigen. Mal sehen was, er sagt und wie er sich verhält. Dann kann ich immer noch zu ihm gehen. Oder er fängt an. Nein, schlag die das aus dem Kopf, John. Das ist Wunschdenken.-

John trank den letzten Schluck aus seiner Dose, warf sie weg und wollte zu einer neuen greifen, als der Türsummer ertönte. Kurz sah John auf seine Uhr und fragte sich, wer das so spät noch sein würde.

-Vielleicht Alexa. Um sich zu bedanken. So wie letztes Mal.-

Er ging zur Tür um Sie zu öffnen, aber den, den er dann davor stehen sah, hatte er nicht vermutet.

„Dad?“

Patrick sah seinen Sohn nur kurz an. „Ich … ich wollte … darf ich reinkommen?“

Für einen Moment war John zu perplex um einen klaren Gedanken zu fassen, antwortete doch dann recht schnell und hoffte, es nicht schon sehr bald zu bereuen. „Ja … sicher.“

„Ich ähh … ich … wollte nur sehen, wie es dir geht“, brachte Patrick unsicher hervor und betrat noch unsicherer das Quartier seines Sohnes.

Alleine schon diese Frage brachte John beinahe aus dem Konzept. Wann hatte sein Vater ihn zum letzten Mal gefragt, wie es ihm ginge? Hatte er sich überhaupt je dafür interessiert, wie es anderen geht?

-Jetzt mach mal halblang, John. So ein kaltherziger Tyrann war er doch noch nie.-

„Mir geht’s gut.“

„Gut … gut …“, antwortete Patrick und begann seinen Blick durch das Quartier seines Sohnes schweifen zu lassen.

Überrascht stellte er fest, dass das Zimmer nicht gerade das einem Militär entsprach. Nicht dass es schmutzig und unordentlich war, im Gegenteil. Es war alles schön ordentlich an Platz und Stelle. Er konnte weder auf den Möbeln noch auf dem Boden ein einziges Staubkorn ausmachen. Doch einzig und allein das Bett wies auf strenge militärische Ordnung hin, was ihn wohl doch wunderte.

Damals hatte Lupita immer die Betten gemacht. Dennoch bestanden er und Carol darauf, dass ihre beiden Jungs ihre Betten selbst machen sollten und auch sonst den Angestellten mit etwas Mitarbeit im Haushalt entgegenkommen sollten. Ein Wurf in die Luft für das Kissen und das Geradeziehen der Decke… das war für John früher Betten machen. Wie es unter der Decke aussah, war egal.

Nein, dieses Zimmer könnte man eigentlich einem Teenager zumuten. An den Fensterbänken und dem Schreibtisch standen verschiedenen Flugzeugmodelle. Zeitschriften über Surfen lagen auf dem Tisch. An der Wand über seinem Bett hing das seinerseits verhasste Johnny Cash Poster und auch das Bild auf dem er und Evel Knievel zusammen zu sehen waren, dass seine Mutter damals schoss, stand auf einem Nachtschränkchen.
Doch was ihn dann erst wirklich überraschte, war das Buch, das daneben lag.

„Krieg und Frieden?“, fragte er überrascht und ging darauf zu. „Du liest Krieg und Frieden? Das ist ein ganz schöner Wälzer.“

„Ich habe es damals mit hier her genommen, als die Expedition startete“, antwortete John

„Und du bist noch nicht ganz über die Hälfte wie ich sehe. Wie lange gibt es diese Expedition jetzt schon? Sechs Jahre?“, forschte Patrick nochmal nach und lenkte gleich wieder ein, als er merkte, dass dies eher wie ein Vorwurf klang. „Na ja, du … musst ziemlich viel zu tun haben. Da hast du wohl keine Zeit für allzu viel Privates.“

Gerade als John sich fragte, was sein Vater wohl von ihm wollte und kurz davor war, diese Frage auch laut auszusprechen, fing dieser erneut an, um den heißen Brei zu reden.

„Und … du bist sicher, dass du nicht sonst noch irgendwie verletzt bist? Der Kratzer sieht auch nicht allzu gut aus“, meinte Patrick und wedelte um sein eigenes Auge herum.

„Doktor Keller hat uns alle untersucht und das ist einfach nur ein Kratzer … es gibt schlimmeres“, meinte John und dachte leidlich an seine Vergangenheit und die vielen anderen Verletzungen, die er schon erlitten hatte. Aber er würde den Teufel tun, das seinem Vater zu erzählen.

„Und … und diese Frau? Diese Alexa … was ist mit ihr? Wie geht es ihr?“

„Sie ist in ihrem Quartier. Ihre Familie wird wohl auch bei ihr sein. Ihre Verletzungen heilen ziemlich schnell. Abgesehen davon, ist ihre Mutter Medizinerin, da kann nicht allzu viel passieren.“

Patrick nickte verstehend. „Das ist gut. Ich dachte nur … ich … ich habe dich gesehen, auf dem Bildschirm … als du auf diesem … Planeten warst. Das sah schon irgendwie …“ -Ach was soll´s!-, dachte Patrick. „Es sah beängstigend aus.“

Wieder verschlug es John die Sprache. Sein Vater empfand das beängstigend? Er machte sich Sorgen? Er hatte Angst um ihn? Alleine die Tatsache, dass er sehen konnte, dass sein Vater es ernst meinte, ließ sein Denkvermögen aussetzen.

