Convergence
Serie: Stargate Atlantis – Alexa Saga
Series Order: 06
Characters: Sheppard, McKay, Teyla, Ronon, Woolsey, Keller, Lorne, OC, diverse andere Bekannte des SG(A)-Verse
Genre:OC, ein bisschen AU, Adventure, Friendship, Action
Rating: R-16
Wortanzahl: ca. 94.000 Worte
Kurzinhalt: Nach der Wiedervereinigung der beiden Familien Sheppard und Thalis, versuchen diese nun ins (alte) Leben zurückzufinden.
Man versucht sich wieder anzunähern. Doch dann verändert sich das Verhalten eines einzelnen Familienmitglieds und stellt das gesamte Leben auf Atlantis auf den Kopf. Damit nicht genug. Ein weiteres Unheil nähert sich Atlantis…
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Es war früh am Morgen, als Dorian aus einem Albtraum erwachte. Glücklicherweise hatte er nicht laut aufgeschrien oder gar um sich geschlagen und getreten und somit seine Schwester womöglich noch aufgeweckt.
Nachdem er zu sich kam und halbwegs beruhigte hatte, wollte er etwas trinken. Doch kaum hatte er das Glas mit Wasser in der Hand, begann er auch schon mit Zittern.
Das Zittern war so heftig, dass er das Glas beinahe hatte fallen lassen, und mit beiden Händen halten musste, um es wieder zurückzustellen. Einiges von dem Wasser hatte er somit verschüttet.
„Was ist denn mit dir los?“, ertönte Alexas verschlafene Stimme und schreckte ihn auf.
„Ah! Du bist wach!“
„Ja. Zum Glück … bevor du noch mein ganzes Quartier unter Wasser setzt“, entgegnete sie und sah auf die Wasserpfütze auf den Boden.
„Ähh … `Tschuldigung. Ich wisch es gleich auf.“
„Nicht mit meiner Uniform!“, schrie Alexa regelrecht, als sie sah, dass Dorian völlig ziellos danach griff und mit ihr die Pfütze beseitigen wollte.
„Hm? Oh … ja …“
„Was ist denn nur los mit dir?“, fragte sie erneut, als ihr Bruder mit einem Handtusch aus dem Badezimmer kam und hektisch das Wasser aufwischte.
„Ach keine Sorge! Das sind nur die letzten Monate. Das war … ein bisschen stressig. Abgesehen davon, ist dieser Sessel auch nicht gerade der bequemste, wenn man darauf schläft. Ich werde mal in mein Zimmer gehen.“
Und somit war Dorian schneller verschwunden, als seine Schwester ihm hatte nachsehen können.
Alexa schüttelte noch einmal verständnislos den Kopf, streckte sich genüsslich, registrierte am Rande das leichte Ziepen ihrer gestern gebrochenen Rippe und begab sich dann in das Badezimmer.
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Tristanius wurde durch ein kitzeln auf seiner Brust geweckt. Zufrieden lächelnd spürte er, wie sich seine Frau enger an ihn schmiegte und ihren Kopf auf seiner Brust etwas bewegte.
Zärtlich griff er nach ihrer Hand, die direkt daneben lag, führte sie an seinen Mund und begann verspielt ihre Finger zu küssen und sanft hinein zu beißen.
Er fühlte, wie sie begann zu lächeln und glaubte sogar ein wohliges seufzen zu hören.
„Tristan … lass das.“
„Warum? … Weißt du eigentlich … wie lange ich mich danach gesehnt habe?“
„Wonach? Mich zu beißen?“
„Ähm … ja, sagen wir einfach beißen …“, gab er zögerlich und schmunzelnd von sich, „und dich zu küssen, zu streicheln, dich zu umarmen und einfach nur .. .mit dir hier zu liegen. Du in meinem Arm … in unserem Bett … ohne Kleidung.“
„Tristan!“
„Was?! Ich meine ja nur.“
„Na, ich liege doch hier mit dir … du umarmst mich … wir sind in unserem Bett …“
„Ja, aber mit Kleidung! Aber keine Sorge. Das ist nur ein vorübergehender Zustand. Das lässt sich schnell ändern.“
„Glaube ich gerne. Aber das kannst du dir aus dem Kopf – ahh!“, schrie Elisha plötzlich auf, als Tristanius sich blitzschnell auf sie rollte.
„Tristan!“
„Ich sagte ja …das ist nur vorübergehend“, meinte Tristanius leise grinsend und begann seine Frau leidenschaftlich zu küssen.
Elisha konnte nur bruchstückhaft zwischen den vielen Küssen antworten.
„Tristan … das ist … nicht … gut. Du bist … verletzt …deine Schulter.“
„Halb so schlimm … merke nix mehr … davon“, brachte er mühsam hervor und ließ seine Lippen über das Gesicht und den Hals seiner Frau wandern.
„Aber … das kann … wieder … aufreißen. Je nach dem … welche … Bewegung … oh Tristan!“
„Schatz … glaube mir … dafür brauch ich meine Schulter nicht …“
„Aber …“
„Aber was? …“, fragte er atemlos, während seine Hände auf Wanderschaft gingen. „Gefällt es dir nicht? … Hast du mich … denn nicht … vermisst?“
„Natürlich … nur … ich wollte dich … doch oper… oper… ohhhh.“
„Später … jetzt operiere ich.“
Mit viel Kraft konnte Elisha ihren Mann wieder von sich herunter rollen und sich dann auf ihn setzen.
Tristanius sah zunächst verwundert zu ihr hinauf.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee, seine Frau heute derart herauszufordern.
Doch dann sah er das Funkeln und Glitzern in ihren Augen. Auch ihre geröteten Wangen und das verschmitzte Lächeln fielen ihm auf.
„Nein, wirst du nicht … hier operiert heute nur einer … und das bin ich“, erklärte Elisha lächelnd, während sie begann, ganz langsam ihr Nachtgewand zu öffnen.
Tristanius Grinsen wurde breiter.
„Ohh, das sieht aus … als würde das eine Totaloperation werden …“
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Kritisch beäugte Richard sich im Spiegel und strich einige nicht vorhandene Falten und Knitter aus seiner Uniformjacke. Manchmal vermisste er seine alte Uniform. Anzug und Krawatte.
Doch in dieser hier, einer grauen Hose und der dazu gehörigen Jacke und den roten Blenden an seiner Schulter fühlte er sich, wenn er ehrlich war, schon von Anfang an recht wohl. Doch es war mehr als das. Er spürte eine gewisse Zufriedenheit. Stolz und Würde begleiteten ihn jeden Tag bei seiner Arbeit.
Dabei hatte er sich noch nicht einmal um diesen Posten gerissen. Im Gegenteil. In den ersten Tagen wollte er am liebsten so schnell wie möglich wieder auf die Erde zurück. Zumal er auch noch gegen einige, um nicht zu sagen, sehr viele, Regeln und Vorschläge des internationalen Aufsichtskomitees verstoßen hatte. Und das schon gleich am ersten Tag. Zugegeben, es war notwendig, um damit ein Leben zu retten. Aber da waren auch immer die Zweifel und die Unsicherheit, die ihm im Nacken saßen und an seinem Selbstvertrauen nagten. Abgesehen von den Menschen hier, allen voran der militärische Leiter dieser Basis, der, wie er oftmals in den Berichten und in seiner Akte entnehmen konnte, gerne mal gegen gegebene Befehle und Regeln verstoßen hatte.
Oftmals hatte er sich auf der dreiwöchigen Reise hierher gefragt, ob er mit diesem Mann zurechtkommen würde, oder ob es notwendig sein würde, seinen Einfluss geltend zu machen und ihn seines Kommandos entheben zu lassen und ihn nach Hause zu schicken.
Zu Hause.
Sein Zuhause hatte sich geändert. Es war nicht mehr das kleine Haus am Rande von Washington DC., das er nach seiner Scheidung gekauft hatte.
Sicher, er besaß es noch und es war auch noch sein Hauptwohnsitz. Aber nur noch auf dem Papier. Offiziell sozusagen.
Nein, seine wahre Heimat war weiter weg. Viel weiter. Millionen von Lichtjahren entfernt von dem kleinen beschaulichen und ruhigen Vorstadtflair.
Seine Heimat war seit nun über einem Jahr eine außerirdische Stadt namens Atlantis, auf einem anderen Planeten, in einer anderen Galaxie, wo er sich sehr wohl fühlte.
Und auch den Militärkommandanten hatte er nicht von seinem Posten abziehen müssen. Auch wenn er hier und da mit dessen Entscheidungen, Methoden und Vorgehensweisen nicht immer einverstanden war, so kamen die beiden doch recht gut miteinander aus. Mehr noch. Sie hatten eine respektvolle und vertrauensvolle, freundschaftliche Beziehung aufgebaut. Auch mit den anderen Mitarbeiten, seinem Führungsstab verstand Richard sich gut.
Was noch besser war und was auch zu dem guten Miteinander führte – Richard machte sich allmählich seine eigene Regeln. Natürlich achtete er darauf, dass sie nicht gegen Gesetze verstießen oder gegen irgendwelche Rechte und Regelungen, aber seine Vorgesetzten waren nun mal weit weg und somit konnte er ganz gut handeln und frei agieren. Er musste nicht alltäglich und vor allem nicht für jede Kleinigkeit Rechenschaft ablegen und dennoch schienen seine Vorgesetzten zufrieden und teilweise sogar beeindruckt zu sein.
Es gab regelmäßige Kontakte zur Erde, dadurch auch Lieferungen von Lebensmitteln, Medikamenten, Kleidung und anderen Dingen, die benötigt wurden. Es fehlte keinem auch nur irgendetwas. Entweder wurde es per Deadalus, einem Erdraumschiff, geliefert, besonders die großen Gegenstände oder neuerdings durch den Gütertransfer durch das Stargate. Dank eines ZPM´s, das nun seit beinahe einer Woche in Gebrauch war.
Kurz um, hier ließ es sich wunderbar arbeiten, leben und aushalten. Richard Woolsey wollte hier nicht mehr weg. Um keine Preis der Welt.
Noch ein kurzer kritischer Blick in den Spiegel und dann verließ Richard sein Quartier und machte sich auf den Weg zur Cafeteria, um sein Frühstück einzunehmen. Eine Tasse Kaffee und ein Croissant mit Marmelade. Danach würde es kurz ins Büro gehen und dann gleich weiter in den Konferenzraum. Die Missionsbesprechung der gestrigen Befreiungsaktion für Alexa und das klärende Gespräch mit der gesamten Antiker-Familie stand noch an.
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Blinzelnd sah Patrick auf das Meer hinaus. Obwohl es noch recht früh war, gerade mal sechs Uhr vorbei, schien schon die Sonne strahlend hell vom Himmel und ließ die Gebäude, besonders aber deren Fenster in einem zarten Gold schimmern.
Patrick sah an einem der Piers einige kleine schwarze Punkte, die sich zu bewegen schienen.
Er konnte sich denken, dass dies Menschen waren, die an der frischen Luft wohl Frühsport betreiben wollten. Doch etwas anderes erregte noch mehr seine Aufmerksamkeit.
Das außerirdische Schiff, das an einem der Piers angedockt hatte und dennoch auf dem Wasser schwimmen konnte. Angestrengt verengte er seine Augen, wollte das eine oder andere Detail erfassen, doch seine Augen waren offensichtlich immer noch zu schlecht dafür.
Leise schritt er an das Nachttischen, nahm seine Brille und setzte sie wieder auf. Aber auch diese konnte ihm nicht helfen. Im Gegenteil, sie ließ alles verschwimmen und unscharf wirken.
Seufzend legte er sie wieder weg, sah kurz zu seiner Frau, die noch immer selig schlummerte, und hatte eine andere Idee.
Schleichend näherte er sich der Tür, öffnete sie und traf gleich wieder auf den Wachsoldaten.
„Guten Morgen, Sir … Sie …“
„Schhhhh!“, brachte Patrick mit heftigem Armwedeln hervor.
„Leise, meine Frau schläft noch.“
„Dann werde ich sofort eine weitere Wache …“
„Nein, nein, nein. Ich will ja gar nicht irgendwo hin. Ich wollte Sie etwas fragen, Sergeant … Walters. Nicht wahr?“
„Ja Sir! Sergeant Cliff Walters“, stellte sich der Marine erneut und diesmal deutlich leiser vor.
„Gut, gut. Hören Sie, Sergeant ähh … meine Frage ist etwas ungewöhnlich aber haben Sie zufälligerweise ein Fernglas dabei?“
Langsam erwachte auch Carol und reckte sich genüsslich. Doch als sie ihre Hand zu ihrem Mann gleiten wollte, griff sie buchstäblich in Leere.
Verwirrt öffnete sie die Augen und sah sich suchend im Schlafzimmer um. Aber erst am Fenster konnte sie Patrick stehen sehen. Mit einem Fernglas.
„Was machst du denn da?“
Patrick erschrak, zuckte heftig zusammen und versuchte hektisch das Fernglas wieder sicher einzufangen. „Carol! Verdammt hast du mich erschreckt! Willst du, dass ich wieder einen Herzinfarkt bekomme?“ japste Patrick atemlos und griff sich an die Brust.
„Entschuldige. Aber was machst du da?“
„Ich? Ähh … ich … ähh … ich sehe mir den Sonnenaufgang an.“
„Den Sonnenaufgang?“
„Ja.“
„Mit einem Fernglas?“
„Ja.“
„Den Sonnenaufgang, der vor etwa einer Stunde stattfand?…“
„Ähh …“
„Auf der anderen Seite der Stadt?“
„Ähm …“
Patrick hatte keine Antworten mehr parat.
Carol stand auf, wickelte sich in das Laken und trat ans Fenster. Nun konnte auch sie die goldschimmernden Gebäude und Fenster sehen und wieder verschlug es ihr fast die Sprache.
Aber sie sah auch das riesige Schiff, das am Pier angedockt war. Doch es waren die Menschen, die auf dem Pier, ganz in der Nähe des Schiffes, zu sehen waren und die ihre Neugier weckten.
Carol sah skeptisch zu ihrem Mann, nahm ihm das Fernglas ab und lugte nun selbst hindurch.
„Das ist John!…“, rief sie überrascht und sah zu ihrem Mann, der unschuldig lächelnd die Achseln zuckte, „Beim Frühsport mit seiner Armee!“
„Das ist nicht seine Armee! Das könnte man höchstens eine Kompanie nennen. Und es sind auch nicht alle seine Männer da draußen.“
„Natürlich nicht. Wenn alle da draußen wären, hättest du nicht Sergeant Walters nach einem Fernglas fragen können. Abgesehen davon, hat John ja wohl angeordnet, dass wir rund um die Uhr bewacht werden.“
„Ja ja. Ich weiß. Damit wir uns nicht verlaufen“, meinte Patrick beiläufig, während er sich hinter Carol stellte und seine Arme um sie schlang.
„Nein. Damit du keinen Blödsinn anstellst.“
Betreten sah er zu seiner Frau hinab, die schmunzelnd zu ihm aufsah.
„Jetzt sag mir nicht, dass du die ganze Zeit deinem Sohn zugesehen hast? Es ist auch das Schiff, dass dein Interesse geweckt hat, stimmt´s?“
Patrick ließ seinen Kopf hin und her wackeln. Nicht ja sagend, aber auch nicht nein.
„Du kannst es wohl gar nicht mehr abwarten, bis du hier alles siehst und erfährst. Oder noch besser, du willst es wahrscheinlich auch noch in die Finger bekommen und genau ansehen können. Vielleicht sogar noch auseinander nehmen.“
„Ich bitte dich, Carol. Eine riesige außerirdische Stadt, voll mit außerirdischer Technologie, von der die Menschen auf der Erde noch nicht einmal zu träumen wagen. Was würdest du denn da gerne tun?“
„Also im Moment würde ich gerne duschen. Und so wie es aussieht, warst du auch noch nicht unter Dusche“, stellte sie feixend fest und strich über die Bartstoppeln ihres Mannes.
„Ich wollte ja, aber dieses verfluchte Ding…“
„Dieses verfluchte Ding gehört auch zu deiner heiß geliebten außerirdischen Technologie…komm mit“, sagte sie, warf das Fernglas sachte auf das Bett und zog ihren Mann hinter sich her.
„Was? Willst du mir jetzt zeigen, wie die Dusche funktioniert?“
„Ja!“
„Ist das zu fassen? Ich muss mir von meiner Frau erklären lassen, wie die Dusche funktioniert. Wahrscheinlich wirst du danach auch noch prüfen wollen, wie gut ich aufgepasst habe, hm?“, gab er knurrend von sich und ließ sich eher lustlos mitschleifen.
„Oh davon kannst du ausgehen. Das … und andere Dinge werden geprüft … auf Herz und Nieren.“
Überrascht über die Tonart seiner Frau und auch das vielversprechende Lächeln, zog Patrick zunächst die Augenbrauen hoch, übernahm dann aber die Führung und zog nun voller Vorfreude seine lachende Frau hinter sich her.
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Der Tag hatte noch nicht einmal richtig begonnen, da gab es bereits das erste Problem, mit dem Richard sich mehr oder weniger gerne auseinandersetzen musste.
Nein, eigentlich nicht er, sondern vielmehr Colonel Sheppard und sein Team.
Dennoch beschäftigte es auch ihn.
Ein alter Feind war wieder aufgetaucht. Kolya. Der Mann, den Sheppard doch vor einigen Jahren erschossen hatte. Es war geradezu paradox, als er das Gesicht dieses Mannes erst gestern auf dem Bildschirm im Kontrollraum gesehen hatte.
Er kannte Kolya im Grunde gar nicht. Alles, was er bisher von ihm wusste, hatte er von den Berichten der vergangenen Missionen entnommen. Und ihm wäre es lieber, Kolya wäre noch immer tot. Oder besser gesagt, wirklich.
Es waren immer dieselben Gedanken, die ihm im Kopf umher spukten und seine Konzentration störten.
-Wie konnte dieser Mann noch leben? John hatte ihn erschossen. Oder vielleicht doch nicht?-
Richard unterbrach sich immer wieder bei diesen Gedankengängen. Es brachte nichts, sich über so etwas den Kopf zu zerbrechen. Tatsache war, dass Kolya äußerst lebendig war und erneut Ärger bereitete.
Dennoch würde er sich mal mit seinem militärischen Kommandanten unterhalten müssen. Irgendetwas ging hier wirklich nicht mit rechten Dingen zu.
Doch zunächst galt es, andere Dinge zu erledigen.
Allen voran, die Missionsbesprechung der gestrigen Geiselbefreiung.
Von seinem Schreibtisch im Büro aus, konnte Woolsey schon sehen, dass sich bereits Teyla und Doktor Keller im Konferenzraum die Wartezeit mit einer angeregten Unterhaltung vertrieben, während Doktor McKay sich äußerst konzentriert mit seinem Tablett-PC beschäftigte.
Nicht mehr lange und auch die restlichen Mitglieder von AR-1, das zugleich auch größtenteils seinem Führungstabes entsprach, würden sich einfinden.
Schnell kontrollierte er noch die Vollständigkeit und die Reihenfolge der noch zu behandelnden Themen seiner Besprechungsmappe, schloss einige Programme an seinem Laptop und machte sich dann gemächlich auf den Weg.
Doch kaum kam er an der großen Treppe an, sah er auch schon die Familie Thalis und Alexa nahen.
„Guten Morgen alle miteinander!“
„Mister Woolsey“, grüßte Tristanius freundlich zurück.
„Verzeihen Sie meine Neugier, aber sollten Sie nicht heute Morgen operiert werden?“, fragte Richard verwundert nach und bemerkte Elishas verlegenes Lächeln.
„Uns … ist etwas dazwischen gekommen. Außerdem wollte mein Mann erst noch einiges erfahren. Nach der Operation hat er dann genug Zeit, um sich an den neuen Umständen und Begebenheit anzupassen und einige Dinge … zu erledigen oder neu … zu gestalten.“
„Nun, das ist vermutlich die beste Vorgehensweise in … einer solchen Situation. Bitte …“, gab Woolsey zurück und ließ den Antikern den Vortritt in Richtung Konferenzraum. Nur Alexa blieb noch einen Moment unsicher zurück.
„Commander? Alles in Ordnung?“
„Wissen Sie noch, als ich sagte, dass ich vermutlich bald vor dem Militärgericht stehen würde?“
Richard sah sie zunächst schweigend und irritiert an. Er erinnerte sich jedoch schnell wieder an das kurze Gespräch mit der jungen Frau, kurz bevor sie die Gespräche mit Coolidge vor einigen Tagen geführt hatte.
Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass ihr Vater mit ihrem damaligen Handeln nicht einverstanden wäre. Doch dieser war zu jenem Zeitpunkt nicht da und hatte auch keine Möglichkeit, auf irgendeine Weise einzugreifen oder gar zu verhindern, dass seine Tochter unter anderem ein ZPM und eine Stuhlplattform an die Erde übergab.
Sie glaubte, dass sie dadurch Verrat beging. Mehr noch, sie war sich sicher. Und Richard wusste, dass sie damit recht hatte. Andererseits fragte er sich immer wieder, ob man es tatsächlich als Verrat ansehen musste.
Galt eine solche Handlung denn nicht erst dann als Verrat, wenn es dabei um zwei verfeindete Seiten ginge? Wenn sie zu einer feindlichen Seite übergelaufen wäre? Hier und jetzt allerdings gab es keine Feindschaft und keinen Krieg zwischen der Erde und den Antikern. Musste es dann unbedingt als Verrat, sogar als Hochverrat gesehen werden? Gut, sie hatte vielleicht Fehler gemacht, hätte möglicherweise warten sollen, bis sie ihre Familie gänzlich gefunden hätte, sie hätte Zeit rausschlagen können. Doch Coolidge …war mal wieder schneller und unangenehmer als allen lieb war. Er hatte sie regelrecht in die Enge getrieben.
Wieder riss ihn eine Stimme aus den Gedanken.
„Heute ist der Tag der Anhörung und der Anklage zu gleich.“
„Jetzt machen Sie mal nicht die Pferde scheu …“
„Mister Woolsey, ich habe mein Volk verraten. Ich habe gegen Gesetze, Regeln und Vorschriften verstoßen und … ich habe meinen Vater beschämt.“
„Immer mit der Ruhe. Wir sind ja auch noch da. Zunächst sprechen wir über den gestrigen Tag und dann wird er erfahren, was in den letzten Jahren und Jahrtausenden geschehen ist, wie und warum Sie so gehandelt haben. Es wird alles halb so schlimm, glauben Sie mir. Was soll schon großartig passieren? Er wird vielleicht anfangs etwas … missmutig sein …“
„Missmutig?! Mister Woolsey, Sie kennen meinen Vater nicht. Missmutig wird kein Ausdruck sein. Er wird richtig … er wird sehr, sehr wütend werden. Glauben Sie mir. Es wäre sogar möglich, dass Sie mich danach in der Arrestzelle besuchen können“, erwiderte Alexa und machte sich dann auf den Weg.
John kam kurz nach Alexa in den Konferenzraum und wunderte sich sofort über ihr Erscheinungsbild.
Sie war gänzlich in ihre lantianische Uniform gekleidet. Sie hatte starke Ähnlichkeit mit den Uniformen, die er einst in der virtuellen Umgebung auf der Aurora sah. Bis auf den Unterschied, dass Alexas komplett schwarz und langärmelig war und sie auch viele ihrer Abzeichen trug.
Das war an für sich nicht ungewöhnlich, dennoch kam es John schon irgendwie merkwürdig vor. Zumal sie auch nicht mehr die Uhr trug, die er ihr damals gab, als er sie in sein Team aufnahm. Nichts deutete mehr auf irgendeinen irdischen Einfluss hin.
Er ahnte, was das zu bedeuten hatte.
Auch er wusste um Alexas Sorge, Verrat begangen zu haben.
Doch welche Wahl hatte sie gehabt? Entweder ein gewisses Entgegenkommen oder ein Kampf mit anschließender Reise zur Erde und ein Leben in einem goldenen Käfig … wenn sie viel Glück gehabt hätte.
Ihre restliche Familie wäre dann vermutlich niemals gefunden worden oder es gäbe nun erst recht noch größere Probleme, wenn der General später doch noch gefunden worden wäre und erfahren hätte, wohin man seine Frau und Tochter gebracht hatte und was man mit ihnen tun würde.
Nein, das wollte John sich nicht mal annähernd vorstellen.
John konnte erkennen, dass Alexa alles tat, um auf gut Wetter zu machen, was ihn wiederum zum grübeln brachte. Hatte sie das bei ihrem Vater denn überhaupt nötig, sich so demütig und untertänig zu geben? Ahnte sie denn bereits sein Verhalten, seine Reaktionen und sein Handeln? Wie würde er überhaupt reagieren?
John kannte ihn noch nicht gut genug und Alexas Erzählungen reichten entweder nicht aus, oder waren nicht gerade informativ genug, um sich ein Bild von diesem Mann zu machen.
Er wusste nur, dass er einen starken Willen zu besitzen schien, offensichtlich eine verdammt gute Ausbildung hatte und auch eine Menge Kampferfahrung besaß. Auch an Selbstbewusstsein schien es ihm nicht zu mangeln. Der Mann wusste, was er wollte und wie er es bekommen würde und nach den gestrigen Beobachtungen und Geschehnissen war John sogar geneigt, ihn als kalt, unberechenbar und nicht Kompromissbereit zu bezeichnen. Zumindest als Soldat in einem Kampf auf dem Schlachtfeld.
Als Privatmann, Ehemann und Vater bei seiner Familie, schien er die Ruhe selbst zu sein. Freundlich, fürsorglich, besorgt und voller Zuneigung für seine Frau und Kinder.
Aber würde er auf Alexas handeln nun als Vater oder als ihr vorgesetzter Offizier reagieren?
Wieder glitt Johns Blick zum General, der konzentriert aber auch angespannt wirkte und genau wie Alexa, glaubte John schon seine Reaktionen zu ahnen.
-Das kann ja was werden.-
Gerade als er auf sie zuging und sie kurz nach ihrem Befinden fragen wollte, immerhin hatte sie gestern noch übelste Verletzungen durch die Gefangenschaft bei Kolya und dessen Folter erlitten, kam auch schon ihr Bruder Dorian regelrecht hereingestürmt.
„Wo warst du so lange? Du wusstest doch, dass wir heute Morgen diese Besprechung haben. Und überhaupt, warum verspätest du dich in letzter Zeit immer öfter? Pünktlichkeit ist doch sonst nicht dein Problem“, pfefferte der General seinem Sohn eher gereizt entgegen, was John und Alexa noch mehr in ihrem Verdacht bestärkte, dass dieser sich womöglich schon seine Meinung gebildet haben könnte.
„Entschuldige Vater. Ich … ich hatte noch einen letzten Blick auf die Geräte und Instrumente geworfen, die Ma nachher für deine Operation braucht. Nur um sicher zu gehen, dass es keine Probleme mit ihnen gibt. Und zu spät bin ich auch nicht. Ich bin sogar pünktlich auf die Sekunde.“
„So wie ich sehe, sind alle eingetroffen“, entgegnete Woolsey, der mit Doktor Jackson wie auf ein Stichwort den Konferenzraum betrat.
Kaum waren alle da, schlossen sich auch schon die Türen und die Besprechung begann.
Nachdem zunächst über die gestrigen Geschehnisse und die Befreiungsaktion gesprochen wurde und sich dort bereits die Stimmung des Antiker-Generals immer mehr zu verschlechtert schien, war auch Daniel mit seiner Ausführung und Aufklärung der letzten Jahrtausende schon lange am Ende angekommen. Es waren hauptsächlich Dorian und Elisha, die Fragen stellten. Seltener der General und wenn doch, dann waren es Fragen, die eher ihn, seine Familie und die jetzige Existenz und Begebenheiten betrafen. Dennoch hörte er immer interessiert und aufmerksam zu, nahm die Informationen regelrecht wie ein Schwamm in sich auf. Mittlerweile endete Alexa mit ihrer Berichterstattung über die Tatsache, dass man sie in einer Kapsel im All treibend fand, bis hin zu ihrer Rückkehr nach Atlantis, ihr Leben und die Zusammenarbeit mit Colonel Sheppard und den anderen Menschen der Erde. Und schlussendlich auch das Gespräch und die Verhandlungen mit dem IOA.
Es kehrte Stille in den Konferenzraum. Eine plötzliche, bedrückende und irgendwie beängstigende Stille.
Sowohl John als auch Woolsey sahen immer wieder zwischen dem Antiker General und seiner Tochter hin und her.
Ihrer beider Gesichtsausdrücke sagten rein gar nichts über ihre momentanen Gedanken und Empfindungen aus. Man konnte absolut keine Regung erkennen.
Doch John konnte sich denken, dass Alexa vor Nervosität und Sorge innerlich beinahe platzen würde. Tristanius dagegen wohl eher vor Enttäuschung, Wut und Ärger.
„Tja, ich denke, das waren so ziemlich alle wichtigen Ereignisse der letzten dreizehntausend Jahre …“, brachte Daniel hervor und sah verwirrt zwischen Alexa und ihrem Vater hin und her. Doch schließlich blickte er ratsuchend zum Expeditionsleiter und Colonel Sheppard. Aber auch diese beiden konnten ihm nicht viel weiterhelfen. „Also, falls Sie noch Fragen haben …“, sagte Daniel und hoffte, die Situation irgendwie zu lockern.
Es war Elisha, die sich nach einem kurzen Augenblick bei Doktor Jackson bedankte. „Im Moment haben wir keine Fragen, Doktor. Wir kommen aber bei Gelegenheit gerne darauf zurück. Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie uns ihre Zeit geopfert haben und sich eine solche Mühe gemacht haben“, sagte sie und deutete dabei auf den Bildschirm, auf dem er einige Daten wie Bilder, Zeichnungen und Zeitlinien gezeigt hatte, um einiges genauer zu veranschaulichen.
„Keine Ursache. Sie können sich jederzeit melden, falls noch etwas sein sollte.“
„Wir werden gegebenenfalls darauf zurückkommen, Doktor. Wenn Sie uns nun entschuldigen, ich würde mich gerne mit meiner Tochter unterhalten. Alleine“, antwortete Tristanius verstimmt und bedachte Alexa mit einem ebenso übellaunigen Blick.
„Ja …natürlich“, erwiderte Woolsey und deutete den anderen, ebenfalls den Konferenzraum zu verlassen. Aber sowohl er, als auch John warfen Alexa noch einen etwas besorgten Blick zu.
Es war einzig und allein Alexas zustimmendes Nicken, das die beiden dann doch bewog, zögerlich den Raum zu verlassen.
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„Meine Güte! Was war denn das?“, fragte Jennifer erstaunt und fassungslos zugleich. Auch ihr fiel der schlagartige Stimmungsumschwung des Antiker-Generals auf. Rodney hingegen zuckte nur die Achseln, als ob es ihn entweder nicht interessierte, oder er es nicht mitbekommen hatte. Jennifer tippte eher auf Letzteres, da sie auch ihren Freund während der Besprechung beobachtet hatte. Sie hatte den Eindruck, dass der Wissenschaftler eher darauf achtete, was Daniel Jackson erzählte. Vor allem die Richtigkeit seiner Erklärungen, bezüglich der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen, lagen ihm sehr am Herzen.
„Ja, nicht wahr? Vor allem seine Gesichtsfarbe. Selbst Landry kann sie nicht so schnell wechseln wie der“, pflichtete Daniel ihr grübelnd bei.
„Das … war möglicherweise der Auftakt zu einer Menge Probleme“, erwiderte Woolsey.
„Sie meinen, er könnte sauer sein, weil Alexa mit uns zusammenarbeitet?“, kam es wieder von der jungen Ärztin.
„Wenn es nur das wäre … nein, sie hat auch noch einige andere Dinge … getan, die ihr durchaus als Verrat angelastet werden können.“
„Das ZPM und der Kontrollstuhl?“
„Nur um mal zwei Dinge zu nennen. Da gibt es auch noch die Weitergabe von teilweise sehr sensiblen Informationen, ihre Zusammenarbeit mit uns …“
„Ja, aber was hätte sie denn sonst tun sollen? Abgesehen davon, ist sie doch regelrecht dazu gezwungen worden, der Erde ein ZPM und den Stuhl auszuhändigen … wenn ich mich da mal an Coolidges Auftritt erinnere. Das IOA war da ziemlich rabiat“, erwiderte Keller wieder.
„Das stimmt schon, nur wird ihr Vater das wohl kaum gelten lassen. Er wird der Meinung sein, dass es wohl andere Mittel und Wege gegeben hätte, die Alexa hätte nutzen sollen.“
„Und welche? Eine Schießerei mit den IOA Leuten? Uns zurückschicken und die Stadt irgendwo verstecken? Dann würde sie noch heute ihre Familie suchen.“
John, Daniel und Woolsey sahen sich nur schweigend an.
Sie wussten, dass Jennifer damit wohl recht hätte. Abgesehen davon, hatte sowohl das Stargate-Center auf der Erde, als auch die Expedition hier in Atlantis im Laufe der Zeit, mehr als einmal erfahren, dass es Antiker gab, meist Aufgestiegene, die sich weigerten, den Menschen zu helfen. Auf welche Art auch immer. Alexa und auch ihre Mutter waren da allerdings anders. Sie halfen mit Informationen und Technologien und dem Austausch von Wissen, Erfahrung und Können.
Natürlich war man dafür dankbar und versuchte sich dafür zu revanchieren, was meist gar nicht so einfach war. Immerhin waren die Antiker aufgrund ihrer fortgeschrittenen Entwicklung den Menschen in vielen, beinahe allen Bereichen weit voraus. Da gab es nicht viel, was man ihnen geben oder sonst wie vergelten konnte. Doch in Alexas und Elishas Fall, konnte man durch Mithilfe bei der Suche nach dem General und Dorian helfen. Auch die Hilfe durch die restliche Fertigstellung einiger Systeme und Funktionen des neuen lantianischen Schlachtschiffes und die Wiederinbetriebnahme der Celtes-Forschungseinrichtung gehörten dazu.
Ob dies der General wusste? Natürlich wusste er es. Er hatte es doch gerade eben erfahren.
Und dennoch … es gefiel John ganz und gar nicht, dass Alexa nun alleine da drin saß und ihrem Vater Rede und Antwort stehen musste. Es war das Wissen, was geschehen würde, wenn er sie tatsächlich wegen Verrats anklagen würde. Zumindest wusste er, was man mit Verrätern auf der Erde machte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es bei den Antikern vielleicht anders sei.
„Wie auch immer, es gefällt mir nicht“, meinte John noch immer in seinen Gedanken vertieft.
„Der General wird wohl noch einige Schwierigkeiten haben, die jetzige Situation …r ichtig zu verstehen und sie zu akzeptieren“, meinte Woolsey und nickte verabschiedend Jennifer und Rodney zu, die sich auf den Weg zur Cafeteria machten.
„Ist das eine Vermutung?“, fragte John.
„Eher eine Hoffnung. Wir sollten jetzt nicht vorschnell handeln und uns einmischen. Dadurch könnten wir vielleicht noch mehr Schaden anrichten. Geben wir ihm einfach Zeit. Er wird schon noch … zur Vernunft kommen“, erklärte Woolsey und begab sich dann in sein Büro.
„Na dann hoffen Sie mal“, murmelte John besorgt, sah noch einmal zu dem geschlossen Konferenzraum und machte sich dann auf den Weg zu seiner Familie. Doch er hoffte ebenfalls, dass Woolsey Recht hätte und er nicht früher oder später doch gezwungen wäre, sich einzumischen.
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Tristanius hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt und ging langsam und sinnierend im Konferenzraum auf und ab. Noch immer schwieg er und gerade das machte Alexa schwer zu schaffen.
Sogar Dorian hatte sich aus seinen Gedanken über die wissenschaftliche und technologische Entwicklung der Erdenbürger und ihrer Arbeiten gerissen und betrachtete nun besorgt die Szenerie. Auch ihm gefiel das Schweigen seines Vaters nicht. Wusste er doch ganz genau, dass sich sein Vater dann entweder mit irgendwelchen schwerwiegenden Problemen, Fragen und Entscheidungen beschäftigte, oder er über etwas sehr erzürnt war, dass es ihm dadurch regelrecht die Sprache verschlug.
Es war Alexa, die das Schweigen brechen wollte.
„Vater …“
Doch Tristanius drehte sich blitzschnell zu ihr herum und sah sie böse an, worauf sie sofort wieder schwieg.
Der General drehte sich wieder zu dem Bildschirm, sah abwesend auf die kleine Grafik, die noch von Daniels Vortrag dort zu sehen war, und schüttelte fassungslos den Kopf.
„Ein Modul und eine Kontrollplattform … du hast ihnen ein Modul und eine Kontrollplattform ausgehändigt“, brachte er zähneknirschend hervor. In seinen Worten konnte man deutlich seine Wut, seinen Ärger und auch die Enttäuschung wahrnehmen.
Noch einmal sah er zu seiner Tochter, doch er unterband mit erhobener Hand, jeden Versuch ihrerseits zu antworten.
„Das ist noch nicht alles. Du hast sogar Informationen preisgegeben. Informationen zu unserer Technologie, unserer Forschung und Entwicklung. Informationen, die teilweise sogar strenggeheim sind!“
„Was hätte ich denn tun sollen, Vater? Ich dachte …“, versuchte Alexa zu erklären.
„Was? Was hast Du gedacht?“, fragte er mit erhobener Stimme nach.
Normalerweise kannte sie ihren Vater in und auswendig. Nur jetzt kam er ihr mit seiner Wut und Enttäuschung, seiner gesamten Haltung und Handlung, vor allem aber seinen Reaktionen wie ein Wildfremder vor.
Noch nie hatte sie ihren Vater so wütend gesehen. Zumindest erinnerte sie sich nicht daran.
„Ich dachte … dass ich niemanden von Euch jemals lebend wieder sehen würde“, erklärte sie mit gedrückter Stimme.
„Und da nutzt du die erst beste Gelegenheit, um diesen Leuten mal einfach so unsere Sachen hinterherzuwerfen …“
Nun war es Elisha, die das Wort ergriff.
„Tristan, so war es doch gar nicht. Du …“
„Elisha, ich bitte dich, halte dich da raus!“
„Wie bitte?“
„Mach die Sache nicht noch schlimmer.“
„Noch schlimmer? Tristan, hast du vorhin denn nicht mitbekommen, was vor einigen Tagen geschehen ist?“
„Das interessiert mich nicht.“
„Das sollte es aber. Es gab einen guten Grund für Alexas Handeln.“
„Da bin ich sicher. Kaum, dass ich nicht da bin, glaubt sie wohl, tun und lassen zu können was sie will, hm?!“, entgegnete er an seine Tochter gerichtet.
„Tristan! Was soll denn das? Wie kommst du denn nur auf so eine absurde …“
„Nein, ich habe geglaubt, so genügend Zeit zu bekommen, um euch zu suchen!“, brachte Alexa hervor.
„Uns zu suchen? Und das hat so viele Monate gebraucht? Wieso hast du Celtes nicht vorher wieder reaktiviert?“
„Tristan, ich habe dir doch gesagt, dass sie Probleme mit ihrem Gedächtnis hat“, erklärte Elisha beschwichtigend.
„Probleme mit dem Gedächtnis … meine Güte! Wie alt sind wir denn?“, spottete Dorian und wurde gleich darauf sowohl von seiner Schwester als auch von seinem Vater angekeift.
„Halt die Klappe du Idiot!“
„Halt den Mund, Dorian!“
„Probleme mit dem Gedächtnis … was ist mit dir, Elisha? Du hättest schon früher dafür sorgen können, dass Alexa die Station wieder freigegeben hätte.
„Sie hat mich aber erst vor Kurzem gefunden. Und das … auch nur per Zufall. Ich war …“
„Ma … lass mich erklären“, bat Alexa und spürte erneut die Selbstzweifel und Vorwürfe in sich rumoren.
Vorwürfe, dass sie nicht früher an die Möglichkeit dachte, dass ihre Eltern vermisst wurden, dass sie auf anderen Planeten gelandet waren und auch nicht früher nach ihnen zu suchen begann. Selbstzweifel, ob sie sich nicht doch früher daran erinnern, oder Nachforschungen betreiben hätte können. Und zudem kam auch noch die Sorge, dass ihre Mutter durch ihre Erklärung in einen heftigen Streit mit ihrem Vater geraten würde. Es war so schon schlimm genug, dass es nun Streit gab, da musste sie jetzt nicht noch zwischen die Fronten geraten und schließlich auch noch mit ihm aneinandergeraten.
Alexa schloss kurz die Augen und schluckte die schmerzhaften Erinnerungen und Empfindungen, die damit verbunden waren herunter.
„Bis vor etwa einer Woche … erinnerte ich mich nicht an den Überfall auf Celtes und auch nicht …an euch. Erst als ich Ma bei einer Erkundungsmission auf diesem Planeten eher zufällig getroffen hatte, konnte sie mir erzählen, was passiert war. Und dann erst konnte ich auch nach Celtes und die Station wieder freigeben. Colonel Sheppard hat mir geholfen, eine Suche nach euch zu starten. Wir haben so etwas wie Steckbriefe in bekannte und befreundete Völker in dieser Galaxie verteilt und auch die Botschaften versteckt, die ihr letztendlich bekommen habt. Du hast eben erfahren, dass Atlantis vor über einem Jahr den ursprünglichen Planeten wegen eines Angriffs verlassen musste, daher habt ihr es nicht mehr durch das Tor erreichen können …“
„Das rechtfertigt noch lange nicht die Tatsache, dass du diesen Leuten unsere Energiemodule und andere Technologien ausgehändigt hast! Oder hast du auch vergessen, wessen du dich damit schuldig gemacht hast?“
„Ich hatte doch keine Wahl!“
„Keine Wahl? Wollten sie dir etwa nicht bei der Suche helfen? Hast du sie etwa damit … bezahlen müssen?! Da du Probleme mit deinem Gedächtnis hast, helfe ich dir da gerne mal weiter, Alexa! Du bist durchaus in der Lage, eine solche Suchaktion selbst durchzuführen. Offensichtlich hast du das vergessen!“
„Nein, habe ich nicht, Vater. Aber du hast offensichtlich vergessen, was ich dir eben erzählt habe. Die Zeiten haben sich geändert …“
„Achte auf deine Worte, Alexa!“
„Es sind über dreizehntausend Jahre vergangen! Unser Volk gibt es nicht mehr. Diese Menschen haben vor über sechs Jahren diese Stadt entdeckt und leben hier. Sie waren auf der Suche nach uns, wollten uns kennenlernen und von uns lernen. Sie betreiben Forschung, suchen nach Mitteln und Wegen, ihr Leben und das Leben auf der Erde …“
„Ich brauche keine Belehrung von ihnen, Commander! Die hatte ich mir eben schon von diesem Doktor Jackson gefallen lassen müssen!“
Alexa wusste, dass die Situation sich allmählich zuspitzte und sogar außer Kontrolle geraten konnte.