„Es … es war eine Ausnahmesituation …“, versuchte John zu erklären und lag damit vermutlich gar nicht mal so verkehrt. „… dieser Kolya … sollte eigentlich tot sein. Sein Wiederauftauchen war daher ziemlich überraschend … es hat einiges durcheinander gebracht.“

„Verstehe. Ich nehme an, dass es in dieser Galaxie wohl normal ist, dass Tote wieder auferstehen können“, brachte sein Vater beinahe lachend hervor. Er versuchte alles, um die angespannte Atmosphäre etwas zu lockern. Doch auch er musste merken, dass es gar nicht so einfach war.

-Warum sollte es auch einfach sein? Das war es nie. Du hast zu oft und zu viel Mist gebaut. Nun hast du die Konsequenzen zu tragen. Da musst du nun durch.-

John merkte, dass seinem Vater wohl irgendetwas auf der Seele lag. Etwas ganz bestimmtes. Doch das Ganze war ihm so suspekt, so unreal und unwahrscheinlich, dass er es gleich wieder als Hirngespinst abtat.
Er überlegte, ob er sich noch ein Bier nehmen und dabei auch seinem Vater eines anbieten sollte. Vielleicht würde es die Situation etwas auflockern, denn auf Streitereien hatte er wirklich keine Lust mehr.
Gleichzeitig war aber da doch der Gedanke an zu hohen Alkoholeinfluss und die daraus entstehenden möglichen Probleme.

„Ich wollte mir gerade noch ein Bier nehmen. Willst du auch eines?“

-Bier? John trinkt Bier? Ist vielleicht gar nicht so verkehrt. Vielleicht lockert es dich sogar etwas.- „Ja … wenn du noch eines hast?“

John nickte kurz und ging in Richtung Kühlschrank, öffnete ihn, stellte erleichtert fest, dass es für einen Vollrausch für sich und seinen Vater wohl nicht mehr reichte, nahm die letzten zwei Dosen heraus und öffnete diese.

„Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass in dieser und unseren Galaxie eigentlich nichts normal ist“, antwortete John währenddessen.

„Hm … und hattest dabei wohl so viel zu tun, dass du in den letzten Jahren auch wieder befördert wurdest. Du bist wieder Lieutenant Colonel.“

Wenn John sich nicht sehr täuschte, hätte er glauben können, so etwas wie Freude und Anerkennung aus den Worten seines Vaters zu hören. -Das wäre wohl zu schön um wahr zu sein.-

„Wurde zweimal befördert“, entgegnete John knapp und reichte seinem Vater das Bier und deute ihm, sich zu setzen.

Patrick riss die Augenbrauen hoch. „Zweimal? … Dann bist du jetzt … was? Ein Full-Bird-Colonel?“

Wieder nickte John knapp und erinnerte sich erneut daran, wie ihm sein Vater damals prophezeite, nicht weiter als bis zu einem Captain zu kommen. Zu gerne würde er dies nun seinem Vater an den Kopf knallen. Ganz nach dem Motto. `Na was sagst du jetzt?´. Doch auch das verkniff er sich und setzte sich auf einen Sessel, während sein Vater sich auf die Bettkante setzte.

„Gratuliere.“

John sah ihn nur kurz an. Aber in seinem Tonfall und seiner Mimik konnte er die Aufrichtigkeit erkennen.

„Wann … wann wurdest du …“

„Vor knapp `nem halben Jahr.“

„Dann … dann bist du ja von einem General nicht mehr weit entfernt.“

„Ein paar Dienstjahre sind es schon noch.“

„Ich nehme an, dass … es solche Arbeit wie die heutige war, die dich … so weit gebracht hat.“

John wusste nicht was er antworten sollte. Zum einen war da die Geheimhaltung, die es ihm verbot, zum anderen wusste er einfach wirklich nicht, was er sagen sollte, da ihn die gesamte Situation noch immer zu sehr verwirrte und dann war da noch die Gefahr, dass ein ruhiges Gespräch ganz schnell kippen könnte und es wieder auf eines hinauslief.

Patrick merkte, dass er sich wohl sehr nah an einer Grenze bewegen musste. Aber so schnell wollte er dann doch nicht aufgeben. „Deine Mutter hat es auch gesehen. Sie … sie war sehr besorgt um dich. Genauso wie Dave … und ich auch“, kam es zum Schluss sehr leise und zaghaft aus seinem Mund.

John blickte wieder irritiert zu ihm. Skeptisch verzog er seine Miene, schluckte ein weiteres zynisches Kommentar hinunter und war gewillt, seinem Vater wirklich eine Chance zu geben. Er überlegte sich eine aufrichtige Antwort und wollte seinem Vater Bereitwilligkeit signalisieren.