Das verriet ihr allein die Tatsache, dass ihr Vater sie mit ihrem Rang ansprach. Wenn er das tat, war es wirklich ernst.
„Was willst du dann von mir?! Was willst du denn hören?!“, brachte Alexa nun mindestens ebenso aufgebracht hervor, wie ihr Vater
„Ich warne dich zum letzten Mal, Alexa! Pass auf, wie du mit mir sprichst!“
„Es war nicht nur ein diplomatisches Gespräch … sie stellten regelrechte Forderungen.“
„Sie wollten also das Modul und den Stuhl …“, schlussfolgerte Tristanius.
„Nicht ganz …“
„Alexa, deine Berichterstattung lässt sehr zu wünschen übrig!“
„Sie wollten, dass Ma und ich sie zur Erde begleiten und dort beim Bau einer neuen Kontrollplattform und anderen Entwicklungen behilflich sein sollten.“
Dass sie auch noch für andere Arten von Entwicklungen und vor allem Tests und dergleichen herhalten sollten, erwähnte Alexa lieber nicht. Auch wenn es in Anbetracht der momentanen Situation vielleicht besser wäre und es ihr womöglich auch helfen würde. Doch sie wusste, dass ihr Vater nur noch zorniger werden und seine Wut dann auf diese Menschen lenken würde. Und das hätten sie nicht verdient. Schließlich war es nur ein einzelner, der anfangs mit seiner Art und Weise etwas zu weit gegangen war.
„Und du gibst es ihnen natürlich … im Gegenzug wofür?!“
„Im Gegenzug dafür, dass ich hierbleiben und nach euch suchen konnte!“
„Natürlich! Und du hast das auch nicht anders regeln können, hm?!“
„Wie denn?“
„Wie? Du fragst mich wie? Was hast du den auf der Akademie gelernt?! Was habe ich dir denn beigebracht?!“
„Tristan, bitte beruhige dich“, bat Elisha, als sie sah, dass ihr Mann noch immer äußerst aufgebracht war und sich einfach nicht beruhigen wollte.
„Was hätte ich denn tun sollen?“
„Was du … diese Menschen haben doch überhaupt kein Recht hier zu sein. Das ist unsere Stadt. Sie gehört unserem Volk. Du hast einen Eid geschworen, diese Stadt zu schützen und zu bewahren! Du hättest sie nach Hause schicken und die Stadt in Sicherheit bringen sollen! Aber du hast… du hast das glatte Gegenteil getan!“
„Was können diese Menschen hier in der Stadt, für das handeln und Benehmen eines Einzelnen von der Erde? Mister Woolsey und seine Leute haben mir sogar geholfen, eine Einigung mit diesen IOA-Vertretern zu finden. Sie haben mir geholfen eine Möglichkeit zu finden, beide Seiten zufriedenzustellen. Ist das denn nicht der Sinn einer Verhandlung? Und noch mehr…sie haben ihr Leben riskiert um diese Stadt zu finden, zu schützen und zu verteidigen und mehr als einer hat sogar sein Leben dafür geopfert. Und was war gestern, da hat Colonel Sheppard…“
„Genug! Ich will kein Wort mehr hören!“
„Tristan, das reicht langsam, findest du nicht? Deine Operation steht noch an. Da kann keiner von uns Streit gebrauchen.“
Wieder versuchte Elisha ihren Mann zu beruhigen, doch es schien nicht wirklich gut zu funktionieren.
„Streit? Ist dir eigentlich klar, was deine Tochter getan hat?“
„Ach, jetzt ist sie meine Tochter? Darf ich dich daran erinnern, dass du auch etwas damit zu tun hattest?“
Es war Elishas verzweifelter Versuch, ihren Mann endgültig zu beruhigen und die Situation etwas aufzulockern.
Doch leider schien dies gründlich schief zu gehen, denn Tristanius warf nun seiner Frau einen bitterbösen Blick zu.
„Tristan, du wirst jetzt mit mir kommen und dich erst einmal operieren lassen. Alexa kann dir danach noch einmal alles in Ruhe und detailgenau erklären und du hast dann genügend Zeit, gründlich darüber nachzudenken.“
„Gründlich nachdenken? Ja, eine wirklich gute Idee. Aber ich werde nicht der einzige sein, der Zeit haben wird, nachzudenken …“
Die Tonart ihres Vaters gefiel ihr immer weniger, doch am meisten war es der entschlossene Gesichtsausdruck, der ihr nun endgültig verriet, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten steckte.
„Commander stehen sie auf …“
Alexa wusste, was nun kam. Sie hatte es schon gewusst, lange bevor die Besprechung begonnen hatte.
Sie tat, wie ihr befohlen wurde, stand auf und straffte sich.
„Tristan, was hast du vor?“, fragte Elisha misstrauisch, da auch sie die Gestik und Mimik ihres Mannes mehr als merkwürdig befand.
„Commander Thalis, Sie haben das Eigentum, das Wissen und die Technologie unsers Volkes, sowie streng vertrauliche Informationen einem fremden Volk wissentlich und mit voller Absicht ausgehändigt. Dadurch haben Sie sich des Hochverrats schuldig gemacht …“
„Tristan!“
Elisha war überrascht, um nicht zu sagen schockiert, über das Handeln und den Entschluss ihres Mannes. Mit großen Augen starrten sie und Dorian ihn sprachlos an.
„Bis auf Weiteres sind sie vom Dienst suspendiert …“, erklärte Tristanius und hielt ihr die offene Handfläche hin.
Obwohl Alexa damit gerechnet hatte, versetzte es ihr doch einen so heftigen Schlag, dass sie glaubte, ihr Herz würde für einen Moment stehen bleiben. Auch glaubte sie, selbst zu spüren, wie sie ihre Augen überrascht aufriss und sich ihr Mund öffnete, um etwas zu sagen. Doch es kam kein Wort über ihre Lippen.
„Ihr Abzeichen, Commander“, forderte der General, noch immer die Hand aufhaltend.
Wie in Trance sah Alexa an ihrer Uniform hinab, zu dem Abzeichen, dass ihr Vater verlangte.
Es war ein Zeichen, dass jedem signalisierte, das der Träger im aktiven Militärdienst einer Spezialabteilung war.
Langsam, beinahe zögerlich nahm sie das Abzeichen ab, sah es noch kurz an und legte es dann auf den Tisch. Sie gab es ihrem Vater nicht direkt in die Hand. Warum wusste sie selbst nicht genau. Vielleicht aus Trotz, vielleicht nahm sie auch gar nicht mehr die geöffnete und fordernde Hand wahr.
Tristan griff danach, sah selbst zu dem kleinen silberblickenden Abzeichen und blickte dann wieder in das Gesicht seiner Tochter.
Doch Alexa hingegen vermied es ihm ins Gesicht zu sehen, starrte stattdessen auf den Halsausschnitt seiner Uniform und bemühte sich sehr stark, ihre Tränen zurückzuhalten. Nur mit Mühe brachte sie die folgenden Worte relativ neutral heraus.
„Stehe ich unter Arrest?“
Tristan sah noch immer nachdenklich, beinahe sogar bedauernd zwischen Alexa und dem Abzeichen in seiner Hand hin und her.
Es war nicht so, dass er die Suspendierung seiner Tochter gerne vorgenommen hatte, im Gegenteil. Es tat ihm in der Seele weh. Er spürte den stechenden Schmerz in seinem Herzen, erst recht, als er sie dabei beobachtete, wie sie das Abzeichen abnahm und auf den Tisch legte.
Er erinnerte sich noch gut an den Tag, als seine Tochter die Ausbildung an der Militärakademie abgeschlossen hatte und das Offizierspatent und damit alle Rechte und Pflichten und die Offiziersehre erhielt. Er war so stolz auf sie, glaubte, dass es kaum etwas geben könnte, dass dieses Gefühl noch übertrumpfte. Doch dann hatte er die Möglichkeit, nein, seiner Meinung nach sogar die Ehre und das Vergnügen, sie zu einem Commander der Spezialabteilung zu befördern. Dieses empfinden von Stolz ließ ihn dann doch glauben, jeden Moment platzen zu müssen.
Daher war es nun umso schmerzvoller für ihn, so gegen sein eigen Fleisch und Blut handeln zu müssen. Das Gefühl der Wut und der Enttäuschung waren mittlerweile genauso stark, wie einst die Freude und der Stolz.
Doch Alexas Entschluss, gegen die Gesetze und Vorschriften zu verstoßen und ihr daraus resultierendes Handeln zwangen ihn dazu.
Tristan ging langsam auf seine Tochter zu und blieb dicht vor ihr stehen. Noch immer sah sie ihm nicht ins Gesicht. Sie hatte Angst, dann gänzlich ihrer Emotionen zu erliegen und dann mit weinen und mit jämmerlichen Entschuldigungen beginnen zu müssen.
„Ich hätte wirklich allen Grund, dich in deinem Quartier unter Arrest zu stellen …“, sprach Tristan nun ganz ruhig und beinahe nachsichtig. „Du kannst dich weiterhin frei in der Stadt bewegen. Aber sollte ich erfahren, dass du nochmal etwas tust, was gegen unsere Gesetze verstößt, sei es das aushändigen unserer Besitztümer oder die Preisgabe von Geheiminformationen, wirst du in der Arrestzelle auf die Anhörung vor dem Militärgericht warten. Hast du das verstanden?“
Alexa nickte kaum merklich.
Tristanius atmete tief durch, schluckte einmal und verließ den Konferenzraum.
Elisha, die noch immer damit zu kämpfen hatte, was gerade passiert war, folgte ihrem Mann und versuchte noch einmal mit ihm zu sprechen.
Alexa und Dorian blieben zurück.
„Nun … das … war mal was neues …“ gab dieser überrascht und mit bedrückt klingender Stimme bekannt.
Alexa reagierte nicht, sank stattdessen zurück auf den Stuhl und starrte ins Leere.
„Mach dir nichts draus, er wird sich schon wieder beruhigen … das wird schon wieder.“
Dorian merkte, dass seine Schwester kaum reagierte und schon gar nicht auf seine Versuche, sie aufzumuntern. Also änderte er seine Taktik.
„Tja … wie dem auch sei, mir ist etwas Erstaunliches aufgefallen. In den dreizehntausend Jahren, in denen wir alle in den Kapseln gelegen haben, hast du dich kein bisschen verändert. “
Erst jetzt schien Alexa sich aus ihrer Starre zu lösen und blickte ihren Bruder mit verwirrter Miene an.
„Ich meine rein äußerlich … abgesehen von deiner Frisur“, fügte er hinzu, als ihr Gesichtsausdruck immer verdutzter wirkte.
„Was?“
„Na ja, du bist offensichtlich immer noch gut in Form! Ich dachte, dass nach all dieser Zeit im Liegen, deine Hüften mittlerweile solche Ausmaße haben müssten …“, erklärte Dorian und formte dabei mit seinen Händen und Armen einen recht breiten und ausladenden Umfang um seine eigenen Hüften.
Alexas Miene wechselte von Verwirrung zu Fassungslosigkeit. Sie stand auf und wollte ihrem Bruder schon eine passende Antwort geben, doch das einzige, was ihr einfiel, war blitzschnell den Arm zu heben und mir der flachen Hand gegen die Stirn ihres Bruders zu schlagen.
Kopfschüttelnd verließ sie danach den Konferenzraum.
Kaum war sie außer Sichtweite, grinste Dorian zufrieden.
Er hatte es geschafft, sie aus ihrer Reserve zu locken und sie damit auch aus ihrer Starre zu befreien.
Und zudem hatte er feststellen müssen, dass es um ihr Erinnerungsvermögen vielleicht doch nicht so schlecht bestellt war, denn schon früher hatte sie ihm immer wieder gegen die Stirn geschlagen, wenn er sich Streiche und dumme Sprüche ihr gegenüber geleistet hatte.
Dennoch war er recht zufrieden mit sich, als er sich über die schmerzende Stelle strich. Doch dieses Gefühl verschwand ganz plötzlich und machte einem starken Zittern Platz. Auch ein weiterer schmerzhafter Krampfanfall kehrte zurück und zwang ihn beinahe in die Knie. Er blickte noch ein letztes Mal in Richtung Kommandozentrale und hoffte, dass ihn weder jemand so sah, noch dass dieser Anfall lange anhalten würde.
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Tristan betrat schnellen Schrittes die Krankenstation. Elisha hatte auf dem ganzen Weg vergeblich versucht, mit ihm über die Suspendierung von Alexa zu sprechen. Abgesehen davon, dass sie kaum mit seinem Tempo mithalten konnte, war dieser jedoch nicht bereit, mit seiner Frau darüber zu diskutieren. Alles, was er wollte, war so schnell wie möglich die Operation hinter sich zu bringen. Er wusste, dass es kein gefährlicher oder lang andauernder Eingriff werden würde, dennoch konnte er es gar nicht mehr abwarten, die Krankenstation so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Er hatte sich noch nie besonders wohl dort gefühlt. Weder als Patient, noch als Besucher.
Andererseits liebte er es, seiner Frau bei ihrer Arbeit zuzusehen. Er liebte es zu sehen, mit welcher Leidenschaft und Hingabe sie ihre Aufgaben erfüllte und immer weiter nach neuen Behandlungsmethoden, Operationsverfahren und Medikamenten forschte. Auch ihr Einfühlungsvermögen und ihr Mitgefühl, das sie ihren Patienten entgegen brachte, berührten ihn und ließen ihn immer wieder staunen. Doch er kannte auch ihre andere Seite. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es nichts und niemand, der sie davon abbringen konnte. Sie würde niemals so leicht aufgeben.
So wie jetzt.
Tristanius setzte sich auf eine der Liegen, wurde dann aber gleich wieder von seiner Frau aufgescheucht und in den Operationssaal geführt. Aber auch dort setzte er sich eher gemächlich hin und begann an seiner Uniform zu nesteln.
„Was … Tristan … ich weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll …“, brachte Elisha noch immer entsetzt hervor.
„Wieso hast du …“
„Du weißt, wieso. Alexa hat gegen Gesetze verstoßen und eine Straftat begangen. Ich habe handeln müssen“, erwiderte er barsch und entledigte sich seines Uniformoberteils.
„Handeln müssen?! Du hast doch noch nicht einmal richtig zu gehört!“
„Ich habe genug gehört, glaube mir.“
„Und dir reicht das aus, um sie gleich zu verurteilen?“
„Ich habe sie nicht verurteilt. Noch nicht. Es wird es eine offizielle Anhörung geben. Elisha bitte … halte dich aus Dingen raus, von denen du nichts verstehst. Ich rede dir ja auch nicht in deine Arbeit rein.“
„So einfach machst du dir das, was? Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Gestern … da warst du doch noch so … du warst ganz anders. Du hast alles daran gesetzt, deine Tochter zu befreien. Ich habe dich gesehen, Tristan. Ich habe gesehen, welche Sorgen du dir gemacht hast, ich habe die Angst in deinen Augen gesehen und später … vor lauter Freude hattest du sogar beinahe geweint, als wir alleine waren. Und was ist mit heute Morgen? Da warst du auch ganz … anders.“
„Elisha …“
„Was soll das? Wieso bist du heute so hart zu ihr? Hast du sie unbedingt suspendieren müssen?“
„Soll ich das, was sie getan hat, etwa gutheißen?“
„Du hättest ihr am besten erstmal richtig zuhören sollen, bevor du anfängst … wie konntest du nur … was um alles in der Welt ist denn nur los mit dir? Sie hatte doch keine Wahl. Du kennst nur die Hälfte dessen, was wirklich vorgefallen …“
„Ich werde nicht mit dir darüber diskutieren, Elisha!“ platzte es laut aus ihm heraus. Seine Geduld war am Ende.
Elisha zuckte erschrocken zusammen, einen solchen Ausbruch hatte sie bei ihm ihr gegenüber noch niemals erlebt. Mit großen schockierten Augen sah sie zu ihm hinauf.
Bestürzt über seine Reaktion und sein Verhalten seiner Frau gegenüber, begann er sich stotternd zu entschuldigen. „Elisha … verzeih. Ich … ich wollte dich nicht anschreien. Ich … das ist alles … natürlich freue ich mich, dass ich euch wieder habe. Dich, Dorian und auch Alexa. Ich freue mich wirklich sehr, ich bin sogar überglücklich. Nur … ich kann nicht jedes Mal und bei allem beide Augen zudrücken, nur weil Alexa meine Tochter ist. Ich bin ihr Vater und natürlich liebe ich sie. Daher fällt es mir auch umso schwerer, solche Entscheidungen zu treffen oder denkst du, mir macht das Spaß?“ Tristanius untermauerte seine Worte noch mit einer Umarmung und nahm zum Schluss noch Elishas Gesicht in seine Hände.
„Natürlich nicht. Ich finde nur, dass du vielleicht zu vorschnell und auch etwas zu hart zu ihr warst. Sie hat doch ohnehin schon genug durchgemacht und in Anbetracht dessen, was noch kommen kann … oder hast du sie deswegen suspendiert? Ist das nur ein Vorwand um sie vor ihm zu schützen?“
„Kieran hat überhaupt nichts damit zu tun. Was ihn betrifft, werde ich mir schon noch etwas einfallen lassen. Das habe ich dir doch gesagt“, sprach er nun leise zu seiner Frau und hielt sie noch immer im Arm.
„Warum bist du dann so hart zu ihr? Sie hatte wirklich keine andere Wahl …“
„Elisha …“
Tristanius wollte nicht weiter darüber sprechen. Schon gar nicht mit jemanden, der von dieser Thematik nichts verstand und seine Handlung nicht nachvollziehen konnte. Doch er konnte aber auch die Empfindungen seiner Frau verstehen.
„Tristan, bitte kannst du denn nicht nochmal mit ihr sprechen und die Suspendierung rückgängig machen? Was sollen denn die Leute hier denken?“
„Elisha, was diese Leute denken, ist mir ziemlich gleich und was die Suspendierung angeht … das ist nicht so leicht rückgängig zu machen …“
Elisha blickte ihn mit flehenden Augen an. Wie schon so oft in der Vergangenheit setzte sie nun ihren ganz speziellen Blick ein, der ihren Mann fast immer dazu bewog, beinahe alles für sie zu tun und ihr jeden Wunsch zu erfüllen.
Auch nach all den Jahrtausenden schien dieser Blick Wirkung zu zeigen, denn Tristan begann, sich unter ihrem Blick und ihrer Umarmung zu winden. „Aber wenn es dir so viel bedeutet und es dir so wichtig ist …ich wollte ohnehin später noch einmal mit ihr sprechen. Dann sehen wir weiter.“
„Aber bitte sei nicht wieder so hart zu ihr. Versprichst du mir das?“
„Ja, ich verspreche es“, entgegnete Tristanius augenrollend und seiner Frau ergebend.
„Danke“, sagte Elisha freudestrahlend und gab ihrem Mann einen flüchtigen Kuss, „und jetzt leg dich hin, damit wir mit der Operation anfangen können.“
„Wir?“, fragte Tristanius verwirrt, als er sich wieder auf den Operationstisch setzte.
„Ja wir. Doktor Keller bat mich gestern, bei deiner Operation assistieren zu können und dabei kann ich ihr gleich mehr über meine Geräte und Instrumente erzählen und sie auch einweisen.“
„Ja aber … du hast doch gesagt, du würdest den Eingriff alleine vornehmen.“
„Das war gelogen“, erwiderte sie lächelnd.
„Ich erlaube nicht, dass du …“brauste Tristanius erneut auf.
Doch er konnte nicht zu Ende sprechen, denn Elisha setzte plötzlich den medizinischen Injektor direkt an seinem Hals an. Sofort hatte sie ihm die schon bereitgelegte Dosis des Narkosemittels injiziert.
Tristans Verwunderung über die Reflexe und die Abgebrühtheit seiner Frau standen ihm ins Gesicht geschrieben.
Er schaffte es gerade noch überrascht die Augen aufzureißen, bevor sein Blickfeld zu verschwimmen schien.
„Elisha …?“, war das letzte was er verblüfft wispern konnte, bevor es schwarz um ihn herum wurde und er langsam zu Seite kippte. Den mehr oder weniger harten Aufprall auf die Liege hatte er schon nicht mehr mitbekommen.
„Wenn ich mich aus deinen Dingen heraushalten soll, dann hältst du dich auch aus meinen heraus“, gab sie kühl und mit einem leichten Grinsen zurück und tätschelte ihn auf den Arm.
„Sie machen das wohl gerne, was?“, ertönte Jennifers amüsierte Stimme aus dem Eingang zum OP.
„Oh ja. Ich liebe es geradezu. Besonders sein verdutzter Gesichtsausdruck hat es mir angetan“, gab Elisha lachend zurück.
„Aber wird er nicht wieder wütend werden, wenn er wieder aufwacht?“
„Ja, ziemlich“, gab sie beinahe gleichgültig, aber immer noch mit einem verschmitzten Lächeln zurück.
„Und das beunruhigt sie nicht?“
„Nein. Glauben Sie mir, seine Wut auf mich und die Tatsache, dass ich ihn wieder einmal ausgeknockt habe, wird schnell vergehen. Im Moment beschäftigen ihn andere Dinge. Abgesehen davon, kennt er mich gut genug und wird insgeheim damit gerechnet haben.“
„Andere Dinge? Sie meinen Ihre Tochter? Ist er etwa wirklich wütend auf sie?“, fragte Jennifer vorsichtig.
„Haben Sie das etwa mitbekommen?“
Elisha war einerseits verwundert und andererseits etwas peinlich berührt, da sie glaubte, dass das Streitgespräch zwischen Tristanius und Alexa wohl etwas zu laut stattgefunden haben musste.
„Na ja, nicht wirklich. Aber der Gesichtsausdruck ihres Mannes, als wir den Konferenzraum verlassen haben und vorhin … kurz bevor ich herein kam …“
„Oh … Sie müssen entschuldigen, Doktor. Tristan kann manchmal sehr temperamentvoll und impulsiv sein und Alexa hat das wohl von ihm geerbt. Aber Sie sollten sich auch nicht sorgen. Im Grunde seines Herzens ist er ein guter Mann. Geduldig und sehr friedliebend und liebevoll. Es dauert nicht lange und er kommt wieder zur Vernunft.“
Jennifer nickte verstehend. „Das hofft Mister Woolsey auch“, gab sie zurück und wechselte das Thema.
„Also, das ging ja wirklich schnell“, meinte sie und wies auf den kleinen Injektor und den schlafenden Mann.
Elisha hatte bewusst bis zum letzten Moment gewartet, um ihren Mann über Jennifers Hilfe zu berichten. Hätte sie ihm das bereits am Vortag, als sie ihm die Vorgehensweise ihres Eingriffs erklärte, gesagt, hätte er es ihr womöglich verboten, oder es hätte eine Auseinandersetzung zwischen ihm und diesen Menschen gegeben, vielleicht hätte Tristanius sich dann auch erst gar nicht operieren lassen. Nein, Elisha hatte wohl schon am Vortag eine Ahnung von den Geschehnissen dieses Tages gehabt.
„Ja, die Wirkung unseres Narkotikums tritt beinahe sofort ein. Ich habe es gestern Abend noch geschafft, gerade mal eine Dosis für meinen Mann herzustellen. Sobald es hier etwas ruhiger zugeht, erläutere ich Ihnen gerne die genaue Zusammensetzung und Herstellung. Vielleicht wollen Sie es auch bei ihren Patienten verwenden“, antwortete Elisha und begann, ihrem Mann das Uniformhemd gänzlich auszuziehen.
„Das klingt großartig …“, gab Jennifer erfreut zurück, „Na dann … wollen wir?“, fragte die junge Ärztin danach und half Elisha, den bewusstlosen Mann in die richtige Position zu bringen.
~~~///~~~
Nachdenklich ging John zum Quartier seines Bruders. Im Schlepptau hatte er Daniel Jackson. Auch er wollte unbedingt an einer genauen Führung durch Atlantis teilnehmen, da sein letzter Besuch hier eher von kurzer Dauer war. Zuerst verbrachte er mit einem, sehr von wetteifer getriebenen Rodney McKay, seine Zeit in Janus` Geheimlabor, dann wurde er von abtrünnigen Asgard entführt, die erstaunlich wenig Mitgefühl und Hilfsbereitschaft den Menschen der Pegasus Galaxie entgegenbrachten. Und schlussendlich landete er auch noch auf der Krankenstation.
Das war bestenfalls eine informative und abwechslungsreiche, aber auch äußerst unangenehme Führung.
Aber selbst in der kurzen Zeit, in der Atlantis auf der Erde war, hatte Daniel nicht die Zeit gefunden, sich die sagenumwobene Stadt der Antiker genauer anzusehen.
Doch es waren weniger die Gedanken an Daniels letzen Besuch hier auf Atlantis, die ihn beschäftigten.
Es waren vielmehr wieder einmal Gedanken an die Antiker. Allen voran Alexa.
Würde ihr Vater sie tatsächlich wegen Verrats anklagen? Sie sogar bestrafen? Wie würde die Strafe aussehen? Suspendierung? Arrest? Oder schlimmer?
Auf der Erde konnte man wegen Landesverrats unter Umständen sogar zum Tode verurteilt werden.
Würde es bei den Antikern anders sein?
Aber galt das, was sie getan hatte, denn überhaupt als Verrat?
John entschied, sich nicht weiter darüber den Kopf zu zerbrechen. Früher oder später würde er ohnehin genaueres erfahren und dann könnte er immer noch mit dem General sprechen.
Auf die Art und Wiese würde er ihn ganz nebenbei noch genauer kennenlernen.
„Alles in Ordnung, Colonel?“, fragte Daniel unterwegs.
„Ja klar. Warum fragen Sie?“
„Sie wirken so ruhig und nachdenklich. Ist es wegen Ihrer Familie oder wegen den Antikern?“
„Um ehrlich zu sein, beides. Ich frage mich, was wohl mit Alexa passiert, sollte ihr Vater sie tatsächlich wegen Verrats anklagen wollen.“
„Na ja, ich hatte bisher immer den Eindruck, dass die Antiker sehr zivilisiert und kultiviert sind. Teilweise sogar noch mehr als wir oder andere Völker, die wir bisher kennengelernt haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der General sie bestrafen will.“
„Hm … wir gelten bei andere Völkern der Galaxien auch teilweise als sehr zivilisiert. Dennoch kann man bei uns vor ein Militärgericht gestellt und sogar zum Tode verurteilt werden“, entgegnete John.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur eine einzige Form einer solchen Strafe bei ihnen Anwendung findet. Noch weniger, dass er seine Tochter zu irgendetwas verurteilt. Ich denke da eher wie Mister Woolsey. Die Geschehnisse der Vergangenheit, die lange Zeit der Ungewissheit und der Suche und die nun völlig neuen Eindrücke und Umstände setzen ihm wohl ziemlich zu. Das wäre bei einem von uns wohl nicht anders.“
„Ja, vermutlich. Dennoch sitzt sie jetzt da drin und wird von ihm wahrscheinlich ganz schön in die Mangel genommen“, antwortete John.
„Das lässt sich wohl nicht vermeiden. Er hat unsere Schilderung der Dinge gehört, nun ist seine Tochter an der Reihe. Erst dann kann er sich sein eigenes Bild machen und weitere Schritte planen.“
„Schritte wie die, uns zurückzuschicken.“
John und Daniel sahen sich kurz aber bedeutungsschwer an. Sie beide wussten, dass dies ganz gut und vor allem schnell passieren könnte.
Sie wussten aber auch, dass es eine äußerst unkluge Entscheidung sein würde. Sie waren die letzten ihres Volkes. Gerade mal vier Personen, die in enormer Gefahr schweben würden. Auch wenn sie nun von den Wraith und den Genii und den Replikatoren wussten und die Technologie und das Potenzial der Stadt voll und ganz ausnutzen könnten, wären sie in der Unterzahl und wohl kaum in der Lage, sich und die Stadt zu schützen.
Dieses Wissen ließ sie dann doch eher hoffen, dass Woolsey und auch Jackson selbst, mit ihrer Annahme recht haben würden und die Laune des alten Generals nur vorübergehend so mies sein würde.
Daniel befand es an der Zeit, das Thema zu wechseln.
„Und was ist nun mit Ihrer Familie? Sie scheint sich doch recht schnell an die Situation angepasst zu haben.“
„Ja, die werden mit vielen Dingen schnell fertig.“
„Ist kompliziert, hm?“, fragte Daniel, als er Johns Tonart und Mimik richtig zu interpretieren glaubte.
„Ja, so kann man es nennen.“
Wieder entschied man stumm und einvernehmlich, nicht weiter über das Thema zu sprechen.
John sprach ohnehin nicht gern mit anderen über seine Angelegenheiten oder Probleme. Auch wenn Daniel im Bezug auf Antiker und dem Auf- und Abstieg schon als Fachmann galt und er seinen Eltern diesbezüglich mit Ratschlägen und seinen eigenen Erfahrungen zu helfen vermochte, waren der Hintergrund seiner Familiengeschichte und die Thematik seiner Probleme doch anderer Natur und vor allem Privatsache.
Mittlerweile hatten sie sowohl Dave als auch Carol und Patrick abgeholt und waren auf dem Weg zur Cafeteria.
John dachte, dass es vielleicht ganz gut sei, vor der Führung noch ein gemeinsames Frühstück einzunehmen.
Soviel er wusste, hatte auch Daniel noch nicht gefrühstückt. Genauso wenig wie er selbst, wenn man mal von der einen Tasse Kaffee im Konferenzraum vorhin absah. Und da er bisher noch keine Meldung von den Wachposten erhalten hatte, dass seine Familie ihre Quartiere verlassen hätte, ging er davon aus, dass auch diese hungrig sein mussten.
Das Vorhaben eines gemeinsamen Frühstücks beunruhigte ihn zunächst.
Solche Gelegenheiten, in denen die ganze Familie beisammensaß, behagte ihm schon nicht mehr nach den ersten Konfrontationen mit seinem Vater. Schon das kleinste familiäre Zusammensein der Familie, wie Frühstück oder Abendessen verliefen meist mit Diskussionen bis hin zu heftigen Streitereien. Selten waren sie von Harmonie geprägt. Aber kaum waren Gäste anwesend, war es erträglicher und Ruhe kehrte an den Tisch.
Schließlich musste ja das Ansehen der Sheppards in der Gesellschaft gewahrt werden.
Die Tatsache, dass nun auch Daniel Jackson dabei war, beruhigte ihn daher doch ein wenig.
Abgesehen davon, war nun vieles anders. Es war viel Zeit vergangen. John war ein erwachsener Mann und übernahm für sich selbst die Verantwortung. Dadurch, dass er sein Schicksal selbst in die Hand genommen hatte, schaffte John es, sich seinen Traum zu erfüllen. Er hatte es zu dem gebracht, was er immer werden wollte. Ein Pilot. Ein Job, der ihm Spaß machte und aufgrund seines derzeitigen Aufenthaltsortes hatte er auch die verschiedensten und aufregendsten Aufgaben. Er hatte vieles gesehen und erlebt und ebenso gelernt und auch eigene Erfahrungen gemacht.
John musste nicht mehr auf das hören, was sein Vater ihm diktierte. Er war nun sein eigener Herr. Dennoch rumorte etwas ihn ihm. Ganz tief in seinem inneren nagte ein Gefühl an ihm. War es Unzufriedenheit, Bedauern oder Reue? Manchmal glaubte John auch, etwas zu vermissen. Doch was, das wusste er nicht genau. Zumindest war er sich nicht sicher. John glaubte allerdings, dass es möglicherweise mit seiner Vergangenheit zusammenhing.
Schon oft hatte er sich dabei ertappt, wie er an die Vergangenheit dachte. An Zeiten, in denen es friedlich zuging. An seine Kindheit, lange bevor er vieles verstehen konnte. Bevor sein Vater begann, ihn und seinen Bruder unter Druck zu setzten. John erinnerte sich an eine schöne Zeit, als er und sein kleiner Bruder das Haus unsicher machten, seinen Vater mit Streitigkeiten um Spielsachen um den Verstand brachten oder ihn mit Wissbegierde und neugierigen Fragen über doch so simple Themen und Tatsachen zum stottern brachten, es ihm aber gleichzeitig um so schwerer machten, sie zu beantworten.
Ebenso stellten sie gerne die Geduld ihrer Mutter und des Gärtners auf die Probe, indem sie immer wieder durch die Blumenbeete liefen und die geliebten Rosen ihrer Mutter zertrampelten.
Doch eine ganz bestimmte Erinnerung hielt sich besonders lang und setzte ihm zugegebenermaßen heftig zu.
Er würde niemals vergessen, wie er und Dave sich eines Morgens plötzlich mit ihrem Vater in einem Baumarkt wiederfanden und alles nötige für ein Baumhaus zusammensuchten.
Eine ganze Woche hatte sich Patrick freigenommen und mit seinem siebenjährigen John und dem vierjährigen Dave ein Baumhaus in einer alten Eiche im Garten gebaut. Es war eine schöne Zeit. Patrick verbrachte seine Zeit mit seinen Söhnen, lehrte seinen Ältesten den Umgang mit einigen Werkzeugen, leitete ihn an. Er lachte und alberte mit den beiden rum. Tollte mit ihnen auf dem äußerst penibel gepflegten Rasen, wälzte sich im Dreck und bescherte Carol und dem Hausmädchen Lupita eine Menge Arbeit, als sie mit völlig verdreckten Schuhen und zerschlissener Kleidung das Haus stürmten.
Die beiden Frauen jammerten, meckerten und fluchten, doch John, Dave und auch Patrick lachten und genossen die gemeinsame Zeit.
John hatte oft darüber nachgedacht und befand diese Erinnerung als äußerst angenehm, aber auch rar. Angenehm in dem Sinne, dass es eine schöne Zeit war. Eine Zeit mit Gefühlen, Eindrücken und Erlebnissen, die Kinder seiner Meinung nach haben mussten, um zu guten und verantwortungsbewussten Menschen zu werden. Rar, weil es einfach zu wenige Erinnerungen waren. Das lag größtenteils an der Tatsache selbst, dass kurz nach dieser Zeit der Druck und somit die Differenzen zwischen John und seinem Vater begannen.
Dann kam aber noch die Zeit dazu. Die Zeit war unbarmherzig und sorgte so für manches Vergessen. Vieles glaubte John, vergessen zu haben. Doch merkwürdigerweise konnte er sich noch gut an mehrere Momente erinnern, von denen er sich wünschte, diese stattdessen vergessen zu können.
John war so in diesen Erinnerungen vertieft, dass er erst nach Ankunft in der Cafeteria zurück in die Gegenwart fand.
Während seine Familie und Daniel sich am Frühstücksbuffet bedienten und sich an einen der vielen freie Tische setzten, war John bereits auf der Suche nach McKay. Es überraschte ihn nicht, ihn mit voll beladenem Tablett und seinem kleinen Tablett-PC an einem der Tische im Außenbereich der Stadt vorzufinden.
„McKay …“
„Sheppard, was immer es ist, es kann warten.“
„Eigentlich ja. Aber wohl nicht lange.“
„Abgesehen davon, dass dies das sinnloseste Kauderwelsch ist, dass ich bereits am frühen Morgen zu hören bekomme; und das auch noch von Ihnen, und ich noch eine Menge Arbeit habe, die auf mich wartet, höre Ihnen gar nicht zu, Sheppard.“
„Na schön. Dann werde ich eben selbst die Führung durch die Stadt leiten und meinen Leuten alles erklären. Sie wissen schon, über die Stadt, die Antiker, unsere Arbeit …“
„Das zieht nicht, Sheppard. Ich habe wirklich viel zu viel Arbeit zu erledigen und zu überwachen. Wichtige Arbeit, die ich auf keinen Fall irgendeinem unterbelichtetem Stümper überlassen will.“
„Personal, Geräte, Maschinen, Artefakte, die technischen Details, unsere Wissenschaftler, deren Aufgabengebiet, Projekte, Errungenschaften …“
„Vergessen Sie´s!“
„Dann noch die physikalischen Aspekte. Ich bin zwar kein Fachmann wie Sie …“
Rodney schnaubte kaum hörbar, wusste er doch, dass John zwar nicht gerade dumm war, aber in komplizierter und extrem fortgeschrittener Physik auch nicht gerade das Pulver erfunden hatte. Doch ein weiteres Kommentar verkniff sich der Wissenschaftler.
„Aber ich bin sicher, Doktor Jackson hilft mit bestimmt weiter.“
Damit endete John und machte Anstalten, sich umzudrehen und zu seiner Familie zurück zu gehen.
„Was? Einen Moment mal, Sie wollen doch nicht diesen … diesen im Sand buddelnden Archäologen damit beauftragen, etwas über diese Stadt und die Technologie zu erzählen? Sind Sie wahnsinnig geworden?!“
„Ich habe ja wohl keine andere Wahl, McKay. Zelenka ist mit der Tristanius beschäftigt und Sie sagten, dass Sie so viel Arbeit…“
„Ich habe immer viel Arbeit und das wissen Sie auch. Aber ich bin durchaus in der Lage Prioritäten zu setzen.“
„Prioritäten? Wow! Tja, McKay ich schätze, ich sollte mich wohl geehrt fühlen.“
„Ach hören Sie schon auf. Sie wissen ebenso gut wie ich, dass Jackson nichts Besseres kann, als im Sand zu buddeln und vielleicht mal, mit ein wenig Glück, das eine oder andere Täfelchen mit irgendwelchen Schriftzeichen zu entziffern.“
„Hm, ich weiß nicht … er hat es immerhin geschafft, aufzusteigen. Ganze zweimal beinahe. Haben Sie selbst gesagt“, antwortete John und musste sich beherrschen, nicht sofort zufrieden zu grinsen.
„Und das qualifiziert ihn zu was, hm? Ganz bestimmt nicht, um irgendwelchen Leuten irgendetwas über eine außerirdische Stadt und deren hoch entwickelte Technologie, oder die astrophysikalischen Aspekte von Wurmlöchern und anderem zu erklären. Und glauben Sie ja nicht, ich wüsste nicht, was Sie hier versuchen.“
John legte eine Unschuldsmiene auf. „Ich weiß nicht, was Sie meinen?“
„Oh bitte. Sie versuchen auf ganz hinterlistige Art und Weise mein Ego zu streicheln, nur damit ich Ihnen einen Gefallen tue. Aber das funktioniert nicht. Da müssen Sie sich schon was Besseres einfallen lassen.“
„Na schön. Wie wäre es dann … mit einer Genehmigung für einen Jumper nach … sagen wir zum Wasserfall-Planeten?“
Rodney blinzelte, wie John es immer nannte. Er zeigte offensichtlich Interesse.
„Und was sollte ich davon haben?“
„Kommen Sie McKay. Sie und Jennifer … auf einem wunderschönen, romantischen Planeten … ganze drei Tage lang …“
„Tss, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Woolsey das genehmigen würde?“
„Nicht, wenn ich nicht mit ihm spreche, nein.“
Rodney überlegte weiter. Nicht mehr lange und John hätte ich geknackt.
„Überlegen Sie mal. Drei Tage lang … nur Sie und Jennifer. Ein riesen Picknickkorb mit allem Drum und Dran, ein Zelt, Decken … und nichts weiter als schöne Wasserfälle und Strände und das kühle Nass, dass …“
„Okay, okay, okay. Sie geben ja doch keine Ruhe. Und hören Sie auf so … so … über das, was zwischen mir und Jennifer ist, zu reden. Sie können einem alles vermiesen.“
„Ich wollte `den von Arbeit gebeutelten Verstand abkühlt´ sagen“, verteidigte sich John und konnte schlussendlich ein zufriedenes Grinsen nicht mehr vermeiden.
„Ja natürlich. Lassen Sie uns gehen, bevor ich es mir anders überlege.“
Für John war gleich klar, dass er McKay nicht noch bitten würde, seine Familie nicht nach privaten Anekdoten und Einzelheiten zu fragen. Dass es seinen Freund zwar interessieren würde, wusste er. Auch dass McKay am gestrigen Tage wohl das eine oder andere zwischen ihm und seinem Vater mitbekommen hatte, konnte er sich denken. Doch er wusste auch, dass Rodney mittlerweile an Zurückhaltung und Taktgefühl zugelegt hatte. Er würde sich mit neugierigen und vorwitzigen Fragen zurückhalten.
Und da seine Familie, allen voran sein Vater durch die Anwesenheit von Jackson und nun auch Rodney zum Schweigen verurteilt war, würde es wohl kaum eine verbale Auseinandersetzung zwischen ihnen geben.
Das beruhigte John gleich doppelt.
Andererseits gab es da immer noch die Möglichkeit, dass McKay wieder von Übermut gepackt und über die eine oder andere Mission und der damit verbundenen Gefahr plaudern würde.
Das würde wiederum die momentane Stimmung kippen. Seine Mutter würde sich Sorgen machen, und vermutlich in Angst und Panik verfallen, für seinen Vater wäre das ein gefundenes Fressen, um wieder seinen Unmut und seinen Nörgeleien und Vorwürfen Platz machen zu können und Dave … tja, was wäre mit Dave? Er würde sich wohl auf die Seite seines Vaters stellen und somit ebenfalls gegen John wettern.
Da wollte John doch lieber auf Nummer sicher gehen.
„Ähm McKay, hören Sie da ist noch etwas, worüber ich mit Ihnen sprechen will.“
„Oh nein, Sheppard. Sie haben mich zu dieser Führung rum gekriegt. Mehr gibt es nicht. Ich bin zwar ein herzensguter Mensch, aber auch ich habe Grenzen.“
John ging nicht auf Rodney Gezeter ein. Ihm war die ganze Angelegenheit diesmal viel zu wichtig und zu ernst, um ihn mit Witzen und Angriffen auf sein Ego rumzukriegen.
„Nein, hören Sie, es wäre ganz gut, wenn bestimmte Details und … Erlebnisse aus unseren Missionen geheim blieben“, erklärte John leise, aber dennoch bestimmend und blickte kurz zu seiner Familie, dann wieder zurück zu Rodney.
Rodney hingegen sah ihn eine Zeit lang schweigend an und verstand schlussendlich den eigentlichen und wahren Hintergrund von Johns Bitte.
Ohne sich weitere Gedanken zu machen oder großartig zu fragen und zu reden, erklärte sich Rodney sofort einverstanden, heikle Ausschnitte und Einzelheiten ihrer gemeinsamen Erlebnisse der letzten Jahre für sich zu behalten.
Gemeinsam machten sie sich dann auf den Weg zum Tisch, an dem Daniel mit der Sheppard Familie saß.
~~~///~~~
Das gemeinsame Frühstück war schon lange beendet und man schlenderte nun gemeinsam durch die Gänge der Stadt. Während Rodney und John das Elternpaar flankierten, ging Daniel neben Dave her, der sich eher ruhig im Hintergrund hielt. Die Eindrücke, die in den letzten Tagen regelrecht auf ihn einschlugen, ließen ihn immer noch ehrfürchtig die Stadt, ihre Technologie und auch deren Bewohner beobachten.
Doch er wirkte auch sonst nachdenklich und in sich gekehrt, ständig schweifte sein Blick zu seinem Vater und seinem Bruder und ließen immer wieder die gleichen Fragen in seinem Kopf aufkommen.
-Hatten sie schon miteinander gesprochen? Haben sie sich ausgesprochen? Oder haben sie sich eher wieder gestritten? Wollte Dad sich denn überhaupt mit John versöhnen? Erinnert Dad sich überhaupt an das, worüber er mit mir gesprochen hat, kurz bevor … Was ist mit Mom? Was hält sie von alldem hier? …-
Dave riss sich aus seinen Gedanken und folgte weiterhin den Ausführungen des leitenden Wissenschaftlers, den John dazu genommen hatte.
Seine Eltern schienen sich sehr für die Stadt, die Technologie und die Arbeit in einer anderen Galaxie zu interessieren, hörten aufmerksam zu und stellten immer wieder Fragen, bis sie plötzlich an einem der vielen Balkone vorbei kamen auf dem Carol eine Person auf dem Boden sitzen sah.
„John, ist das nicht die junge Frau von gestern? Diese Alexa?“
„Ja, ist sie.“
„Wieso sitzt sie da so alleine? Ich dachte sie ist schwer verletzt und müsste in ärztlicher Behandlung sein. Vielleicht geht es ihr nicht gut.“
„Ich sehe mal nach. Wartet so lange hier, ich bin gleich wieder da“, erwiderte John und betrat den Balkon.
Die Beine über dem Abgrund baumelnd, den Oberkörper an das Geländer gelehnt und abwesend auf das Meer und den Horizont blickend, saß Alexa dort schon beinahe eine Stunde.
Ständig kreisten ihre Gedanken um ihren Vater und die Auseinandersetzung, die sie vor nicht ganz einer Stunde im Konferenzraum hatten. Sie wusste, dass ihr Vater nicht mit ihren Handlungen einverstanden sein würde und diesbezüglich mit ihr sprechen wollte. Sie hatte Fehler gemacht, schwere Fehler und nun hatte sie die Konsequenzen zu tragen. Aber noch niemals hatte sie ihren Vater so aufgebracht erlebt. Noch niemals hatte er sie derart beschuldigt und angeschrien. Es war nicht so, dass sie sich nun vor ihm fürchtete, aber sein ganzes Verhalten schien ihm nicht mehr zu entsprechen.
Sogar ihre Mutter schien erschrocken von seinem Ausbruch und seiner Härte zu sein und verstand wohl im ersten Moment nicht so richtig, was gerade vor sich ging.
Anfangs hatte Alexa noch den Verdacht, dass während der langen Stase in der Kapsel womöglich auch etwas mit ihm geschehen sein konnte. Etwas, das ihn so verändert haben könnte. Vielleicht auch während der vielen Monate, die er in dieser Galaxie umherreiste und durch suchte. Etwas, das sein Verhalten veränderte, sein Denken und sein Empfinden. Wer wusste schon was in dieser Galaxie so rum kreuchte und fleuchte und nach all den Berichten, die sie von der Atlantis-Expedition gelesen hatte, war auch ihr bewusst geworden, das beinahe nichts unmöglich war. Möglicherweise sollte sie sich einfach mal mit ihrer Mutter darüber unterhalten. Sie könnte ihn genauer untersuchen und sich mit ihm unterhalten. Vielleicht würde sie sogar etwas finden und ihm dann helfen können.
Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto stärker wurde gleichzeitig das Gefühl, dass ihr Vater wirklich arg enttäuscht von ihr war. Niemals würde sie seinen Blick vergessen. Ein Blick, der geradezu von Enttäuschung, Verärgerung und Verletzung sprühte.
Wie schnell sich doch einiges ändern konnte. Gestern noch sah sie in die grünen gütigen Augen ihres Vaters, als sie in Kolyas Zelle in seinen Armen aufwachte. Auch später als sie wieder zu Hause waren, spürte sie die Freude und die Erleichterung über das Wiedersehen. Sie hatte die Zuneigung und die Sorge und auch die Liebe gespürt. Aber jetzt …
Sie hatte doch diese neue Fähigkeit, die Emotionen anderer zu spüren, doch heute Morgen hatte sie einfach nicht daran gedacht, sie einzusetzen. Alexa fragte sich gleichzeitig, ob sie denn überhaupt so genau wissen wollen würde, wie ihr Vater wirklich über ihr Handeln empfand. Eigentlich wäre es schon beinahe überflüssig, so laut und aufgeregt, wie er war.
Immer tiefer ließ sie sich in dieses Gefühlschaos gleiten. Auch die Worte ihres Bruders schienen sie nicht trösten zu wollen.
-„… er wird sich schon wieder beruhigen. Das wird schon wieder …“-
Je mehr und je öfter sie sich an die vergangene Stunde erinnerte und immer wieder das Bild ihres wütenden Vaters vor ihrem inneren Auge sah, desto mehr glaubte sie, dass sich all dies nicht so schnell einrenken würde. Ihr Vater wird sich wohl nicht so schnell beruhigen. Im Gegenteil. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Vater bereits weitere Schritte plante. Schritte, wie beispielsweise das einberufen des erwähnten Militärtribunals. Das würde unter Garantie stattfinden.
Wie lautete die Anklage?
Hochverrat.
Und wie lautete ihre Verteidigung?
-„Ich dachte ihr seid tot … ich hatte keine Wahl! Sie wollten mich und Mutter zur Erde bringen und Forschungen mit uns und über uns betreiben! Ich war alleine und hätte sie schlecht aus der Stadt vertreiben können! Sie sind unsere Nachfahren! Sie haben mich darum gebeten! …“-
Es wäre keine besonders sachliche Argumentation.
–„Da ich anfangs annehmen musste, dass weder du, Mutter noch Dorian überlebt haben, bin ich den Weg gegangen, den ich für richtig hielt und der Atlantis den wenigsten Schaden zufügt. Als ich Mutter dann gefunden hatte und mich auf die Suche nach euch begeben wollte, habe ich Zugeständnisse gemacht und ihnen Zugriff auf unsere Technologie gewährt, doch nur, weil ich damit aushandeln konnte, mit Mutter auf Atlantis zu bleiben, um die Stadt und unser Erbe zu schützen und um weiterhin nach euch suchen zu können. Das hätten wir nicht bei der Rückkehr zur Erde gekonnt …“-
Das wäre wohl angemessener vor Gericht, doch würde es helfen? Würde er es verstehen?
Vielleicht sollte sie es ihrem Vater einfach machen und ihm die Peinlichkeit einer Anhörung seiner eigenen Tochter ersparen. Ihr Abzeichen hatte sie bereits abgegeben. Alles, was ihr noch blieb, war ihr Rang, mit dem sie ohnehin im Moment nichts anfangen konnte. Immerhin war sie suspendiert. Und ihre Uniform … was bedeutete schon Kleidung? Aber was wäre mit der Offiziersehre? Nun, wenn man genauer darüber nachdachte, war auch sie nicht mehr so angesehen. Ist man erst einmal suspendiert worden, bröckelte auch das Ansehen. Egal ob gerechtfertigt oder nicht. Wie hieß es bei den Menschen? Ist der Ruf erst ruiniert … Und überhaupt! Was hatte sie denn noch von ihrem Rang und ihrem Offizierspatent? Ihr Volk, ihre Kollegen, ihre Freunde und Bekannte existierten schon lange nicht mehr und hier auf Atlantis hatte ein lantianischer Offizier keinerlei Befehlsgewalt über das Militär der Erde. Es würde nicht gelten, man könnte die Ränge, die Soldaten nicht in das Erdenmilitär integrieren. Und selbst wenn … dafür war es nun wohl zu spät, oder?
Also, es gab niemanden mehr, der noch mit Anerkennung, Respekt und Ehrerbietung über das lantianische Militär sprechen würde. Niemand dem man noch mit Stolz und Würde durch das Tragen des Abzeichens einer Spezialeinheit entgegentreten konnte. All die Jahre der harten Ausbildung und des noch härteren Trainings um das Erreichen eines Postens in dieser Eliteeinheit … es war nun umsonst.
Die lantianische Militärstreitmacht … sie existierte nur noch in der Vergangenheit. Sie war Geschichte. Eine rühmliche Geschichte. Eine Erwähnung in der historischen Datenbank. Doch wenn es erst zu einer Anhörung vor einem Militärtribunal kommen würde, wären das Ansehen und die Ehre dieses Militärs dahin. Alle Kämpfe, Kriege, Schlachten, Siege, all die Strategien, die genannten und ernannten Helden, Kommandeure und Befehlshaber, die Soldaten und Krieger der Spezialeinheiten, die Werte, das Motto und die Doktrin … alles wäre durch diesen Verrat vernichtet. Es würde nur Schande bringen.
-Das alles nur, weil ich Atlantis dienen und es schützen, und gleichzeitig auch meine Familie finden und schützen wollte. Das haben die vielen Soldaten, gefallen oder im Ruhestand und auch ihre Nachfahren nicht verdient. Vater plant bereits eine Anhörung und wird mich danach ohnehin aus dem Militär entlassen wollen. Ich denke, ich mache es ihm einfach und erspare ihm die größte Peinlichkeit. Gleich, nachdem er wieder von der Operation wach geworden ist, gehe ich zu ihm … und gebe meinen Austritt bekannt. Wahrscheinlich erwartet er es ohnehin von mir. Brauche ich denn unbedingt meinen Rang und die Zugehörigkeit zum Militär, um Atlantis weiterhin zu dienen und zu schützen? Einem Militär, das es doch ohnehin nicht mehr gibt? Ich kann die Stadt auch ohne Rang und Abzeichen schützen und das Andenken somit wahren. Auch die Interessen und das Vermächtnis unseres Volkes können so weiterhin existieren. Mister Woolsey würde mir da bestimmt helfen können. Hatte er denn nicht einmal etwas von diplomatischer Immunität gesagt? Sie würde mir allerdings erst nützen können, wenn ich aus dem Militär ausgetreten bin, also … und Pa? Auch das wird ihm nicht gefallen. Aber schlimmer kann es ja wohl kaum werden…-
„Alexa?“, ertönte Johns Stimme hinter ihr, doch sie reagierte zunächst nicht.
Erst als John sich neben sie hockte und sie erneut ansprach, schreckte sie aus ihren Gedanken auf.
„Alexa …“
„Was? … Colonel!“
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“
„Ja … ja natürlich. Ich war nur in Gedanken.“
John nickte skeptisch als ihm klar wurde, dass sie sich offenbar mit ernsten Gedanken beschäftigt haben musste.
„Also … Ihr Gespräch mit Ihrem Vater ist wohl beendet“, meinte John und hoffte einige Neuigkeiten erhaschen zu können.
Alexa zögerte kurz und bemühte sich dann doch eine neutral klingende Antwort herauszubringen. Er musste nicht wissen, was vorgefallen war und mit welchen Problemen und Gedanken sie sich nun beschäftigte.
„Ja.“
Doch John glaubte zu ahnen, dass etwas nicht stimmte. Das lag zum einen an ihrer resigniert erscheinenden Haltung, aber auch daran, dass sie ihn nicht ansah, als sie mit einem irgendwie traurigen und doch verbitterten Ton antwortete und zum anderen ließ er gerade seinen Blick über sie schweifen, als ihm auffiel, das irgendetwas an ihrer Uniform zu fehlen schien.
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit, als er zu wissen glaubte, was genau passiert sein könnte. Er wusste um Alexas Sorge, Verrat begangen zu haben und er hatte auch den Blick gesehen, den ihr Vater ihr zugeworfen hatte, als sie ihm genauer über die letzten Monate berichtete.
Er wusste auch um Alexas Abzeichen, dass die Zugehörigkeit zum lantianischen Militär, gleichzeitig aber auch die Zugehörigkeit des Spezialkommandos repräsentierte.
Er konnte sich vorstellen, dass ihr Vater dieses Abzeichen eingezogen haben könnte, was gleichzeitig bedeuten würde, dass sie von ihrem Dienst entbunden worden sei.
So etwas kannte er. Er hatte es vor Jahren selbst erleben müssen. Auch ihm wurden die Ranginsignien des Lieutenant Colonels abgenommen und er wurde wieder in den Rang eines Majors degradiert, nachdem er einen direkten Befehl missachtet hatte und sich dadurch einer Anhörung vor einem Militärausschuss stellen musste. Er wusste, wie sie sich gerade fühlen musste. Auch er ist damals regelrecht durch die Hölle gegangen. Auch wenn er selbst davon überzeugt gewesen war, das Richtige getan zu haben, seinen Prinzipien und der Menschlichkeit treu geblieben zu sein, um seine Kameraden zu retten, hatte sich sein Ruf innerhalb des Militärs, sowohl bei seinen Vorgesetzten als auch bei einigen seinen Kollegen schlagartig verändert. Zunächst war er der junge Bluthund gewesen, ein Teufelskerl, ein Draufgänger, aber dennoch ein verdammt guter Pilot, mit Anstand und Moral, hilfsbereit und für viele ein guter Freund. Auch wenn er sich immer wieder eher harmlose Scherze und Streiche geleistet hatte, die sowohl seine Kollegen, als auch seine Vorgesetzten trafen. Doch nach diesem Vorfall hielten viele ihn für das glatte Gegenteil. Jemand der sich gerne gegen gegebene Befehle hinwegsetzte und seinen Vorgesetzten und wenigen Kollegen ein Dorn im Auge war. Von da an gab es Getuschel und schiefe Blicke. Auch wenn er sich noch so sicher war, das Richtige getan zu haben und auch wenn sich die meisten seiner Freunde und Kollegen zu ihm bekannten und ihm den Rücken stärkten und ihn sogar teilweise als Held betitelten, setzte ihm die Anhörung, die Degradierung, das entziehen seiner Flugerlaubnis und die Abkommandierung nach McMurdo ziemlich zu. Doch er hatte sich nichts anmerken lassen und hatte sich stattdessen gefreut, wenigstens noch in der Antarktis ein Steuerknüppel eines Helikopters in die Finger bekommen zu können und nicht gänzlich aus der Air Force geflogen zu sein. Dass er kurze Zeit später seinem Schicksal in Gestalt von General O`Neill begegnete, war für ihm mittlerweile wohl mehr als nur Glück.
Er sah, dass Alexa auch alles versuchte, um sich nichts anmerken zu lassen, doch aus irgendeinem Grund scheiterte sie kläglich. Vermutlich hatte sie noch niemals vor solchen Problemen und Konflikten gestanden und wusste nicht so recht damit umzugehen.
Ihm wurde klar, dass er ihr irgendwie helfen musste, auch wenn er noch gar nicht sicher war, wie und ob sein Verdacht denn überhaupt zutraf.
John atmete durch, bevor er fragte. „Er hat es eingezogen. Ihr Abzeichen, er hat es Ihnen abgenommen, stimmt´s?“
Ertappt blickte sie nur kurz zu ihm und sah gleich wieder auf das Meer hinaus, antwortete jedoch nicht sofort.
„Alexa?“
„Ich bin bis auf Weiteres von Dienst suspendiert.“
-Also doch!-
Wieder atmete John tief durch, presste die Lippen aufeinander und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. „Das ist doch verrückt. Ich werde mit ihm reden“ gab John entschlossen zurück und machte sich schon daran, den Balkon zu verlassen.
Doch Alexa reagierte schneller und konnte ihn gerade noch am Handgelenk halten. „Nein!“
„Alexa, Sie haben keinen Verrat begangen, das wissen Sie, das weiß ich und er weiß es doch auch. Es muss ihm nur jemand klar machen.“
„Nein, John … bitte nicht.“
John wollte sich wieder vorsichtig ihrem Griff entziehen, als ihm ihr geradezu flehender Blick auffiel. Auch dass sie ihn beim Vornamen nannte, ließ ihn sich schnell umentscheiden.
Wieder beugte er sich zunächst zu ihr hinunter und sah sie besorgt an. Dann setzte er sich neben sie und ließ ebenfalls die Beine über den Rand baumeln. „Und wie soll es jetzt weitergehen?“
Alexa blickte wieder zum Horizont und schluckte.
„Pa will mich … er will eine Anhörung vor dem Militärtribunal.“
„Tribunal? Wie soll denn das gehen?“, fragte John wohlwissend, dass der General neben seiner Tochter der einzig verbliebende Militär der Lantianer war.
„Er ist der ranghöchste Offizier. Es ist vielleicht ungewöhnlich, wenn ein einziger Ankläger, Geschworener und Richter zugleich ist, aber in Anbetracht der Umstände durchaus legal.“
„Und ziemlich unfair … es gibt bestimmt einen Weg. Lassen Sie mich mit ihm …“
„John bitte …machen sie es nicht noch schlimmer als es ohnehin schon ist. Es gibt einen Weg … aber das ist meine Sache.“
Lange sah John sie an und überlegte, was sie wohl vorhatte, bis es ihm langsam bewusst wurde. „Sie wollen den Dienst quittieren“, schlussfolgerte er.
„Ich denke, das ist das Beste. Auf diese Weise erspare ich ihm die Schande eines …“
„Blödsinn! Eine Anhörung ist doch nie im Leben gerechtfertigt. Und Ihr Rücktritt ist ebenso wenig hilfreich.“
„Und was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Abwarten und Tee trinken, mich dann mit einer jämmerlichen Erklärung verteidigen?“
„Vor allem sollten Sie nicht unüberlegt handeln. Ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Ich denke eher, dass Woolsey recht hat. Ihr Vater ist mit der momentanen Situation und den ganzen Geschehnissen von damals etwas überfordert und … dreht ein wenig am Rad.“
Unschlüssig und beinahe überfordert schüttelte sie den Kopf, konnte jedoch nichts darauf erwidern. Auch ihr ist der Gedanke gekommen, dass etwas mit ihrem Vater möglicherweise nicht stimmte. Doch sie dachte da eher an so etwas wie Fremdeinfluss oder ähnliches. Dass ihn die Vergangenheit und die aktuelle Situation schlichtweg überfordern könnten, darauf wäre sie nie gekommen. Sie hatte in der Vergangenheit kein einziges Mal erlebt, dass ihr Vater gestresst oder überfordert gewirkt hätte, oder dass er mit irgendeiner Situation oder einem Problem nicht zurecht gekommen wäre. Daher klang Colonel Sheppard´s Argument schon irgendwie verständlich. Auch wenn es sie nicht völlig überzeugte. Sie wusste einfach nicht, ob er nun überreagierte und sich bald wieder fangen würde, oder ob etwas mit ihm geschehen sein könnte. Und was, wenn es nichts von beidem war und es doch zu einer Anhörung kommen würde?
„Was, wenn nicht? Was, wenn er sich nicht beruhigt und es doch zum Tribunal kommt?“
„Dann sind wir auch noch da. Woolsey ist Anwalt. Ein verdammt Guter sogar. Wenn ich mit rede, würde er sofort Ihre Verteidigung übernehmen. Der boxt Sie dann raus.“
„Mich rausboxen? Colonel, ich habe Ihnen Technologie und Informationen gegeben und Ihnen auch Zugang zu solcher verschafft. Dazu war ich nicht befugt. Das ist Hochverrat und wird streng bestraft. Ob Sie es glauben oder nicht, für so etwas kann man auch bei uns unter Umständen zum Tode verurteilt werden.“
„Jetzt machen Sie mal langsam. Ihr Vater würde niemals so weit gehen“, sagte John und versuchte ihr erneut den Wind aus den Segeln zu nehmen.
„Wie weit glauben Sie, würde er denn gehen? Eine kleine Haftstrafe, Degradierung und danach weiter machen, wie bisher? … Bei meinem Vergehen? …“ sagte Alexa und schüttelte zweifelnd den Kopf. „Ich schätze ich sollte noch froh darüber sein, dass mein Richter gleichzeitig auch mein Vater ist. Mit etwas Glück wird die Haftstrafe nicht ganz so lange sein … nachdem ich unehrenhaft entlassen wurde … Genau das wollte ich ihm und mir ersparen.“
„Sie werden nicht austreten, verstanden? Alexa … warten Sie doch einfach mal ab. Der fängt sich wieder ein. Er braucht nur ein bisschen Zeit um sich mit der neuen Situation anzufreunden. Überlegen Sie doch mal, was sich für ihn und für Sie alles verändert hat. Auch wenn er ziemlich stark zu sein scheint, lässt ihn das alles nicht kalt. Zugegeben, es ist schon ein bisschen unfair, dass er Sie so angeht, aber … ich denke, dass er mit so was noch nie zu tun hatte. Er ist eben … ich habe ihn gestern gesehen … glauben Sie mir, im Grunde will er das gar nicht. Er will Sie gar nicht vor Gericht stellen und bestrafen. Er weiß nur im Moment nicht, wo vorne und hinten ist. Es ist `ne Kurzschlussreaktion. Es braucht ein bisschen Zeit, vielleicht die eine oder andere Information und ein paar Gespräche und er ist wieder der alte.“
„Colonel bitte … Sie kennen ihn nicht. Er wird Ihnen nicht zuhören wollen und so wie er im Moment drauf ist, kann es gut sein, dass er Sie alle aus der Stadt wirft.“
„Okay, hören Sie … wie wäre es mit einem Kompromiss? Sie versprechen mir, nicht gleich das Handtuch zu werfen und zu kündigen und verspreche Ihnen, nicht mit Ihrem Vater zu sprechen. Wir warten einfach eine Zeit lang ab“, schlug John vor, als er merkte, dass Alexa zwar über seine Einschätzung grübelte, aber noch immer nicht so recht überzeugt war. Vielleicht konnte er sie auf diese Weise zumindest vor einer Dummheit bewahren.
Denn irgendwie war er nun selbst von Woolseys Theorie eines sturen und verbohrten Generals, der sich nur schwer mit Veränderungen abfinden könnte, überzeugt. Was er aber auch teilweise verstehen konnte. John ertappte sich immer wieder dabei, wie er daran zurückdachte, als er selbst plötzlich über vierzigtausend Jahre in der Zukunft landete. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Sogar McKays Hologramm hatte er in einem Moment der Überraschung, der Empörung und vielleicht auch der Hilflosigkeit angeschrien. Doch kaum tat sich die Möglichkeit auf, es wieder rückgängig zu machen, ihn zurückzuschicken, setzte er alles daran und lief sogar durch einen tobenden Sandsturm.
Aber hier war nichts rückgängig zu machen, man konnte ihn und seine Familie nicht zurückschicken.
Aber vielleicht konnte man dem General klar machen, dass sich zwar vieles verändert hatte, aber doch nicht unbedingt nur zum Schlechten.
Schön, er würde Alexa versprechen, nicht mit ihrem Vater zu sprechen, aber so ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl täte ihm bestimmt ganz gut und es gab da ja immerhin noch Elisha und Dorian. Sie würden bestimmt auch nicht zulassen, dass ein Mitglied ihrer Familie vor das Militärgericht kommt … durch eine ohnehin schlappe Anklage. Und vor allem würden sie nicht zulassen, dass die ganze Familie daran auseinander zu brechen drohte. Und sollten trotz allem alle Stricke reißen, gab es auch noch Woolsey.
Es würde ohnehin Gespräche geben. So oder so. Vielleicht nicht so offensichtlich, dass Alexa es merkte, aber John war sich sicher, dass es weder zu einer Verhandlung, noch zu einem Austritt seitens Alexas kommen würde.
„Also, was sagen Sie dazu? Sagen wir eine Woche, in der Sie nicht aus dem Militär ausscheiden und ich nicht mit Ihrem Vater sprechen werde. Ich bin sicher, dass er sich in der Zwischenzeit wieder einkriegt“ schlug John vor und musterte aufmerksam ihr Gesicht, in dem er beobachten konnte, wie sie mit sich haderte.
„Kommen Sie … vertrauen Sie mir, das renkt sich wieder ein“, versuchte er sie zu überzeugen und stellte dann zufrieden fest, dass er sie schon fast überzeugt hatte.
„Eine Woche? … Und Sie glauben wirklich, dass es nicht zu einem …“
„Ganz sicher nicht.“
„Und Sie werden ganz bestimmt nicht mit ihm darüber sprechen?“
–Darüber vielleicht nicht. Aber Elisha, Dorian und Woolsey sind ja außerdem auch noch da. Die haben nicht versprochen, nicht mit ihm darüber zu reden und ihm den Kopf gerade zu rücken. Wollen doch mal sehen, ob wir es nicht doch hinbekommen, das er wieder in der Spur läuft. Abgesehen davon könnte es auch nicht schaden, die Datenbank nach den lantianischen Militärgesetzen zu durchforsten. Vielleicht ist ja was zu finden-
„Versprochen ist versprochen“, antwortete John.
Zögerlich und ein wenig hoffnungsvoll willigte sie ein.
„Na schön. Eine Woche … Sie reden nicht mit ihm und ich … werde nicht zurücktreten.“
„Gut, abgemacht. Wir warten ab. Und jetzt hören Sie auf zu grübeln, das macht nur Falten. Wie wäre es stattdessen, wenn Sie uns begleiten?…“
Alexa erinnerte sich an den gestrigen Tag und an die Besucher, die sie kurz im Kontrollraum gesehen hatte. Auch ihre Mutter hatte ihr gestern Abend im Quartier von den Geschehnissen während ihrer Abwesenheit oder besser gesagt, während ihrer Gefangenschaft bei Kolya erzählt, was sich alles ereignet hatte und dass sie bereits Colonel Sheppards Familie kennengelernt hatte.
Doch sie selbst war gestern nicht mehr in der Lage, die Familie zu begrüßen und hatte bisher auch nicht die Zeit und die Gelegenheit gehabt, sie endlich kennenzulernen und sich mit Daniel Jackson zu unterhalten. Aber das könnte sie nun nachholen.
„Ich will ihnen die Stadt zeigen und ein bisschen was erzählen. Nur nicht all zu …“
„Brisantes?“, fragte Alexa ratend.
„Es wäre vielleicht besser, wenn sie erstens nicht alles auf einmal erfahren und zweitens … sollte sowieso einiges unter uns bleiben“, erklärte John und hoffte, dass Alexa verstehen würde, wovon er sprach. Und kurze Zeit später stellte er erleichtert fest, dass sie ihn verstand.
„Ich darf ohnehin keine geheime Informationen oder Technologien mehr preisgeben, wenn ich nicht in meinem Quartier unter Arrest stehen will, also …“ gab sie leicht lächelnd achselzuckend zurück, was John bestätigte, sie doch ein wenig aufgemuntert und ihr Hoffnung gemacht zu haben.
„Na dann …“, sagte John und machte sich mit Alexa auf den Weg nach drinnen, „gehen wir, bevor Jackson noch einen Nervenzusammenbruch bekommt, weil er es vor Neugier und Aufregung nicht mehr aushält und McKay meinen Leuten erklärt, wie sie am besten die Stadt sprengen können.“
Die Sheppards hatten bisher die Zeit still im Gang verbracht, lauschten neugierig und staunend den Ausführungen und Erklärungen von McKay und auch gelegentlich von Jackson. Doch Carols Blick schweifte immer wieder auf den Balkon zu ihrem Sohn. Ihr war die junge Frau als erstes dort aufgefallen und sie erinnerte sich an die schrecklichen Bilder des gestrigen Tages. Auch der furchtbare Zustand, in dem sie sich befand, als man sie gestern befreit und zurück gebracht hatte, konnte sie nicht vergessen. Es wunderte sie daher, sie nun dort sitzen zu sehen. Doch es war etwas anderes, dass sie gerade mehr beschäftigte. John unterhielt sich offensichtlich über etwas sehr ernstes mit ihr. Sie konnte nur einige Wortfetzen verstehen, aber es reichte nicht aus, um mit Sicherheit zu wissen, worum es ging.
Doch sie konnte anhand ihrer beiden Mienen und Gesten erkennen, dass beide sehr besorgt um etwas waren. John schien immer wieder auf sie einzureden, sie beruhigen zu wollen, sie vielleicht auch von etwas zu überzeugen.
Ob sie vielleicht über die gestrigen Ereignisse sprachen? Ihre Gefangenschaft, ihre Befreiung oder gar über ihre Folter und ihren Peiniger? Carol wusste, dass solche Erlebnisse einem Menschen stark zusetzen konnten. Sie hatte in ihrer Laufbahn als psychologische Psychotherapeutin schon einige ehemalige Soldaten und Kriegsgefangene, aber auch andere Patienten, denen ähnliches durch pure Bösartigkeit eines anderen widerfahren waren, behandelt. Sie kannte alle Facetten der Schmerzen, der Angst, des Leidens, der Tortur, der Hoffnungslosigkeit und des Hoffens der Opfer. Sie kannte aber auch die Abgründe, die sich in den Tätern aufmachten. Sei es pures Vergnügen und Befriedigung, die einige empfanden, wenn ihre Opfer vor Schmerz und Todesangst schrien und weinten, oder das Verlangen nach Vergeltung oder Rache, manche hielten ihre Taten auch für Wiedergutmachung, andere verteidigten ihr Handeln durch Experimente, religiöse Opferungen. Wiederum andere empfanden sexuelle Befriedigung, wenn dabei Blut floss und sich jemand vor Schmerz und Qualen schreiend windete. Und manchmal waren es einfach nur Informationen, die gefordert wurden.
Sie kannte beiden Seiten. Und dennoch hatte sie gelernt und mehr als einmal unbarmherzig erfahren müssen, dass auch ein Täter gleichzeitig ein Opfer war.
Doch gestern hatten ihr immer wieder Zweifel an diesen Erfahrungen kommen wollen, als sie sah, wie dieser Mann, dieser Kolya vorging und sprach. Vor allem Johns Reaktionen, seine Blicke, seine Worte und sein Handeln hatten ihr zugesetzt. Am schlimmsten war allerdings Kolyas Aussage, er hätte selbst einmal diese `Gastfreundschaft´ genossen.
Carol erinnerte sich gut an den Schreck, den sie in diesem Moment empfand, den Stich, den sie in ihrem Inneren spürte, die Angst und die Panik, die sie überkam. Besonders als sie zusah, wie John geradewegs in dieses Gebäude stürmte und wusste, dass er wieder auf ihn treffen würde.
Immer wieder hatte sie sich gefragt, ob er es dort wieder herausschaffte oder ob auch er gefangen genommen würde. Schon wieder. Würde dieser Kerl dann das Gleiche mit ihm machen, wie mit ihr? Vielleicht erneut? Oder Schlimmeres? Hatte er nicht davon gesprochen, ihn langsam töten zu wollen?
Ihr kamen Worte in den Sinn, die sie zuletzt in einer Sitzung mit einem ihrer Patienten hörte. Vor über zwanzig Jahren und dennoch erinnerte sie sich so gut daran, als sei es erst gestern gewesen. Er war ein ehemaliger Soldat, der in Korea in Gefangenschaft geraten war und dort gefoltert wurde. Seine Tortur war zwar nur von kurzer Dauer, aber sie reichte aus, um aus ihm beinahe ein Wrack werden zu lassen. Er hatte selbst Jahre danach noch darunter zu leiden. Dabei waren es aber weniger körperliche Beschwerden, wie Narben, Verstümmelungen oder anderes. Es war der psychische Schaden, der dadurch entstanden war.
Es hatte eine Weile gedauert, bis er sich ihr geöffnet hatte, aber dann sprudelten die Worte aus ihm heraus und Carol bekam abermals eine detaillierte Beschreibung einer grauenhaften Folter zu hören. In diesem Moment konnte sie auch nicht verhindern, dass sich die Worte in ihrem Kopf zu Bildern, zu einem Film verwandelten.
Und genau dieser Film spielte sich gestern ab, als sie erfuhr, dass auch ihr Sohn ein Gefangener dieses Kolyas gewesen war. Das Gesicht ihres Patienten wurde mit dem Gesicht ihres Sohnes ersetzt.
Es war eine Sache, Opfer zu therapieren, die so etwas durchmachen mussten und gelegentlich hatte sie es auch mit einem Täter zu tun. Carol hatte sich in ihrer langen und komplexen Ausbildung und auch in ihrer gesamten Laufbahn bereits ein dickes Fell zu gelegt und auch genügenden und respektvollen Abstand eingehalten, um nichts davon so nah an sich ran zu lassen, dass es ihr selbst womöglich schaden könnte. Aber es war etwas völlig anderes, wenn das Opfer plötzlich aus den eigenen Reihen, aus der eigenen Familie käme.
Sie war so dankbar, dass ihr Mann und ihr Sohn Dave in diesem Augenblick bei ihr waren und sie hielten. Mit Mühe konnte sie die Bilder aus ihrem Kopf vertreiben, die allerdings kurz darauf durch neue reale ersetzt wurden.
Aber auch die Familie dieser Frau hatte Qualen durch litten, als sie zunächst hilflos zusehen mussten. Bis ihr Vater zur Befreiung eilen konnte, konnten sie sich nur gegenseitig beistehen und halten.
Doch wer hielt diese Frau?
War es das, worüber John gerade mit ihr sprach? Tauschten sie vielleicht gerade Erfahrungen aus?
Jedoch waren es immer wieder diese einzelnen Wortfetzen, die Carol mitbekam und sie letztendlich zweifeln ließ.
Vater, Gericht, Verrat.
Das hatte wohl kaum was mit den gestrigen Ereignissen zu tun.
Sie überlegte sich schon, Doktor Jackson oder Doktor McKay zu fragen, doch andererseits, schien das Gespräch zwischen John und ihr sehr vertraulich zu sein und sie wollte nur ungern eine Vertrauensbasis zerstören, für die ihr Sohn wohl hart gearbeitet haben musste. Immerhin war er ein Kommandant und hatte dutzende Leute unter seinem Kommando. Da musste Vertrauen herrschen. Und das hatte sie auch gestern sehen können. Seine Soldaten und auch sein Team vertrauten ihm und seiner Führung und folgten ihm beinahe blind.
Gerade als sie sich doch dazu durchrang, McKay und Jackson näher über die Frau zu befragen, sah sie, wie John und die junge Frau auf sie zu kamen.
Abgesehen von der Neugier über ihr Befinden und welche Beziehung sie denn nun genau zu ihrem Sohn hätte, interessierte es Carol sehr, überhaupt mehr über diese Antiker erfahren.
Wann hatte man den einmal die Gelegenheit, mit Außerirdischen zu sprechen?
Sie wollte mehr über das Volk erfahren. Über ihre Kultur, ihre Entwicklung, ihr Leben und ihre Arbeit. Wie waren ihre Ansichten und Einstellungen zum Leben, zur Arbeit, zu Freunden und Familie und zu vielem anderen?
Auch wenn Doktor Jackson ihr erklärt hatte, dass es eigentlich kaum bis gar keine Unterscheide zwischen den Antikern und den Menschen gab, konnte Carol es kaum abwarten, diese Leute selbst näher kennen zu lernen und sich mit ihnen zu unterhalten, um sich ein eigenes Bild zu machen. Nicht weil sie ihm nicht vertrauen würde, aber sie hatte doch schon des öfteren feststellen müssen, dass auch sie, aus den unterschiedlichsten Gründen belogen wurde. Die Wahrheit wurde mal mit unnötigem Schnick-Schnack verziert, ihr wurde etwas hinzugefügt oder auch mal abgenommen, manchmal sogar völlig verdreht oder auch erfunden.
Sie hatte sich schon immer ihr eigenes Bild zu den Dingen machen wollen.
Und nun schien es endlich so weit zu sein, als die beiden sich ihnen anschlossen.
„Mom, Dad, Dave, Doktor Jackson, das ist Commander Alexa Thalis. Alexa, das sind meine Eltern Carol und Patrick, mein Bruder Dave Sheppard und das hier ist unser guter Doktor Jackson“, stellte John die Anwesenden vor.
Kaum hatte Patrick die junge Frau näher betrachten können, glaubte er, sie schon einmal gesehen zu haben. Doch wo und wann, wusste er nicht so recht. Also wollte er es zunächst als Einbildung abtun, doch er merkte sehr schnell, dass ihm dies nicht so schnell gelingen wollte. Die Gedanken daran ließen ihn nicht los.
Aber nicht nur ihm ging es so. Auch Alexa glaubte, diesen Mann irgendwie zu erkennen, konnte sich jedoch ebenfalls keinen Reim darauf machen.
Dennoch ging keiner von beiden dem ganzen nach, indem man nachfragte oder sich davon erzählte. Stattdessen reichte man sich die Hände, lächelte und Alexa hieß die Familie und auch Daniel in Atlantis Willkommen.
„Doktor Jackson, endlich lernen wir uns persönlich kennen.“
„Ja, es wurde wirklich Zeit“, erwiderte Daniel lächelnd.
„Haben Sie vielleicht eine Minute für mich?“, fragte Alexa und entschuldigte sich kurz bei dem Rest der Gruppe, als dieser bejahte und ihr neugierig einige Schritte folgte.
„Ich wollte mich nur gerne erkundigen, wie es um die Übersetzung der Steine, deren Aufnahmen ich Ihnen gesendet habe, steht.“
„Nun, ich arbeite immer noch daran. Ich muss zugeben, es ist so ziemlich der älteste Dialekt Ihrer Sprache, den ich je gesehen habe.“
„Dann haben Sie noch keine relevanten Informationen daraus erschließen können?“, fragte Alexa.
„Nein, bis auf einzelne Worte, die ich bisher übersetzen konnte, aber die machen bisher wenig Sinn.“
„Welche Wörter?“
„Das einzig wirklich bestimmte Wort, das auf etwas schließen lassen könnte, lautet `Schöpfung´. Der Rest ist relativ nutzlos im bisherigen Kontext. Aber ich werde dran bleiben und jetzt, da Ihre Familie wieder da ist, können sie …“
„Nein! Wir haben doch darüber gesprochen, Doktor Jackson. Niemand sollte davon erfahren. Colonel Sheppard und die anderen hier wissen es zwar, aber meine Familie nicht. Und ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn es so bliebe. Sehen Sie … ich kann mich vage daran erinnern, dass mir mein Vater früher streng verboten hatte, je wieder auf diesen Planeten zu gehen. Ich weiß nicht warum, aber diese Steine müssen irgendetwas damit zu tun haben. Mit dem, was auf ihnen steht. Damals hatte ich selbst versucht, die Schriftzeichen zu übersetzen und kam nicht weiter als Sie bisher, aber ich weiß, dass es Ihnen vielleicht besser gelingen könnte. Nur wenn mein Vater das herausbekommt … sagen wir einfach, dass er nicht besonders gut darauf zu sprechen sein wird. Höchstwahrscheinlich werden wir dann auch keine Möglichkeit mehr haben, herauszufinden, um was es geht. Wenn Sie aber wirklich nicht wollen, dann …“
„Nein, das ist es nicht. Ich dachte nur, dass Ihre Eltern diesen Dialekt vielleicht kennen würden.“
„Möglicherweise. Vielleicht ist es mir daher auch verboten worden. Vielleicht steht da etwas, was ich absolut nicht wissen darf.“
„Etwas gefährliches, etwas ,das großen Schaden anrichten kann?“, fragte Daniel skeptisch.
„Wer weiß. Aber ich glaube nicht, dass das Wissen um die Bedeutung der Schriftzeichen so uralter Steine wirklich so gefährlich sein kann. Wenn es Ihnen allerdings dennoch zu riskant sein sollte …“
„Nein, nein …“ , winkte Daniel ab, „es liegt Ihnen wirklich sehr viel daran, nicht wahr?“
„Ich werde das Gefühl nicht los, dass, was immer es ist, es etwas mit mir, vielleicht auch mit meiner ganzen Familie zu tun haben könnte.“
„Denken Sie dann nicht, dass es gerade in diesem Fall besser wäre, wenn sie es erführen?“
„Vielleicht, aber nicht, bevor ich mir sicher bin, worum es geht. Abgesehen davon, wollte mein Vater ja auch nicht, dass ich erfahre, was da los ist, also …“
Daniel nickte verstehend, auch wenn ihm nicht ganz wohl bei der Sache war.
„Okay … na schön, ich werde nichts sagen.“
Alexa dankte ihm und beide schlossen sich der Gruppe wieder an.
„Seid Ihr so weit?“, fragte John und überlegte bereits, was er seiner Familie als nächstes zeigen könnte.
Bisher hatten Carol, Dave und Patrick ihre Umgebung erstaunt und neugierig betrachtet. Vieles überraschte sie und einiges hatte sie auch geradezu fasziniert.
Darunter zum Beispiel das botanische Labor, das Carol sehr interessierte. Vor allem die vielen außerirdischen Pflanzen, von denen man sich neue Erkenntnisse versprach. Einige der Wissenschaftler sprachen davon, auf der Erde längst ausgestorbene Pflanzenarten wieder blühen und gedeihen lassen zu können. Aus anderen Pflanzen erhoffte man sich, unter anderem Medizin für die verschiedensten Leiden herstellen zu können. Ein Forscher sprach sogar ganz enthusiastisch von der Bekämpfung des Hungers. Doch am meisten faszinierte sie, und auch Daniel, das soziologische Labor, nachdem John und Rodney ihr gestanden hatten, dass sie diesen Raum anfangs für eine Art Spielzimmer gehalten hatten. Als die beiden ihnen aber erklärt hatten, was es in Wahrheit mit dem Labor auf sich hatte, sprachen sie sich ebenfalls gegen eine weitere Benutzung des Labors aus.