„So läuft es nicht immer ab. Meistens ist es sogar … recht langweilig.“ -Sag es noch zehnmal, John. Vielleicht glaubst du es dann selbst.-

„Ja … ja natürlich“, antwortete Patrick und wusste dass John ihn nur anlog, um den Frieden zu wahren und um ihn zu beruhigen.

Aber er erkannte auch ein gewisses Entgegenkommen. Und das rechnete Patrick seinen Sohn nun hoch an und bedankte sich mit einem verhaltenen und verschmitzten Lächeln. Zufrieden stellte er fest, dass er diesmal anders reagiert hatte. Früher wäre er ihm dafür wohl an den Hals gesprungen. Hätte ihn wegen dieser Lüge oder wegen eines spitzen Kommentars die Leviten gelesen, dass ihm nur so die Ohren schlackern würden.

Doch diesmal konnte er ihn verstehen und war ihm sogar wirklich dankbar dafür. Vielleicht lag es daran, dass er seinen Sohn in Aktion gesehen hatte und nun zumindest einen Bruchteil der Wahrheit kannte. Endlos erscheinende schweigsame Minuten stellten sich ein. Beide Männer nippten an ihrem Bier und überlegten, was sie nun sagen sollten. Es war wieder der Vater der das Schweigen brach.

„Also … ich schätze, dass diese Stadt …. die neue Heimat von deiner Mutter und mir wird. Es ähh … es gibt wirklich keine Möglichkeit, dass wir … in unser altes Leben zurückkehren können?“

John schüttelte zögerlich und irgendwie abwesend den Kopf. „Es ist ziemlich schwierig, der Öffentlichkeit das Wiederauftauchen von … zwei Toten halbwegs plausibel zu erklären, ohne dabei die Geheimhaltung zu strapazieren.“

Nun nickte Patrick zögerlich. „Und … und … es macht dir nichts aus, dass wir jetzt hier sind?“

John antwortete nicht und starrte dabei auf einen imaginären Punkt auf den Boden. Gerade darüber hatte John nun gegrübelt, doch sein Vater traf den Nagel mal wieder auf den Kopf und bewies sein gutes Gefühl für Timing.
John war sich unschlüssig, was er wirklich über die Anwesenheit seiner Eltern, ganz besonders seines Vater halten sollte.

Natürlich war er noch immer etwas –milde ausgedrückt- überrascht, dass plötzlich seine Eltern wieder vor ihm standen. Er wusste immer noch nicht so recht, was er davon halten sollte. Sollte er denn überhaupt glauben, was Jackson erklärte, oder besser vermutete? Sollte er denn erzählten Erinnerungen seiner Mutter oder seines Vaters glauben? Wenn es nach Jackson ging, sprach alles durchaus für die Theorie eines Auf- und wieder Abstiegs. Auch das Aussehen und das Verhalten seiner Familie erkannte er wieder. Es gab eigentlich nichts, dass Zweifel berechtigen würde. Dennoch, würde man ihn fragen, was er von dem ganzen hielt, könnte er nicht darauf antworten. Genauso wie jetzt.

Er wusste nur, dass er irgendwie froh war, dass auch seine Mutter wieder da war. Seine Freundin, seine Vertraute. Die einzige, der er vollkommen blind vertraute und mit der er über wirklich alles sprechen konnte. Die immer ein offenes Ohr für ihn und immer eine Lösung parat hatte. Aber sein Vater … es war nicht so, dass er ihn hasste. Eher im Gegenteil.

John hatte seinen Vater immer respektiert, geachtet und verehrt. Ja, er hatte ihn sogar geliebt. Doch die ewigen Differenzen und Meinungsverschiedenheiten, brachten die Beziehung immer wieder an ihre Grenzen und zerstörten langsam und schleichend, nach und nach das Band zwischen ihnen. Bis nur noch ein winzig kleiner Faden übrig blieb. Und offensichtlich versuchte sein Vater, diesen Faden nun wieder aufgreifen und stärken zu wollen.

John konnte erkennen, dass dies seinem Vater wohl ziemlich schwer fiel. Dennoch schien er sich damit große Mühe zu geben und nicht so schnell aufgeben zu wollen, um über seinen eigenen Schatten zu springen. Es war ihm tatsächlich ernst.

-Hatte Dave vielleicht Recht? Hatte Dad es wirklich bereut?-

Gerade als er antworten wollte, er wusste noch nicht einmal was er sagen sollte, fuhr sein Vater fort.

„Ich meine … auch wenn diese Stadt noch so schön und vor allem groß ist … wir werden uns immer wieder über Weg laufen und … und … ich erinner mich noch gut an früher … leider zu gut …“ Patrick hielt kurz inne, überlegte, suchte nach den richtigen Worten. Wieder entschied er, nicht lange drum herum zu reden. „… wir sollten miteinander reden, John.“

John schluckte, starrte weiter auf den Boden. Wieder setzten seine Gedankengänge aus.