Patrick und Dave hingegen waren von den technologischen Details der Stadt, wie einigen Erdungsstationen, besonders aber von der Reaktorkammer, in der man versucht hatte, Energie aus einer anderen Dimension zu ziehen, äußerst beeindruckt. Aber das absolute Highlight bildete das ZPM für sie. Auch wenn die beiden Rodneys Erklärungen über die Energiegewinnung über so ein leuchtendes kristallartiges Ding anfangs nicht ganz nachvollziehen konnten, waren sie regelrecht gefesselt und John hatte danach seine Mühe, sie wieder aus dem Raum zu bewegen und die Führung fort zu setzen.
Der Stuhlraum hatte sie jedoch zunächst beängstigt. Besonders als John den Zugriff auf die Drohnen blockierte und sie bat, sich einmal auf den Stuhl zu setzen. Es hatte ihm eine Menge Arbeit bereitet, sie dazu zu überreden. Aber als er es ihnen erst einmal vorgemacht hatte und ihnen auch genau erklärte, was sie damit tun könnten, wurden sie etwas mutiger. Sogar sein Vater hatte es geschafft, das heimische Sonnensystem durch seine Vorstellung zu projizieren. Ebenso seine Mutter, die gleich darauf die gesamte Milchstraße erscheinen ließ. Nur Dave tat sich etwas schwer damit, sich zu konzentrieren und seinen Geist zu öffnen. Aber es funktionierte schlussendlich, wenn auch nur kurz. Aber als John ihnen jedoch zu erklären versuchte, dass man über diesen Kontrollstuhl auch fast die gesamte Stadt und ihre Systeme kontrollieren und vor allem auch fliegen konnte, wollten sie es nicht glauben. John tat beinahe alles, um sie zu überzeugen, aber gab schlussendlich auf. Jedoch kein einziges Mal erwähnten weder er noch Rodney, dass er sie schon mehrmals geflogen hatte. Irgendwann käme mit Sicherheit die Gelegenheit, in der sie vielleicht eine Aufnahme sehen oder mit jemanden sprechen würden, denen sie vielleicht eher glauben würden.
Er konnte ihren Unglauben sogar verstehen. Anfangs tat John sich auch schwer damit, zu glauben, dass etwas so riesiges wirklich fliegen konnte. Desto mehr überraschte und beeindruckte ihn Atlantis` erster Flug, der nach Millionen von Jahren wieder stattfand.
Der Hologrammraum ließ die Familie ebenfalls erstaunt raunen und wieder konnte John in verblüfft reinschauende Gesichter sehen. Auch dort ließ er sie einiges ausprobieren und fragen. Besonders beherrschen musste er sich jedoch, als Carol doch tatsächlich gefragt hatte, ob die Stadt wirklich fliegen könne und es kurz darauf die Erklärung über die verschiedensten Antriebe gab. Es war allerdings Patrick, der mit seiner Neugier noch etwas weiter ging und fragte, wann und wer die Stadt zum letzten Mal flog.
John würde niemals diesen Blick vergessen, den man ihm daraufhin entgegen brachte, als das Hologramm erklärte, dass es gerade mal ein halbes Jahr her und ein Colonel John Sheppard der `Pilot´ gewesen sei.
Er konnte sehen, dass sie trotz aller vorsichtigen, behutsamen und schlicht gestalteten Erklärungsversuche, schwer mit den Informationen zu hadern hatten. Es würde wohl noch eine ganze Zeit brauchen, bis sich all diese Informationen verdauen und sich verkraften lassen würden.
John kam zu dem Entschluss, ihnen noch die Krankenstation zu zeigen. Danach würde die Jumperbucht den krönenden Abschluss bilden.
Es war Carol, die den Anfang machte und den ersten Schritt unternahm, die Antiker genauer kennenzulernen.
„Commander, dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?“
„Natürlich, nur zu“, antwortete Alexa, wobei John bemerkte, dass es ihr offenbar schon viel besser zu gehen schien, als vor einigen Minuten.
„Doktor Jackson hat uns gestern gesagt, dass Sie vor … vor dreizehntausend Jahren hier gelebt haben sollen. Das kann ich mir ehrlich gesagt, nur schwer vorstellen.“
Nun musste Alexa sogar leicht lächeln, was John ebenfalls auffiel und ihn etwas erleichterte.
„Das ist wahr. Vor etwas mehr als dreizehntausend Jahren haben meine Familie und ich hier gelebt und gearbeitet.“
„Dann sind Sie hier auch geboren?“
„Ja. Geboren und teilweise aufgewachsen.“
„Wieso nur teilweise? Was meinen Sie damit?“
„Als ich zehn wurde, ging ich zur Akademie.“
„Sie … Sie gingen mit zehn Jahren zu einer Akademie? Ist das bei Ihnen eine höhere Schule oder so etwas in der Art?“, wollte diesmal Dave wissen.
„Das auch. Es ist -war- hauptsächlich eine Militärakademie, aber dort wurde auch in den traditionellen und allgemeinbildenden Themen unterrichtet. Davor wurden einige der Kinder hier in Atlantis unterrichtet.“
„Hier? Wie muss ich mir das vorstellen? Ich meine, wie sieht so ein Unterricht aus und wo fand er statt?“
„Nun, fast so wie bei Ihnen auf der Erde. Es gab Lehrer, die den Unterricht überwachten und auf Ruhe und Ordnung und die Anwesenheit achteten und die Schulaufgaben kontrollierten. Der Hologrammraum diente dabei als Schulungsraum.“
„Und auf dieser Akademie sind Sie dann auch zur Soldatin ausgebildet worden?“
„Ja.“
„Und was lernt man da so alles?“, wollte diesmal Patrick wissen.
„Hm … fliegen, schießen, kämpfen und einiges mehr. Wahrscheinlich alles, was ein Soldat auch auf der Erde beim Militär lernt“, gab Alexa lächelnd zurück, als sie glaubte, das Patrick auf diese Art und Weise versuchte, Vergleiche zu ziehen und so mehr über John erfahren wollte. Ihr war nicht entgangen, dass der Vater immer wieder unsicher und fragend zu John geblickt hatte. Offensichtlich gab es auch zwischen den beiden irgendwie Gesprächsbedarf, oder es war die Tatsache eines Aufstiegs und einer Rückkehr, dass wohl alle etwas verunsicherte.
„Darf ich Sie noch etwas fragen? Etwas persönlicheres?“, fragte Carol weiter.
„Sicher.“
„Gestern waren Sie … na ja, Sie waren ziemlich schwer verletzt und heute sieht es so aus, als ob nie etwas gewesen wäre. Müssten Sie denn nicht noch in ärztlicher Behandlung seien? Oder war es außerirdische Technologie, mit der Sie behandelt wurden?“
„Wenn es nach meiner Mutter ginge, würde ich immer noch auf der Krankenstation liegen. Nein, Verletzungen heilen bei uns sehr schnell.“
„Schnell? Innerhalb so kurzer Zeit?!“, zweifelte Dave.
„Es kommt ganz auf die Schwere der Verletzung an …“, begann Alexa zu erklären, als ein Funkspruch die Gruppe erreichte.
„Doktor McKay, bitte melden Sie sich im Hauptlabor.“
„Ach, was ist denn jetzt schon wieder? Radek, was haben Sie denn jetzt schon wieder angestellt?!“, antwortete der Wissenschaftler leicht ungehalten.
„Ich habe gar nichts angestellt, Rodney. Würden Sie bitte einfach herkommen und sich hier etwas ansehen?“
„Ja, ja, ja, ich bin schon unterwegs …“, antwortete Rodney gereizt und verabschiedete sich von der Gruppe, bevor er meckernd davon rauschte. „Von wegen nichts angestellt! Ein Wunder, das man bisher noch keinen Knall gehört hat und eine Meldung über eine Explosion gekommen ist …“
„Ist der immer so?“, fragte Dave stirnrunzelnd und musste genau wie alle anderen schmunzeln.
„Nein, manchmal kann er unausstehlich werden“, antwortete John kopfschüttelnd und bog mit den anderen gerade um die Ecke zur Krankenstation, worauf sich auch gleich die Türen selbiger öffneten.
Gerade als Alexa erneut zur eigentlichen Erklärung ansetzen wollte, gingen die Türen des Operationssaals auf und eine lächelnde und munter in eine Unterhaltung vertiefte Doktor Keller und Elisha Thalis traten heraus.
„Alexa! …“, rief Elisha erfreut aus, als sie ihre Tochter mit Colonel Sheppard, seiner Familie, Doktor Jackson und Doktor McKay näher kommen sah.„Da bist Du ja. Ich dachte schon, ich müsste Dich wieder rufen lassen!“
„Wir haben sie unterwegs aufgegabelt und gleich mitgenommen …“, entgegnete John, worauf auch die beiden Frauen lächeln mussten. „Also das hier die Krankenstation mit unserer Stabsärztin Doktor Jennifer Keller. Misses Thalis kennt ihr ja bereits. Falls ihr irgendwann mal irgendwas habt, seid ihr hier richtig.“
„Doktor Keller, das sind meine Eltern und mein Bruder. Carol, Patrick und Dave Sheppard. Jackson kennen Sie ja schon.“
„Ja Hallo, Ich habe schon von unseren neuen Besuchern gehört. Schön, Sie kennenzulernen.“
Wieder begrüßte man sich und reichte sich die Hände.
„Sagen Sie Doktor, es muss doch aufregend sein, an einem Ort wie diesem zu arbeiten. Besonders mit der ganzen Technik“, bemerkte Carol wieder.
„Ja das ist, aber die richtig gute und interessante Technik und Technologie kommt erst jetzt durch Misses Thalis zum Vorschein. Dank ihr habe ich gerade bei einer Operation mit diesen lantianischen Instrumenten zusehen dürfen. Wenn wir solche Geräte auch auf der Erde hätten … ich kann mir gar nicht vorstellen, welche und wie viele Vorteile, Ärzte und Krankenhäuser und vor alle die Patienten haben könnten. Operationen wären einfacher, schneller und sicherer, die Genesungszeit würde auch drastisch verkürzt werden. Schwierige Eingriffe wären wesentlich einfacher durchzuführen und … alleine die Medikamente. Darüber haben wir ja noch gar nicht gesprochen“, berichtete die junge Ärztin enthusiastisch.
„Ich hoffe, die Operation vorhin war nichts Ernstes“, kam es wieder von Carol. Patrick und Dave hielten sich schon die ganze Zeit eher ruhig im Hintergrund, hörten zu und versuchten die Informationen zu verarbeiten.
Auch John hielt sich zurück, lehnte sich lässig mit verschränkten Armen an eine der Liegen und ließ seine Mutter und auch seinen Vater und Bruder in Ruhe ihre Umgebung beobachten und Fragen stellen.
„Oh nein. Es ist nichts Ernstes. Mein Mann hatte eine Verletzung an der Schulter, die während der langen Stase nicht richtig verheilen konnte. Ich musste nur vernarbtes Gewebe entfernen.“
„Und jetzt heilt es auch so schnell wie bei Ihrer Tochter?“
„Nein, diesmal nicht. Mein Sohn hatte mir gestern einige meiner Geräte repariert und wieder aufgeladen, sodass ich sie heute bei meinem Mann nutzen konnte. Nur leider nicht bei dir, Schatz. Sie waren erst heute Morgen wieder einsatzfähig“, entschuldigte sich Elisha schließlich bei Alexa und drückte ihre Hand.
„Macht nichts, Ma. Es ist ja alles wieder heil. Wieso wolltest du mich überhaupt rufen lassen? Ist was mit Pa? Hat er was gesagt, oder …“, fragte sie beunruhigt und wollte schon auf den Operationssaal losstürmen.
Doch Elisha konnte sie gerade noch am Arm halten und beruhigen.
„Nein, nein. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Ich habe ihn operiert und er schläft. Das wird er auch noch eine ganze Weile tun. Ihm geht’s gut. Mach dir keine Sorgen. Ich wollte dich rufen lassen, damit ich dich nochmal untersuchen kann.“
„Wieso?“
„Wir haben doch gestern darüber gesprochen und abgemacht, dass du dich heute Morgen noch mal hier melden solltest.“
„Aber mir geht es gut“, sagte Alexa und versuchte sich raus zu reden.
„Ob es dir gut geht oder nicht, entscheide ich und jetzt leg` dich bitte hin, damit ich dich scannen kann.“
„Aber Ma, ich …“
„Alexa, du hattest gestern Dutzende Schnittwunden, Prellungen, Verstauchungen, mehrere Knochenbrüche und eine Schussverletzung!“
„Das ist doch alles schon verheilt, den Bruch habe ich mir gerichtet und die Kugel habe ich mir auch rausgeholt.“
„Mit einer Glasscherbe!“
„Ich hatte nichts anderes!“, verteidigte sich Alexa, worauf Elisha entnervt die Augen schloss und einmal tief ein und wieder ausatmete.
„Leg … dich … hin!“, fordert sie ein letztes Mal ruhig, aber mit Nachdruck.
Verdutzt, aber auch irgendwie amüsiert folgten die Sheppards und Daniel der Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter, sahen dabei zuerst zu Doktor Keller dann zu John, die allerdings nur wissend lächeln konnten und kaum merklich mit dem Kopf schüttelten, als Alexa aufstöhnte und ohne weitere Worte der Anordnung ihrer Mutter nachkam.
Gespannt beobachtete die Familie aus einiger Entfernung, wie das Gerät den Körper des Commanders von oben bis unten mit einem dünnen grünen Lichtstrahl abtastete. Währenddessen beantwortete Jennifer geduldig die Fragen zum Scanner und anderen Geräten der Krankenstationen.
Nachdem Elisha sich überzeugte, dass all ihre Verletzungen auch wirklich so gut wie verheilt waren und ihre Tochter nichts dagegen hätte mit den Sheppards genauer darüber zu sprechen, wandte sie sich wieder an den Besuch.
Alexa hingegen stand auf und ging an den Computer neben dem Operationssaal.
Sie tippte einige Befehle ein, woraufhin eine visuelle Verbindung in den Operationssaal hergestellt wurde. Mit gemischten Gefühlen sah sie auf den Bildschirm, in das Gesicht ihres schlafenden Vaters.
Sicher machte sie sich Sorgen um ihn, auch wenn sie wusste, dass es keine schwere Verletzung und auch kein schwieriger Eingriff war. Aber sie spürte auch das Wechselbad ihrer Gefühle. Zunächst waren da Angst und Sorge, als ihr Vater mit seinen Beschuldigungen anfing. Dann die Mutlosigkeit, ihm mehr entgegen zu setzen. Später kam auf dem Balkon in einem einsamen Moment Hilflosigkeit und Verzweiflung hinzu. Aber nun schien sich eine gewisse Gleichgültigkeit breitzumachen. Oder war es vielleicht schon Verbitterung, Wut?
Er sah so friedlich aus, wenn er entspannt war. Ganz besonders wenn er schlief. Aber wie würde es wohl weitergehen, wenn er aufwachen würde? Würde er sich beruhigt haben? Würde es Gespräche geben? Würde es wieder eine Auseinandersetzung geben? War es überhaupt gut, abzuwarten, so wie Colonel Sheppard ihr geraten hatte? Andererseits, wenn man es so betrachtete, konnte sie ohnehin nichts anderes tun. Selbst wenn sie Sheppard nicht versprochen hätte, nichts zu unternehmen, müsste sie warten, bis er wieder wach wäre.
Nur kurz kehrte Stille in ihre Gedanken und sie bekam mit, über was gerade hinter ihr gesprochen wurde.
Über ihre Verletzungen, ihre Heilkräfte, wie lange ein Knochenbruch brauchte zum heilen, sogar über den subkutanen Transmitter, den man ihr gestern entfernt hatte und den jeder unter seiner Haut hatte. Colonel Sheppard ließ ihn gerade von seiner Mutter an seinem Arm ertasten.
Doch recht schnell konzentrierte sie sich wieder auf das Bild ihres Vaters und ließ die Gedanken wieder schweifen.
Carol, Patrick und Dave erkundigten sich weiterhin über die medizinische Einrichtung und ihre Möglichkeiten. Doch es war mehr Doktor Keller, die nun gefordert war, daher ergriff John die günstige Gelegenheit und bat Elisha um ein kurzes Gespräch unter vier Augen.
„Ähm, hören Sie, ich weiß nicht, was genau zwischen Alexa und ihrem Vater vorgefallen ist, aber …“
John überlegte, wie er ihr am besten klar machen konnte, was er eben erfahren hatte und nun versuchte zu verhindern. Doch all seine Überlegungen schienen ihm nicht hilfreich genug zu sein. Also entschied er sich für den direkten Weg. „Sie will den Dienst quittieren.“
„Was? … Nein, das kann nicht sein. So etwas würde sie niemals tun. Das Militär bedeutet ihr viel zu viel, als dass sie es einfach so aufgeben würde“, brachte Elisha zweifelnd hervor.
„Ich habe sie eben auf einem der Balkone getroffen und mit ihr gesprochen. Sie hat mir von der Suspendierung erzählt und glaubt, dass sie durch einen Austritt ihrem Vater … die Schande eines Militärgerichtsverfahrens erspart. Ich glaube es ist ihr ernst.“
„Aber das ist doch …“
Elisha wusste nicht so recht, was sie darauf antworten sollte. Wieder schlug die Bekümmerung zu, als sie zu ihrer Tochter sah.
„Tristan hat etwas überreagiert, ja. Aber er … das ist alles neu für ihn. Er tut sich noch etwas schwer mit der neuen Situation. Er wird nur etwas Zeit brauchen, um die vielen Veränderungen zu akzeptieren.“
„Das habe ich ihr auch versucht zu sagen. Es war gar nicht so einfach, ihr das mit dem Austritt auszureden. Ich habe ihr versprechen müssen, nicht mit ihm zu sprechen, wenn sie mir dafür verspricht, abzuwarten und keine Dummheit zu machen.“
„Aber Sie haben ihr nicht versprochen, dass Sie nicht mit mir reden?“, brachte Elisha lächelnd hervor.
John zuckte nur schelmisch grinsend mit den Schultern.
„Ich habe vor der Operation noch mal mit ihm gesprochen. Er hat mir versprochen, dass er nochmal mit ihr reden will. Ich denke, bevor er das tut, sollte ich ihn mir nochmals vorknöpfen.“
John nickte nur knapp, Elisha bedankte sich und ging zu ihrer Tochter.
„Ich habe dir doch gesagt, dass es ihm gut geht. Er wird noch eine Weile schlafen“, sprach Elisha leise zu Alexa und drückte wieder ihren Arm.
„Hat Pa noch etwas gesagt, bevor du ihn wieder ausgeknockt hast?“
Elisha musste lächeln, wusste sie doch, dass Alexa mehr als einmal Zeuge wurde, wie sie mit ihrem Vater kurzen Prozess gemacht hatte, wenn es um eine ruhige medizinische Behandlung ging. Aber auch Alexa selbst hatte des Öfteren den Narkoseinjektor ihrer Mutter zu spüren bekommen.
„Daran erinnerst du dich wieder? Dass ich euch beide immer außer Gefecht setzen muss?“
„Hat sich offenbar eingebrannt.“
Wieder schmunzelte Elisha, legte ihren Arm um die Taille und ihren Kopf auf die Schulter ihrer Tochter und drückte sie an sich.
„Ich denke, ich habe ihn etwas beruhigen können. Er wird nochmal mit dir sprechen wollen, wenn er wieder wach ist … mach dir keine Sorgen. Die ganzen letzten Monate haben ihn ziemlich mitgenommen und jetzt ist er wieder hier und nichts ist mehr so, wie er es kannte. Du musst ihm etwas Zeit geben und du wirst sehen … ich verspreche Dir, es wird alles wieder gut.“
„Es klingt wirklich wie Latein, wenn sie in ihrer Sprache sprechen“, sagte Carol, als sie bemerkte, dass sich Elisha und Alexa auf antikisch unterhielten.
„Das Latein auf unserer Erde ist im Grunde eine Abwandlung ihrer Sprache“, meinte Daniel beiläufig
„Wie der Papst wohl aus der Wäsche gucken würde, wenn er erfahren würde, dass er eigentlich eine außerirdische Sprache spricht“, bemerkte John, worauf Dave ihn zunächst perplex ansah und dann lachen musste. Patrick und Carol schüttelten ebenfalls lächelnd den Kopf.
Alexa hatte sich der Gruppe wieder angeschlossen und wollte mit ihnen gerade wieder die Krankenstation verlassen, als ihre Mutter sie noch mal aufhielt.
„Ach Alex, weißt du, wo Dorian ist? Hast du ihn gesehen?“
„Nein, warum?“
„Er hat mir zwar die Geräte repariert und aufgeladen, aber die Ladestationen sind noch nicht hier. Er hat wohl vergessen, sie hier herzubringen. Kannst du ihn bitte rufen. Ich habe mein Funkgerät nicht hier.“
Alexa tippte kurz auf den kleinen Kommunikationssnstecker an ihrem Kragen.
„Dorian, hier ist Alexa. Wo bist du?“
Es dauerte nur wenige Sekunden bis er sich meldete.
„Na wo soll ich wohl sein? Ich bin in meinem Quartier und repariere Ma´s Utensilien. In meinem Labor geht das ja nicht mehr!“
„Wieso geht das nicht mehr?“
„Weil es nicht mehr meines ist!“
Alexa verdrehte die Augen. Bisher hatte noch niemand daran gedacht, dass Dorians ursprüngliches Labor bereits von einigen Wissenschaftlern in Beschlag genommen wurde. Vielleicht könnte sie mit Colonel Sheppard und Mister Woolsey sprechen, dass er es womöglich wieder bekäme. Irgendwie wäre bestimmt etwas zu machen, wusste sie doch, wie gerne er dort arbeitete.
„Ich kümmere mich um dein Labor, aber Ma brauch die Ladestationen für ihre Geräte. Kannst du sie ihr bringen?“
„Ich … ich bin hier gleich fertig und dann äh … bringe ich sie mit, einverstanden?“
Alexa sah kurz zu ihrer Mutter, die dem Gespräch gefolgt war und nun einverstanden nickte.
„Ist gut. Ma ist sowieso auf der Krankenstation. Sie wartet dort.“
„Was ist … was ist überhaupt mit Pa?“
„Dem geht’s gut. Ist ausgeknockt!“
„Ah … na schön. Ich bin bald fertig und dann komme ich“, antwortete Dorian und beendete die Verbindung.
Elisha nickte ihrer Tochter dankend zu und sah ihr dann hinterher, wie sie mit der Gruppe die Krankenstation wieder verließ.
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Erschöpft ließ Dorian seinen Kopf auf seine Arme sinken, die schon die letzten Minuten auf dem Rand der Toilettenschüssel lagen. Kalter Schweiß bedeckte sein Gesicht, er zitterte am ganzen Körper, seine Kraft hatte ihn verlassen. Vor einigen Minuten zwang ihn eine heftige Übelkeit ins Badezimmer zu stürzen, auf die Knie zu sinken und sich zu übergeben.
Immer wieder zogen sich seine Eingeweide krampfhaft zusammen, brachten ihn zum Würgen und zum Spucken und ließen ihn unter Schmerzen stöhnen. Kaum hatte sich sein Magen vollkommen entleert, erreichte ihn auch schon der Funkspruch seiner Schwester. Mit Mühe konnte er sich zusammenreißen und versuchte sich nichts anmerken lassen.
Doch jetzt war er völlig erledigt. Bleierne Schwere legte sich über seine Glieder, als er versuchte wieder aufzustehen. Also kroch er an die seitliche Wand und lehnte sich mit dem Rücken gegen sie.
Ruhig atmete er kontrolliert ein und aus und hoffte, dass er so den Schwindel besiegen könnte.
Ein paar Minuten und er käme wieder auf die Beine, könnte seinen Kopf kurz aus dem Fenster seines Quartiers strecken und die frische Meeresluft einatmen. Sie würde ihm garantiert helfen.
Nicht mehr lange und er hätte alles überstanden. Vielleicht noch ein oder zwei Tage und dieser Albtraum wäre vorbei. Kein Verlangen mehr, keine Schmerzen, keine Qualen, keine Heimlichtuerei und keine Gedanken mehr an diese grausamen Kreaturen, die ihn immer wieder an den Rand seiner Existenz bringen würden und ihn zwangen, gegen sein eigenes Volk zu handeln. Bald wäre alles vorbei.
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John führte seine Familie weiter durch die Gänge von Atlantis, erklärte und zeigte ihnen einige schöne Aussichten, die man von einigen Balkonen der Stadt genießen konnte, und steuerte gemächlich den Kontrollraum an.
Teyla…!“, rief er erfreut aus, als er die Athosianerin mit ihrem Jungen auf dem Arm entgegen kommen sah.
„Machen Sie wieder einen kleinen Spaziergang mit Torren?“
„Ja, zur Krankenstation. Doktor Keller will ihn noch mal untersuchen und außerdem glaube ich, dass er sich wieder irgendwas eingefangen hat.“
„Er ist Ihr Sohn? Ich wusste gar nicht, dass es auch Kinder hier gibt. Er ist ja herzallerliebst“, brachte Carol hervor und schien von dem kleinen Kerl ganz begeistert zu sein.
„Ja, das ist Torren John Emmagan“, stellte Teyla ihren Sohn vor, worauf Carol und Patricks Gesichtszüge zu entgleisen schienen. Es wäre eine Untertreibung sagen zu können, dass sie überrascht wären. Geschockt käme dem ganzen schon etwas näher.
„Torren Jo…? … John?“, stotterte Carol und sah mit großen Augen zwischen Teyla und John hin und her. Sogar Dave sah ihn sprachlos an.
„Auch das noch!“, platzte es aus Patrick heraus.
„Oh nein!“ brachte Teyla schnell hervor und auch John wehrte ab.
„Nein, nein! Er ist nicht … ich bin nicht …“
„Colonel Sheppard ist nicht der Vater. Kanaan, ein Mann aus meinem Volk ist Torrens Vater. Ich habe ihn nur nach John benannt, weil … weil er immer ein sehr guter Freund für mich war und ist.“
Teyla wusste zwar nicht, dass John über heikle Dinge aus seiner Vergangenheit und der Zeit, während seiner Arbeit hier in der Stadt gegenüber seiner Familie nicht sprechen wollte, aber sie konnte sich denken, dass es die Familie wohl sehr treffen würde, wenn sie einige Details erfahren würde. Angst, Panik und Sorge würde sie vermutlich überkommen. Daher entschied sie, ihnen nicht zu sagen, dass sie ihren Sohn nach John benannt hatte, der sein Leben riskierte, als er trotz seines angeschlagenen Zustands mit Rodney und Ronon heimlich Michaels Schiff betreten hatte, um sie zu befreien, während sie hochschwanger und bereits in den Wehen gelegen hatte.
„Oh … oh, tut mir leid. Ich dachte schon …“, entschuldigte sich Carol und atmete tief durch um sich von dem kleinen vermeintlichen Schock zu erholen.
„Wenn das hier so weiter geht, bekomme ich wirklich noch einen zweiten Herzinfarkt“, kommentierte Patrick und sah beinahe mahnend zu John.
„Und ich befürchtete schon, ich wäre Onkel“, gab Dave von sich, worauf John ihn zuerst böse anfunkelte und dann den Kopf schüttelte.
Teyla lächelte hingegen und war froh, dass die Situation noch rechtzeitig geklärt werden konnte.
„Wie alt ist er denn?“, wollte Carol wissen und versuchte wieder die ursprüngliche Stimmung herzustellen.
„Eineinhalb Jahre.“
„Oh, in dem Alter sind sie wirklich goldig.“
„Ja, er ist wirklich lieb … mein ein und alles“, entgegnete Teyla und hatte Mühe, Torren auf dem Arm zu halten, als dieser anfing, zu lachen und zu strampeln. „Aber jetzt sollte ich wirklich weiter. Wir sehen uns sicher wieder.“
„Ja, natürlich. Auf Wiedersehen Torren“, sagte Carol und schüttelte sachte Torrens kleine Hand, worauf dieser wieder lachte und Anstalten machte, zu klatschen.
Patrick musste grinsen und den Kopf schütteln, wusste er doch ganz genau, welche Wirkung seine Frau auf kleine Kinder hatte.
Kaum im Gateraum angekommen, wurde John sofort bewusst, dass McKay fehlte. Sein Vater wollte nämlich nun genauer wissen, wie das Stargate funktionierte.
Dabei war John sich nicht sicher, ob es wirklich Neugier und Wissbegierde seines Vaters war, oder ob er ihn auf die Probe stellen wollte, um wieder einen Grund zu einer hitzigen Diskussion, vielleicht auch zu Vorwürfen und Anschuldigungen zu finden, dass er im Grunde keine Ahnung von seiner Arbeit hätte.
John bemühte sich, ihm alles so genau wie möglich zu erklären. Daniel und Alexa halfen ihm dabei, wobei er sich jedoch wundern musste, dass die beiden doch so gut darüber Bescheid wussten. Daniel hatte es auf seine jahrelange Erfahrung geschoben und Alexa meinte, dass sie zwar keine Wissenschaftlerin oder Expertin auf diesem Gebiet sei, aber doch noch so einiges aus ihrer Studienzeit hängen geblieben war. Und teilweise wurde es auch auf McKay geschoben, der schon immer gerne ausführliche Reden schwang. Ob Zeit und Notwendigkeit bestand oder nicht.
Doch entgegen Johns Befürchtungen schien es tatsächlich ernsthafte Neugier seines Vaters zu sein. Mehr noch: Er konnte gelegentlich in dessen Gesichtszügen einen merkwürdigen Ausdruck finden, wusste aber nicht so recht welchen. John schüttelte die Gedanken daran und die Befürchtungen wieder ab und wandte sich wieder der Besichtigung zu.
Auch der Kontrollraum wurde in näheren Augenschein genommen und die Familie ließ sich erklären, welche Funktionen die vielen Konsolen hatten. Angefangen von dem DHD um das Stargate anzuwählen, den verschiedensten Sensoren und dem Lebenszeichendetektor und auch die Möglichkeit eines Tarn- oder Schutzschilds für die gesamte Stadt, bis hin zum Quarantäneprogramm.
Dem Expeditionsleiter wurde ebenfalls ein Besuch abgestattet, bei dem er dazu angehalten wurde, zu erzählen, welche Ziele und Aufgaben die Atlantis-Expedition mit all ihren Wissenschaftlern, Forschern und Außenteams in der Stadt und der gesamten Galaxie verfolgte und welche Handelsvereinbarungen und Allianzen bereits eingegangen und weiterhin gepflegt wurden.
Kaum war das relativ kurze Gespräch beendet, ging es direkt weiter zur Jumperbucht.
„Willkommen in der Jumperbucht!“, lautete John kurze aber stolz klingende Vorstellung. „Hier haben wir die meisten Puddle Jumper der Stadt.“
„Puddle Jumper? Ein merkwürdiger Name“, kommentierte Dave.
„Den Namen haben sie von Colonel Sheppard bekommen. Eigentlich heißen sie … Gateschiff“, erklärte Daniel und sah dabei zu Alexa, die darauf antwortete.
„Torschiff.“
„Torschiff, ja“, korrigierte er sich.
„Und die passen durch das Gate? Wie geht das? Wozu sind sie gut?“, wollte nun Carol wissen.
„Na zum Fliegen. Damit fliegt man durch das Stargate. Wenn die Entfernung vom Gate zu einem bestimmten Standort zu groß ist, oder wenn das Gate im Orbit um einen Planeten im Weltall ist, und noch bei vielen anderen Gelegenheiten“, erklärte John.
„Und du kannst auch diese Dinger fliegen?“, fragte seine Mutter weiter.
John grinste wie einst als kleiner Junge. „Lust auf einen kleinen Ausflug?“
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„Sie brauchen sich nicht festzuschnallen, Mister Sheppard. Die Jumper besitzen Trägheitsdämpfer. Sie werden gar nicht mitbekommen, dass Sie fliegen“, beruhigte Alexa den älteren Mann, der schon nach Anschnallgurten suchte.
„Ihr Wort in Gottes Ohr“, brachte er zweifelnd hervor.
„Danke!“, entgegnete John kleinlaut und glaubte wieder eine Spitze in den Worten seines Vaters herauszuhören.
„Das … das kam anders heraus, als beabsichtigt. Ich wollte eigentlich ausdrücken, dass ich mich mit diesen … Jumpern nicht auskenne. Ich bin noch nie mit ihnen geflogen und mit Dir auch nicht. So hatte ich das nicht gemeint“, entschuldigte er sich und sah seinem ältesten direkt in die Augen.
Wieder sah John etwas in seinem Blick, dass er nicht richtig deuten konnte. Bedauern? Ehrlichkeit? Aufrichtigkeit? John grübelte nicht weiter darüber nach und nahm stattdessen lieber die Entschuldigung leicht nickend an.
Um ein Haar hätte Patrick wieder einen Streit mit seinem Ältesten gehabt. Und das nur, weil er seine Worte nicht bedacht gewählt hatte. Abgesehen davon hatte er ihn auch noch fast beleidigt. Doch es erleichterte ihn ungemein, als er sah, dass John wohl kein nachtragender Mann sei. Diesmal jedenfalls nicht.
Tief in seinem Inneren wurmte es ihn jedoch, nicht zu wissen, was für ein Mann aus seinem Sohn wirklich geworden war. Patrick konnte nur raten, ahnen und beobachten. Er hatte das Interesse am beruflichen Werdegang seines Sohnes zwar niemals verloren, doch ihm gegenüber bisweilen kein einziges Mal gezeigt oder gar gestanden. Seit John ihm damals erklärt hatte, dass er sich bei der Air Force gemeldet hatte, hatte sein Vater ihm regelrecht die kalte Schulter gezeigt. Ihre Gespräche, bis John das Haus endgültig verlassen hatte, beschränkten sich auf allgemeine Begrüßungen und Verabschiedungen, vielleicht gelegentlich eine Erwähnung des Wetters und seines College-Abschlusses. Wenn man von den üblichen Auseinandersetzungen und Streitereien einmal absah.
Nun keimte in Patrick die Hoffnung, einiges davon nachholen zu können. Sicher, die Zeiten in der Vater und Sohn sich besonders gebraucht hätten, in denen sie eine normale, aber richtig enge Verbindung aufgebaut hätten können, waren vorbei. Doch aufgeben wollte er nicht so recht. Er glaubte fest daran, es nach holen zu können. Abgesehen davon war er neugierig wie es wohl sein würde, Zeit mit seinen erwachsenen Söhnen zu verbringen. Er wusste, dass sowohl John und Dave, als auch er selbst in all dieser Zeit reifer und irgendwie auch weiser geworden waren. Bei Dave hatte er es sogar miterleben dürfen. Doch John war in den meisten Dingen das glatte Gegenteil seines Bruders. Es dürfte interessant werden.
„Colonel Sheppard ist einer der besten Piloten, die wir hier haben“, antwortete Alexa.
„Also … haben Sie ihm das Fliegen dieser Dinger beigebracht?“, erkundigte sich Dave.
„Nein. Zu der Zeit war ich noch nicht wieder hier“, gab sie zurück.
„Ich habe es selbst rausgefunden. Abgesehen davon funktionieren die Jumper auch größtenteils über ein neurales Interface. Und man braucht das Gen“, erklärte John weiter und führte seine Mutter, die immer noch etwas ängstlich und hilflos im Heck stand, zu dem Sitz hinter seinem Vater.
Patrick wollte es sich natürlich nicht entgehen lassen, genau zu beobachten, wie sein Sohn ein außerirdisches Fluggerät bediente, und hatte sich daher in den Co-Pilotensitz gesetzt. Dave setzte sich hinter seinen Bruder.
Daniel und Alexa blieben stehen.
„Kontrollraum, hier Sheppard. Bitte um Starterlaubnis für einen kurzen Rundflug mit Jumper zwei“, funkte er an Chuck, den Techniker.
„Jumper zwei, Sie haben Startfreigabe. Viel Spaß“, lautete die kurze aber freundliche Antwort.
Chuck wusste, dass Colonel Sheppard mit seiner Familie, Daniel und Alexa unterwegs war und konnte sich nun auch denken, dass er mit ihnen einen kleinen Trip unternehmen wollte.
Wer könnte es ihm auch verdenken. Sheppard hatte hier in Atlantis einen harten aber tollen Job. Und er war stolz darauf. Klar, dass er das natürlich auch seiner Familie zeigen wollte.
Dass John allerdings Probleme mit seinem Vater hatte, wusste niemand. Abgesehen von Ronon.
„Hat jeder seinen Platz? … Na dann wollen wir mal“, gab John, der sich mit Mühe das Grinsen verkneifen konnte, freudig von sich.
Augenblicke später hörte man den Antrieb des Jumpers hochfahren und ein dumpfes metallenes Geräusch, das das Dach von sich gab, als es geöffnet wurde.
John nahm nur noch ein paar kleine Einstellungen vor, schielte kurz zu seinem Vater rüber, biss sich auf die Lippen und startete.
Patrick, Carol und Dave krallten sich instinktiv an ihren Sitzen fest, als sie durch das Fenster sehen konnten, wie der Jumper vom Boden abhob.
Wider Erwarten gab es keine Erschütterungen oder Hopser.
Es dauerte nur Sekunden, bis sie nicht mehr die Wände der Jumperbucht sahen, sondern nur einen strahlendblauen Himmel mit vereinzelten kleinen Wölkchen und das endlos scheinende Meer unter ihnen.
John brauchte etwas mehr als zwanzig Minuten bis zum Festland, das er in einer Schleife überflog.
Auch während des Fluges ließ die Neugier der Familie nicht nach. Immer wieder stellten sie Fragen über die Jumper, wie zum Beispiel ihre Geschwindigkeit und Fähigkeiten und ihre Einsatzbereiche. Doch das Gespräch wechselte schnell zu John und seinen Flugerfahrungen mit den verschiedensten Helikoptern und anderen Flugzeugtypen aus der Vergangenheit.
Während John aber nur ungern davon erzählen wollte, dass er früher in Afghanistan überwiegend Kampfhubschrauber und davor vielleicht auch das ein oder andere Mal einen Kampfjet fliegen durfte, war sein Bruder dafür umso gesprächiger.
Allmählich wuchs in John ein gewisser Groll seinem jüngeren Bruder gegenüber.
Immerhin hatte Dave es geschafft, dass John Angst, Sorge und teilweise auch ein Entsetzen aus der Stimme ihrer Mutter bei ihrem genaueren Nachfragen heraushören konnte.
„Du hast auch einen Kampfjet geflogen?!“
„Hast du den auch zu Schrott geflogen?“, fragte Dave provozierend.
„Ich habe ihn nicht zu Schrott geflogen. Ich habe noch keine einzige Maschine geschrottet“, verteidigte sich John, wobei er sich jedoch bewusst war, dass es nicht gerade der Wahrheit entsprach.
„Bis auf die zwei Black Hawks in Afghanistan“, stichelte Dave weiter und bemerkte gar nicht, wie John vor Wut auf die Zähne biss und sich mehrmals innerlich selbst zur Ruhe rufen musste.
„Man hat mich abgeschossen! Das war nicht meine Schuld.“
„Natürlich. Und das ganze zweimal!“
„Wie bitte?! Abgeschossen?! John, was ist damals passiert?“, ertönte erneut Carols schockierte Stimme
„Nichts Mom, mach dir keine Sorgen. Es ist nichts Schlimmes passiert.“
„Natürlich nicht“, prustete Dave. „beim ersten Mal wurde er in seiner Black Hawk von den Taliban abgeschossen und beim zweiten Mal flog er hinter die feindlichen Linien und …“
„Dave! Das reicht jetzt. Darüber können wir ein andermal sprechen“, wurde er erstaunlicherweise barsch von seinem Vater unterbrochen.
John verkniff es sich dankend zu seinem Vater zu sehen, sah aber auch nicht zu seinem Bruder oder seiner Mutter.
Allmählich hatte er genug. Wahrscheinlich war es doch keine so gute Idee, mit seiner Familie einen kleinen Ausflug zu machen.
Eigentlich hatte John damit gerechnet, dass sein Vater sich über seine Vergangenheit und seine Fehltritte auslässt. Aber dass ausgerechnet Dave ihn nun so derart angriff, das hatte er nicht erwartet.
Er fragte sich gerade, was der Grund für das Verhalten seines Bruders sein konnte, als dieser sich selbst bewusst wurde, dass er wohl etwas zu weit ging.
„Entschuldige John, ich … ich wollte nicht …“, versuchte Dave sich bei seinem Bruder zu entschuldigen.
Er fand es für nötig, als er entsetzt feststellen musste, dass er wohl mehr nach seinem Vater kam, als ihm lieb war.
John nahm die Entschuldigung auch wieder nur nickend an.
„Oh Gott! Wir sind … sind wir im All?“ fragte Carol staunend, als sie nach den vielen Momenten wieder aus dem Fenster sah, und griff direkt zur Schulter ihres Mannes.
„Sieh dir das an, Patrick.“
„Ich sehe es, Carol.“
John flog den Jumper in eine orbitale Umlaufbahn von New Lantea.
Auf den ersten Blick erinnerte die Aussicht an die Bilder der NASA, die man des Öfteren im Fernsehen bestaunen konnte. Die Erde, aus dem Weltall gesehen. So ein Anblick verschlug schon jedem den Atem. Allerdings nicht lange.
„Wieso sind wir nicht schwerelos?“, fragte Patrick.
„Künstliche Schwerkraft“, lautete Johns knappe Antwort.
„Oh John, das ist wunderschön. So was habe ich noch nie gesehen … eine wirklich schöne Idee von dir“, lobte sie ihren Sohn und drückte nun dankend seinen Arm. Offensichtlich war der kleine Disput und die Aufregung von vorhin schon wieder vergessen.
John genoss diese kleine Berührung.
Das letzte Mal, als er von seiner Mutter so geherzt wurde, war der Moment, indem sie ihm Mut zusprach, dass er mit seinem Vater darüber sprechen sollte, nach seinem Schulabschluss nach Stanford gehen zu wollen. Zwei Tage später starb Carol.
Nun sah auch Patrick zu John und nickte im lächelnd ein Dankeschön zu. Aber auch diese Geste berührte John sehr. Nur zeigen wollte er es nicht.
„Nun ist ja dein Kindheitstraum, ein Astronaut zu werden, wahr geworden“, sagte Patrick mit einer leichten Spur von Stolz in der Stimme zu seinem Sohn.
„Nicht ganz. Nicht so wie ich es geplant hatte. Aber … das ist besser, als ich mir je erträumt habe“, gab John wahrheitsgemäß zu.
-Bis auf die ständigen Situationen, in denen man sich in Lebensgefahr befindet.-
Er rechnete schon beinahe mit einem spitzen Kommentar seines Vaters, aber er wurde enttäuscht. Wieder nickte Patrick schweigend.
„Ähh Junge, da kommt sehr viel Wasser auf uns zu“, bemerkte Patrick, als er sah, wie die Meeresoberfläche immer näher kam.
In der der Zwischenzeit hatte John den Orbit wieder verlassen und nahm Kurs auf die Planetenoberfläche.
Als nächstes stand die Unterwasserbucht auf dem Besichtigungsplan.
Auch Daniel schien nun etwas nervös zu werden. Er wusste zwar, das Sheppard ein guter Pilot war, aber das Meer war für seinen Geschmack doch etwas zu nah.
„Keine Sorge, Doktor Jackson“, beruhigte Alexa ihn flüsternd, worauf er sie unsicher ansah.
„Ich weiß, Dad. Ich dachte mir, wir sehen uns Atlantis noch von unten an, bevor es zurück geht“, beruhigte John seinen Vater lächelnd. „Mit den Jumpern kann man auch im Meer … schwimmen. Zwar nicht tief ohne Schild, aber gute dreihundert Meter sind schon drin. Wir haben da unten eine Unterwasserbucht.“
„Eine Unterwasser…“
Patrick kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen. Stattdessen sah er, wie sein Sohn die Geschwindigkeit drosselte und den Jumper langsam auf der Wasseroberfläche aufsetzte, worauf dieser langsam begann zu sinken.
„Wenn wir Glück haben, sehen wir vielleicht einen von Rodneys heiß geliebten Walen“, hoffte John, er wollte ja so gerne seiner Mutter noch etwas Schönes zeigen.
Aber er wurde enttäuscht. Dafür hatte er aber schon eine andere Idee. Das Westpier bei Sonnenuntergang.
Krankenstation
Langsam erwachte er, als bereits Geräusche seine Ohren und Gerüche seine Nase erreichten. Flatternd öffnete er die Augen und wurde sogleich vom Licht an der Decke geblendet. Schwerfällig konnte Tristanius die Arme heben, um sich die brennenden Augen zu reiben. Doch ein dumpfer Schmerz in seiner Schulter vertrieb auch die letzte Müdigkeit.
Schlagartig kehrte die Erinnerung an seine Operation zurück. Er erinnerte sich allerdings nur noch an den entschlossenen Gesichtsausdruck seiner Frau, als diese den Injektor an seinen Hals drückte.
Wieder hatte sie es geschafft, ihn zu überrumpeln und ihn innerhalb von Sekunden auszuschalten. Tristanius musste schmunzeln. Jedes Mal hatte er sich vorgenommen, ihr zuvor zu kommen und sich nicht mehr von ihr überwältigen zu lassen und jedes Mal scheiterte er. Sie war ihm schon immer einen Schritt voraus gewesen. Er kannte es gar nicht anders. Und das war es, was ihn auch nach all diesen Jahren noch immer so an ihr faszinierte. Im Grunde liebte er ihre Impulsivität und ihre Entschlossenheit.
Eine kurze Weile sah er zu seiner Frau, die mit dem Rücken zu ihm stand und sich mit Doktor Keller leise unterhielt. Verstehen konnte er nur einzelne Worte, aber Tristanius nahm an, dass sie gerade über ihre Arbeit und Erfahrungen sprachen.
„Elisha?“, krächzte er heiser und verspürte großen Durst.
„Oh, du bist ja schon wach“, antwortete sie ihm und kam auf ihn zu.
„Du hast mich schon wieder einfach so ausgeschaltet“, meinte er, als er sich aufsetzte.
„Du hast mir keine Wahl gelassen. Wenn ich es nicht getan hätte, würden wir immer noch da drinnen sein und diskutieren. Außerdem dürftest du mittlerweile daran gewohnt sein“, entgegnete sie und reichte ihm ein Glas Wasser, das er in einem Zug austrank.
„Hast du noch Schmerzen?“
Tristanius schüttelte mit dem Kopf und erntete einen zweifelnden Blick.
Er hatte noch niemals gerne zugegeben, dass er Schmerzen hatte. Und da es sich nun im Gegensatz zu gestern oder den heutigen Morgen stark in Grenzen hielt und sich gut ertragen ließ, befand er es nicht für nötig darüber zu sprechen oder gar zuzugeben.
Elisha aber wusste dies und gab ihm ein leichtes Schmerzmittel.
„Ich habe das gesamte vernarbte Gewebe entfernen und sich wieder regenerieren lassen können. Du weißt, das es noch ein paar Tage schmerzen kann. Also lasse bitte Vorsicht walten bei deinen Bewegungen.“
Tristanius sah ihr dankend lächelnd in die Augen, nahm ihre Hand und hauchte ihr einige Küsse auf den Handrücken.
„Ist etwas? Stimmt etwas nicht?“, fragte er, als er glaubte, Kummer in ihren Augen erkennen zu können.
„Alexa hat sich große Sorgen um dich gemacht. Sie kam vorhin mit Colonel Sheppard und seiner Familie hierher. Er führt sie ein wenig durch die Stadt und sie haben daher auch hier kurz halt gemacht. Ich habe sie gleich noch einmal untersuchen können.“
„Und?“, verlangte er zu wissen, war er doch noch immer besorgt um sie.
„Es wäre schön, wenn du Deine Besorgnis auch ihr gegenüber einmal zeigen würdest“, brachte Elisha hervor und kam somit gleich zum Thema.
Tristanius sah sie verwirrt an.
„Ihre Verletzungen sind so gut wie verheilt. Sie hat keinerlei Probleme. Zumindest nicht körperlich.“
„Was soll das denn bedeuten?“
„Das soll bedeuten, dass sie von deinen Vorwürfen und Anschuldigungen sehr schwer getroffen wurde. Musste das wirklich sein? Hast du wirklich so mit ihr sprechen müssen?“
„Elisha, darüber haben wir doch vorhin schon gesprochen, wenn ich mich recht entsinne. Ich habe dir gesagt, dass ich noch einmal mit ihr sprechen werde.“
„Ja das hast du. Ich hoffe nur, dass die Art und Weise und deine Tonart diesmal anders sein wird…und das es rechtzeitig geschieht.“
„Rechtzeitig? Was soll das heißen?“
„Sie will den Dienst quittieren … sie will aus dem Militär austreten … um dir die Peinlichkeit einer Anhörung zu ersparen.“
Das überraschte den General nun doch etwas. Er hatte mit vielem gerechnet. Damit, dass sich seine Tochter den Vorwürfen und der Anklage gleichgültig entgegenstellte oder dass sie gar vielleicht aus Trotz und Eigenwilligkeit weiterhin gegen seine Anordnungen und Befehle handelte, aber nicht mit ihrem Rücktritt.
Dass sie so weit gehen würde, hätte er niemals gedacht. War sie tatsächlich bereit, alles aufzugeben?
Tristanius wusste, dass Alexa an ihrer Arbeit hing. Das Militär bedeutete ihr sehr viel. Hatte er sie mit seinen Anschuldigungen und Vorwürfen tatsächlich derart verletzt?
„Ich werde mit ihr sprechen!“, sagte Tristanius entschieden und schlug die Decke zur Seite, um aufzustehen.
„Einen Moment mal! Du kannst noch nicht aufstehen!“, herrschte Elisha ihren Mann an und drückte ihn zurück in die Kissen.
„Doch ich kann.“
„Nein, du wirst hier bleiben und dich ausruhen!“
„Ich brauche keine Ruhe, mir geht es gut!“
„Du bleibst liegen!“
„Aber ich …“
„Ah!“
„Elisha, ich …“
„Nein! Du wirst mindestens bis heute Abend hier bleiben! Ende der Diskussion!“
„Bis heute Abend?!“
„Tristan!“
„Es geht mir gut! Wirklich! Du willst doch, dass ich mit ihr rede, also …“
„Du … bleibst … liegen!“, gab sie endgültig mit der gleichen nachdrücklichen Tonart wie zuvor bei ihrer Tochter zurück.
Tristan erkannte, dass es seiner Frau ernst war. Er gab auf, aufstöhnend und mit unverständlichem Gemurmel legte sich zurück in die Kissen.
„Du kannst auch hier mit ihr reden“, meinte Elisha, die sich wieder beruhigt hatte und ihm seine Decke zurechtlegte.
Doch gerade, als sie ihre Tochter rufen lassen wollte, betrat Dorian die Krankenstation.
„Oh Pa, du bist wieder wach. Alles gut überstanden?“
„Natürlich. Wo bist du gewesen?“, fragte er seinen Sohn und sah dabei zu, wie er einige Geräte auf einen Tisch legte und begann, sie zu sortieren.
„Ich? … Ich habe mich um die Geräte gekümmert. Ein bisschen repariert und aufgeladen und … und jetzt bringe ich sie Ma. Ich habe vorhin ganz vergessen, die Ladestationen da zu lassen. Ich habe sie mit gebracht.“
Tristanius und Elisha waren etwas verwirrt über die Hektik und die Zerstreutheit ihres Sohnes. Irgendetwas schien nicht mit ihm zu stimmen.
„Geht es dir gut?“, fragte seine Mutter, als sie näher trat, um ihn sich anzusehen.
„Mir? Ja sicher! Alles in Ordnung. Warum fragst du?“
„Du zitterst, du bist totenblass, schweißgebadet und sehr nervös.“
„Ach, mir geht es gut. Ich habe mich nur so beeilt“, antwortete Dorian und versuchte sich aus dem musternden Blick seiner Mutter zu entziehen. Doch sie war etwas schneller und ergriff sein Gesicht.
„Nein, das ist es nicht. Deine Augen … sie sind trübe und glanzlos und es ist kalter Schweiß, den ich spüre. Das will ich mir gerne genauer ansehen …“
„Ich sagte, es ist alles Ordnung“, entgegnete Dorian gereizt und ließ eines der Geräte fallen.
Schnell beugte er sich herab und hob es wieder auf, als er erneut diese Übelkeit und dieses Verlangen nach etwas in sich spürte. Er musste so schnell wie möglich hier raus, bevor noch jemand Verdacht schöpfen würde.
„Dorian, du bist offensichtlich krank. Womöglich hast du dich mit irgendetwas infiziert. Du wirst dich von deiner Mutter untersuchen lassen“, sagte Tristanius entschieden.
„Komm, es dauert nur ein paar Minuten und du kannst wieder …“
Doch Dorian wollte ganz und gar nicht. „Nein! Lass mich! Lasst mich in Ruhe!“, schrie er, riss sich von seiner Mutter los, wobei er ihr noch einen kleinen Stoß gab, so dass sie beinahe nach hinten fiel und rannte hinaus.
„Dorian?!“
Entsetzt sah Elisha ihrem Sohn nach und auch Tristan schien wie erstarrt zu sein. Doch im Gegensatz ihr hatte er sich schnell wieder gefasst.
„Ruf Alexa! Sie soll so schnell wie möglich herkommen.“
Zur gleichen Zeit in der Jumperbucht.
Nachdem John einmal unter Atlantis durchgeschwommen und an den vielen Gebäuden der Stadt vorbei geflogen war, setzte er den Jumper sachte wieder im Jumperhangar ab.
„Das war wunderbar, John. Danke. Es hat wirklich gut getan, all das mal aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen. Und man hat wirklich nicht gespürt, dass man fliegt. Auch nicht, als wir im All waren. Oder was meinst du, Patrick?“, wollte Carol wissen und hakte sich an John und Daves Arm ein, als sie den Jumper wieder verließen.
„Ja … ja sicher, das war … wirklich toll. Du … du bist offenbar ein guter Pilot. Das war gut“, stimmte Patrick ihr aufrichtig zu.
Patrick bemerkte, dass Carol von dem kleinen Ausflug regelrecht beschwingt war. Ihr aufgeregtes und herzliches Lächeln hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Er hatte es in all den Jahren so schmerzlich vermisst und glaubte schon fast vergessen zu haben, wie sehr ihn dieses Lächeln und die strahlenden Augen fesseln konnten. Umso glücklicher und dankbarer war nun, dies wieder erleben zu dürfen. Wer oder was auch immer dafür gesorgt hatte.
„Können wir irgendwann wieder einen Ausflug mit ihnen machen?“, fragte Carol neugierig und mit Vorfreude in der Stimme.
„Sicher, warum nicht?“, antwortete John und überlegte sich schon, wann er mit ihnen mal zu den Athosianern fliegen könnte.
„Was ist eigentlich mit diesem Ding? Ist er kaputt?“, wollte sich Dave erkundigen und wies auf einen Jumper, der auf der Seite an einer Wand stand.
„Nein, der ist nicht kaputt. Das ist unser Experimentaljumper. Rodney hat vor zweieinhalb Jahren einen Prototyp eines Hyperraumgenerators für einen Puddle-Jumper gebaut. Das Ding kann tatsächlich in den Hyperraum springen, hat aber nur eine Reichweite von zweitausend Lichtjahren. Mit ZPM etwas mehr.“
„McKay hat einen Hyperraumgenerator gebaut?“, kam es nun verdutzt von Daniel.
„Ja, hat er. Allerdings erst nachdem seine DNS verändert wurde.“
„Wie bitte?“ ertönte Carols verstörte Stimme.
„Ähm … das ist eine lange Geschichte“, antwortete John und schallte innerlich mit sich selbst, besser aufzupassen, was er ausplaudern sollte und was nicht, hatte er doch für einen Moment nicht aufgepasst.
Zu sehr verwirrten ihn noch Anwesenheit und Neugier seiner Familie, besonders aber das Verhalten seines Vaters, das ungewöhnlich versöhnlich zu sein schien.
„Das glaube ich gerne“, erwiderte Patrick leise.
Gemeinsam machten sie sich wieder auf den Weg, um die Landebucht zu verlassen, als Alexa plötzlich stehen blieb.
Besorgt blieb auch John stehen.
„Was ist los? Alexa?!“, rief er, stürmte auf sie zu und wollte sie schon festhalten, als er glaubte, dass sie eine weitere Attacke erleiden würde.
„Nein, nein. Alles in Ordnung. Da … da ist was anderes. Da war doch … da ist doch irgendwo …“, sagte sie, befreite sich aus seinem Griff, drehte sich um und rannte zur Jumper-Reparaturbucht. Daniel, John und auch seine Familie folgten ihr neugierig.
„Was ist los?“, fragte John irritiert.
„Ich weiß nicht … ich … ich bin mir nicht sicher. Mir kam da gerade … ein Gedanke … eine Erinnerung. Hier habe ich doch irgendwo …“, sagte sie und tastete an einer Wand der Jumper-Werkstatt, die sich über der Jumperbucht befand, entlang, als plötzlich wie aus dem nichts, ein kleiner Scanner aus der Wand fuhr.
„Also doch! Wollen doch mal sehen …“, fuhr sie fort und legte ihre Hand auf den Scanner, worauf sich auch gleich eine große Wand dematerialisierte.
„Ja, es ist noch da!“, rief Alexa freudig aus.
„Und ich habe mich immer gewundert, warum die Werkstatt kleiner ist, als die eigentliche Bucht“, stellte John erstaunt fest und kam aus dem Staunen auch gar nicht mehr raus.
„Was ist das?“, wollte er gleich danach wissen.
„Mein Projekt, bevor …“
„Ihr Projekt? Es sieht aus wie … wie ein Kampfjet“, meinte Daniel.
„Ja, das sollte es auch werden. Ich bin nur nicht fertig geworden. Aber jetzt kann ich mich wieder an die Arbeit machen“, erwiderte Alexa immer noch mit hocherfreuter Stimme.
„Für mich sieht er fast aus, wie ein Wraithjäger“, stellte John fest und ging weiter auf die Maschine zu.
„Ah, Colonel Vorsicht! Da ist ein …“
„Au! Verdammt nochmal!“, schrie John laut auf, als er kurz vor der Maschine auf eine Art Schutzschild traf und zu Boden fiel.
„Kraftfeld“, beendete Alexa den Satz.
„John, ist alles Ordnung? Hast du dich verletzt?“, fragte Carol besorgt und stürmte zu ihrem Sohn.
„Nein, alles in Ordnung. Ich hasse es nur, wenn das passiert“, knurrte er verlegen und stand wieder auf.
Seine Mutter musterte ihn besorgt von oben bis unten, konnte aber keine offensichtlichen Verletzungen ausmachen.
„Bist Du sicher, dass alles in Ordnung ist?“
„Ja ja, es war nur ein kleiner Schlag.“
„Tut mir leid, Colonel. Ich habe damals dieses Schild extra wegen Dorian installiert. Er muss seine Finger immer überall im Spiel haben.“
„Ich dachte Ihr Bruder sei Wissenschaftler. Könnten Sie dann nicht seine Hilfe brauchen?“, fragte Daniel.
„Sind sie verrückt? Ich bin doch nicht lebensmüde. Immer wenn ich irgendetwas bauen oder entwickeln wollte, hat er sich eingemischt und es kaputt gemacht. Entweder er hat es in seine Einzelteile zerlegt oder er hat es hochgejagt oder es funktionierte zum Schluss einfach nicht mehr. Er hat sogar meine Jacht versenkt, erinnern Sie sich noch, Colonel?“, antwortete sie und sah dabei zu Sheppard, der immer noch genauestens das Fluggerät in Augenschein nahm.
„Hm…? Ja, Ihre Mutter hat es mir letztens genauer erzählt. Können Sie vielleicht das Kraftfeld mal ausschalten?“
Alexa ging zur Wand, an der auch wieder ein kleiner Scanner angebracht war, doch etwas hielt sie davon ab, eine Eingabe zu machen.
„Was ist denn?“, fragte John nach, als er ihren unsicheren Gesichtsausdruck bemerkte.
„Ich erinnere mich nicht mehr … ich weiß den Code nicht mehr!“
„Okay, ganz ruhig. Das … das wird schon wieder. Das ist jetzt auch nicht so wichtig. Das wird ganz schnell wieder kommen…“, beruhigte er sie, als ihn ein Funkspruch unterbrach.
„Alexa, bitte melde Dich umgehend auf der Krankenstation, Dein Vater will mit dir sprechen.“
„Das auch noch“, wisperte sie und aktivierte ihren Com-Anstecker.
„Ich bin gleich da, Ma.“
Beinahe hilflos sah sie zu John hinauf.
„Das wird schon … Sie werden schon sehen“, sprach er ihr ermutigend zu. Gemeinsam verließen sie wieder den Raum und John sah ihr besorgt nach, als sie eilig den Jumperhangar verließ.
Es war Carol, die ihn aus seinen Gedanken riss.
„John, was ist gerade passiert? Wieso erinnert sie sich nicht mehr an einen Code?“
~~~///~~~
Im Eiltempo hatte Alexa die Krankenstation erreicht, als sie nun vor dem Eingang stehen blieb. Das ungute Gefühl, das nur kurzfristig, nur für eine kleine Weile verschwunden war, kehrte nun in voller Stärke zurück.
Nun war es so weit, ihr Vater würde mit ihr reden wollen. Erneut. Wieder würde sie sich seinen Fragen, seinen Schlussfolgerungen, Anschuldigungen und Beschuldigungen stellen müssen. Doch im Gegensatz zum frühen Morgen schob sie nun die Beklemmung, Sorge und Mutlosigkeit beiseite. Sie würde sich nun nicht mehr so schnell etwas von ihrem Vater einreden lassen. Sie würde sich energischer erklären und verteidigen.
Notfalls würde auch sie ihre Stimme erheben und ihrem Vater etwas lauter entgegentreten. Denn je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr war sie versucht, Colonel Sheppard und Mister Woolsey mit ihrer Annahme über einen verwirrten und überforderten Mann recht zugeben.
Noch einmal atmete sie tief durch, straffte sich und betrat dann die Krankenstation.
Doch sie wurde enttäuscht, als sie glaubte, ihren Vater ruhend im Bett liegend oder sitzend vorzufinden. Diskutierend mit seiner Frau stand er vor seiner Liege und machte Anstalten, sich wieder sein Uniformhemd anzuziehen.
„Elisha, ich kann hier nicht ruhig liegen oder sitzen bleiben, wenn etwas ganz offensichtlich nicht stimmt.“
„Was willst du denn tun? Warten! Und das kannst du auch hier!“
„Nein, kann ich nicht. Ich kann sehr wohl mehr tun, ich …“
Tristanius stoppte, als er seine Tochter näher kommen sah.
„Da bist du ja. Wo warst du?“
„Colonel Sheppard führt seine Familie etwas in der Stadt umher und hat mich eingeladen, ihn und die Besucher zu begleiten“, antwortete Alexa und blieb mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor der Liege ihres Vaters stehen.
„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst keine weiteren Informationen mehr preisgeben?“, fragte er mit verärgerter Stimme.
„Keine geheime Informationen, ja. Aber alles, was hier in der Stadt zu sehen und von Besuchern zu bewundern ist, gehört wohl kaum dazu. Oder?“
Überrascht über die selbstsichere Stimme und Tonart und die plötzliche Schlagfertigkeit seiner Tochter ihm gegenüber, war er kurz sprachlos. Doch dann war er für einen kleinen Moment versucht, sie zurechtzuweisen, aber die augenblickliche Problematik, die sich zu entwickeln schien, ließ ihn sich schnell um entscheiden.
„Eigentlich wollte ich nochmal mit dir sprechen, aber das wird warten müssen. Es hat sich eine neue Situation ergeben. Ich möchte, dass du Dorian suchst und ihn so schnell wie möglich hierher bringst.“
„Was ist passiert?“, fragte sie verdutzt, als sie die Besorgnis in seiner Stimme wahrnahm.
„Mit Dorian scheint etwas nicht zu stimmen. Sein Verhalten ist äußerst merkwürdig, um nicht zu sagen fremdartig. Er … befindet sich auf der Flucht.“
„Auf der Flucht? Dorian? … Soll das ein Witz sein?“
„Sehe ich so aus, als ob ich Witze mache?! Such deinen Bruder und bringe ihn her. Notfalls … mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.“
„Ja aber …“
„Du hast bisher keinen einzigen meiner Befehle hinterfragt. Du hast auch jetzt nicht das Recht dazu“, unterbrach der General sie mahnend.
„Die Pflicht aber auch nicht mehr … du hast mich suspendiert. Schon vergessen?“, gab Alexa hastig zurück.
Tristanius´ Geduld war schlagartig verloren. Ein lauter Knall durchzog die Krankenstation, als er vor Wut und mit aller Kraft auf die Liege schlug. Sowohl Alexa als auch Elisha zuckten erschrocken zusammen. Auch Doktor Keller kam alarmiert aus dem Nebenraum gerannt und verfolgte stumm aus einiger Entfernung den Schlagabtausch zwischen Vater und Tochter.
„Es reicht! So sprichst du nicht mit mir!“
Wieder erschrak Tristanius vor seinen eigenen Reaktionen, doch anstatt sich zu entschuldigen, senkte er die Lautstärke seiner Worte, die er nun etwas milder sprach.
„Hier geht es um deinen Bruder. Dazu brauchst du weder einen Rang, noch sonst etwas. Bring ihn einfach so schnell wie möglich her. Verstanden?“
Verwirrt und schockiert zugleich, zum einen über das Verhalten ihres Vaters und zum anderen über Dorians angebliches Verhalten, antwortete sie dementsprechend.
„Ja … ja, ich habe verstanden.“
„Worauf wartest du dann noch?“, meinte Tristanius, als er merkte, dass sie noch wie versteinert vor ihm stand.
Verwirrt machte Alexa auf dem Absatz kehrt und verließ schnell die Krankenstation.
Elisha bedachte ihren Mann zunächst mit einem missbilligenden Blick, bevor sie sich wieder ihren Geräten widmete.
„Was ist?“, fragte Tristanius ahnungslos.
„Was sollte das? Ist das deine Vorstellung eines Gesprächs?“, lautete die Gegenfrage.
„Elisha, ich sagte schon, dass das Gespräch warten muss. Dorian hat im Moment Vorrang. Du hast selbst gesehen, dass …“
„Was ich gesehen habe, ist ein Mann, der einem wichtigen, versöhnlichen Gespräch aus dem Weg geht und jede Gelegenheit nutz, um seine Tochter anzubrüllen. Statt besser, machst du alles nur noch schlimmer!“, entgegnete sie entnervt und knallte nicht minder wütend eines der Geräte, dass sie bisher in den Händen hielt, auf die Liege.
„Elisha …“
„Ach lass mich doch zufrieden!“, brachte sie hervor, drehte sich um und verließ hastig die Krankenstation.
Kaum hörbar stöhnte Tristan auf, schüttelte ratlos mit dem Kopf und stützte sich beinahe niedergeschmettert auf der Liege ab.
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„Alexa, warte doch!“, rief Elisha und hatte Mühe ihre Tochter einzuholen.
Umso erleichterter war sie, als sie erkannte, dass ihre Tochter tatsächlich stehen blieb.
„Ma, ich habe keine Zeit. Du hast Pa doch gehört … und erlebt.“
„Ja ich weiß, aber es ist wegen Dorian.“
„Was genau ist hier los? Was ist mit ihm, Ma?“
„Das ist ja das Problem. Ich bin mir nicht sicher, aber ich befürchte, es steckt mehr dahinter, als dein Vater dir gesagt hat. Ich glaube, dass sein merkwürdiges Verhalten vielleicht von einer Krankheit herrührt. Als er vorhin auf die Krankenstation kam, war er völlig verschwitzt, er zitterte und war ganz blass und nervös. Er hat sogar eines der Geräte vor lauter Zittern fallen lassen. Und wann hast du das letzte Mal erlebt, dass er etwas vergessen hatte, so wie er heute Morgen meinte? Ich wollte ihn untersuchen, aber dann ist er regelrecht ausgerastet. Er schrie, dass man ihn in Ruhe lassen solle, und rannte davon.“
Nun war Alexa vollends davon überzeugt, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte.
Dorian hatte sich noch niemals so verhalten und vergessen hatte er schon gar nichts, wenn es um Mutter und ihre Arbeitsgeräte ging. Sie hatte recht. Irgendetwas sehr merkwürdiges schien mit ihm vorzugehen.
„Und du bist dir sicher, dass er sich mit irgendeiner Krankheit infiziert hat?“
„Das kann ich erst sagen, wenn ich ihn untersucht habe.“
„Ich werde ihn finden und ihn zurückbringen“, antwortete Alexa und wollte schon weiter gehen, als Elisha sie abermals aufhielt.
„Alexa, was deinen Vater betrifft … nimm Dir das nicht so zu Herzen …“, versuchte sie ihr tröstend zuzusprechen. Doch sie merkte, dass es Alexa wenig beruhigte. „Ich werde mich um ihn kümmern, aber du solltest vielleicht versuchen, ihn nicht immer so zu reizen. Besonders nicht im Moment, wo er … offensichtlich überfordert ist. Sogar mit sich selbst.“
Alexa nickte bedächtig und machte sich dann auf die Suche nach ihrem Bruder.
Bekümmert blickte Elisha ihr noch kurz hinterher, bevor sie sich wieder auf den Weg zurück zur Krankenstation machte.
Zur gleichen Zeit in der Cafeteria
„Hm, dann fehlen ihr also alle Erinnerungen? Wirklich alles ist weg?“, fragte Carol interessiert, aber auch nachdenklich.
Während Patrick und Dave an einem der Tische in der Cafeteria saßen und vermutlich über die Firma und die Arbeit sprachen, hatten John und Carol sich nach draußen auf den Außenbereich der Cafeteria begeben und unterhielten sich.
Carol hatte schon in der Jumperbucht Interesse an den Erinnerungslücken der Antikerin gezeigt und John war auch nicht abgeneigt, sich mit ihr genauer darüber zu unterhalten. Er hoffte, dass sie durch ihre frühere Arbeit als Psychologin und Therapeutin vielleicht Erfahrung mit Amnesie haben würde.
„Nein, nicht alles und es ist auch nicht wirklich weg. Die Erinnerungen kommen wieder. Manchmal in Flashbacks oder als Traum, was es ihr dann schwer macht, sie als Erinnerung zu erkennen und manchmal … hat sie eben diese…“
„Schmerzen. Verstehe“, antwortete Carol nachdenklich und ließ sich alles, was John ihr bisher über die junge Antikerin und ihre Problematik erzählt hatte, durch den Kopf gehen.
„Ich habe noch niemals gehört, dass man Schmerzen dabei empfindet, wenn die synaptische Aktivität steigt.“
„Du hattest aber auch noch nie Außerirdische unter deinen Patienten, oder?“, frotzelte John.
„Nein … nein, hatte ich nicht. Eben in der Landebucht, da hast du geglaubt, dass sie wieder solche Schmerzen bekommen würde?“
„Ja, es sah fast so aus.“
„Hinterlassen diese Attacken irgendwelche Schäden?“
„Nein, nichts. Gar nichts. Hast du ja auch vorhin gesehen, als sie gescannt wurde … Ich weiß einfach nicht, wie man ihr helfen kann. Wir wissen noch nicht einmal, was der Grund dafür ist. Weder Keller oder Beckett, noch ihre Mutter haben etwas finden können. Bisher gehen wir davon aus, dass es von der Stase kommt. Dass sie während der ganzen Zeit mit der Kapsel irgendeinem Magnetsturm oder so was zu nahe kam und die Programmierung durcheinandergebracht hat. Ich dachte, dass Meditation sie oder ihren Kopf etwas beruhigen würde, aber … in letzter Zeit kamen wir einfach nicht mehr dazu.“
Wieder nickte Carol nachdenklich. Sie merkte, dass John sich wirklich ernsthafte Sorgen um die Antikerin zu machen schien. Vor allem aber erkannte sie, wohin dieses Gespräch führte.
Es war Johns zaghafter Versuch, sie um Rat und Hilfe zu bitten. Das überraschte und berührte sie zugleich. Sie hatte nicht gedacht, dass John in Anbetracht der Umstände so schnell zu ihr kommen würde und ihr wieder so viel Vertrauen schenkte.
Wieder wuchs in ihr der Verdacht, dass vielleicht doch mehr zwischen ihrem Sohn und dieser jungen Frau sein könnte. Möglicherweise waren schon Gefühle im Spiel, was den beiden jedoch selbst noch nicht bewusst wäre.
Doch nun wollte sie nicht das Thema wechseln und ihren Sohn damit konfrontieren, da er es ohnehin vermutlich abstreiten würde. Abgesehen davon, schien er gerade äußerst gesprächig zu sein, was sie keinesfalls durch irgendwelche unbedachten Schritte unterbrechen, aber unbedingt nutzen wollte.
„John, ich bin über zwanzig Jahre raus aus der Psychologie. In der Zwischenzeit hat sich mit Sicherheit so viel verändert. Es gibt Neuerungen, neue Erkenntnisse, neue Methoden, und vieles von dem, was ich noch weiß und früher angewendet habe, gibt es vielleicht gar nicht mehr oder ist nicht mehr aktuell … ich weiß nicht, ob ich ihr da wirklich helfen kann. Ich könnte auch alles verschlimmern und ihr Schaden zufügen. Habt ihr denn keinen Psychologen oder Neurologen in der Stadt? Ihr habt doch sonst von jeder Sparte qualifizierte Leute hier.“
„Ja schon. Es gibt da Doktor Wingers. Er ist hier unser Psychologe. Er mag vielleicht gut auf einem Gebiet sein, aber … ich weiß nicht. Er ist nicht so gut wie du.“
Carol schmunzelte geschmeichelt.
„John…“
„Hör zu, wir könnten die neuesten Fachbücher, Zeitschriften und was weiß ich noch alles anfordern und herbringen lassen und Du könntest Dich wieder auf den neuesten Stand bringen.“
„Du meinst also, ich soll wieder die Schulbank drücken?“, meinte die Mutter schmunzelnd.
John sah sie beinahe flehend an. Ihr wurde bewusst, dass ihm wirklich viel daran lag und er nicht so schnell aufgeben würde. Alleine das leichte Flehen seiner Augen ließ sie weich werden.
„Na schön. Aber zuerst sollte man mit diesem Doktor Wingers sprechen. Jemanden einfach so übergehen, gehört sich nicht. Und dann sollte man vor allem mit Alexa darüber sprechen. Es bringt nichts, zu versuchen jemanden zu helfen, der davon nichts weiß, oder sich vielleicht nicht helfen lassen will“, erklärte Carol.
„Ich kümmere mich drum“, entgegnete John erleichtert und drückte ihr voller Dankbarkeit einen Kuss auf die Wange. „Danke.“
Carol nickte. „Lass uns wieder reingehen. Ich glaube es gibt da noch einiges, das du uns erzählen und erklären kannst“, bat sie und hakte sich wieder bei ihrem Sohn ein.
~~~///~~~
Es dauerte nicht lange bis Alexa einige Ausrüstungsgegenstände aus ihrem Quartier genommen hatte und ihren Bruder ausfindig machen konnte. Nun folgte sie ihm durch einen langen Flur. Wenn sie nicht alles täuschte, befanden sie sich gerade in der Nähe des Nordwestpiers, das zur Tristanius führte.
So wie ihre Mutter ihn beschrieben hatte, musste wirklich etwas sehr merkwürdiges mit ihm vorgehen. Ihr kam sogar der Gedanke, dass dies womöglich auch ein Grund für das Verhalten ihres Vaters sein konnte.
Ob er womöglich auch krank wäre oder unter fremden Einfluss stand?
Alexa entschied sich, Dorian zunächst zu beobachten. So würde sie vielleicht selbst sehr schnell dahinter kommen, was hier los wäre und könnte eventuell selbst handeln.
Da sie sich ständig hinter den verschiedenen Pflanzen und Säulen die im Weg standen, versteckte, konnte ihr Bruder sie nicht sehen, als er sich immer wieder umdrehte und prüfen wollte, ob ihm irgendjemand folgen würde.
Unauffälliges Verhalten war Dorian offenbar fremd. Immer wieder drehte er sich nervös um.
Alexa beobachtete, wie er sich kaum auf den Beinen halten konnte und mehr durch den Gang schwankte, als dass er ging und auch seine Stirn, eigentlich sein ganzes Gesicht glänzte durch Schweiß. Er war blass und zittrig.
Sogar das Personal, dessen Wege die seinen kreuzte, warfen ihm irritierte und teilweise besorgte Blicke zu. Doch er hatte es so eilig, dass es niemand wagte oder überhaupt für möglich befand, ihn anzuhalten.
Mittlerweile war er bei der Tristanius angekommen, wischte sich kurz über sein Gesicht, ordnete seine Kleidung, die ihm auch schon am Körper zu kleben schien, und atmete tief durch.
Die Tristanius trieb zwar direkt neben Atlantis auf dem Meer, war aber an eine Anlegestelle an Atlantis festgemacht oder besser gesagt, angedockt.
Dieses Dock diente gleichzeitig auch als Einstiegsrampe zum Schiff, die durch zwei Marines bewacht wurde. Aber bereits gestern hatten der Antiker General und auch Dorian selbstverständlich die Erlaubnis erhalten, jederzeit das Schiff zu betreten. Daher hielten die beiden Soldaten ihn auch nicht auf, sondern grüßten ihn recht freundlich.
Dorian erwiderte natürlich die Begrüßung, doch Alexa, die immer noch am Ausgang des Flurs zum Außenpier stand und sich versteckte, konnte erkennen, dass all seine Gestik, Mimik und sonstiges Verhalten ihm gar nicht mehr entsprach. Es war, als ob ein völlig Fremder in seinem Körper steckte und nichts damit anzufangen wusste.
Den Soldaten fiel dies natürlich nicht auf, da sie ihn nicht so gut kannten.
Kaum war er im Schiff verschwunden, verließ sie ihr Versteck und nahm die Verfolgung wieder auf.
Auch sie wurde von den beiden Marines begrüßt, als diese Haltung annahmen, während sie das Dock passierte und das Schiff betrat.
Gerade als sie den Lebenszeichendetektor aktivieren wollte, um Dorian ausfindig zu machen, da sie ihn kurzfristig aus den Augen verloren hatte, fiel ihr wieder ein, dass der kleine Scanner ihn nicht von den vielen Ingenieuren, die ebenfalls auf dem Schiff waren, um die letzten Systeme und Funktionen zu installieren und programmieren, unterscheiden könnte. Also würde sie ihn eben auf die altmodische Art und Weise suchen müssen. Was bei der Größe des Schiffs nicht ganz einfach wäre. Hinzu kam noch, dass sie sich noch nicht einmal vorstellen konnte, was er hier wollte. Hatte er nicht genug mit den Geräten und Instrumenten für die Krankenstation zu tun? Auch dies sprach wieder für das eigenartige Verhalten ihres Bruders.
Sie hatte nur wenige Schritte gemacht und stieß beinahe mit Brighton, einem Informatiker aus England, der gerade um die Ecke kam, zusammen.
„Entschuldigung“, ertönten die Stimmen der beiden unisono.
„Ähm, wenn Sie Ihren Bruder suchen, der ist zum Maschinenraum gegangen“, erklärte Brighton lächelnd.
Alexa bedankte sich und machte sich eilig wieder auf den Weg, nur um minutenspäter zu beobachten, wie Dorian kurz mit einem Techniker sprach, das ZPM aus der Energieverteilungskonsole nahm und sich wieder auf den Rückweg machte.
Um ein Haar wären sie auch noch zusammengetroffen, nur ein kleiner Sprung zu einer Stange, an der Decke über einer schmalen Luke zu einem Lüftungsschacht, konnte sie retten. Sie schwang ihre Beine nach oben, über ihren Kopf hinweg in den Schacht, kroch ganz hinein und konnte nicht mehr gesehen werden. Sie allerdings hatte eine gute Sicht auf Dorian, der, während er das Schiff verließ, das ZPM in einer kleinen, unscheinbaren Tasche versteckte.
Kaum war er außer Sichtweite, schwang sie sich wieder nach unten und landete geräuschlos auf ihren Füßen.
Sie fühlte sich miserabel. Ihren eigenen Bruder zu beschatten gefiel ihr ganz und gar nicht. Es war irgendwie niederträchtig, hinterlistig und gemein. Es war beleidigend. Nein, viel mehr kränkend. Es war schlichtweg ein Vertrauensbruch.
Aber sie hatte einen Befehl. Auch wenn es ihr zutiefst widerstrebte. Dorians Verhalten, ganz zu schweigen von seinem Zustand, ließen ihr allerdings keine andere Wahl. Sie dachte sich schon, dass ihr Vater schon einen Grund zu diesem Befehl hatte, auch wenn sie bis vorhin sogar noch an ihm selbst gezweifelt hatte. Aber als sie Dorian so sah, konnte sie den Befehl irgendwie besser verstehen. Die Frage war nur, ob in all der Zeit, in denen sie nach ihrem Vater und ihrem Bruder suchte, etwas mit ihm geschehen war und sein Verhalten damit zusammen hing.
Nun, die Antwort lautete: Definitiv.
Die weitere Frage allerdings war: Was war passiert?
Krankheit? Fremdeinfluss? Gehirnwäsche?
Sie würde es sehr bald herausfinden.
Der Techniker, den Alexa nun befragt hatte, sagte, dass Dorian das ZPM für einen Versuch und ein paar Messungen brauchen würde und er es bald wieder zurückbringen würde. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund bezweifelte sie es.
Alexa musste sich beeilen, um an Dorian dran zu bleiben. Doch zur ihrer Überraschung stellte sie fest, dass sein nächstes Ziel der Kontrollraum sein sollte. Einige Worte wechselte er mit Amelia, die kurz darauf nickte und das Stargate anwählte, während er sich in den Gateraum begab.
Augenblicke später etablierte sich ein Wurmloch und Dorian verschwand hinter dem Ereignishorizont.
„Wo ist er hingegangen“, fragte Alexa, die wieder aus ihrer Deckung auftauchte und zu Amelia trat.
„Er wollte nach Celtes, ein paar seiner Sachen holen“, antwortete diese.
„Das macht doch keinen Sinn. All unsere Sachen sind bereits hergebracht worden. Das weiß er doch.“
Alexas ungutes Gefühl verstärkte sich immer mehr.
„Wählen Sie Celtes noch mal an und sagen Sie bitte meinem Vater Bescheid, dass ich meinem Bruder nach Celtes gefolgt bin. Ich bin gleich wieder da“, erklärte sie. Amelia verstand zwar nicht so recht, was vor sich ging, doch sie kam, ohne weitere Frage zu stellen, Alexas Bitte nach.
Celtes
Eilig trat sie aus dem Ereignishorizont des Gates und erschrak sofort durch den Anblick, der sich ihr bot.
Die Wachen und Techniker, die sonst im Gateraum der Station waren, lagen offensichtlich bewusstlos am Boden oder hingen über ihren Konsolen und Kontrolleinheiten. Einige saßen dabei sogar noch teilweise auf ihren Stühlen. Sämtliche Ein- und Ausgänge bis auf einen einzigen Raum, das Büro des Stationskommandanten, waren verriegelt. Gerade als Alexa sich wieder gefasst hatte, sich genauer umsehen wollte und die Lebenszeichen der Leute überprüfen wollte, trat Dorian aus dem Raum. Erstarrt blieb er stehen, als er seine Schwester erblickte.
„Kannst du mir mal verraten, was hier los ist?“, verlangte sie zu wissen, wobei ihr Blick ständig zwischen den Bewusstlosen und Dorian hin und her glitt.
„Ich …“, begann Dorian zu stottern.
„Was hast du getan?“
„Ich … du hättest nicht herkommen sollen.“
„Warum nicht? Um nicht zu sehen, das mit dir etwas nicht stimmt?“
„Mit mir ist alles in Ordnung. Bald ist alles wieder in Ordnung. Ich will nur in Ruhe gelassen werden und bald ist alles wieder gut“, erklärte er leise, während er mit seinen trüben und leeren Augen verstört in seiner Tasche nach etwas suchte. Nur für einen kurzen Moment konnte Alexa ihm in die Augen sehen und erkannte seine Verwirrung. Wieder fiel ihr auf, wie er schwankte und zitterte. Auch der Schweiß trat ihm wieder auf die Stirn.
Die Situation wurde ihr immer abstruser.
„Gar nichts ist gut. Du bist offenbar krank. Komm mit zur Krankenstation. Ma kann dir helfen“, versuchte sie ihn zu überreden.
„Nein, kann sie nicht. Keiner kann das. Ich muss es alleine … ich werde das alleine schaffen.“
„Was wirst du alleine schaffen? Wovon sprichst du?“
„Das … das verstehst du nicht!“
„Erklär´s mir“, bat sie leise und ruhig, während sie ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Langsam versuchte sie sich ihm zu nähern, doch er schien ihr Vorhaben zu ahnen und weichte mindestens genauso langsam und misstrauisch zurück. Sein Gewühl in der Tasche wurde jedoch immer hektischer.