„Ich weiß nicht … was Dave dir damals gesagt hat, aber … irgendwie habe ich … kurz bevor ich … ich muss gespürt haben, dass bald irgendwas passieren würde …. ich habe mir so sehr gewünscht, dich noch einmal zu sehen, noch einmal mit dir zu reden. Aber … es war wohl zu spät … vielleicht ist es das noch immer.“

Patrick stand auf und ging ans Fenster. Somit stand er direkt neben John, der sich immer noch nicht regte.

-Vielleicht auch nicht.- dachte John. Mehr noch, er hoffte es.

„Ich … ich … deine Mutter hatte sich gestern die ganze Zeit Gedanken gemacht, was es mit all dem, was in den letzten Tagen passiert ist, auf sich hat … Ich sagte ihr, dass wir womöglich so etwas wie eine zweite Chance bekommen hätten. Das wir wieder leben, uns an den einfachen Dingen erfreuen können. Wir sind wieder zusammen und könnten das restliche, das erneute restliche Leben gemeinsam schön gestalten und miteinander verleben. So wie ich es ursprünglich geplant … erhofft hatte. Wir haben die Möglichkeit bekommen … Und wenn ich ehrlich bin … würde ich diese zweite Chance gerne nutzen … wenn es wirklich nicht schon zu spät ist.“

Patrick sah hinunter zu seinem Sohn. Sekunden vergingen, bis dieser langsam zu ihm aufsah. In seinen Augen konnte er die Müdigkeit und Erschöpfung des vergangenen Tages erkennen. Aber da war noch mehr, was Patrick sehen konnte. Auch wenn er sich nicht sicher war, glaubte er irgendwie eine gewisse Bestätigung zu sehen. Vielleicht auch Zustimmung und eine bestimmte Bereitschaft, einem klärenden Gespräch zuzustimmen.

John stand auf, sah seinem Vater wieder in die Augen. Kaum merklich nickte er. „Vielleicht ist es das auch nicht.“

Patrick war kaum in der Lage, die Erleichterung, die er gerade spürte, zu beschreiben. Es wäre einfach zu wenig, zu behaupten, dass ihm ein Stein vom Herzen gefallen war. Mühevoll unterdrückte er ein lautes aufjauchzen und musste sich auch beherrschen, seine Mundwinkel nicht zu einem vermutlich dämlich aussehenden Grinsen zu verziehen. Dennoch konnte John die Freude in seinen Augen erkennen.

„Dann … sollten wir uns mal zusammensetzen. Es … es muss nicht heute sein. Immerhin wird es schon langsam dunkel und … du bist wahrscheinlich auch müde, nach so einem Tag. Aber vielleicht irgendwann … in den kommenden Tagen.“

„Ja … ja, ich denke in ein, zwei Tagen, müsste sich hier alles so weit beruhigt haben. Dann kann ich mir bestimmt einen Tag freinehmen“, stimmte John zu.

„Gut, das klingt gut. Gut … ich denke, ich sollte dann mal … zurück zu meinem Zimmer. Du wirst müde sein und deine Mutter wird wahrscheinlich auch schon auf mich warten. Andererseits hat sie wohl einen Narren am Badezimmer gefressen. Als ich ging, stand sie unter der Dusche und testete sie aus. So wie ich sie kenne, wird sie wahrscheinlich immer noch im Wasser planschen. Im Übrigen scheint sie auch sonst keine Probleme mit der hiesigen Technik zu haben. Im Gegensatz zu mir. Beim Händewaschen vorhin, hätte ich fast das ganze Badezimmer unter Wasser gesetzt. Wäre deine Mutter nicht gewesen, wäre Atlantis diesmal wirklich untergegangen.“, erklärte der Vater schmunzelnd und stellte erleichtert fest, dass auch John lächeln musste.

Doch von den wahren Gründen, für Johns Schmunzeln, ahnte der Vater nichts. Er wusste gar nicht, wie nahe er an einer Wahrheit war. Patrick stellte die Bierdose auf Johns Schreibtisch und machte sich auf den Weg. „Tja, dann … gute Nacht, John.“

„Nacht, Dad.“

Doch auf dem Weg zur Tür blieb er sehen und drehte sich noch einmal um. „Ach äh … was ich noch fragen wollte … die Führung durch die Stadt morgen … sie findet doch noch statt, oder?“

„Ja sicher. Warum sollte sie nicht stattfinden?“

„War nur `ne Frage … tja dann …“

Patrick drehte sich wieder um, betätigte den Türöffner und trat einen Schritt hinaus. Doch dann drehte er sich wieder um und sah zu John, der gerade dabei war, die leeren Dosen zu entsorgen. Wieder spürte er dieses wohlig warme Gefühl in der Brust, setzte an, etwas sagen zu wollen.

„John?“

„Hm?“

John sah zu ihm.

Noch einmal rang Patrick mit sich, doch dann kamen die Worte, die er schon lange hatte sagen wollen. „Ich … bin stolz auf Dich.“

John blickte ihm noch minutenlang hinterher, obwohl sich Tür schon lange wieder geschlossen und sein Vater mittlerweile sein Quartier erreicht haben musste.

~~~///~~~

Elisha war durch die Flure der großen Stadt geeilt, als sie nun endlich wieder im Quartier ihrer Tochter angekommen war. Schnell brachte sie das Verbandsmaterial ins Badezimmer und sah nach Alexa, die noch immer in der Wanne lag. Erleichtert stellte sie fest, dass sie nicht eingeschlafen war. Stattdessen starrte sie Geistesabwesend an die gegenüberliegende Wand.

„Alexa? … Ich denke das reicht jetzt, du bist ja schon völlig verschrumpelt …“, brachte Elisha lachend hervor. „Abgesehen davon, dürfte das Wasser auch schon langsam kalt werden. Komm, ich wasche dir noch schnell den Rücken und dann kommst du aus der Wanne raus. Deine Wunden will ich mir auch noch mal ansehen.“

Schnell griff sie nach dem Badeschwamm, erschrak aber, als sie Alexas Rücken sah.

„Du meine Güte. Alexa … was…“

Mehrere rote Punkte, die wie Einstiche aussahen und Striemen konnte sie erkennen.

„Ist nicht so schlimm, Ma. Keine Ahnung was…“

„Alexa …“ mahnte die Mutter und machte somit deutlich, dass sie der Aussage ihrer Tochter, nicht zu wissen, woher diese Verletzungen kommen, nicht glaubte.

„Elektroschocker … als ich fliehen wollte.“

Elisha seufzte. „Warum hast du vorhin denn nichts gesagt?“, fragte sie und begann vorsichtig mit dem Schwamm über ihren Rücken zu streichen.

„Hab´s nicht mehr gemerkt. Außerdem heilt es doch eh sehr schnell wieder. Ist … ist Pa noch da?“

„Ja. Er und Dorian warten draußen, in deinem Quartier.“

Und wie auf ein Stichwort hin, ertönte ohrenbetäubende Musik aus ihrem Quartier bis ins Badezimmer hinein.

„Dorian!“, schallte die Stimme des Generals, die offensichtlich noch lauter sein konnte, als die Musik, die ihr Bruder offensichtlich auf ihrem Computer gefunden hatte.

„Schalte das ab! Und lass endlich die Finger von den Sachen deiner Schwester!“

„Ich habe doch nur mal schauen wollen“, verteidigte er sich, während er alles versuchte um den Lärm wieder auszuschalten.

„Das hat dich nicht zu interessieren. Du magst es doch auch nicht, wenn jemand in deinen persönlichen Dingen schnüffelt, oder? Und überhaupt, was ist denn nur los mit dir? Du scheinst in letzter Zeit irgendwie nervös zu sein.“

„Alles ist bestens, keine Sorge.“

Elisha und ihre Tochter sahen sich schmunzelnd und kopfschüttelnd zugleich an. Die Familie war wieder zusammen, Dorian brachte jeden mit seiner Neugier zur Verzweiflung, Alexa ärgerte sich, darüber dass ihr Bruder mal wieder in ihren Sachen schnüffelte, der Vater versuchte ihn im Zaun zu halten und Elisha schüttelte entnervt den Kopf. Es war alles wieder wie früher.

„Genau wie früher“, wisperte Alexa und sah zu ihrer Mutter.

„Ja, genau wie früher …“, antwortete sie. „… und jetzt komm aus der Wanne raus. Das Wasser ist außerdem schon kalt“.

Mühsam erhob sich Alexa aus der Wanne, ließ sich von ihrer Mutter helfen und sich ein großes, flauschiges Handtusch wickeln und trockenrubbeln. Elisha erkannte, dass Alexa am Ende ihrer Kräfte sein musste. In ihren Augen konnte sie die Müdigkeit und Erschöpfung sehen, jegliche Bewegungen schein sie große Kraft zu kosten.