„Nein … nein. Du kannst es nicht verstehen. Ich muss … mach dir keine Sorgen, Schwesterchen. Ich muss nur kurz weg und dann … dann ist alles wieder gut.“
„Wo willst du hin?“, fragte sie interessiert, doch gehen lassen wollte sie ihn bestimmt nicht. Sie versuchte, Zeit zu gewinnen und näher zu ihm zu kommen. Aber Dorian umkreiste die Kontrolleinheiten, die kreisförmig im Hauptraum angelegt waren.
„Weg! Einfach weg! Ich gehe … zu Freunden. Sie … brauchen mich … und ich sie …“, erklärte er stotternd und begann zu schwanken.
Wieder packten ihn Übelkeit und Krämpfe und ließen ihn sich krümmen und aufstöhnen.
„Nein … ich kann … nicht! Ich … will nicht! Alex … hilf mir!“, flehte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Alexa stürmte zu ihm, wollte ihn fangen und halten, als er drohte zusammenzubrechen, doch es dauerte nur Sekunden, bis er sich wieder gefangen hatte und seine Schwester von sich stieß.
Das Verlangen und die Pein waren einfach zu stark für ihn. Er konnte nicht dagegen ankämpfen, merkte, dass er es nicht schaffen würde, sich von der Sucht loszureißen. Nichts und niemand könnte ihn davon befreien. Doch nachgeben wollte er ihr auch nicht. Es gab nur noch einen einzigen Ausweg für ihn. Er musste es endgültig beenden.
„Nein, lass mich! Geh weg!“, schrie er sie an und zog blitzschnell eine Waffe aus seiner Tasche, in der, so konnte Alexa gerade noch erkennen, sich auch das ZPM befand.
„Dorian, was soll denn das?“
Alexa hob beide Hände um ihm zu zeigen, dass sie keine Bedrohung für ihn sei.
Auch sie dachte daran, ihre Waffe zu ziehen, doch sie wollte nicht so weit gehen und auf ihren eigenen Bruder schießen.
„Ich weiß, warum du hier bist. Du … du … darfst mich nicht aufhalten.“, brachte er kopfschüttelnd hervor.
„Dorian …“
Alexa wollte einen Schritt weiter auf ihren Bruder zugehen, aber als er erneut zitternd auf sie zielte, drängte er diesmal seine Schwester zurück.
„Nein … bleib weg von mir. Glaube mir, du machst es nur schlimmer.“
Als er beim DHD ankam, begann er, einige Symbole einzugeben.
„Dorian, hör mir zur. Ma wird dir helfen und die anderen in der Stadt bestimmt auch. Komm mit mir. Egal, was es ist, ich verspreche dir … es wird alles wieder gut.“
„Dafür ist es zu spät. Ich dachte … ich dachte, ich schaffe es alleine, aber … Nein, so ist besser“, erklärte er, während er ein Symbol nachdem anderen eingab und dabei ständig zwischen dem DHD und seiner Schwester sah.
Die Wahlsequenz war beendet und das Gate aktivierte sich.
„Du wirst nirgendwo hingehen.“
Alexa war nun gezwungen, ebenfalls ihre Waffe zu ziehen und auf ihn zu zielen.
„Du kannst mich nicht aufhalten … das wagst du nicht, ich bin dein Bruder.“
„Dorian, leg die Waffe weg, und gib´ mir das Modul.“
„Ich kann nicht. Das … Du verstehst einfach nicht. Ich brauche es. Es ist … ein Geschenk für meine Freunde.“
„Zwing mich nicht, auf dich schießen zu müssen.“
„Du wirst nicht auf mich schießen, ich bin dein Bruder!“
„Ein Grund mehr, dich nicht gehen zu lassen“, sagte sie, sprang auf ihren Bruder zu und trat ihm die Waffe aus der Hand.
Dorian blickte erschrocken auf, lies die Tasche mit dem ZPM fallen und griff seine Schwester an.
Alexa konnte zuerst mühelos seinen Schlägen ausweichen, doch Dorian schien an Kraft und Schnelligkeit gewonnen zu haben.
Er holte aus und schlug ihr mit voller Wucht seine linke Rückhand ins Gesicht, woraufhin sie mehrere Meter weggeschleudert wurde und mit dem Rücken gegen eine Wand prallte. Dorian wollte wieder nach dem ZPM greifen, aber als er sah, wie schnell Alexa wieder auf den Beinen war, zögerte er kurz und entschied sich die Tasche liegen zu lassen und durch das Gate zu laufen.
„Dorian!“
Aber es war zu spät. Er war weg und das Gate schaltete sich ab.
Atlantis, zur gleichen Zeit
„Gateaktivierung von außen! … Es ist Doktor Beckett“, informierte Chuck den heraneilenden Expeditionsleiter, der gerade erst von einer kleinen Besprechung mit einigen Wissenschaftlern gekommen war.
„Schild runter, lassen Sie ihn rein“, bat Richard und begab sich sogleich in den Gateraum, um den Arzt zu begrüßen.
„Doktor Beckett, Willkommen zurück!“, empfing Woolsey den Arzt.
„Mister Woolsey, schön wieder hier zu sein“, entgegnete Carson und erwiderte die Begrüßung.
„Nun, wie sieht es bei unseren neuen Freunden aus? Haben sie sich gut an ihre neue Umgebung gewöhnt?“, wollte Richard wissen, als er sich über das kleine Völkchen erkundigte, das Colonel Sheppard vor einigen Tagen in einem unterirdischen Stollen auf einem anderen Planeten gefunden hatte. Auch Alexas Mutter wurde dort gefunden und konnte gerade noch rechtzeitig mit den anderen vor den Wraith gerettet werden.
„Na ja, so gut es eben in Anbetracht der Umstände geht. Keiner zeigt mehr irgendwelche schwere Symptome, die auf diese Bakterien aus dem Stollen schließen lässt. Der Aufbau des Dorfes geht auch recht zügig voran. Bald werden sie wieder ihr gewohntes Leben führen.“
„Das ist erfreulich zu hören.“
„Ja, das ist es. Was gibt es hier neues? Was habe ich verpasst?“, fragte Carson interessiert.
„Oh, recht viel. In den letzten paar Tagen hat sich einiges getan. Wir haben Neuzugang, Besucher und wie sollte es auch anders sein, auch einige Probleme.“
„Das klingt interessant. Ich bin ganz Ohr“, sagte Carson und ließ sich von Richard in einem gemächlichen Spaziergang zur Krankenstation begleiten, während dieser begann, ihm von den Ereignissen der letzten Tage zu berichten.
Krankenstation
„Würdest du dich bitte hinsetzen. Du machst mich und andere nervös“, bat Elisha ihren Mann gereizt, als sie ihre Geräte geordnet hatte und sich nun um die Herstellung neuer Medikamente kümmern wollte.
„Ich frage mich nur, warum sie so lange braucht, um ihren Bruder zurückzubringen. Das kann ja wohl nicht so schwierig sein“, entgegnete er nicht minder missmutig.
„Ich würde lieber erfahren, was in den letzten Monaten geschehen sein könnte, dass er sich nun so verhält …“, entgegnete Elisha und nahm die ertappte und nachdenklich wirkende Mimik ihres Mannes wahr.
Denn sie war überzeugt davon, dass etwas vorgefallen sein musste.
„Und vor allem frage ich mich, was er auf Celtes will. Er weiß doch, dass all unsere Sachen hergebracht wurden“, rätselte Tristanius und lief weiterhin in der Krankenstation auf und ab.
Es waren gerade Mal wenige Minuten vergangen, als Amelia ihn informierte, dass seine Tochter Dorian auf die Station gefolgt sei. Nun warteten sie besorgt auf die Rückkehr der beiden.
„Oh, General! So schnell wieder auf den Beinen?“, staunte Richard etwas verwundert, als er mit Carson die Krankenstation betrat.
„Natürlich. Dank meiner Frau. Außerdem war es nichts Gravierendes.“
„Nein, natürlich nicht. Nur ist es wohl mehr deine verbohrte Sturheit, die dich nicht einmal einen Tag ruhig bleiben lässt“, murrte Elisha halblaut vor sich hin, worauf Carson und Richard amüsiert lächeln mussten.
„General Thalis, darf ich vorstellen? Doktor Carson Beckett, unser … nun ja, zweiter Stabsarzt, der seine Arbeit vorzugsweise auf Außenwelten erledigt. Doktor Beckett, General Tristanius Thalis“, stellte der Expeditionsleiter die beiden einander vor.
„General, Ihre Frau hat mir schon so viel von Ihnen erzählt“, meinte Carson und versuchte den älteren Antiker in ein Gespräch zu verwickeln.
„Doktor“, grüßte der Antiker freundlich zurück.
„Es ist schön zu sehen, dass Sie größtenteils unversehrt wieder zurückkehren konnten“, meinte Carson aufrichtig, bemerkte allerdings eine gewisse Zurückhaltung bei dem älteren Mann. Außerdem schien er auch durch etwas abgelenkt, mit seinen Gedanken anders wo zu sein.
„Doktor Beckett, wie geht es den Leuten in ihrer neuen Heimat“, wollte Elisha wissen.
„Oh, hervorragend! Wirklich! Wie ich vorhin schon Mister Woolsey sagte, gibt es kaum noch Anzeichen dieser Bakterieninfektion. Es geht allen so weit ganz gut und sie sind noch fleißig dabei, ihr Dorf neu aufzubauen und Felder zu bepflanzen. Oh, bevor ich es vergesse …“, sagte Carson und zauberte einen kleinen floralen, bunt geflochtenen Kranz aus seiner Tasche hervor und überreichte ihn Elisha. „Ein kleiner Dankesgruß der Bewohner.“
„Oh, der ist ja wunderschön. Danke Doktor.“
Freudestrahlend nahm Elisha den Blumenkranz entgegen und sah ihn sich genauer an. Auch Tristan lächelte verhalten mit ihr, als sie ihm ihn genauer zeigte.
„Der ist von Bewohnern, bei denen ich damals aufgewacht bin. Weißt du noch, ich habe dir davon erzählt.“
„Ja, ich erinnere mich.“
„Den hänge ich in unser Quartier“, meinte Elisha und legte den Kranz behutsam zur Seite.
„Ogar und die anderen Dorfbewohner richten ihre Grüße aus und fragen, ob Sie sie bald besuchen wollen“, informiert der Arzt die Antikerin.
„Oh, ganz bestimmt. Vielleicht werde ich auch meinen Mann und meine Kinder mitnehmen“, erklärte Elisha und sah schon verschlagen lächelnd zu ihrem Mann, der allerdings bereits wieder in der Krankenstation auf und abging.
„Also dann, wollen wir weiter?“, fragte Woolsey und ließ Doktor Beckett noch schnell seine medizinischen Taschen abgeben, die wieder für seinen nächsten Einsatz aufgefüllt werden würden.
„Ein Schrank von einem Mann …“, staunte Carson. „Er scheint mir auch ein wenig wortkarg zu sein. Erinnert mich irgendwie an Ronon“, bemerkte er, während er mit Woolsey auf dem Weg zur Cafeteria war.
„Ja, er scheint im Moment mit ernsten Gedanken beschäftigt zu sein. Die gehören unter anderem auch zu den Problemen, die ich erwähnt habe.“
„Und wieder – ich bin ganz Ohr“, meinte Carson und lauschte erneut Richards Worten, als er über die Problematik zwischen dem General und seiner Tochter berichtete. Aber auch der verwunderliche Auf- und Abstieg von Colonel Sheppards Eltern, die nun in der Stadt waren, erwähnte er recht ausführlich.
Es dauerte nicht lange, bis die beiden die Cafeteria erreichten und sogleich Colonel Sheppard mit seiner eben erwähnten Familie, sowie Doktor Jackson erblickten und sich zu ihnen an den Tisch gesellten.
„Na was höre ich denn, Colonel? Ihre Familie ist hier und habe sie noch gar nicht kennengelernt.“
„Carson! Schon so früh zurück?“, kam es erstaunt von John, als dieser seinen Ärztefreund erblickte.
„Aye, den Dorfbewohnern geht es so weit gut. Als Arzt war ich dann bei den Aufbauarbeiten wohl überflüssig. Aber Ogar lässt sie alle grüßen und will sich, sobald die Arbeiten beendet sind, mit einem kleinen Fest bei uns bedanken.“
„Da bin ich dabei!“, gab John freudig bekannt.
„Und wen haben wir hier?“, wollte Carson wissen und wandte sich der Familie zu.
„Mom, Dad, Dave, das ist Doktor Carson Beckett. Unser Arzt im Außendient. Carson, das sind Carol und Patrick Sheppard und mein Bruder Dave“, stellte John vor.
Es dauerte auch nicht lange, bis die Familie in tiefe Gespräche mit dem Schotten vertieft war. Über alles Mögliche hatten sie gesprochen und John stellte mehr als einmal fest, dass er sich auf Carson verlassen konnte, wenn es darum ging, nicht gleich mit brisanten und geheimen Geschichten und Anekdoten um sich zu werfen.
Der Arzt schaffte es doch tatsächlich, die heiklen und kritischen Momente entweder so geschickt auszulassen, dass keiner daran dachte, genauer nachzufragen, weil niemand merkte, dass einiges fehlte, oder er hatte es so gut und fesselnd mit Witz und Charme erzählt, dass vereinzelt ausschweifend gelacht wurde.
„Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt?“, wollte Dave wissen.
„Och, ich hätte ihn fast vom Himmel geholt“, antwortete Carson locker aber doch leicht verlegen.
Die Anwesenden sahen ihn zunächst überrascht an, bevor der Arzt schnell in gewohnter Art und Weise weitererzählte.
So verging wieder einige Zeit, in der Carson auch von Johns erster Begegnung mit außerirdischer Technologie berichtete. Und wieder lachten die Anwesenden über die detaillierte Beschreibung von Johns Gesichtsausdruck und Reaktionen auf den außerirdischen Kontrollstuhl. Auch John musste lächeln, als er an diesen Tag zurückdachte.
Doch es war Dave, der schlagartig das Thema wechselte.
„Doktor, gestern hat sich ein gewisser Kolya hier gemeldet. Da John nicht gerade sehr gesprächig diesbezüglich ist, dachte ich mir…“
„Dave …“, begehrte John auf. „Das tut hier nichts zur Sache.“
„Wieso nicht?“
„Weil es erstens eine lange Geschichte ist und zweitens der Geheimhaltung untersteht.“
„Ah ja richtig, die Geheimhaltung. Deine Allzweckverteidigung, was? Es ist doch immer das Gleiche!“
„Dave …“, unterbrach ihn sein Vater barsch, doch Dave ließ sich nicht unterbrechen.
„Wir sind schon in dieses Stargate-Programm eingeweiht, John. Was braucht es denn noch?“
„Einer anderen Geheimhaltungsstufe! Ich darf nichts sagen. Ihr solltet froh sein, mit dem was Carson euch eben erzählt hat.“
„Natürlich! Ein paar Häppchen, einige Ausreden, die du wirklich alle gut beherrschst und ansonsten ist da Schweigen “, gab Dave provozierend zurück. „Kein Wunder, dass Nancy es nicht lange mit dir ausgehalten hat.“
John stöhnte auf. Dass der Friede nicht von Dauer sein konnte, war ihm schon seit Langem klar. Nur dass ausgerechnet Dave derjenige war, der ihn derart provozierte und anging und den Streit regelrecht vom Zaun brach, hatte er nicht erwartet.
„Nancy? Wer ist Nancy?“
„Oh, das hat er dir auch noch nicht erzählt? Nancy ist seine Exfrau! Mit ihr hat er auch nie gesprochen. Es gab immer einen Telefonanruf und John musste für Tage oder Wochen verschwinden. Ohne ein Wort. Niemand wusste wohin, warum und wie lange und ob er jedes Mal wieder heil zurück kam, stand auch immer in den Sternen!“
„Dave, das ist genug“, brachte Patrick erneut ein und machte diesmal deutlich klar, dass er keine weiteren Streitereien zwischen den Brüdern dulden würde. „Ich will kein Wort mehr hören! Keine weiteren Streitereien. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ist das klar?“
„Welcher Öffentlichkeit? Jeder hier weiß Bescheid, was wohl Tag für Tag in dieser Stadt abläuft. Nur wir nicht“, lautete Daves bitterer Kommentar, als er wütend aufstand und davon stapfte.
John atmete tief durch, kniff die Lippen fest zusammen, rieb sich über das Gesicht und gab einem der begleitenden Soldaten, mit einer knappen Kopfbewegung zu verstehen, dass er seinem Bruder folgen sollte. Ihm war egal, wo er gerade hingehen wollte, um sich wieder abzureagieren, nur alleine würde er ihn garantiert nicht gehen lassen.
„Ich bitte um Entschuldigung, Doktor Beckett, Doktor Jackson. Es liegt mir wirklich fern, dass Sie solche Bilder und Eindrücke von uns bekommen. Ich weiß nicht, was in meinen Sohn gefahren ist“, entschuldigte sich Patrick, von der Situation ganz offensichtlich peinlich berührt.
„Ich bitte Sie, Mister Sheppard. Machen Sie sich keine Gedanken. Solche Geschehnisse können einen schon mal einiges vergessen lassen und … verwirren. Das ist gut zu verstehen. Er wird sich bestimmt wieder beruhigen“, beruhigte Carson den älteren Mann, der noch immer leicht mitgenommen wirkte.
„Verheiratet?“, brachte Carol neugierig hervor und musste sogar ein wenig lächeln.
„Ja … das ist schon eine ganze Weile her.“
„Erzählst du mir irgendwann von ihr?“, fragte sie vorsichtig. Sie wollte ihn nicht noch mehr drängen, denn sie hatte gesehen, wie John wieder eine Mauer hochzog, als Dave mit seinen Fragen und Provokationen anfing. Im Moment würde sie kein weiteres Wort aus ihm herausbekommen. Weder über seine gescheiterte Ehe, noch sonst irgendetwas. Aber es würde ihn bestimmt beruhigen und gut tun zu sehen, dass jemand besorgt um ihn sei und ihm zur Seite stünde, wenn es ihm nicht gut ginge.
„Sicher. Irgendwann, Mom“, erwiderte John und genoss die erneute Berührung seiner Mutter, die nach seiner Hand gegriffen hatte und sie nun drückte.
Doch John wurde es langsam alles zu viel. Auch wenn Daniel und Carson sich nichts anmerken ließen und den Vorfall gerade eben runter spielten, setzte es ihm doch ziemlich zu. Es war gerade mal zwei Jahre her, als er sich mit seinem jüngeren Bruder ausgesprochen hatte. Das glaubte er zumindest bis jetzt. Er hatte schon des Öfteren Meinungsverschiedenheiten und auch gelegentlich Streit mit seinem kleinen Bruder gehabt, aber solche Vorwürfe und Anschuldigungen gab es in den letzten Tagen seiner Meinung nach zu viel. Und die Heftigkeit hatte auch erschreckend zugenommen.
Er wollte weg, weit weg, ganz egal wohin. Er dachte schon daran, sich freiwillig dem Papierkram zu widmen, der sich auf seinem Schreibtisch in ungeahnte Höhen stapelte, als ein Funkspruch die Halle der Cafeteria durchströmte.
„Colonel Sheppard, Mister Woolsey bitte sofort im Kontrollraum melden. Colonel Sheppard und Mister Woolsey, bitte melden Sie sich im Kontrollraum!“
Wieder einmal zeigte Chuck sein allseits beliebtes Timing und rettete die Situation, wenn der Arme auch selbst nichts davon wusste.
Tief in seinem inneren dankte John ihm dafür.
„Entschuldigt mich“, sagte John und begab sich im Mordstempo zum Kontrollraum. Er war so schnell unterwegs, dass er gar nicht mehr mitbekam, wie seine Eltern ihm folgten. Mit einem Wachsoldaten, der sie begleitete im Schlepptau.
„Was gibt´s?“, fragte John, als er mit Richard Woolsey leicht gehetzt den Kontrollraum erreichte.
„Commander Thalis hatte mich vorhin gebeten, ihren Vater darüber zu informieren, dass ihr Bruder wohl nach Celtes ging und sie ihm gefolgt sei und gerade eben hat sie ein Sanitätsteam angefordert“, informierte Amelia ihn.
„Wozu?“, wollte Richard wissen.
„Ich weiß nicht. Irgendwas muss vorgefallen sein. Aber das Sanitätsteam und der Commander müssten jeden Augenblick zurückkehren. “
Kaum ausgesprochen etablierte sich das Wurmloch und Doktor Keller trat mit mehreren Sanitätern, die einige Leute stützen mussten und andere, die noch immer bewusstlos auf Tragen lagen, durch das Tor. Alexa kam als letztes durch.
„Was ist passiert?“, fragte Woolsey erneut, als er den Gateraum erreichte.
„Das würde ich auch gerne wissen“, erwiderte John, als er den Antiker-General heraneilen sah und blickte zwischen ihm und Alexa hin und her.
„Es ist niemand ernsthaft verletzt worden. Sie wurden nur von einem Wraithstunner betäubt. Sie sind alle bald wieder auf den Beinen“, berichtete Jennifer den heraneilenden Expeditionsleiter und Militärkommandanten und folgte den Pflegern und dem Stationspersonal zur Krankenstation.
„Wo ist Dorian?“, verlangte Tristanius zu wissen, als er sah, wie sich das Gate wieder abschaltete und die Leute weggebracht wurden.
„Weg“, erklärte Alexa kurz und knapp.
„Wie weg? Was soll das denn heißen?“
„Einen Moment mal! Was zur Hölle ist hier los?!“, begehrte John auf.
„Alexa hat meinen Befehl befolgt. Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig und schon gar keine Erklärung“, erwiderte Tristanius und wollte sich wieder seiner Tochter zuwenden.
„Das sehe ich anders! Diese Männer und die Wissenschaftler sind betäubt worden. Ich will wissen, was hier los ist!“, forderte er erneut mit erhobener Stimme, während Alexa das ZPM aus der Tasche nahm, die Dorian hatte liegen lassen.
„Dorian hat die Leute betäubt und das hat er aus dem Schiff entwendet“, erklärte sie und hielt das ZPM hoch.
„Aber das ist doch Irrsinn! So etwas könnte er doch niemals tun“, gab Elisha schockiert von sich.
„Ah nein? Mit ihm stimmt definitiv etwas nicht, so viel steht fest. Er hat die Leute dort betäubt, redete irgendwas davon, dass er weg wolle und dass dann alles wieder gut werde. Zuerst hat er sich geweigert, mit mir zurückzukommen, sagte, dass ihm niemand helfen könne, dann bat er mich, ihm zu helfen und gleich darauf hat er mich wieder weggestoßen, bedrohte mich mit einer Waffe und zum Schluss ließ mich auch noch quer durch den Gateraum fliegen und ist durch das Tor abgehauen. Was ist mit ihm passiert, als ihr unterwegs wart?“
„Das fragst du mich? Du hättest ihn zurückbringen sollen!“, entgegnete Tristanius aufgebracht.
„Das habe ich ja versucht …“
„Offensichtlich nicht energisch genug. Dorian hat keinerlei Kampferfahrung und ist auch nicht so konditioniert wie du. Es hätte dir ein leichtes sein müssen, ihn zu überwältigen und herzubringen!“
„Früher vielleicht, ja. Aber irgendetwas muss mit ihm geschehen sein. Er ist schneller und stärker als er es jemals war. Ich bezweifle, dass es sich da um eine Krankheit handelt“, erwiderte Alexa.
„Es spielt im Moment auch keine Rolle. Wichtig ist nur, dass er wieder zurückkommt. Weißt Du wo er hin gegangen ist?“
„Ich habe mir gerade noch die Adresse merken können.“
„Dann gehe ihm nach und bringe ihn endlich zurück!“
„Nicht bevor ich nicht weiß, was in den letzten Monaten passiert ist.“
„Wie war das? Ich habe Dir gerade einen Befehl erteilt.“
„Wir werden nirgendwo hingehen, bevor wir nicht wissen, was los ist und womit wir rechnen müssen“, entgegnete John ungeduldig.
„Das hat Sie auch nicht zu kümmern, Colonel. Halten Sie sich da raus …“
„Schluss damit…!“, ertönte Elishas laute Stimme. „Es reicht mir jetzt, Tristan. Du wirst uns jetzt sofort sagen, was in der Zwischenzeit vorgefallen ist. Das bist Du uns und den Menschen hier schuldig. Dorian hat diese Leute angegriffen und all dieses Chaos verursacht, also rede endlich!“
Erneut überraschte ihn der Ausbruch seiner Frau und ließ ihn für einen Moment sprachlos wirken. Doch er hatte sich schnell wieder gefasst und nach einer kurzen Bedenkzeit begann er, zu erzählen.
„Wir waren schon seit einigen Wochen auf der Suche nach euch, als Dorian vorschlug, dass wir uns trennen sollten. So könnten wir mehrere Planeten zur gleichen Zeit absuchen. Zuerst war ich nicht einverstanden, aber … wir gingen morgens zusammen auf einen weiteren Planten und verabredeten uns dort immer für den Abend. Das ging eine ganze Zeit lang gut. Doch irgendwann tauchte er plötzlich nicht mehr auf. In der Zwischenzeit hörte ich von einigen Wesen, die … die sich an Menschen nähren sollen …“
„Wraith“, erklärte Ronon knapp.
„Ja … ich bin ihm nachgereist, aber ich habe ihn nicht finden können. Ich nahm an, dass er vielleicht einer Spur folgen und sich bald wieder melden würde. Also kehrte ich wieder zu unserem Treffpunkt zurück und wartete. Ganze vier Tage habe ich gewartet, dann kam er wieder zurück. Er meinte, dass er sich vor diesen … Wraith verstecken musste. Ich habe ihm geglaubt. Wir haben uns weiterhin getrennt und nach euch gesucht, aber eines Nachts schlich er sich weg. Ich bin ihm gefolgt und habe gesehen … wie er zu diesen Wraith ging. Sie schienen ihn erwartet zu haben …“
Alexa hatte genug gehört. Eilig überreichte sie das ZPM Woolsey und rannte los.
„Alexa, was …“, rief Elisha ihr perplex hinterher. Doch sie war schon außer Sichtweite.
„Er ist nicht krank, er ist ein Wraithanbeter“, kam es von Ronon.
„Wraithanbeter? Was um alles in der Welt soll das heißen?!“
„Dass er für sie arbeitet und von ihnen abhängig ist.“
„Das ist nicht wahr! Nicht mein Sohn“, verteidigte Tristanius sich und Dorian energisch.
„Es sind schon ganz andere von den Wraith umgedreht worden“, kommentierte Ronon finster und machte sich ebenfalls auf den Weg.
„Wir bringen ihn zurück. Ich brauche zwei Marineeinheiten in zehn Minuten in der Jumperbucht“, erklärte John an Amelia gerichtet, die der Aufforderung sofort nachkam.
„Ich werde mitkommen“, entschied Tristanius.
„Nein, diesmal nicht. Du bist erst operiert worden. Sie bekommen das auch ohne dich hin.“
„Er ist mein Sohn! Ich werde nicht…“
„Er ist auch mein Sohn! Du wirst hierbleiben, Tristan! Du bist noch nicht in der Verfassung an so etwas teilzunehmen.“
„Aber …“
„Kein aber! Ich habe endgültig genug. Als deine Medizinerin untersage ich dir jegliche Anstrengung. Du wirst mit mir auf die Krankenstation kommen und dort warten. Genau wie ich. Zwinge mich nicht, noch weiter zu gehen, Tristan!“
Mit großen Augen sah er seine Frau ungläubig an. Er konnte nicht so recht glauben, mit was sie ihm gerade drohte.
Zunächst glaubte er noch, dass sie ihn wieder mit Betäubungsmitteln außer Gefecht setzen wollte, doch als er ihr tiefer in die Augen blickte, glaubte er zu erkennen, dass sie bereit war, noch viel weiter zu gehen. Nein, es war kein Betäubungsmittel, mit dem sie ihm drohte. Sie drohte ihm, ihn von seiner Befehlsgewalt zu entbinden, da sie befand, dass er sich wohl nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befand, oder sein Verhalten ihm einfach nicht mehr entsprach.
„Das wagst du nicht! Elisha …“
„Wenn du so weiter machst und dich nicht zusammenreißt, lässt du mir keine andere Wahl.“
„Es ist vielleicht wirklich besser, wenn Sie hier bleiben. Wir werden Dorian schon zurückbringen“, antwortete John, auch wenn er nicht so ganz begriff, worum es gerade zwischen dem Elternpaar ging und eilte dann ebenfalls zu Waffenkammer.
„So viel zu unserem freien Tag“, murmelte Woolsey schließlich, als Elisha und Tristanius den Gateraum verließen und er sich wieder in den Kontrollraum begab, in dem noch immer die Sheppards und Daniel standen.
Mittlerweile war er schon gewohnt, dass Colonel Sheppard und andere seines Teams ganz gerne mal die Initiative übernahmen und einfach mal so eine Mission starteten, ohne groß mit ihm darüber gesprochen zu haben, geschweige denn ihn um Erlaubnis gefragt zu haben. Er hatte sich zwar immer wieder bemerkbar gemacht und stellte auch ständig klar, dass er es nicht duldete, wenn man ihn einfach so überging und nicht um Erlebnis fragte, aber diesmal war es schon anders. Natürlich hätte er weder dem Colonel noch dem Commander die Rettungsmission verboten, zumal es sich hier offensichtlich um eine äußerst heikle und gefährliche Situation für den jungen Antiker und auch für die gesamte Stadt und ihre Bewohner handelte. Zudem kam auch noch hinzu, dass es im Moment eher schlecht um die Beziehungen der Menschen zu den Antikern stand, ein falscher Schritt oder eine unbedachte Handlung hätte da immense Folgen, die noch gar nicht abzusehen wären.
Aber es fiel ihm mal wieder auf, wie gut geölt die Maschine in Atlantis lief. Es wurde keine unnötigen Fragen gestellt, keine langen Reden geschwungen, es wurde einfach der Situation entsprechend gehandelt. Die Dinge geschahen, als ob man telepathisch verbunden sei. Man kannte sich mittlerweile gut genug, um vorauszuahnen oder besser gesagt zu wissen, was der andere dachte oder beabsichtigte und was nun nötig war und was nicht.
„Amelia, holen Sie bitte Doktor Zelenka her. Er soll das ZPM wieder ins Schiff einbauen“, bat Richard und wandte sich dann wieder an die Familie, um ihnen zu erklären, dass Colonel Sheppard erneut ausrücken müsse.
~~~///~~~
Eilig hatte Alexa sich ihre Jacke angezogen und einige Waffen aus der Waffenkammer geschnappt, aus der sie nun mehr hinausrannte, als das sie ging. Und so stieß sie auch prompt mit John zusammen, als dieser die Kammer betreten wollte.
„Schön langsam“, sagte er und hielt sie auch gleich am Arm fest, als er merkte, dass sie sofort weiter wollte. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir Sie da alleine hingehen lassen“, meinte John und sah ihr in die Augen, in den er Angst und Sorge erkennen konnte.
„Geben Sie uns ein paar Minuten und wir holen ihn da gemeinsam raus“, bat er leise und lockerte seinen Griff um ihren Arm zu einem beruhigenden Drücken und Streicheln.
Alexa nickte langsam als John sich verlegen von ihr löste und sich an seinen Spind begab.
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Keine zehn Minuten waren vergangen, als sowohl John und sein Team, als auch die Gruppe Marines im Kontrollraum erschienen und teilweise weiter zu Jumperbucht gingen.
„Bringen Sie ihn zurück, Colonel und wenn möglich, versuchen Sie herauszufinden, was die Wraith erfahren haben“, bat Richard.
„Verstanden.“
„Du musst schon wieder ausrücken?“, wandte sich Patrick an John.
„Ja, aber ich bin gleich wieder da.“
„Sei bitte vorsichtig“, meinte Patrick leise, was John zunächst etwas aus dem Konzept brachte. Zumal er auch noch sah, dass sein Vater ihn besorgt ansah. Genauso wie seine Mutter ihn abermals mit einem schockierten Ausdruck musterte. Noch immer hatte sie sich nicht daran gewöhnt, einen ihrer Söhne in voller Kampfmontur und mit Waffen zu sehen.
„Wo ist Dave?“, wollte John wissen.
„Wahrscheinlich immer noch irgendwo etwas Luft schnappen und sich abreagieren. Ich kümmere mich um ihn“, erklärte Carol.
„Ihr solltet nicht die ganze Zeit hier bleiben. Hier kann es manchmal auch … gefährlich werden.“
„Mach dir keine Gedanken. Wir kümmern uns jetzt eh um Dave … pass auf dich auf“, gab Carol zurück und zog John wieder in eine Umarmung.
„Äh, Mom … das wird langsam peinlich.“
Langsam wand John sich aus der Umarmung und begab sich dann zu seinem Team, das an der Treppe zur Jumperbucht wartete.
„Was gibt’s denn schon wieder zu grinsen?“, fragte John leicht gereizt, als ihm McKays und Teylas Gesichtsausdruck und das einiger Marines auffiel. Kommentarlos stiegen sie die Treppe hinauf.
Eine Minute später sank der Puddle Jumper langsam in den Gateraum und verschwand hinter dem Ereignishorizonts des aktivierten Stargates.
Wraithplanet
Es waren nur wenige Minuten vergangen, in denen John den Jumper unbemerkt in der Nähe des Wraith Basislagers gelandet hatte.
Zwei der Marines schickte er aus, um die umliegende Umgebung abzusichern und zu erkunden, zwei weitere beließ er beim Jumper. Die restlichen würden ihn und sein Team begleiten.
Auf diesem Planeten war es zum Glück bereits spät und dunkel, sodass es für das Team umso günstiger war, unbemerkt in die Wraithanlage zu schleichen.
Das weiter kommen gestaltete sich jedoch äußerst schwierig, da die Anlage mit den vielen Gängen eher einem Labyrinth glich. Zudem kam hinzu, dass niemand wusste, ob Dorian sich überhaupt hier befand und selbst wenn, wie er gefunden werden könnte.
„Wir sollten ein Terminal finden, damit ich einen Plan über die Anlage bekomme. So wissen wir dann zumindest, wo die Gefangenenzellen und die Kokons sind. Möglicher wird Dorian dort festgehalten“, erklärte Rodney leise und schlich weiter, während er die Augen weiterhin nach einer Zugriffsmöglichkeit auf die Schiffssysteme offen hielt.
Wieder nickte Alexa und sah sich genauer in den Gängen um, die zum größten Teil kaum beleuchtet und deren Boden mit Nebel bedeckt waren.
Bisher war ihnen noch kein einziger Wraith begegnet. Auch wenn Teyla die Anwesenheit von über einem Dutzend von ihnen spüren konnte.
„Was ist los?“, fragte John, als er sah, wie Alexa plötzlich beunruhigt stehen blieb.
Unsicher sah sie sich um, konnte jedoch nichts und niemanden entdecken.
„Ich fühle irgendwas …“
„Das tun wir alle! Immerhin sind wir in der Höhle des Löwen“, kommentierte Rodney spitz.
„Nein, da ist was anderes. Es ist, als ob … ich weiß nicht. Es sind jedenfalls nicht die Wraith.“
Es waren die gleichen Empfindungen, die sie schon während ihrer Gefangenschaft bei Kolya verspürte.
Fremd und doch vertraut, Kälte und abgrundtiefe Bösartigkeit und vor allem Besessenheit.
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„So wie ich sehe, hast Du Dich gut erholt, Alexa … du bist sogar wieder im Einsatz. Du erstaunst mich wirklich immer wieder. Und jetzt suchst du wohl nach deinem Bruder.“
Einige Gänge weiter stand Kieran versteckt hinter einer Abzweigung und beobachtete das gesamte Team, besonders aber Alexa. Er hatte mitbekommen, dass etwas mit ihrem Bruder nicht stimmte. Auch ihn und seinen Vater hatte er vor Monaten für kurze Zeit beobachtet. Er hatte gesehen, wie Dorian in die Hände dieser Kreaturen gefallen war, hatte gesehen, was sie mit ihm gemacht haben, wie sie versuchten, ihn zu brechen. Aber auch er war stark. Immerhin war er der Sohn eines Agemas. Auch wenn er keine militärische Ausbildung gehabt hatte und nicht kämpfen konnte, konnte Kieran dessen innere Stärke spüren. Es hatte Tage gedauert, bis sie ihn unter Kontrolle hatten. Und selbst danach schwankte er immer wieder in seiner Loyalität. Meist dann, wenn einige Zeit vergangen war und das Verlangen in ihm stieg. Doch es erstaunte Kieran immer wieder, wie Dorian dagegen ankämpfte und versuchte, dieser Sucht Herr zu werden. Beinahe hätte er es sogar geschafft. Doch als er mit seinem Vater endlich nach Hause kehren konnte, stieg da sein Verlangen erneut und verriet ihn schlussendlich.
In seiner Verzweiflung verließ er fluchtartig Atlantis und kehrte nun zu seinen Peinigern zurück. Aber Kieran konnte nicht so recht glauben, dass er sich diesen Kreaturen erneut unterwerfen wollte und nun stellte er fest, dass auch seine Schwester ihn nicht aufgeben würde.
„Ach Alexa, das ist doch alles vergebens. Ich weiß ja, dass Du Deinen Bruder liebst, Deine ganze Familie. Aber irgendwann werden sie uns im Weg stehen …“
Kieran hatte insgeheim gehofft, dass diese Kreaturen ihm etwas Arbeit abnahmen und ihren Bruder endlich aus dem Verkehr zogen. Aber wieder machte ihm dieser Sheppard und auch Alexa einen Strich durch die Rechnung.
„Na schön, was soll´s. Geh und rette Deinen Bruder, aber dadurch zwingst Du mich gerade zu, mir später etwas einfallen lassen zu müssen …“, seufzte Kieran und sah, das Alexa sich noch immer irritiert umsah. Ihm wurde es allmählich zu gefährlich, da noch immer die Möglichkeit bestand, dass sie ihn doch auf irgendeine Art und Weise genauer wahrnehmen, vielleicht sogar sehen konnte.
Er warf noch einen letzten sehnsuchtsvollen Blick zu Alexa und löste sich dann in Luft auf.
~~~///~~~
„Alexa?“
Noch immer beschäftigte sie diese äußerst beklemmende Empfindung. Eine Gänsehaut ließ sie so schwer erschaudern, dass es sogar John auffiel.
„Was ist denn?“
Doch genauso schnell, wie die Empfindung kam, schien sie zu verschwinden oder viel mehr sich zu einer anderen zu verwandeln. Plötzliche Übelkeit überkam sie. Ihr Puls erhöhte und die Atmung beschleunigte sich. Alexa begann zu taumeln.
Ronon hatte sie gerade noch packen und an eine Wand lehnen können. Es schien als würde sie jeden Moment das Bewusstsein verlieren.
„Alexa … eine Attacke ist jetzt ziemlich ungünstig“, flüsterte John ihr zu und musterte sie ganz genau.
Die Antikerin wollte antworten, jedoch glichen ihre Worte mehr einem Keuchen oder Wispern.
„Nein … keine Attacke … Dorian, es ist Dorian.“
„Was?“, kam es skeptisch von John und trat noch näher zu ihr heran.
„Er ist hier … ich kann ihn spüren“, antwortete sie und schien erneut in die Knie zu sacken, bevor Ronon und John sie wieder hielten.
„Sie können ihn … sind Sie sicher?“
Alexa nickte schwach und schien sich langsam wieder zu fangen.
„Es geht ihm schlecht … sehr schlecht. Wir müssen ihn so schnell wie möglich finden.“
„Ist gar nicht so einfach, wenn Sie alle paar Sekunden aus den Latschen kippen“, kommentierte Rodney und kassierte gleich darauf ein genervtes Augenrollen seitens John. „Schön, aber Sie können nicht zufälligerweise spüren, wo er gerade ist?“
„Ich bin kein Navigationssystem, Doktor McKay!“
„Nein, aber vielleicht kann uns Ihr Unterbewusstsein zu ihm führen“, meinte John.
„Und wie? Ich weiß nicht, wie das gehen soll.“
Sheppard überlegte kurz. Er fand die Möglichkeit gar nicht so abwegig. Wenn Alexa schon so stark auf seine Präsenz reagierte, wäre es doch auch möglich, diesen Spürsinn gezielt zu nutzen und weiter auszubauen.
Genau, wie Teer einst in diesem Zeiterweiterungsfeld, in dem er für einige Monate leben musste. Auch sie hatte ihm mit ihren Gedanken folgen können.
„Stellen Sie ihn sich vor Ihrem inneren Auge vor. Konzentrieren Sie sich auf ihn.“
Mehr als kritisch sah sie zu John auf und war nicht gerade überzeugt von seinem Vorschlag.
Natürlich wollte sie alles daran setzen, Dorian zu finden und sie war auch bereit alles zu tun, aber dennoch bezweifelte sie irgendwie, zu so etwas in der Lage zu sein. Alleine schon seine Präsenz in dieser Anlage auszumachen, stellte ihren Körper und ihre eigenen Empfindungen ganz schön auf den Kopf, denn noch immer kämpfte sie mit Schwindel und Übelkeit, auch wenn diese nicht mehr so stark zu sein schienen.
Zweifelnd schüttelte sie mit dem Kopf.
„Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob ich das kann.“
„Versuchen wir es einfach. Tun Sie genau das, was ich Ihnen sage … Ein Versuch. Wenn es nicht klappt, suchen wir ihn eben auf die altmodische Weise“, versuchte John sie zu überreden.
Noch immer nicht ganz überzeugt, aber durchaus bereit einen Versuch zu starten, willigte sie ein.
„Na schön. Atmen Sie durch und schließen Sie die Augen“, begann John mit seiner Anweisung, als Rodney sich erneut zu Wort meldete.
„Moment mal. Sie wollen doch jetzt nicht anfangen, hier zu meditieren?“
„Nein, wir versuchen Dorian zu finden“, entgegnete John.
„Ach wirklich? Wie soll das denn gehen? Mit einer kleinen Relaxstunde?! Wir sind hier umzingelt von Wraith, die uns jeden Moment finden können!“
„Wenn Sie noch etwas lauter werden, garantiere ich Ihnen, dass sie das werden, Rodney. Wir brauchen nur ein paar Minuten, okay?“, entgegnete John diesmal etwas gereizter.