„… hast du noch große Schmerzen? Soll ich dir etwas geben?“

„Nein … nein, mir geht es gut. Ich brauche nichts.“

„Wirklich?“

„Ja, alles in Ordnung.“

„Na schön. Aber ich würde gerne … etwas anderes erfahren … du weißt, ich muss das fragen. Ich wollte es nur nicht vor allen anderen tun.“

Ein Blick von Alexa in das Gesicht ihrer Mutter und sie wusste, worauf sie hinaus wollte. „Es ist nichts passiert, Ma. Mir geht es gut. Mach dir keine Sorgen.“

Doch Elisha ließ nicht locker und drehte Alexas Kopf zu sich, um ihr in die Augen sehen zu können.

„Wirklich … es ist nichts passiert. Einer hat es zwar versuchen wollen, aber … er wird es wohl nie wieder tun … ich habe es ihm … aus der Hose getreten…“

„Alexa!“

„… und Pa hat ihm zum Schluss das Genick gebrochen.“

Elisha antwortete nicht. Was sollte sie auch sagen? Sie konnte sich denken, dass diese Männer auf diesem Planeten versucht hatten, sich an ihrer Tochter zu vergehen. Zumal Kolya auch noch damit gedroht hatte. Sie wusste aber auch, dass Alexa sich ganz gut verteidigen konnte und dass Tristan mit diesen Kerlen ebenfalls kurzen Prozess gemacht hatte.

Erleichtert griff Elisha nach dem Verbandsmaterial, den Salben und dem Desinfektionsmittel, deutete Alexa, sich umzudrehen und begann vorsichtig die kleinen Wunden, Striemen und blauen Flecken zu behandeln.

„Ma?“

„Ja?“

„Als ich…als ich zuvor auf dem Planeten war, kurz bevor Kolyas Männer uns angegriffen haben … da hatte ich es wieder …“

„Was denn?“

„Diese Empfindungen … sie kamen wieder …“, begann Alexa zu erzählen und bemerkte dabei nicht, wie die Anspannung, Sorge und Nervosität Besitz von ihrer Mutter nahm. Wieder stellten sich ihr die Nackenhaare auf und beinahe ließ sie erschrocken die Salbe fallen. Elisha hielt kurz inne, sammelte sich und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Doch die Panik rumorte in ihr.

„… auch in dieser Einrichtung, ich wurde immer wieder einen Gang entlang geführt … und jedes Mal wenn ich an einem einzelnen Raum vorbei kam, spürte ich es … Kälte, Boshaftigkeit …“ Verwirrt und unschlüssig schüttelte Alexa den Kopf. „… ich weiß noch nicht einmal, wie ich es beschreiben soll … was ist das nur?“, fragte sie und sah zu ihrer Mutter.

„Ich weiß es nicht, Schatz. Ich kann mir gut vorstellen, dass es vielleicht … na ja, du warst in einer sehr heiklen Situation, deine Sinne und Instinkte arbeiten dann noch schärfer als sonst … und dieser Kolya ist ja auch nicht gerade die Gutmütigkeit in Person. Du brauchst einfach etwas mehr Zeit, um mit deinen emphatischen Fähigkeiten umgehen zu können. Wichtig ist nur, dass du wieder hier bist und das es dir gut geht. Es ist vorbei, Schatz.“

„Vorbei …“, wisperte Alexa leise, dachte an ihren Vater und ihren Bruder, die in ihrem Quartier warteten und ließ sich von ihrer Mutter beim Anziehen helfen.

„Sie sind wieder da … Pa und Dorian, sie sind zurück.“

„Ja … ja, das sind sie.“

„Jetzt … jetzt ist doch alles wieder gut … oder?“

Elisha fand diese Frage im ersten Moment verwirrend, doch als sie in das Gesicht ihrer Tochter sah, konnte sie die Tränen erkennen. „Ja, jetzt ist alles wieder gut“, antwortete sie und strich ihr die Strähnen aus dem Gesicht.

~~~///~~~

Tristanius stand am Fenster, blickte hinaus auf das Meer und wunderte sich über die zwei Monde, die allmählich zu erkennen waren.

„Kein Wunder, dass wir Atlantis einfach nicht erreichen konnten. Wir sind auf einem anderen Planeten“, erläuterte Dorian, der sich neben ihn stellte.
Tristanius brummte nur kurz und fragte sich, wann und wie es dazu kam, dass man mit der Stadt den ursprünglichen Heimatplaneten verlassen hatte. Vor allen Dingen interessierte es ihn, wer die Stadt geflogen hatte. Doch er hoffte, dass diese und andere Fragen morgen beantwortet würden.

„Pa … dieser Komplize, von dem Alexa vorhin sprach … er ist es, nicht wahr? Er ist wieder da“, flüsterte der junge Mann leise.
Betrübt sah Tristan zu seinem Sohn, antwortete jedoch mit Schweigen. Doch Dorian verstand. „Was machen wir denn jetzt?“

„Ruhe bewahren. Wir müssen die Ruhe bewahren … mir wird schon was einfallen.“

~~~///~~~

In Alexa brachen nun sämtliche Dämme. Endgültig bahnten sich nun all die Sorgen, Ängste, die Anspannung und die Verzweiflung der letzten Zeit in Form von heftigem Weinen einen Weg aus ihr heraus. Auch die Pein der vergangen Stunden ließ sie raus. Sie weinte lauter und heftiger als je zuvor und Elisha hatte alle Mühe sie zu beruhigen. Das einzige was sie tun konnte, war ihre Tochter zu trösten, sie zu umarmen und sie einfach zu halten.
Alexa zitterte am ganzen Körper, krallte sich an der Kleidung ihrer Mutter fest und schluchzte sogar so laut, dass ihr Vater es mitbekam und zum Badezimmer gestürmt kam.

Seine Kehle schnürte sich regelrecht zu, als er besorgt beobachtete, wie Elisha ihre Tochter hielt, sie hin und her wiegte, ihr immer wieder über den Kopf strich. Alexa sank mit ihrer Mutter zu Boden, den Rücken zur Tür gewandt. Dadurch konnte Tristan einige ihre Verletzungen auf dem Rücken sehen. Wieder stieg Wut in ihm auf. Wut auf diesen Kolya, auf seine Männer, sogar ein wenig auf diese Menschen, die neuerdings hier waren, Wut auf die vergangenen dreizehntausend Jahre, aber vor allem Wut auf sich selbst .

„Schhh …jetzt ist alles wieder gut. Du musst dir keine Sorgen mehr machen. Pa ist hier, Dorian ist hier, ich bin hier …. es geht uns allen gut … alles ist gut“, versuchte Elisha sie immer wieder zu beruhigen.

Während Tristanius hilflos dabei zusah, wie seine Frau versuchte ihre Tochter zu beruhigen, kamen längst vergessen geglaubte Erinnerungen in ihm hoch.

Er hatte Alexa schon mal in einem ähnlichen Zustand gesehen … am Boden liegend, verletzt, vollkommen erschöpft … bitterlich weinend … nervlich am Ende. Es war Monate nach Darius` Tod. Erst als sie seinem Mörder hinterher gejagt und schlussendlich zu Strecke gebracht hatte, kehrte sie wieder nach Hause zurück und brach im Torraum zusammen. Kaum wieder bei Bewusstsein, schlugen die unterdrückten Emotionen mit voller Härte zu.
Es waren Schock, Wut, Angst, Verzweiflung und Trauer, die durch den Verlust ihres Geliebten über sie herein brachen. Doch das war nur der Anfang des Martyriums. Das schlimmste, die psychische Folter, die man ihr während dieser Monate antat, brachten sie endgültig an den Rand des Wahnsinns.

Tristanius schien durch seine Hilflosigkeit beinahe gelähmt. Dennoch beugte er sich zu den beiden hinunter, nahm seine Tochter auf den Arm und trug sie ins Bett.

Es dauerte einige Stunden, bis sie sich beruhigt hatte und sich die Familie noch etwas unterhalten konnte. Sogar lachen konnte Alexa wieder. All der Stress, die Ängste, der Druck und die Beklemmung waren von ihr abgefallen. Das Weinen hatte eine geradezu reinigende Wirkung. Doch irgendwann war Alexa vor Erschöpfung endlich eingeschlafen. Und nicht nur sie. Auch Dorian war auf dem Sessel neben Alexas Bett eingeschlafen. Die Füße auf der Bettkante liegend, schnarchte er leise vor sich hin. Elisha hatte noch eine Decke genommen und ihren Sohn zugedeckt, als sie und Tristanius sich einig waren, dass es nun an der Zeit war, in ihr eigenes Quartier zurückzukehren.

Wieder stand Tristanius am Fenster, blickte auf das durch das Mondlicht glitzernde Meer hinaus. Elisha schmiegte sich an ihn, ließ sich von ihm in den Arm ziehen und sah zu ihm hinauf. Noch immer sah er bedrückt auf den Ozean. Unwillkürlich zuckte seine Kiefermuskulatur. Er schien mit ernsten Gedanken beschäftigt zu sein.

„Es geht ihr gut. Sie braucht nur eine Menge Schlaf und Ruhe und schon ist sie bald wieder in Topform …“

Der General versuchte zu Lächeln, scheiterte allerdings kläglich, so dass es eher gezwungen wirkte. Seiner Frau fiel dies natürlich auf. Sie fragte sich, welche Gedanken und Sorgen ihn dermaßen beschäftigten. Doch gleichzeitig ahnte sie schon die Antwort. Immerhin hatte sie noch nicht vergessen, worüber sie mit ihm gesprochen hatte, kurz bevor er zu der Rettungsmission aufgebrochen war. Ebenso dachte sie die ganze Zeit daran, was Alexa ihr vorhin im Badezimmer erzählt hatte. Wieder hatte sie diese Empfindungen gehabt und wieder stieg Sorge in der Mutter auf. Sie erinnerte sich daran, dass sie mit ihrem Mann darüber sprechen wollte.

„… oder ist es etwas anderes, was dich so beschäftigt?“