„Darf ich Sie dann daran erinnern, dass wir so oder so an eine Datenbank ran müssen? Wir müssen herausfinden, was die Wraith von Dorian erfahren haben“, brachte Rodney ungeduldig hervor.
„Glauben Sie wirklich, dass die Wraith diese Informationen in ihrer Datenbank speichern? Ich habe dafür einen anderen Plan und jetzt wäre ein bisschen Ruhe nicht verkehrt.“
Rodney verdrehte die Augen, aber er schwieg, während John sich wieder an Alexa wandte.
„Okay, Augen schließen und durchatmen. Machen Sie Ihren Kopf frei … denken Sie an nichts“, sprach John leise zu ihr und bemerkte nach wenigen Augenblicken, wie sich ihre Atmung offenbar beruhigte.
„Und jetzt zu Dorian. Stellen Sie sich vor, wie er vor Ihnen steht …“
Alexa spürte, wie die Übelkeit und der Schwindel wieder zunahmen. Zudem schien ein brennendes Gefühl in ihrem Kopf zu entstehen.
John konnte trotz ihrer geschlossenen Augen sehen, dass etwas in ihr vorging. Inständig hoffte er, dass dieser Versuch funktionierte, also gab er ihr weiterhin leise Anweisungen, um sie nicht aus ihrer Konzentration zu schrecken.„Konzentrieren Sie sich voll und ganz auf ihn, blenden Sie alles andere aus …“ John ließ ihr erneut einen Moment Zeit, bevor er weitersprach. „Denken Sie an seinen Zustand … Versuchen Sie, eine Verbindung zu ihm aufzubauen … Wie geht es ihm?“
Alexas Atmung beschleunigte sich wieder. „Nicht … gut. Er … er hat Angst … Panik. Da ist … ein Verlangen …“
Noch immer hatte sie die Augen geschlossen und John konnte sehen, wie sehr sie sich konzentrieren musste und krampfhaft versuchte, nicht in die Knie zu sacken.
Doch er glaubte, dass sie schon eine Verbindung zu ihm aufgebaut hatte und sehr nahe dran war, ihn zu finden. „Gehen Sie tiefer …“
Alexa vertraute nun mehr auf seine Anweisungen und ließ sich tiefer auf diese Gefühle ein.
Immer stärke verspürte sie Angst und Panik und auch dieses Verlangen, das sie zunächst nicht näher zuordnen konnte.
Aber dann … es war ein Verlangen nach Macht, nach Stärke und Kontrolle, ein Verlangen nach Unsterblichkeit und Wohlbefinden. Doch diese Emotionen vergingen sehr schnell wieder.
Noch immer hatte sie ihre Augen geschlossen, als plötzlich ein Bild in ihrem Kopf zu entstehen schien.
Ein schmaler Flur, an nur einer Wand waren seltsame Kammern angebracht. Hinter dünnem und durchscheinbarem Gewebe konnte man die Konturen einer Person aus machen. Ob es ein Mann oder eine Frau war, konnte sie nicht erkennen, doch sie lebte und versuchte sich verzweifelt aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Für einen kurzen Moment verlor sie das Bild, konnte es aber schnell wieder finden, als sie glaubte, Dorians Stimme zu hören.
Er flehte und bettelte nach etwas. Immer wieder rief er nach jemandem. Er rief nach seiner Schwester und seinem Vater. Aber seine Stimme war nicht mehr als ein verzweifeltes Wispern.
Es fiel Alexa schwer, sich von ihm zu abzuwenden, aber sie musste herausfinden, wo genau er sich befand.
Immer wieder hallten seine Rufe in ihrem Kopf wider und ließen sie in ihrem Vorhaben wanken, als sie sich plötzlich krümmte. „Schmerzen … er hat Schmerzen …“, keuchte sie, als sie ihre Arme um sich schlang und nun doch auf die Knie fiel.
„Okay, das reicht. Das hat keinen Sinn. Alexa kommen Sie wieder zurück … lassen Sie los!“
John gefielen Alexas Reaktionen ganz und gar nicht, doch sobald sie seiner Aufforderung nachkam und die Verbindung zu ihrem Bruder gelöst hatte, sah er, dass sich ihr Zustand langsam besserte.
Keuchend und stöhnend lehnte sie sich gegen die Wand und atmete einige Male kontrolliert ein und aus.
„Alles okay?“
Alexa nickte, war aber noch ein wenig desorientiert, aber auch das legte sich sehr schnell.
„Na schön, das hat wohl doch nicht ganz so funktioniert. Suchen wir ihn eben anders. Keine Sorge, wir finden ihn schon.“
„Nein … ich weiß, wo er ist.“
„Was denn, das hat geklappt?“, staunte McKay ungläubig.
„Kokons … er ist in einem Kokon.“
„Das ist schon mal ein Anfang. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wo die Kokons sind“, meinte John.
„Zwei Ebenen über uns“, antwortete Alexa und stand wieder auf, doch John sah sie noch immer kritisch an.
„Schaffen Sie das? Vielleicht sollten Sie besser zum Jumper zurückgehen und wir holen Dorian.“
„Nein. Es geht mir gut“, antwortete sie, richtete ihre Konzentration auf etwas anderes und straffte sich.
„Na schön, weiter geht’s.“
Atlantis
„Warum hast du mir das nicht früher gesagt?“, wollte Elisha von ihrem Mann wissen, als sie die Krankenstation wieder betraten.
„Ich wollte dich nicht beunruhigen.“
„Nicht beunruhigen? Dorian muss schon früher solche Anzeichen gezeigt haben. Sag mir nicht, dass dir das entgangen ist!“
„Ich dachte … dass sich alles wieder zum Guten wenden würde, wenn wir alle wieder zusammen hier wären. Ich konnte doch nicht wissen, dass … diese Wraith ihn so manipuliert haben.“
„Und du konntest auch nicht wissen, dass mir sein Zustand früher oder später auffällt? Oder den Leuten hier? Für wie dumm hältst du mich eigentlich, Tristan?!“
„Elisha …“
„Was um alles in der Welt ist nur los mit dir?! Du erlaubst Dorian, alleine auf fremde Planeten zu gehen. Du siehst praktisch dabei zu, was die Wraith mit ihm machen …“
„Ich war alleine! Was hätte ich denn tun sollen?!“
„Den Mund aufmachen! Dorian kommt krank zurück und du befindest es nicht einmal für nötig, mir das gleich zu sagen, damit ich mich um ihn kümmern kann. Stattdessen ignorierst seinen Zustand, du maulst rum, wirfst mit mieser Laune, Anschuldigen und Misstrauen nur so um dich. du bist nicht wieder zu erkennen!“
„Ich kann diesen Leuten hier nicht vertrauen, weil ich sie nicht kenne!“
„Das wird wohl auch noch eine ganze Weile so weiter gehen, wenn du dir nicht endlich etwas Mühe gibst und auf sie zugehst. Aber dir steht mal wieder dein Stolz im Weg, nicht wahr?!“
Tristanius schwieg. Wieder hatten ihn die harten Worte seiner Frau getroffen. Elisha konnte sogar erkennen, das etwas in ihm wühlte. Sie befand, dass es vorerst genug sei und sie sich lieber mit anderen Dingen befassen sollte, bevor der Streit noch weiter eskalierte.
„Denk mal darüber nach … während ich mich um Lieutenant Evans kümmere. Ich bin sicher, du erinnerst dich an ihn“, brachte sie herausfordernd hervor. „Er hatte gestern unsere Tochter bei ihrer Suche nach dir und Dorian begleitet, als sie angegriffen wurden. Er wurde dabei ziemlich verletzt. Ich werde mich um seine Verletzung kümmern, das wohl das mindeste was wir für ihn und diese Leute hier tun können und nur gerecht. Du bringst es ja nicht fertig, dich zumindest bedanken“, sagte Elisha noch immer leicht aufgebracht, griff nach den Instrumenten und ließ ihren Mann stehen.
~~~///~~~
„Hier steckst du!“, ertönte Carols Stimme, als sie Dave auf einem Balkon in der Nähe seines Quartiers gefunden hatte.
Die Suche nach ihm gestaltete sich nicht so schwierig, denn die Wache, die Carol und Patrick ständig begleitete, fragte beim Kollegen, der Dave begleitete über Funk nach, wo sie sich denn zur Zeit gerade aufhalten würden.
Dave hatte zwar mitbekommen, dass seine Familie ihn gesucht hatte, aber nun reagierte er weiterhin nicht und starrte stattdessen auf das Meer hinaus.
Patrick und Carol stellten sich neben ihn und folgten seinem Blick.
„Da hast du dir ja ein schönes Plätzchen ausgesucht und frische Meeresluft tut immer gut“, lautete Carols Versuch, ihren Jüngsten zum reden zu bringen. Doch Dave schwieg noch immer. Allerdings wusste sie, dass er es im Gegensatz zu John nicht lange aushalten würde. Tatsächlich vergingen auch nur wenige Momente, bis Dave anfing zu sprechen.
„Ich wollte eigentlich wo anders hin. Aber der Bereich war gesperrt. Ich denke, wir werden wohl nie erfahren, warum“, sinnierte Dave und klang dabei noch immer eingeschnappt.
„Weil, laut John, offenbar noch nicht alles in dieser Stadt erforscht und freigegeben wurde“, erklärte Patrick, drehte sich um und sah sich die Türme an, die sich hinter ihnen in die Höhe erstreckten. Aus dieser Perspektive sah alles noch viel größer und imposanter aus, als vom Balkon bei der Kommandozentrale oder beim Überflug mit dem Puddle Jumper.
„Oh, der große Colonel macht nun doch den Mund auf?“
„Nicht, wenn Du Dich weiterhin so benimmst“, kommentierte sein Vater.
„Rick!“, mahnte Carol ihn.
„Ist doch wahr! Wir sind gestern gerade erst hier angekommen, da kann man wohl nicht erwarten, schon gleich alles auf dem Silbertablett serviert zu bekommen.“
„Weißt du, bei Mom könnte ich es noch verstehen, aber du weißt ja selbst ganz genau, dass John schweigt wie ein Grab, wenn es um seine Arbeit geht. Es grenzt an ein Wunder, dass wir überhaupt erfahren haben, dass er zur Air Force ging und auch nur den Bruchteil der Helikopter und anderen Maschinen kennen, die er fliegen kann. Von dem was jetzt so treibt, ganz zu schweigen.“
„Es würde auch an ein Wunder grenzen, wenn trotz deines Geredes und Verhaltens John dem Antrag zustimmt, Einsicht in die Missionsberichte zu erhalten.“
Dave sah seinen Vater perplex an, wusste er doch nicht, wovon dieser sprach.
„Ich habe bereits gestern mit Richard Woolsey gesprochen. Um zu erfahren, was hier in den letzten Jahren geschehen ist und was John so getrieben hat, werde ich beantragen, in die Missionsberichte sehen zu dürfen. John hat allerdings auch ein Entscheidungsrecht diesbezüglich und dein Verhalten vorhin, war nicht gerade hilfreich. Es wird so schon schwer genug, ihn zu überzeugen, da kann ich Streit nicht gebrauchen.“
„Streit? Seien wir mal ehrlich, Dad. Du warst doch derjenige, der sich immer am meisten mit ihm gestritten hat. Was ist diesmal anders? Wie soll das ablaufen?“
„Ich werde mit ihm sprechen …“
Daves Gesichtsausdruck zeugte erneut von Verblüffung aber auch von Unglauben. Er ahnte, dass mit `sprechen´ nicht einfach die Bitte gemeint war, ihn die Berichte lesen zu lassen. Nein, er konnte jetzt sogar sehen, dass sein Vater auf das alles klärende Gespräch hinaus wollte.
„Gestern Abend war ich bei ihm … und habe ihn um dieses Gespräch gebeten, dass eigentlich viel früher hätte stattfinden müssen. Dave, er hat zugestimmt, aber deine Kommentare und Provokationen sind im Moment ziemlich fehl am Platze.“
Dave sah ihn eine Zeit lang an, bevor er unsicher zu seiner Mutter sah, die seinen Blick mit einem zustimmenden Nicken erwiderte. Nach einigen Überlegungen meldete er sich wieder zu Wort. „Na schön und wann wollt ihr reden?“
„Bald. Ich hoffe mal, dass es in den nächsten Tagen etwas ruhiger wird, sodass wir dann …“
Patrick verstummte.
„Es wäre vielleicht nicht verkehrt, wenn du dich vorher bei ihm entschuldigst“, meinte Carol.
Dave nickte nur zaghaft zustimmend. „Allerdings wirst du etwas warten müssen. John musste schon wieder zu einer Mission ausrücken“, erklärte Carol weiter.
„Oh welch ein Wunder!“, kommentierte Dave, während er sich mit seiner Familie wieder nach drinnen auf den Weg zum Kontrollraum machte.
Auf dem Wraithplanet
Obwohl Alexa es schon gesehen hatte, erschreckte sie der Anblick von Dorian, als sie endlich bei ihm ankamen.
Auf den Weg zu den Kokons hatte sich das Team mehrmals verstecken oder Umwege machen müssen, um nicht auf die Wraith zu treffen oder ihnen gar regelrecht in die Arme zu laufen.
In seinen Bewegungen stark eingeschränkt, beinahe wie gefesselt, schien Dorian in einem Kokon zu stecken. Lediglich sein Gesicht lugte raus. Sein Zustand musste sich mittlerweile weiter verschlechtert haben. Er war bewusstlos, totenblass, Schweiß bedeckte fast gänzlich das Gesicht.
„Dorian … Dorian!“, versuchte Alexa ihn anzusprechen und wieder wach zu bekommen, als sie sein Gesicht in ihre Hände nahm und sachte auf seine Wange schlug.
Dorians Augenlider flatterten.
„Alex…“, wisperte er schwach.
„Ja, ja, wir holen dich hier raus.“
Gerade als sie ihr Messer hervor nahm und die dünnen, durchscheinenden Wände durchschneiden wollte, um ihn zu befreien, hielt Ronon sie auf.
„Wir kriegen Besuch.“
„Dann sollten wir uns beeilen“, sagte sie, worauf sich auch Teyla meldete.
„Nein, sie sind zu nahe. Wir sollten uns zurückziehen.“
„Ich werde Dorian nicht zurücklassen!“
„Wir werden auch nicht ohne ihn gehen, aber jetzt sind die Wraith schon zu nahe, wir kommen wieder zurück“, erwiderte John, packte sie am Arm und zog sie weg.
Erneut verschanzte er sich mit seinen Leuten hinter einer Ecke, von der aus sie nicht gesehen werden, dafür aber selbst beobachten konnten, wie die zwei Soldaten Dorian aus der Kammer holten.
Er war mittlerweile so schwach, dass er keinen eigenständigen Schritt mehr machen konnte und von den beiden Wraith-Soldaten mitgeschleift werden musste.
Als sie um eine Ecke bogen, kamen Sheppard und sein Team wieder hervor und folgten den Wraith leise.
Er wurde in einen großen Raum gebracht, in dem offenbar ihr Anführer wartete. Unsanft ließen sie ihn zu Boden fallen, wo er regungslos liegen blieb.
„Du hast mich schwer enttäuscht, Lanteaner …“, knurrte der Wraith, der auf sein Opfer geradezu hochmütig niedersah. „Ich hatte dich beauftragt, mir das ZPM der Atlanter zu bringen, stattdessen kommst du mit leeren Händen an. Wärest du nicht der, der du bist, hätte ich deinen Widerstand und deine Kraft schön längst ausgekostet! Zum Glück für dich, dass du mir noch immer nützlich sein kannst …“
Wortlos befahl der Wraithanführer seinen Soldaten, Dorian aufzurichten und ihn an seinen Handgelenken an einer der seitlichen Wände zu fesseln.
„Du wirst mir mittlerweile bestimmt einige Informationen liefern können. Ich will die Adresse von Atlantis.“
Dorian reagierte kaum, halb bewusstlos versuchte er seinen Kopf zu heben und zu sprechen, doch seine Kraft reichte einfach nicht aus.
„Ich sehe schon, so kommen wir nicht weiter. Aber ich verspreche dir, das ist das letzte Mal. Dir wird es zwar gleich besser gehen und du wirst mir alles sagen, was ich wissen will, aber danach wirst du zusehen, wie deine geliebte Heimat dem Erdboden gleich gemacht wird, bevor ich mich dann endgültig deiner entledige“
Mit ungeheurer Kraft und Geschwindigkeit schlug der Wraith seine Hand auf die Brust von Dorian und begann verzückt zu knurren.
Gerade als Alexa lostürmen wollte, um ihren Bruder zu helfen, hielt John sie erneut zurück.
„Nein, nicht!“
„Lassen Sie mich!“
„Alexa …“
„Er bringt ihn um!“
„Nein tut er nicht. Haben Sie nicht zugehört? Der Wraith weiß, wer Ihr Bruder ist. Wenn er ihn jetzt töten würde, käme er nicht mehr an seine Informationen!“
„Aber … er quält ihn. Das wird er nicht überleben! Lassen Sie mich los!“
John konnte die junge Frau in ihrer Angst und Sorge gut verstehen, auch er wäre am liebsten sofort aus seiner Deckung gehechtet und hätte diesen Wraith sofort erschossen. Doch für Dorian käme dann jede Hilfe zu spät.
Da die Diskussion drohte, immer lauter zu werden, sah John sich wohl oder übel gezwungen, energischer einzugreifen und ihr klar zu machen, warum es besser sei zu warten. Noch bevor sie etwas sagen konnte, drückte er sie gegen die Wand und hielt ihr den Mund zu.
Von seiner Handlung überrascht, sahen ihn seine Teammitglieder mit großen ungläubigen Augen an.
„Hören Sie mir zu, so wie es im Moment aussieht, würde Dorian den Rückweg nach Atlantis nicht überleben. Dazu ist er viel zu schwach. Das weiß auch der Wraith. Er wird ihn mit dem Enzym stärken, dann können wir sie überwältigen. Vertrauen Sie mir!“
„Er hat Recht“, pflichtete Ronon ihm kurz und knapp bei, als dieser sah, das John Mühe hatte, sie weiterhin ruhig zu halten. „Ein paar Minuten und die Chancen Ihres Bruders sehen besser aus.“
Noch immer versuchte Alexa sich aus Johns Griff zu befreien, als ihr auffiel, dass sie plötzlich kaum noch Kraft besaß, um ihn von sich weg zu stoßen. Zudem kamen auch noch Dorians Schreie und Winseln, das sie in bis ins Mark traf und ihre Kehle zuschnüren ließ. Sie glaubte, selbst seine Schmerzen zu spüren, als langsam Tränen in ihre Augen traten.
„Er wird ihn nicht töten … nur ein paar Minuten. Vertrauen Sie mir!“, flüsterte John ein letztes mal und bemerkte, dass sie ihren Widerstand aufgab und langsam an der Wand hinab glitt. Als ob sie versuchen wollte, seine Gedanken zu lesen, sah sie ihm in die Augen und zeigte schlussendlich erneut, dass sie ihm vertraute, als sie einverstanden nickte.
John ließ wieder von ihr ab, als sie am Boden ankamen, sah kurz zu den Wraith und Dorian, der noch immer von diesem attackiert wurde, und sah dann wieder zu Alexa, die noch immer mit Dorians Schrein, Stöhnen und Winseln zu kämpfen hatte.
Tatsächlich ließ er nur einige Momente verstreichen, bis er seine Waffe entsicherte, seinem Team ein Zeichen gab, worauf sie gemeinsam den Raum stürmten. Ein kurzer Schusswechsel fand statt, in dem die meisten Wraith getötet wurden. Lediglich der Anführer wurde betäubt und von den Marines gefesselt. Alexa befreite ihren Bruders, doch auch ihn konnte sie kaum halten, als er bewusstlos zusammensank. Ronon ergriff ihn, legte ihn über seine Schulter und trug ihn hinaus, während zwei Marines den Wraith hinaus schleiften.
Atlantis
Tristanius stand schon seit Minuten im Kontrollraum und beobachtete die Menschen bei ihrer Arbeit mit den Stadtsystemen. Ihm war nicht entgangen, dass sie durch seine Anwesenheit offenbar nervös wurden. Bei einer Frau des Personals schien es sogar so schlimm zu sein, dass sie doch glatt eine falsche Eingabe machte und somit eine geradezu penetrant piepende Fehlermeldung bekam, die sie verzweifelt versuchte, wieder zu beheben.
Tristanius Nerven waren ohnehin schon stark strapaziert, als er sich nach kurzer Überlegung erbarmte und eingriff.
Ein gezielter Blick auf den Bildschirm hinter ihm reichte aus, um den Fehler zu erkennen und ein kleiner Handgriff genügte, um die Sperre aufzuheben und somit das nervtötende Geräusch auszuschalten.
„Oh … danke. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“, bedankte sie sich, noch immer nervös.
„Falscher Zugangscode im falschen System. Da kann schon mal der Alarm losgehen. Jetzt sollte es funktionieren“, antwortete er mit einem leichten Lächeln und verließ die Konsolen wieder.
„Und, war gar nicht so schwer, oder?“, fragte Elisha, die sich während dessen auch im Kontrollraum eingefunden hatte. Doch Tristanius antwortete nicht. Sein Blick fiel auf den Balkon, auf dem ebenfalls schon seit geraumer Zeit Colonel Sheppards Familie mit Daniel Jackson stand und wartete. Für einen Augenblick war er versucht, zu ihnen zu gehen, mit ihnen zu sprechen. Doch ihm fiel nicht so recht ein, worüber. Außerdem erschien ihm, wenn überhaupt, zunächst ein Gespräch mit Richard Woolsey sinnvoller. Immerhin hatte nun dieser die Leitung der Stadt. Sein Blick glitt hinüber zu dessen Büro und Tristanius überlegte, worüber er sich mit ihm unterhalten könnte. Über den Posten, den er einst inne hatte, die Arbeit, die Verantwortung und die Pflicht, die damit einherging? Hatte der Mann von der Erde denn irgendwelche Pläne und Vorstellungen, wie es nun weitergehen sollte? Würde er seinen Posten, sein Kommando wieder bekommen? Würden sie es sich teilen?
Er befand, dass es nichts brachte, sich diese Gedanken selbst zu stellen. Auf diese Art würde er keine Antworten erhalten, also machte er sich auf den Weg zu seinem früheren Büro. Doch er kam nicht allzu weit, als das Gate von außen angewählte wurde.
„Gateaktivierung von außen! Es ist Colonel Sheppards ID Code!“, gab Amelia bekannt und schaltete sogleich den Gateschild aus.
„Sehr gut. Ich habe mir schon Sorgen gemacht“, sagte Richard als er den Kontrollraum erreichte, und sah, dass es auch den Sheppards aufgefallen war, dass die Mannschaft zurückkehrte.
„Hier ist Sheppard. Schicken Sie Keller mit Tragen hoch. Wir haben Dorian und einen Gast für unsere VIP-Suite“, ertönte Johns Stimme aus dem Funkgerät.
„Verstanden, Doktor Keller ist schon unterrichtet und unterwegs, Colonel“, bestätigte Chuck und sah wie sich Elishas Gesichtszüge entspannten. Nur der Antiker-General schien zwar die Information mitbekommen zu haben, aber wirkte sonst irgendwie abwesend.
„Ich werde vor der Krankenstation warten“, sagte Elisha und rannte auch schon los, was Richard verwundern ließ, als er sah, wie schnell die Frau trotz ihres Alters noch war. Vermutlich würde es wohl zu den körperlichen Eigenschaften der Antiker gehören, keinerlei Altersschwächen zu zeigen.
Tristanius hingegen blieb an Ort und Stelle und schien nicht so recht zu wissen, wohin mit sich.
„Ich denke, ich werde in die Jumperbucht gehen und John begrüßen“, ließ Carol verlauten, wurde aber jedoch von Woolsey aufgehalten.
„Sie sollten besser hier warten. Colonel Sheppard hat unter anderem einen Gefangenen mitgebracht. Es wäre besser, wenn Sie diesen nicht sehen. Er wird aber gleich hier sein.“
Wie auf ein Stichwort hin kam John auch schon mit seinem Team die Treppe von der Jumperbucht hinab gelaufen.
„Colonel, würden Sie mir bitte erklären, warum Sie einen Gefangenen mitgebracht haben?“, wollte Woolsey wissen.
„Sie haben doch selbst gesagt, dass wir rausfinden sollten, was die Wraith erfahren haben. Er wird es uns sagen“, erklärte John.
„Ich bezweifle, dass dieser Wraith so gesprächig sein wird.“
„Oh, was glauben Sie, zu was Hunger einen Wraith treiben kann?“
Woolsey nickte verstehend, auch wenn er noch etwas an Colonel Sheppards Plan zweifelte.
„Geht es dir gut?“, fragte Carol besorgt, als sie nun endlich auf John zuging.
„Ja, alles bestens. Keine Sorge, uns …“
Es war ein Tumult, Schüsse und entsetztes Schreien, das ihn unterbrach und ablenkte.
„Stehen bleiben!“, hörte er einen der Marines rufen, die mit dem Gefangenen unterwegs zur Arrestzelle sein sollten.
John reagierte sofort und lief runter in den Gateraum, wo er auch gleich sehen konnte, was passiert war.
Der Wraith war aufgewacht und hatte sich von seinen Fesseln befreien können, sodass er nun mehrere Leute und die Wachen ausgeschaltet hatte und sich deren Waffe greifen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass er eine Geisel genommen hatte.
Noch immer bewusstlos hing Dorian im linken Arm des Wraith, der mit seiner rechten, die Waffe abwechselnd auf Alexa und John richtete. Zudem hielt er seine Geisel so geschickt als Schutzschild, das es kaum möglich war, dass einer der beiden, oder gar jemand vom oberen Kontrollraum ihn mit einem gezielten Schuss treffen konnte, während er immer weiter in Richtung Gate ging.
Erschrocken sahen die Besucher zum Gateraum hinab und konnten kaum begreifen, was gerade vor sich ging. Nur am Rande bekamen sie mit, wie ihre beiden begleitenden Soldaten ihre Waffen entsicherten und in Stellung gingen. Tristanius und auch Daniel zögerten nicht lange, griffen jeweils die zweite Waffe der Wachen und gingen ebenfalls neben Ronon, Teyla und den Wachen in Stellung.
John war gerade am Absatz der Treppe angekommen, als der Wraith fauchend seine Forderungen stellte.
„Öffnet sofort das Portal!“
„Kommt nicht in Frage! Du gehst nirgendwo hin!“, erwiderte John und ging mit erhobener P-90 langsam weiter auf den Wraith zu.
„Lasst mich sofort frei oder er stirbt!“, fauchte der Wraith erneut, als er merkte, dass er langsam in Bedrängnis geriet.
„Lass ihn los, sonst wirst du sterben“, forderte Alexa, die ebenfalls mit erhobener Waffe auf ihn zielte und auf ihn zuging.
Als der Wraith merkte, dass es für ihn wohl nicht weiter ging, da er schon mit dem Rücken an das Gate stieß, fauchte und brüllte er in seiner Verzweiflung laut auf, stieß Dorian mit aller Kraft von sich und begann sofort auf ihn und Alexa zu schießen. Gerade noch so hatte sie ihn auffangen können, ging durch das Gewicht und den Schwung allerdings zu Boden und brachte ihn damit aber auch aus der Schusslinie. Kaum dass sie sich wieder aufrichtete, traf sie der Wraith durch seine Schüsse in den linken Arm, worauf sie mit einem Aufschrei wieder zu Boden ging.
Auch John hatte sofort das Feuer auf den Wraith eröffnet, doch dieser hatte sich bisher kaum daran gestört und schoss nun in seine Richtung.
Ein letzter einzelner gut gezielter Schuss kam aus Johns Waffe und traf den Wraith mitten in die Stirn, worauf dieser sofort tot zu Boden fiel.
John ließ seine Waffe wieder sinken, betrachtete kurz den Wraith, als ihm eine brennende und schmerzhafte Hitze an seinem Bauch auffiel, die sich langsam ausbreitete und feucht zu werden schien.
Er griff zu dieser Stelle und starrte kurz darauf auf das tiefe Rot, das seine Hand färbte.
„Oh verdammt“, stöhnte er leise. Johns P90 fiel zu Boden. Langsam sank er auf die Knie, sah kurz zum Kontrollraum hinauf und kippte dann ganz zur Seite.
„John!“
Carol löste sich aus den schützenden Armen ihres Mannes und rannte so schnell sie konnte zum Gateraum hinunter, um neben ihrem Sohn auf die Knie zu fallen.
„Um Gottes willen, John!“
Carol sah über ihren Sohn und entdeckte die stark blutende Wunde an seinem Bauch. Schnell öffnete sie seine Schutzweste, die durch die Kugel durchschlagen wurde und drückte so fest sie konnte auf die Wunde um die Blutung zu stoppen.
„Wir brauchen sofort einen Arzt hier! Schnell!“, schrie sie völlig panisch, und bemerkte gar nicht, wie Patrick und Dave bereits bei den beiden ankamen.
„Großer Gott, John! Durchhalten … halt durch mein Junge … hörst du? Der Arzt ist gleich da“, sprach Sheppard Senior zu seinem Sohn und half Carol, die Blutung zu stoppen, als er den Verband in einer der Taschen von Johns Weste gefunden hatte.
„Ist … halb so … schlimm …“, keuchte John und wollte versuchen aufzustehen.
„Bleib liegen, nicht bewegen“, bat Dave und versuchte ihn an seiner Schulter am Boden zu halten.
Merkwürdigerweise tat es John nicht mehr weh, als seine Mutter auf die Wunde drückte. Er spürte aber, wie immer mehr Blut aus seiner Wunde quoll und an seiner Seite zu Boden lief.
Und er spürte auch, wie ihm immer mehr die Kontrolle entglitt. Immer wieder wollte er sich rühren, sich irgendwie bewegen, aber kein einziges seiner Glieder schien ihm zu gehorchen. Bleierne Schwere legte sich auf seinen Körper. Ihm wurde plötzlich kalt. Mit letzter Kraft versuchte er zu sprechen, aber seine Stimme war nicht mehr als ein Wispern.
„Mom…?“
Sein Blickfeld begann zu verschwimmen, die Stimmen um ihn herum schienen sich immer weiter zu entfernen und waren nicht mehr zu zuordnen.
Das letzte was er noch sehen konnte, war das panische und verweinte Gesicht seiner Mutter, die ihm irgendetwas sagte. Aber er konnte sie nicht mehr hören, als alles um ihn herum verschwamm und dunkel wurde.
„John …? … John …?“
Carol schrie und rüttelte an ihm.
„Nein! John, bitte! Nein, ich fleh´ dich an! John! …. John! Tu mir das nicht an! John! NEIN!“
Doch es war vergeblich.
~~~///~~~
Apathie hatte Besitz von ihnen ergriffen. Regungslos saßen Carol und Patrick auf ihren Liegen in der Krankenstation und starrten stumm vor sich hin. Der Schock hatte sie so sehr im Griff, dass Patrick zu keinem einzigen klaren Gedanken in der Lage war und auch dem medizinischen Personal kaum auf Fragen antworten konnte. Carol zitterte dermaßen am ganzen Leib, dass ihr auch die Decke, die ihr eine Krankenschwester vorhin über die Schulter gelegt hatte, nicht mehr half. Dave hingegen stand schon die ganze Zeit still an einem der Medikamentenregale und schien mit seinen Gedanken ganz weit weg zu sein. Er war noch nie der Typ Mensch, der Sorgen oder Probleme durch übermäßige Bewegung abbauen konnte. Er stand lieber an dem Regal, knabberte an seinen Daumennagel, las die Namen der Medikamente, des Verbandmaterials und der vielen Hilfsmittel, aber konnte sich jedoch keinen Reim auf deren Verwendungszweck machen, ganz zu schweigen davon, dass er auch gleich wieder vergaß, was er noch vor Sekunden sah. Seine Gedanken kreisten unentwegt um die Geschehnisse, die vorhin im Gateraum stattfanden. Er bekam das Bild seines am Boden liegenden Bruders einfach nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder blitzten Erinnerungen an die Schießerei auf, ließen ihn erneut dabei zusehen, wie diese Kreatur auf ihn schoss und er zu Boden ging. Niemals würde er Johns Gesichtsausdruck vergessen, als dieser merkte, dass ihn eine Kugel getroffen hatte, wie er langsam zu Boden sank, das Blut aus seiner Wunde floss und sich seine Augen schlossen.
Er hatte vorgehabt, sich bei seinem Bruder zu entschuldigen. Ihm war bewusst geworden, dass er sich in den letzten Stunden durch seine Vorwürfe, Spitzfindigkeiten und Provokationen wie sein Vater benommen hatte und nachdem sein Vater ihm offenbarte, dass er sich endlich dem versöhnenden Gespräch mit John stellen wollte, hatte sich Bedauern in ihm breitgemacht. Er hatte es nicht abwarten können, bis sein Bruder von seiner Mission zurückkehren würde, um sich bei ihm entschuldigen zu können. Doch so weit kam er gar nicht. Jetzt stand er hier, sah dem hektischen Treiben der Ärzte, Pfleger und Schwestern zu, sah, wie seine Eltern gegen den Schock und das Entsetzen ankämpften, und wusste noch immer nicht, was nun mit einem Bruder sei.
Seit man ihn in den OP gebracht hatte, hatten sie kein einziges Wort über seinen Zustand zu hören bekommen.
Vorhin hatte er in seiner Sorge und Verzweiflung versucht in den Operationssaal zu gelangen, um endlich zu erfahren, wie es um John stehen würde. Doch die Pfleger und Schwester hatten ihn davon abhalten können und meinten, dass Doktor Beckett einer der besten Ärzte sei und sich gut um John kümmern würde.
Es hatte ihn nicht wirklich beruhigt, aber er hatte auch keine andere Wahl gehabt, als weiterhin vor dem OP auszuharren und zu hoffen und zu beten.
Währenddessen saß Alexa einige Meter weiter weg ebenfalls auf einer Liege und ließ ihre Schusswunde behandeln. Da es ein glatter Durchschuss war und keine Arterien, Sehnen oder Knochen verletzt wurden, bedurfte es keines großen chirurgischen Eingriffs. Ihre Mutter und Doktor Keller kümmerten sich um Dorian, sodass sich nun ein Assistenzarzt der Versorgung der Schusswunde annahm. Währenddessen beobachtete sie die Sheppard Familie. Natürlich hatte auch sie mitbekommen, wie Colonel Sheppard unter Beschuss geriet und auch getroffen zu Boden ging. Doch von da an lief alles Weitere wie in Zeitlupe vor ihren Augen ab.
Eine geradezu eisig kalte Lähmung hatte Besitz von ihr ergriffen und ließ sie wie versteinert dabei zusehen, wie John am Boden lag und seine Mutter alles versuchte, um die Blutung zu stoppen. Immer wieder sah sie zwischen ihrem Bruder und John hin und her. Sah, wie sich ihre Mutter zunächst um den bewusstlosen Dorian kümmerte und sich dann ihrer Verletzung widmete. Sie sah, wie John versuchte aufzustehen und kurze Zeit später das Bewusstsein verlor, wie seine Mutter immer wieder verzweifelt seinen Namen rief und an ihm rüttelte. Für einen Moment glaubte auch Alexa, dass er für immer verloren sei.
Doch kurz darauf hörte sie am Rande die gedämpften Stimmen des Notfallteams, dass noch schwache Lebenszeichen ausmachen konnte. Sie sah zu, wie sie ihn und Dorian auf Bahren hievten und eilig in den Isolationsraum und den Operationsraum brachten. Johns Familie wich ihm nicht von der Seite, während sie nicht mitbekam, wie ihre Mutter Mühe hatte, sie selbst aus ihrer Starre zu reißen und ebenfalls auf die Krankenstation zu bringen. Erst jetzt, während der Arzt ihre Wunde oberflächlich säuberte, kam sie langsam ins Hier und Jetzt zurück und spürte allmählich den Schmerz in ihrem Arm. Doch noch immer sah sie zu der Familie rüber. Colonel Sheppards Vater beruhigte sich ebenfalls oder zumindest schien der Schock ganz langsam nach zu lassen, als er zu seiner Frau ging und sie in den Arm nahm. Ganz leise hörte sie das Schluchzen der Mutter und die tröstenden Worte des Vaters und einer Schwester, die noch immer bei ihnen stand und sie zu beruhigen versuchte.
Um den Colonel musste es nicht besonders gut aussehen. Das konnte sie sich denken, als sie sah, dass mehrere neue Blutkonserven zum Operationssaal gebracht wurden. Alexa wusste nicht, wie viel Zeit mittlerweile vergangen war, wie lange die Operation schon dauerte. Sie wusste auch nicht, was mit ihrem Bruder war. War er durch den Wraith noch weiter verletzt worden, als dieser ihn als Geisel nahm? Ihn regelrecht von sich warf? Wurde er angeschossen? Erst jetzt kam die Erinnerung wieder zurück, dass der Wraith auch auf ihn geschossen hatte.
Panik stieg in ihr hoch.
„Dorian! … Dorian! Was ist mit Dorian?“
„Ganz ruhig! Man hat ihn in den Isolationsraum gebracht. Er wurde nicht verletzt“, beruhigte der Arzt sie schnell, als sie von der Liege aufspringen wollte.
Alexa blickte ihn lange an, es brauchte eine Zeit, bis sie sich beruhigte und wieder auf der Liege Platz nahm.
„Ma? Meine Mutter?“
„Ist nicht verletzt. Sie ist bei Ihrem Bruder. Nur Sie und Colonel Sheppard haben was abbekommen.“
„Wie schlimm ist es?“
„Hm, nicht so schlimm. Es ist ein glatter Durchschuss. So wie ich Sie kenne, ist das morgen Abend wieder verheilt“, erklärte der Arzt weiter, während er die Wunde genauer in Augenschein nahm.
„Ich meinte Colonel Sheppard“, erwiderte Alexa gereizt.
Betrübt sah er hin und her, rang mit sich, ob er ihr wirklich sagen sollte, was er eben durch die OP-Schwester, die neue Blutkonserven herbeigeschafft hatte, erfahren hatte.
„Doktor …“, bat Alexa erneut.
„Ich weiß nur von einem Steckschuss im Bauchraum. Doktor Beckett operiert ihn noch, wir müssen abwarten. Keine Bange, er schafft es schon. Es hat ihn schon schlimmer erwischt“, erklärte er leise, um die Familie des Colonels nicht noch mehr in Angst und Schrecken zu versetzen. Und tatsächlich schienen sie es nicht mitbekommen zu haben.
„Das hier ist nicht das richtige zum Verbinden, offensichtlich ist wohl mit einem Streifschuss oder einem Kratzer gerechnet worden. Ich muss mir anderes Verbandsmaterial holen, bin gleich wieder da“, gab der Arzt ihr zu verstehen und eilte davon. Alexa hingegen starrte weiterhin zu Johns Familie. Ganz besonders zum Vater. Noch immer blitzten die Bilder der vorherigen Geschehnisse vor ihren Augen auf, doch ein bestimmtes Bild ließ sie nicht mehr los.
Es war der Moment, in dem sie sah, wie Johns Vater neben ihm kniete und zu ihm sprach. Erneut kamen Erinnerungen in ihr hoch.
Träge schlug sie ihre Augen auf. Ihr Blick erfasste zunächst die Decke des Jumpers, glitt dann aber weiter durch den Gleiter. Die vielen Taschen und Boxen lagen wieder kreuz und quer verstreut im Innenraum. Mendez war hingegen noch immer an der Rückbank festgeschnallt und schien im ersten Moment keine weiteren Verletzungen erlitten zu haben. Leise drang das Summen des Jumperschildes in ihre Ohren und sie folgte dem Geräusch. Doch der Schmerz in ihrem Bein und ihren Rippen ließen jede Bewegung unmöglich erscheinen.
Mühevoll hob sie ihren Kopf an und bemerkte das ständige aufflackern des Schutzschildes. Nicht mehr lange und er würde vollends zusammenbrechen und dann …
Das Knurren und Fauchen des riesigen außerirdischen Wurmes schien immer näher zu kommen und brach dann plötzlich abrupt ab. Doch es blieb keine Zeit zum aufatmen, als dieser fürchterliche Schmerz in ihrem Kopf ausbrach. Verzweifelt kämpfte sie, um bei Bewusstsein zu bleiben, als über ihr ein helles gleißendes Licht erschien.
Zunächst waberte es knapp über ihr, bevor es neben ihr zum Stillstand kann und langsam begann, eine Form anzunehmen.
Das Licht verwandelte sich zu einem Menschen.
Groß, stattlich, fast gänzlich ergraut, mit grünen Augen sah der kniende Mann zu ihr herab.
„Sie müssen durchhalten, hören Sie? Sie haben es gleich geschafft! Hilfe ist bereits unterwegs.“
Immer mehr zerrte die Dunkelheit an ihr, der Schmerz in ihrem Kopf stieg stetig und schnell an und ließ ihr Blickfeld verschwimmen und die Geräusche immer mehr verstummen.
Doch diese grünen Augen …
„Hören Sie mich, Alexa? Halten Sie durch!“
Immer tiefer sank sie in das schwarze Nichts.
„Nein … ich kann … nicht…“
Was ist nur mit diesen grünen Augen? So fremd und doch bekannt …
Grün, gütig und warm, fürsorglich und besorgt. Genau wie … Sheppard!
„Alexa? … Alexa …“
„Alexa?“
Noch immer hallte ihr Name in ihren Ohren wieder, doch ihr Blick ruhte nach wie vor auf Colonel Sheppards Vater.
Dem Mann, der sie auf dem Wüstenplaneten ansprach und ihr beistand. Er war es gewesen. Er war das Licht. Es war niemals eine Halluzination oder Einbildung gewesen sondern ein Aufgestiegener, der die menschliche Form annahm, um jemanden zu helfen.
„Alexa!“
Erst de Berührung ihrer Mutter brachte Alexa wieder in die Gegenwart zurück.
„Was …?Ma?“
„Schatz, was ist denn los mit dir? Du bist ja völlig verstört!“
Alexa blinzelte verwirrt.
„Was ist mit Dorian?“
„Er ist nicht verletzt, aber noch bewusstlos. Doktor Keller hat mir nur kurz erklärt, dass er … er muss in den letzten Monaten immer wieder diese Wraith getroffen haben. Sie haben ihn abhängig gemacht. Er ist süchtig, nach diesem Enzym. Er wird einen Entzug machen müssen. Aber ich werde mich noch genauer damit beschäftigen. Ich wollte zuerst sehen, was mit deinem Arm ist“, erklärte die Mutter und untersuchte die Wunde ihrer Tochter genauer.