Tristan antwortete nicht. Er wusste nicht was er sagen sollte. Zum einen wollte er seine Frau, seine Familie nicht beunruhigen, zum anderen wusste er jedoch, dass er es nicht lange für sich behalten konnte und dass sie ein Recht hatte, es zu erfahren. Doch wie sollte er es ihr beibringen? Vor allem, wie sollte er dieser Gefahr entgegentreten? Wie sollte er sie eliminieren? Konnte er es überhaupt? Gab es eine Lösung? Gab es irgendwo ein Mittel oder einen Weg? Was, wenn es absolut keinen Schutz vor diesem Psychopathen gäbe? Keine Möglichkeit, ihn endgültig loszuwerden?

„Ich glaube, ich weiß was es ist … ich hatte Recht, nicht wahr? … Er ist wieder da.“ Tristanius antwortete nicht.

„Tristan … sie hatte ihn schon wieder spüren können. Er war bei diesem Kolya. Er ist mit Sicherheit dieser Komplize … Tristan!“

Es dauerte nur Sekunden, in denen der General mit sich rang, aber dann nickte er kaum merklich. „Ich habe ihn nicht sehen können, aber…es war auch nicht nötig … er hat eine … Botschaft hinterlassen.“

Der General griff in seine Tasche, nahm den kleinen Zettel aus seiner Tasche, schluckte einmal und gab ihn seiner Frau. Zögernd und etwas verstört nahm sie das kleine Stück Papier entgegen, faltete es auseinander und las die Worte die darauf standen. Angsterfüllt stöhnte sie auf und ließ sich schockiert auf das Bett nieder.
Ihr Herzschlag schien auszusetzen, kalte Schauer liefen über ihren Rücken, Gänsehaut überkam sie und sie rang nach Atem. „Er … er hat das geschrieben?“

„Ich werde es nicht zu lassen. Er wird keinen Erfolg haben.“

„Und wie? Wie willst du das anstellen?! Tristan, du bist der einzige! Es gibt nur noch dich … du bist alleine!“

„Ich werde mir was einfallen lassen. Aber wir dürfen jetzt nicht in Panik geraten“, versuchte er seine Frau zu beruhigen.

„Nicht in Panik geraten?! Tristan, ein Wahnsinniger ist hinter unserer Tochter her! Er will sie für seine Zwecke missbrauchen! Für irgendwelche Wahnsinnsideen, die ihr das Leben kosten können. Die allen das Leben kosten könnte! Heute war er ihr so nahe gekommen … er hätte sie uns schon heute nehmen können und du sagst, wir dürfen nicht in Panik geraten?!“

„Mir wird schon etwas einfallen, Elisha. Aber du musst … siehst du denn nicht, was er vorhat? Er will dass wir in Panik geraten. Er will uns aus der Reserve locken, uns in Angst und Schrecken versetzen. Er will uns schwächen und hofft, dass wir dann Fehler machen. Wir … wir dürfen ihm jetzt nicht nachgeben.“

„Und was willst du tun? Wie willst du …?“

„Ich … ich weiß nicht. Ich weiß noch nicht. Mir wird schon etwas einfallen.“

Elisha schwieg nur für Sekunden. Die Verzweiflung schien Überhand zu nehmen. „Und wenn … wenn wir diese Leute hier fragen? Vielleicht … können sie uns helfen.“

„Nein“, entgegnete der General schnell und entschieden.

„Aber Tristan, sie … können uns vielleicht wirklich helfen. Ich habe sie in den letzten Tagen ein bisschen kennenlernen können. Sie sind … es sind gute Menschen. Sie haben sich ganz schön weit entwickelt. Auch technologisch sind sie ganz schön vorwärts gekommen. Vielleicht haben sie etwas, oder wir können mit ihrer Hilfe einen Weg finden, Kieran endgültig los zu werden. Wir sollten …“

„Ich sagte nein! Ich kenne diese Menschen nicht. Ich weiß nicht, ob ich ihnen vertrauen kann.“

„Vertrauen?! Tristan, Colonel Sheppard hat heute sein und das Leben seiner Leute riskiert um dir bei der Befreiung unserer Tochter zu helfen. Was brauchst du denn noch?!“

„Zeit, Elisha! Ich … ich muss sie erst besser kennenlernen …“

„Bis dahin könnte es zu spät sein.“

„Ich brauche einfach Zeit, … auch Kieran brauch diese Zeit. So oder so …“

„So oder so? … Du meinst, dass er sich in der Zwischenzeit wieder an sie ran schleichen wird, sich in ihren Verstand einklinkt und sie langsam aber sicher in den Wahnsinn treibt? Genau wie früher! … Sie soll all das noch einmal erleiden?! Das kann doch nicht dein Ernst sein?!“

„Er hat gezeigt, dass er wieder da ist. Nun wird er seine nächsten Schritte planen. Dazu braucht er Zeit. Und diese Zeit werde ich nutzen. Ich … ich werde ich etwas finden, um ihn ein für allemal auszuschalten … vertrau mir. Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas passiert … mir wird etwas einfallen. Ich verspreche es dir. Er wird sie nicht bekommen“, versprach er ihr immer wieder, während er sie in seinen Armen hielt und versuchte, ihr ihre Angst zu nehmen.

Es dauerte eine Zeit lang, bis Elisha ihre Angst und Sorge unter Kontrolle hatte und sich wieder von ihrem Mann löste. Dennoch griff er ein letztes Mal nach ihrem Gesicht und zwang sie somit sanft, ihm in die Augen zu sehen.

„Er wird sie nicht bekommen … ich werde ihn vorher vernichten“, versprach er ihr ein letztes Mal.

Elisha schluckte und nickte dann zögernd. „Ich hoffe es“, antwortete sie leise und zog sich dann endgültig ins Badezimmer zurück.

Tristan hingegen stand wieder auf, ging ans Fenster zurück und starrte erneut auf den kleinen Zettel. Noch einmal las er die Botschaft, die darauf stand. Immer wieder hörte er die Worte in seinem Kopf, geradeso, als ob Kieran zu ihm sprechen würde.

-`Sie wird bald mir gehören!´-

The End

Shahar Jones

Meine erste Fanfic schrieb ich über Stargate Atlantis. Mittlerweile mixe ich meine Storys auch gerne mal mit anderen Fandoms, wie dem Sentinel. Aber im Großen und Ganzen hänge ich immer noch in der Pegasus-Galaxie rum. Allerdings liebe ich es auch, die Leute zu überraschen ;)

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