Alexa sah währenddessen wieder zur Sheppard Familie. Noch immer hatte sie leichte Schwierigkeiten, zu begreifen, was ihr gerade bewusst geworden war.
„Er ist noch nicht wieder vollständig aufgeladen, aber ich denke für deinen Arm wird es reichen.“
Wieder hatte die Stimme ihrer Mutter sie aus ihren Gedanken gerissen und ließ sie allmählich immer klarer werden.
„Nein“, unterbrach sie ihre Mutter, die gerade mit der Behandlung beginnen wollte. „Nutze es für Colonel Sheppard. Er braucht das dringender.“
„Ja, aber …“
„Ma, Colonel Sheppard wurde in den Bauch getroffen. Es sieht nicht gut für ihn aus. Bei mir ist morgen alles verheilt, aber bei ihm nicht … falls er es überhaupt überlebt“, sprach Alexa leise weiter und sah besorgt zur Sheppard Familie, dann zu den OP Türen, hinter denen noch immer operiert wurde und schließlich wieder zu ihrer Mutter. „Bitte behandle ihn. Ich komme schon zurecht. Doktor Tanner verbindet mir gleich den Arm und das war es.“
Besorgt aber auch zugleich gerührt über Alexas Entschluss, lächelte sie verhalten, strich ihrer Tochter einige Strähnen aus dem Gesicht und machte sich daran, OP-Kleidung aufzutreiben. Keine Minute später betrat sie den Operationssaal.
Verständnislos sahen die Sheppards ihr nach und wieder musste die Schwester sie beruhigen und Mut zusprechen. Ganz besonders Patrick, da dieser beim Öffnen der OP Türen einen kurzen Blick hinein erhaschen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er im Grunde mehr sehen können, als er ursprünglich wollte.
Er sah Doktor Beckett mit mehreren Schwestern um den Tisch stehen, sah Monitore, auf denen er Johns Lebenszeichen ausmachen konnte. Sogar das piepsen seines Herzschlages hatte er hören können. Er sah auch ein Beatmungsgerät, das seinen Sohn stetig mit Sauerstoff versorgte. Aber etwas das er ebenfalls gesehen hatte, jagte ihm schlagartig einen Schauer über den Rücken, ließ ihn erstarren und schockiert drein blicken. Sein Herz schien erneut schmerzhaft stehen zu bleiben.
Blut. Unmengen von Blut.
So eine Menge Blut konnte nicht normal sein. Ein solcher Verlust würde niemand überleben.
Wieder verging eine geraume Zeit, in der Alexas Wunde versorgt wurde und diese dann die Krankenstation verlies, um nach ihrem Bruder zu sehen. Die Sheppards hingegen schienen es vor Sorge und Bangen kaum noch auszuhalten. Ganz besonders, als Major Lorne einen Stapel schwarze Kleidung an einen Pfleger übergab, der diese in den Operationssaal brachte.
„Verdammt nochmal, was ist denn nur hier los?! Warum sagt uns denn niemand, was mit John ist?!“, verlangte Patrick zu wissen. Er spürte, wie er immer mehr die Geduld verlor.
Wieder versuchte die Schwester ihn zu beruhigen und dachte auch schon darüber nach, den Psychologen der Stadt zu rufen. Er könnte die Familie mit Sicherheit besser beruhigen.
„Ich bitte Sie Mister Sheppard, haben Sie noch etwas Geduld. Doktor Beckett müsste jeden Moment …“
Die aufgehende OP-Tür unterbrach sie.
„Mister und Misses Sheppard, David …“, brachte Carson hervor, der langsam auf sie zukam.
„Doktor! Um Gottes willen! Wie geht es John? Was ist mit ihm?“, brach es aus Carol heraus.
„Sagen Sie es mir! Vielleicht haben Sie auch ein wenig mehr Glück ihn zur Ruhe zu überreden“, entgegnete Carson grinsend und führte die verwirrte Familie zum Eingang des OP´s.
Abrupt blieben sie stehen, als sie sahen, dass John bereits wieder bei Bewusstsein war und was noch viel irritierender war, aufrecht auf der Liege saß und seine Stiefel schnürte.
Lediglich das weiße OP Hemd trug er noch. Ebenso hatte er noch einen Venenzugang am rechten Arm, durch den noch der Rest der letzten Blutkonserve in seinen Körper transportiert wurde.
„John!“
Mit großen Augen sah Carol zu ihrem Sohn, der sich leicht lächelnd zu ihr drehte.
Doch nicht nur sie schien verblüfft zu sein. Auch Patrick und Dave schienen wie vom Blitz getroffen.
„Aber … wie …?“
Carols Starre hielt nicht lange an, als sie fassungslos die Hände zu ihrem Mund hob und einige Schritte auf ihn zu ging. „Aber wie ist das … möglich? Du warst doch …“, wisperte sie.
„Alles in Ordnung, Mom. Mir geht’s gut.“
John nutzte die momentane Sprachlosigkeit seiner Familie und wandte sich wieder an Elisha.
„Was ist mit Dorian?“
„Er ist nicht verletzt worden, aber noch bewusstlos.“
„Und Alexa?“
„Wurde am Arm getroffen. Ein glatter Durchschuss. Nicht so schlimm.“
„Sie haben sie noch nicht damit behandelt?“, fragte John erstaunt.
„Die Energie reichte nur noch für einen aus. Alexa bestand darauf, dass Sie behandelt werden.“
Nun war John etwas erstaunt, was auch Carson auffiel.
„Was, wenn ich ehrlich bin, auch wirklich nötig war. Die Kugel hatte eine Arterie gestreift, daher der relativ große Blutverlust. Ich habe sie entfernen können und Misses Thalis hat mit ihrem Gerät sowohl die Arterie als auch die Wunde verschließen können. Das einzige was mir jetzt noch etwas Sorgen macht, ist der Blutverlust. Aber die letzte Transfusion ist durch. Dennoch wäre es mir lieber, wenn Sie sich noch etwas ausruhen. Ich kann Sie wohl nicht dazu überreden, noch ein wenig liegen zu bleiben?“, fragte Beckett zum Schluss und ahnte bereits die Antwort.
„Äh, nein.“
„Natürlich nicht.“
„Du solltest auf den Doktor hören, Junge. Erstens bist du ziemlich blass um die Nase und deine Wunde könnte auch wieder aufreißen.“
„Es gibt keine Wunde mehr. Die Arterie und die Wunde sind regeneriert und verschlossen. Es kann nichts mehr passieren“, erklärte Elisha.
„So wie bei Ihrem Mann?“, fragte Carol verwundert und erstaunt.
„Ja, es ist nichts mehr zu sehen. Dennoch wird es die nächsten Tage gelegentlich schmerzen. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zurück zu meinem Sohn“, sagte Elisha und machte sich auf den Weg.
„Danke!“, rief John ihr nach, worauf Elisha sich kurz umdrehte und verhalten lächelnd nickte.
„Na schön, nachdem weder ich noch Ihre Familie Sie dazu überreden kann, zumindest bis heute Abend ruhig liegen zu bleiben, tun Sie mir wenigstens den Gefallen und trinken das. Das bringt Ihren Kreislauf wieder in Schwung. Sie schwanken mir nämlich noch zu viel“, erklärte Carson und reichte ihm einen kleinen Becher mit Wasser, in dem er einige Tropfen eines Kreislaufmittels hinzugetan hatte.
Ohne Widerworte trank John den Becher in einem Zug leer, verzog durch den widerlichen Geschmack das Gesicht und gab ihn wieder zurück.
„Wenn Sie mir jetzt noch versprechen, in nächster Zeit vorsichtig zu sein, werde ich Woolsey gleich davon unterrichten, dass wieder eingeschränkt diensttauglich sind. Zumindest die nächsten zwei Tage.“
John nickte nur und Carson war verschwunden.
„John, oh Gott sei Dank!“, seufzte Carol erleichtert auf und zog ihren Sohn in ihre Arme. Doch John konnte nicht verhindern, dass ihm ein kurzes und leises schmerzerfülltes Stöhnen entwich.
„Was? Jetzt zeig mal her.“
Carol begann, an Johns OP-Hemd zu nesteln.
„Mom … jetzt mach dir keine Sorgen. Du hast doch gehört, es ist alles verheilt.“
„Aber dich kann man nicht mal mehr umarmen, ohne dass du Schmerzen hast.“
„Doch … wenn du vorsichtig bist. Im Moment fühlt sich eben noch alles an, als ob es grün, blau und schwarz wäre“, gab John mit seinem gewohnt verschmitzten Lächeln zurück und wollte sich das Hemd ausziehen. Doch kaum hob er seine Arme um es sich über den Kopf zu ziehen, spürte er erneut einen relativ heftigen Schmerz in seinem Bauch, der ihn zusammenkrümmen ließ.
Carol half ihm, ließ ihn zunächst seine Arme aus dem Ärmel zwängen, bevor sie ihm dann das Hemd endlich ganz ausziehen könnte. Dabei blieb ihr Blick an der Stelle haften, in der kurz zuvor noch ein Loch geklafft hatte. Abwesend strich sie sanft darüber und musste feststellen, dass John wohl noch immer so kitzelig war, wie einst als kleiner Junge.
„Entschuldige, aber das ist… einfach unglaublich.“
„Danke!“, feixte John grinsend, wusste allerdings ganz genau, dass sich die Verwunderung seiner Mutter eher auf die nicht mehr zu sehende Verletzung bezog.
Auch beim anziehen des T-Shirts half Carol ihm, ebenso beim zuknöpfen des Uniformhemdes, was John doch etwas verlegen machte. Doch kaum hatte sie den letzten Knopf geschlossen und ihm den Kragen gerichtet, sah John die Tränen in den Augen seiner Mutter.
„Mom, was ist denn?“
„Das fragst du noch?“, erwiderte sie und brach nun vollends in Weinen aus. „Ich habe sehen müssen, wie auf dich geschossen wurde. Ich bin nur so froh, dass du noch lebst. Als du vorhin so da lagst, da … da dachte ich … ich habe mir solche Sorgen gemacht. Ich hätte es nicht ausgehalten, wenn du …“
Carol klammerte ich regelrecht an John, krallte sich an seinem Hemd fest und lehnte ihren Kopf an seine Brust, als er sie fest aber doch behutsam an sich drückte.
„Ist gut Mom, mir geht es wieder gut.“
Es brauchte einige Zeit, bis sich seine Mutter wieder beruhigt hatte und sich von ihm löste.
„Du hast uns zu Tode erschreckt, Junge … tu das nie wieder“, flehte Patrick leise, als dieser nun auch näher trat, ihn am Genick packte, um ihn schließlich zu sich zu ziehen und ihn zu umarmen.
John wusste zunächst nicht, was er von all dem halten sollte, aber so nah war er seinem Vater schon lange nicht mehr gewesen. Doch dann ließ er es einfach geschehen und auch Dave kann nicht zu kurz mit einer Umarmung, wobei dieser sich noch für sein vorheriges Verhalten endlich entschuldigen konnte.
Kaum das er aus dem OP getreten war, traf er auch schon auf ein Team, das ihn freudig anstrahlte. Auch Major Lorne war dabei und reichte ihm seinen Waffengurt und seine Uhr, Hundemarke und auch sein Armband.
Es war Rodney, der als Erstes seine Verwunderung zum Ausdruck brachte.
„Ich kann nicht glauben, dass Carson sie wieder entlässt! Oder … haben Sie sich schon wieder selbst entlassen? Müssen wir bald wieder eine Suchaktion nach Ihnen starten?“
„Regen Sie sich ab, McKay. Carson hat es aufgegeben, mich hier behalten zu wollen. Ich bin wieder fit.“
„Was John mit fit meint, ist eigentlich eine eingeschränkte Diensttauglichkeit“, erklärte Carol und nahm ihrem Sohn den Wind aus den Segeln.
„Wie dem auch sei, es ist schön, Sie wieder auf den Beinen zu sehen, Sir!“
„Danke Major, ich bin auch froh. Das können Sie mir glauben“, erwiderte John, hängte sich seine Kette wieder um, zog seine Uhr und sein Armband wieder an und schnallte sich auch wieder seinen Waffengürtel um. Kurz überprüfte seine Beretta und steckte sie wieder ins Halfter zurück.
„Wo ist sie?“, wollte John wissen und war sich sicher, dass seine Leute wussten, von wem er sprach.
„Im Isolationsraum, bei ihrem Bruder“, antwortete Teyla.
„Und Jackson?“
„Unten in der Leichenhalle. Er meinte, dass er noch nie einen Wraith aus der Nähe gesehen hätte.“
~~~///~~~
„Und du bist dir sicher?“, erklang die Stimme des Generals.
„Ja, das bin ich. Ich vertraue auf Doktor Kellers Fachwissen. Ich habe mich selbst auch schon kundig über dieses Enzym machen können, lange bevor ich erfuhr, was mit unserem Sohn vor sich geht“, antwortete Elisha und ließ an ihrer selbstsicheren Tonart keine Zweifel übrig, dass sie noch immer wütend über das Verhalten und das Versäumnis ihres Mannes war.
Tristanius schwieg nachdenklich, während er sich an das Geländer lehnte und hinunter in den Isolationsraum zu seinem Sohn sah.
„Ein Entzug ist die einzige Möglichkeit, diese Droge aus jemandem rauszubekommen. Das Problem ist nur die unterschiedliche Zusammensetzung unserer Hirnchemie. Ihre, also die Ihres Volkes … Ihrer Familie ist vollkommen anders als unsere. Im Moment verhält sich Ihr Sohn noch genauso, wie wir es von anderen abhängigen Personen kennen. Aber das kann sich ebenso gut ganz schnell ändern.“
„Wie sieht so ein Entzug aus?“, wollte Tristanius wissen, wobei sein Blick auf den hereinkommenden Colonel fiel.
Jennifer folgte seinem Blick.
„Oh Colonel Sheppard, Sie sind wieder im Dienst?“, staunte sie, als sie ihn mit seinem Team in den Beobachtungsraum kommen sah. Und auch seine Familie war wie immer mit von der Partie.
Jennifer konnte es sogar verstehen. Nach alldem, was bisher vorgefallen war, würden sie ihm wohl nicht mehr von der Seite weichen wollen.
„Ja, dank Beckett und Misses Thalis hier.“
„Nun?“, bohrte Tristanius nach und zog die Aufmerksamkeit wieder auf sich und das akute Problem.
„Tja, es gibt zwei Methoden. Zum einen der langsame Entzug. Dabei wird immer wieder eine geringe Menge des Enzyms dem Patienten gespritzt, wobei zwischen den Injektionen immer längere Zeit vergeht und auch die Dosis immer geringer wird. Zudem kann man den Begleiterscheinungen mit Schmerz und Beruhigungsmittel entgegen wirken. Aber es dauert sehr lange. Dann gibt es aber noch den sogenannten kalten Entzug. Dabei wird auf die Verabreichung des Enzyms gänzlich verzichtet. Wenn möglich auch auf die Beruhigungs- und Schmerzmittel.“
John hatte die ganze Erklärung von Doktor Keller mitbekommen und erinnerte sich schlagartig an seinen Freund Ronon.
Er würde niemals das Gefühl dieser Hilflosigkeit vergessen. Er konnte damals nichts anderes tun, als dabei zuzusehen, wie Ronon durch die Sucht litt und sich durch den Entzug kämpfte.
Natürlich war er froh, dass Dorian ebenfalls gerettet werden konnte. Aber nun würde auch er die Qualen eines Entzuges durchmachen müssen. Es würde bei ihm nicht anders sein, als bei Ronon oder Tyre. Da war sich John sicher.
Aber was John noch mehr beschäftigte, war Alexa. Auch sie würde das volle Ausmaß dieser Hilflosigkeit und der Tortur ihres Bruders zu spüren bekommen. Und das gefiel John überhaupt nicht.
Noch immer starrte Tristanius stumm und in Gedanken versunken zu seinem Sohn hinab. Er konnte immer noch nicht glauben oder gar begreifen, was ihm eben durch seine Frau und Doktor Keller erklärt wurde. Vor allem wollte er nicht glauben, dass ausgerechnet sein Sohn von diesen Wraith abhängig sein und für sie arbeiten sollte.
-Ist denn nun jeder, die ganze Familie verrückt geworden? Erst Alexa und nun Dorian, die mir in den Rücken fallen. Was ist denn nur hier los? Was ist nur geschehen, dass auf einmal diese Menschen hier sind und glauben, über uns bestimmen zu können? Dorian ist mein Sohn. Und ich bin ein … er hat mein Gen … und meine Stärke. Er lässt sich niemals so leicht beeinflussen. Die Wraith hätten ihm niemals so etwas antun können. Das ist unmöglich!-
„Was ist das für ein Enzym, von dem Sie alle sprechen?“, wollte Carol wissen.
Nach einem fragenden Blick zu John, der einverstanden nickte und nun langsam wohl oder übel zugeben musste, dass es immer schwieriger wurde, etwas vor seinen Leuten geheim zu halten, begann Jennifer genauer darüber zu berichten.
„Die Wraith nähren sich an Menschen. Dabei entziehen sie ihm die Lebensenergie oder Lebenskraft. Während diesem Nähren injizieren sie aber gleichzeitig ihrem Opfer ein Enzym, das sie vorübergehend stärkt. Es hält sie damit länger am leben, weil der Nährprozess äußerst traumatisch für den Körper ist und man sonst sofort sterben würde. Aber während diesem Prozess … altert die Person extrem schnell und letzten Endes …“
„Stirbt man“, schlussfolgerte Carol und schüttelte sich fast, als es ihr kalt den Rücken hinunterlief.
„Ja.“
„Aber warum ist er nicht gealtert?“
„Die Wraith können dieses Nähren, diese Prozedur auch rückgängig machen. Dabei nutzen sie dieses Enzym gezielt zu einer Art Gehirnwäsche. Sie nähren sich an ihrem Opfer, bringen es bis an den Rand seiner Existenz und machen dann alles wieder rückgängig. Sie geben der Person das Leben wieder zurück. Immer wieder, über Stunden oder meist Tage. Zudem wird die Person … bearbeitet. Der Wille wird gebrochen, er wird gefügig gemacht. So haben die Wraith dann geradezu perfekte Helfer, die ihnen treu ergeben sind, da sie immer wieder zurückkommen.“
„Da sie von diesem Enzym abhängig geworden sind.“
Jennifer nickte nur.
„Es ist also ungefähr gleich oder ähnlich in seinem neurobiologischen Wirkmechanismus, wie Opioide, Cannabinoide, Halluzinogene und andere Substanzen?“
„Ja … so ähnlich“, antwortete Jennifer verwirrt.
„Und diese Substanz verursacht in der Sucht und ihren Begleiterscheinungen auch die gleichen Abhängigkeitssyndrome?“
„Ähm … ja. Na ja zum Teil …“
Jennifer war durch diese Fragen etwas aus dem Konzept gebracht worden und musste schon über das daraus schließende Hintergrundwissen und das Interesse staunen. Das fiel Carol natürlich auf.
„Oh, tut mir leid! … Es ist nur so, ich hatte mich früher zeitweise beruflich damit befasst.“
„Beruflich?“
„In der Psychologie.“
„Sie sind Psychologin?“ Jennifer erstaunte immer mehr.
„Ich war. Ich war psychologische Psychotherapeutin, bevor … na ja.“
„Verstehe … das erklärt einiges“, antwortete Jennifer und sah mit großen verstehenden Augen zu John, was diesen wiederum verwirrte.
Sie hatte sich schon immer gefragt, warum John so eine Aversion gegen Psychologen hatte oder warum er niemals gerne länger in der Krankenstation verweilte, als unbedingt notwendig. Ganz besonders aber, sein Schweigen über die persönlichen Empfindungen seiner Erlebnisse auf den vielen Missionen, ganz zu schweigen von seinem Privatleben.
Es würde womöglich auch sein besonderes Einfühlungsvermögen anderen gegenüber, ganz besonders aber der jungen Antikerin erklären. Es hatte mit Sicherheit etwas mit seiner Mutter zu tun.
Doch keiner der beiden ging weiter darauf ein. Sein Team hingegen sah jedoch auch etwas staunend John und hauptsächlich zu seiner Mutter und machten sich wohl die gleichen Gedanken.
„Tristan, uns bleibt keine andere Wahl. Den Entzug muss er so oder so machen. Die Frage ist nur…auf welche Art. Natürlich will ich es ihm so leicht wie möglich machen, aber ich … wir wissen eben nicht, welche Wirkung Schmerz- und Beruhigungsmittel im Zusammenspiel mit dem Enzym auf ihn haben werden. Du hast es gehört, unsere Körperchemie unterscheidet sich von der der Menschen der Erde.“
Doch Tristanius spürte noch immer Wut und vor allem Zweifel an den Erklärungen der letzten Minuten. Ihm war schon längst bewusst, dass diese Menschen anders als er und sein Volk waren. Er hatte von Anfang an gespürt, dass sie nicht zu ihnen gehörten, auch wenn dieser Sheppard irgendetwas an sich zu haben schien, dass ihn irritierte. Doch letzten Endes spielte es keine Rolle. Diese Menschen hielten sich unrechtmäßig in seiner Stadt auf. Er hatte erst seine Freunde und Bekannte verloren, seine Arbeit, seinen Posten, sein Kommando und die Stadt und nun, nach dreizehntausend Jahren gab es immer noch solche Primitive, die seine Stadt mit ihrer Technologie und ihrer Möglichkeiten, vor allem aber sein Erbe und das seines Volkes an sich reißen wollten. Sie waren weder dazu befugt, noch dazu geeignet, eine solche Aufgabe, ein solches Werk zu vollbringen oder eine solche Verantwortung zu tragen. Dafür erschienen sie ihm viel zu schwach und unwissend. Und dennoch hielten sie sich für weit genug entwickelt, um wohl mit jedem Problem zurecht kommen zu können. Diese Arroganz und gleichzeitige Naivität erzürnte ihn.
„Ich kann nicht verstehen … ich … ich kann es einfach nicht glauben. Ich will es nicht! Dorian ist mein Sohn. Er würde so etwas niemals mit sich machen lassen!“
„Tja, wie ich schon sagte, es sind schon ganz andere von den Wraith bearbeitet worden“, knurrte Ronon und verließ entnervt den Beobachtungsraum.
„Was meint er damit?“
Diesmal war es Dave, der durch seine Neugier auffiel.
„Er meint damit, dass er es selbst durchgemacht hat“, lautete Johns knappe Antwort, nach dem er kurz überlegte, wirklich darauf antworten zu wollen.
„Wer sagt mir, dass das was Sie mir erzählt haben, wahr ist?!“, brachte Tristanius gereizt hervor.
„Fragen Sie ihn! Fragen Sie Ronon! Aber eines sage ich Ihnen gleich. Auf die Wraith ist er nicht gut zu sprechen“, entgegnete John.
„Nach allem was ich bisher erfahren habe, sind Sie für das erwachen der Wraith verantwortlich. Womöglich kollaborieren Sie mit ihnen! In diesem Falle würde ich es mich wundern, dass dieser Ronon hier ist und …“
„Oh, wenn Sie damit kommen wollen … Ihr Volk hat doch die Wraith erschaffen!“, unterbrach John ihn barsch. „Wenn Sie schon solche Argumente vorbringen wollen, sollten Sie wenigstens bei der Wahrheit bleiben, General. Früher oder später wären die Wraith ohnehin aufgewacht und hätten mit ihrem Feldzug begonnen. Diese Galaxie und ihre Bewohner würde es womöglich gar nicht mehr geben … und Sie auch nicht mehr. Fehler sind von beiden Seiten gemacht worden und nun müssen wir gemeinsam zusehen, wie diese behoben werden. Dorian ist nicht der einzige, der so auf die Wraith traf und von ihnen anhängig gemacht wurde. Wir haben bereits einige Erfahrungen in Bezug auf die Wraith gesammelt. Wenn Sie Ihrem Sohn helfen wollen, dann lassen Sie uns ihm helfen. Vielleicht schafft das endlich eine Basis des Vertrauens zwischen uns“, sagte John, wobei er noch einen weiteren Schritt auf den General zuging und ihn geradezu herausfordernd ansah.
Abermals verschlug es Tristanius zunächst die Sprache. In seinem Innerem grollte er diesem Sheppard für die respektlose Art und Weise, wie er zu ihm gesprochen hatte. Geradewegs wie ein Gleichrangigen! Nicht einmal sein Adjutant und bester Freund Marsilius hatte es jemals gewagt, sich ihm gegenüber so aufzuführen. Dieser Sheppard schien wohl nicht ganz bei Verstand zu sein oder wird beim Erdenmilitar keinen Wert auf Disziplin, Respekt und Gehorsam gelegt?
Man konnte es ihm regelrecht ansehen, wie es in ihm arbeitete. John war sich sicher, dass er tief in seinem Inneren wusste, dass es keine andere Möglichkeit gab, seinen Sohn zu retten. Es musste nur noch Klick in seinem Kopf machen.
Und dies geschah auch nach unzähligen Augenblicken, wenn er auch noch immer nicht überzeugt schien.
Grimmig aber auch widerwillig nickte er.
„In Ihrem Interesse hoffe ich, dass Sie wirklich wissen, was Sie tun. Sollte Dorian noch mehr Schaden nehmen, verspreche ich Ihnen, dass die Wraith dann ihr kleinstes Problem sein werden.“
Elisha war zwar froh, dass ihr Mann endlich zur Vernunft kam. Sie hätte es gehasst, ihn mit einer Entscheidung und Handlungen zu übergehen. Doch Tristanius verhielt sich in seinem Stolz und seiner Verantwortung derart misstrauisch und ablehnend den Menschen gegenüber, dass es äußerst schwer war, an ihn ran zu kommen und mit ihm eine gemeinsame Basis zu finden.
Mehr als einmal war sie nahe daran, sich erneut mit erhobener Stimme dazwischen zu stellen, um die Wogen zu glätten. Doch auch wenn er sich im Moment beruhigt hatte und sich etwas öffnete, wären weitere klärende Gespräche nötig.
„Na schön, ich werde alles in die Wege leiten. Carson will noch dem toten Wraith in der Leichenhalle den Enzymsack entfernen. Nur für den Fall, dass … dass es doch noch gebraucht wird. Außerdem müssen Wachen vor der Tür stehen und Dorian sollte wirklich fixiert werden“, erklärte Jennifer.
Sie hatte schon vorher versucht den Vater davon zu überzeugen, dass Dorian fixiert werden musste, doch in seinem Unwissen und Unglaube, vor allem aber seiner Sturheit hatte er es strikt untersagt.
„Wieso ist er es noch nicht?“, wunderte sich John daher.
„Der General wollte es nicht. Er hat es nicht erlaubt“, erklärte Jennifer. „Aber es ist wirklich dringend notwendig. Während des Entzugs wird er unter anderem höchstwahrscheinlich aggressiv werden. Er wird versuchen sich zu befreien und zu fliehen. Damit er weder sich noch andere verletzt, muss er fixiert werden. Und das am besten noch, bevor er aufwacht.“
„Zu spät!“, meinte John, als er sah, das Dorian aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte.
„Ihr bleibt hier!“, befahl er den anderen und verlies eilig den Beobachtungsraum. Auf dem Weg nach unten rief er noch nach Ronon, von dem er wusste, dass er noch immer in der Nähe des jungen Antikers sein würde.
~~~///~~~
„Hey, sieh mal einer an! Mein Schwesterchen ist da!“
„Hey, Dorian“, begrüßte Alexa ihn lächelnd.
„Dass du dich noch immer frei in der Stadt bewegen darfst, wird mir wohl ewig ein Rätsel bleiben“, brachte er verächtlich hervor und setzte sich auf.
Alexa war verwirrt, konnte sie doch nichts mit dieser Aussage anfangen.
„Aber ich nehme an, dass Vater dir das auch nur im Moment durchgehen lässt, weil du mich zurückgebracht hast. Dumm nur, dass du es nicht alleine geschafft hast.“
„Wovon redest du?“
„Ach tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest!“
Dorian lehnte sich weiter vor und flüsterte grinsend in ihr Ohr: „Deine neuen Freunde haben dir helfen müssen. Alleine bekommst du ja nichts mehr zustande.“
Er brachte wieder etwas Distanz zwischen sich und Alexa und schüttelte mit gespielter Fassungslosigkeit mit dem Kopf. „Sie haben dich so sehr für sich eingenommen, dass es dir noch nicht einmal auffällt, wie sie mit dir spielen. Nur jetzt ist Vater wieder da und nachdem er rausgefunden hat, was hier los ist und was du verbrochen hast, wird er durchgreifen müssen. Nur schade, dass es umsonst sein wird … oder besser gesagt, er wird erst gar nicht dazu kommen“, erklärte er süffisant grinsend.
Allmählich dämmerte es Alexa, was mit ihrem Bruder los sein könnte.
„Du redest wirres Zeug, Dorian. Das bist nicht mehr du selbst.“
„Das denkst du vielleicht. Tatsächlich aber war ich noch nie so sehr ich selbst, wie ich es jetzt bin. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie klar jetzt alles ist. Das solltest du auch mal probieren. Mein Kommandant wird dich wieder zu deiner alten Form bringen, du wirst sehen. Du wirst wieder schneller und stärker sein, genauso wie früher. Nein, sogar noch besser. Komm mit mir!“, forderte er, stand auf und hielt seiner Schwester die Hand hin.
Alexa wich vor ihm zurück und sah in seine Augen, die ihr plötzlich völlig fremd erschienen. Groß und verklärt, leer und kalt und von einer Sucht durchzogen, die schon wirklich krankhaft aussah. Sie erschrak beinahe vor ihrem eigenen Bruder. Noch niemals hatte sie ihn so gesehen. Wieder sah sie, wie ihm der Schweiß im Gesicht stand, dass zudem sehr blass wirkte. Die dunklen Ringe unter seinen Augen verstärkte ihr Entsetzen zusätzlich. Doch am meisten verwirrte und verängstigte sie sein plötzlicher Sinneswandel.
Alexa schüttelte mit dem Kopf. „Nein, ich werde nicht mit dir kommen.“
„So etwas kannst du dir doch nicht entgehen lassen! Alexa, verstehst du denn nicht, welche Möglichkeit ich dir biete? Das ist doch besser, als hier ein Leben als Verräter zu verbringen. Lass mich dich zu ihm bringen. Er ist schon ganz begierig darauf, dich kennen zu lernen.“
Wieder lehnte Alexa ab. „Nein, ist er nicht. Nicht mehr. Dein sogenannter Kommandant ist tot, Dorian. Ich habe ihn und sein Labor mit einer ganzen Ladung Drohnen dem Erdboden gleichgemacht … du wirst hier bleiben… Die nächsten Tage werden sehr schlimm für dich werden, aber danach wirst du verstehen und du wirst wieder du selbst sein.“
„Ich verstehe jetzt schon!“
Alexa hatte nicht damit gerechnet und war erst recht nicht darauf vorbereitet, dass Dorian noch immer eine enorme Kraft und Schnelligkeit durch das Enzym besaß, als er ihr mit voller Wucht ins Gesicht schlug, sodass sie abermals zur Wand geschleudert wurde und zu Boden fiel.
„Du Miststück! Ich wollte dich retten und mit mir nehmen! Aber du hast schon wieder alles kaputt gemacht. Jetzt wirst du eben hier bleiben müssen und mit der ach so großen Stadt Atlantis zerstört werden. Mich wirst du nicht aufhalten können!“, schrie er sie an und machte sich daran, den Raum zu verlassen.
Doch kaum hatten sich Türen für ihn geöffnet, traf ihn ein roter Lichtstrahl, der ihn einige Meter nach hinten schleuderte.
„Aber wir können es!“, meinte Ronon, der mit noch immer erhobener Waffe in den Isolationsraum gestürmt kam.
John direkt neben ihm und zwei Wachen zur Verstärkung hinter ihnen.
Der Stunnerschuss schien Dorian wenig gestört zu haben, denn er hatte sich wieder erhoben und wollte alles daran setzen, einen erneuten Fluchtversuch zu starten, als er vor Wut brüllend und fauchend auf sie zu rannte.
Wieder schoss Ronon auf ihn und wieder ging er zu Boden. Nur diesmal schien der Betäubungsschuss mehr Wirkung zu zeigen. Benommen kämpfte er sich auf die Knie. John konnte seinen linken Arm packen und Ronon seinen rechten. Gemeinsam wollten sie ihn zur Liege bugsieren, doch Dorian fing sich schnell wieder, riss sich los und versetzte John einen Hieb in die Magengrube, was diesen augenblicklich schwarz vor Augen werden ließ. Schmerz gekrümmt fiel er zu Boden und kämpfte gegen den aufkommenden Brechreiz.
Ein Fausthieb in den Magen war ohnehin schon schmerzhaft, doch nach diesem Schuss und der darauf folgenden Behandlung war sein Bauch noch immer extrem empfindlich, sodass er nun sogar gegen eine nahende Ohnmacht ankämpfen musste.
Schnell hatte John sich wieder unter Kontrolle und war klar im Kopf, sodass er Ronon in seinem Gerangel mit dem Antiker helfen konnte. Mit Mühe konnte er den Antiker zu fassen bekommen, schlang die Arme um ihn, sodass er kaum noch zu größeren Bewegungen fähig war. Doch Dorian wand sich hin und her und begann nun auch seine Beine einzusetzen und um sich zu treten. Ronon holte aus und schlug ihm ins Gesicht. Er war zwar nicht vollkommen ausgeknockt, doch es reichte aus, um ihn zu viert zur Liege zu hieven und ihn festschnallen zu können.
„Schön ruhig, Junge! Dafür werden Sie uns später noch dankbar sein!“, meinte John und ignorierte unter größter Anstrengung die Schmerzen in seinem Bauch.
Doch nach einigen Sekunden, in denen Dorian sich heftig zu wehren versuchte und immer wieder wütend und verzweifelt schrie und brüllte, war er endlich an die Liege gefesselt und relativ bewegungsunfähig. Lediglich aufsetzen konnte er sich noch.
In der Zwischenzeit hatte Alexa sich wieder aufrichten können und musste benommen zusehen, wie John und Ronon nicht gerade zimperlich mit Dorian umgegangen waren.
Doch sie wusste, dass es nötig war und nur dazu diente, ihm zu helfen. Sie wischte sich über ihren Mundwinkel aus dem langsam ein wenig Blut quoll, verursacht durch den Schlag, den ihr Bruder ihr versetzt hatte.
„Das werden Sie noch bereuen! Hören Sie? Sie alle werden bald tot sein, wenn Sie mich nicht gehen lassen!“
„Ja ja, das kennen wir schon! Wir lassen Sie laufen, und Sie werden uns nichts tun. Das zieht nicht!“, kommentierte John trocken und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Glauben Sie etwa, dass das mich aufhalten kann? Ich verspreche Ihnen, wenn ich hier raus komme, werden Sie die ersten sein, die sterben!“
„Wenn ich Sie wäre, würde ich mir die Kräfte sparen. Die werden Sie noch brauchen“, meinte Ronon.
„Sehen Sie, es waren schon ganz andere in Ihrer Position und die konnten sich auch nicht befreien. Und das waren Profis“, wandte John wieder ein.
Dorian merkte, dass er bei Sheppard und Ronon nicht weiterkam. Ein letztes Mal wollte er an seine Schwester appellieren und hoffte, sie doch noch auf seine Seite ziehen zu können.
„Du lässt zu, dass sie das mit mir machen?! Alexa, ich bin dein Bruder, du musst mir helfen!“
„Das tue ich … du wirst schon sehen.“
„Was haben Sie nur mit dir gemacht? Siehst du nicht, was hier vor sich geht?! Erst haben sie dich manipuliert und jetzt wollen sie das Gleiche mit mir machen!“
„Nein. Sie haben gar nichts mit mir gemacht, Dorian. Die Wraith haben dich so verändert, dass du die Wahrheit nicht mehr erkennst. Die haben dir eine Gehirnwäsche verpasst. Aber in ein paar Tagen ist alles ausgestanden und du wirst wieder du selbst sein.“
Für einige Sekunden sah Dorian seine Schwester grimmig an, versuchte neue Möglichkeiten zu finden, sie für sich zu gewinnen, doch am Ende merkte er, dass er sie nicht überzeugen könnte. Sie hatte sich seiner Meinung nach gegen ihn gestellt.
„Vater hatte echt! Du bist durch und durch eine Verräterin! Zuerst unser Volk und jetzt deinen eigenen Bruder! Das verzeihe ich dir nie! Niemals!“
Alexa musste schlucken. Dorians Worte hatten sie so hart getroffen, dass sie glaubte, ihre Kehle würde sich augenblicklich zu schnüren und ihr Tränen in die Augen treten. Immer wieder musste sie sich selbst einreden, dass er nur vorübergehend so sprechen und denken würde. Sobald sein Körper frei von dem Enzym sei, würde sich auch seine Einstellung wieder ändern. Doch sie war sich nicht wirklich sicher. Einzig die Zeit würde es zeigen.
„Ich mag vielleicht mein Volk verraten haben … aber du deine eigene Familie.“
Alexa drehte sich um und rannte hinaus. Doch neben der Tür blieb sie stehen, lehnte sich gegen die Wand und musste mehrmals tief Luft holen, um einen aufkommenden Weinkrampf zu verhindern.
Dorian hingegen schien sich nicht beruhigen zu wollen.
„Alexa, komm zurück! Ich bin noch nicht fertig mit dir! Komm sofort zurück! Alexa!“
Doch weder seine Schwester noch John und Ronon gingen weiter auf ihn ein und verließen ebenfalls den Raum.
John sah, wie Alexa um ihre Fassung kämpfte, immer wieder die Augen schloss, tief durchatmete und alles versuchte, um nicht in Tränen auszubrechen.
„Er hat es nicht so gemeint, er weiß nicht, was er sagt. Ihr Bruder ist im Moment so voll gedröhnt, das er nicht mehr weiß wo oben und unten ist“, versuchte John sie zu trösten und zu beruhigen und auch Ronon meldete sich kurz zu Wort.
„Wenn er wieder runter gekommen ist, wird ihm alles leidtun.“
Doch offenbar hatte sie keines der Worte erreicht. Noch immer atmete sie schwer, sie schlang die Arme um ihren eigenen Körper und krümmte sich.
John wurde klar, dass etwas ganz und gar nicht mit ihr stimmte.
„Alexa, was ist los?“
„Zu stark … es ist zu stark!“, wisperte sie und begann nun auch zu wimmern.
„Was ist zu stark? Dorian?“, kam es ihm in den Sinn, als er sah, dass sich beinahe so verhielt wie in dieser Wraithanlage, aus der sie ihren Bruder befreit hatten.
Alexa nickte schwach.
„Ich kann ihn spüren … Wut, Hass, Angst, Schmerzen … ich kann das nicht … ich kann nicht …“
„Colonel!“, ertönte die mehr als aufgebrachte Stimme des Antiker-Generals, der mit großen Schritten auf John zustürmte.
Doch kaum hatte Alexa ihren Vater gehört und erblickt, stöhnte sie erneut und hastete davon.
„Alexa …“
Sowohl John als auch ihr Vater waren zunächst überrascht über die plötzliche Reaktion der jungen Frau und riefen ihr hinter her, doch als John versuchte, ihr nachzulaufen, hielt Tristanius ihn auf.
„Was haben Sie sich dabei gedacht, meinen Sohn derart grob anzugehen und ihn zu fesseln?!“, fuhr er John wütend an.
Im ersten Moment war John überrascht über die erhobene Stimme und den offensichtlichen Ärger des Mannes, doch er fand recht schnell wieder zu seiner Stimme und musste nebenbei noch bemerken, dass auch seine Familie wieder am nahen war.
„Wir haben Ihnen gesagt, dass es nötig sein würde. Hätten Sie es gleich zugelassen, dass er fixiert wird, hätte er nicht seine Schwester angreifen und einen Fluchtversuch unternehmen können. Durch das Enzym ist er stärker und schneller als je zuvor.“, entgegnete John und hielt sich noch immer eine Hand an seinen Bauch.
„Sie sind sich Ihrer Sache wohl sehr sicher, was?“
„Wie wir Ihnen schon sagten, wir haben Erfahrung damit. Sie sollten uns einfach vertrauen. Wir haben kein Interesse daran, Ihnen, Ihrem Sohn oder Ihrer ganzen Familie zu schaden.“
„Das wird sich noch zeigen. Wer glauben Sie eigentlich zu sein, hm?! Wir haben schon vor dreizehntausend Jahren hier gelebt und gearbeitet und die Galaxien erforscht, während Ihr Volk noch nicht einmal richtige Hütten hatte und in Höhlen hausen musste. Ihr Leben bestand doch nur aus Jagen und sammeln! Bis dato hat sich offensichtlich nicht viel geändert!“
„Na, welch ein Glück für Sie! Sonst würden Sie immer noch da draußen in Ihren Kisten liegen und darauf warten, dass man Sie jagt und einsammelt!“
„Rodney!“, unterbrach John den Wissenschaftler. „Ich kann verstehen, dass die neue Situation Sie überfordert und Sie Schwierigkeiten haben, einiges zu verstehen und zu akzeptieren, aber ich denke, Sie sollten …“
„Sie haben nicht das Recht, mich oder meine angebliche Situation zu beurteilen und mir zu sagen, was ich soll oder nicht. Wenn Sie es noch einmal wagen sollten, derart gegen meine Familie oder mich vorzugehen, oder so mit mir zu sprechen, werde ich persönlich dafür sorgen, dass Ihre Karriere als Offizier schneller vorbei ist, als sie begonnen hat!“
„Bei allem Respekt General, aber ich unterstehe nicht Ihrer Befehlsgewalt“, antwortete John und sah seinem Gegenüber starr in die Augen.
Tristanius schwieg zunächst, atmete mehrere Male kontrolliert und tief ein und aus, bevor er noch einen Schritt auf John zuging.
Er konnte pure Verärgerung und Wut in seinem Gesicht sehen und glaubte, dass wohl gleich Blitze aus seinen Augen schießen würden, seine Nasenflügel bebten, sein Atem war deutlich als schnauben zu hören und die Kiefer mahlten vor Groll. Der Mann kochte geradezu vor Wut über. John glaubte, dass der General ihm wohl jeden Moment an den Hals springen würde, doch er wich nicht zurück.
„Zum Glück für Sie … aber wir sind noch nicht fertig“, antwortete der ältere Mann finster und rauschte an ihm vorbei.
John blieb tief durchatmend und kopfschüttelnd zurück.