Series: SGA/Der Sentinel
Series Order: 1
Characters: Sheppard, McKay, Teyla, Ronon, Weir, Lorne, Jackson, Landry, Bates, Sumner, Ford und diverse andere Bekannte des SG(A)-Verse
Genre: AU, Adventure, Friendship, Action
BETA:
Rating: R
Warnungen: Dies ist auf jede erdenkliche Art und Weise ein AU. Ich spiele mit so ziemlich allem herum. Angefangen vom Alter der Charaktere bis hin zu ihren sonstigen Hintergrund. Dennoch versuche ich dem Kanon beider Serien gerecht zu werden.
Kurzinhalt: John Sheppard ist ein Sentinel, doch er selbst weiß nichts davon. Da seine Fähigkeiten in der Vergangenheit eher selten auftraten, konnte er sich niemals einen Reim auf seine verschärften Wahrnehmungen machen. Doch dann trifft er auf Rodney McKay, der ebenfalls ein Geheimnis hütet.
Ihre gemeinsame Teilnahme an der Expedition in eine fremde Galaxie zeigt den beiden neue Wege und erweckt ein ungeahntes Potenzial in ihnen …
Anmerkung der Autorin: Dies ist mein erstes Crossover zwischen zwei Fandoms. Zum einen „Der Sentinel – Im Auge des Jägers“ und zum anderen Stargate Atlantis. Die Serie „Sentinel“ hat mich schon damals fasziniert. Schade, dass sie nicht mehr läuft, daher habe ich auch vieles vergessen, aber dennoch hoffe ich, die „Kriterien“ doch noch getroffen zu haben. Zudem habe ich in der Vergangenheit einige „Fusion“-Fanfics dieser beiden Serien gelesen und was soll ich sagen? Es hat mich gepackt.
Fanarts von Mella68 und eine von mir.
Beta: Tamara. Alle Fehler, die ihr noch finden solltet, gehören mir alleine.
Disclaimer: Mir gehört nix außer den Worten. Aber ich spiele mit allem.
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Sand. Egal, wo er auch hinsah, er sah nur Sand.
Seit er mit seinem Helikopter abgestürzt war, durchquerte John Sheppard die kleine Wüste inmitten Afghanistans und versuchte, nicht daran zu denken, welcher Ärger bereits in seiner Basis auf ihn wartete. Sofern er es denn halbwegs heil zurückschaffen würde.
Die Taliban waren ihm dicht auf den Fersen und er ahnte, dass auch seine Kameraden, derentwegen er nun durch die Wüste marschierte, ganz schön in der Klemme stecken mussten. Auch sie waren abgeschossen worden und mussten mindestens einen Schwerstverletzten haben. So viel hatte John dem Funkspruch entnehmen können, bevor er alles andere ignorierte – inklusive den General – und sich auf den Weg machte, nur um dann selbst vom Himmel geholt zu werden.
Ein Blick auf seinen Kompass verriet ihm, dass er noch immer in die richtige Richtung ging, aber wie weit war die Absturzstelle noch entfernt? Oder hinter welcher Sanddüne würde er auf die Taliban treffen, die ihn vermutlich sofort erschießen würden?
Dieser Gedanke brachte John dazu, genauer in die Umgebung zu horchen.
Er wusste nicht so recht, was er sich davon versprach. Vielleicht das leise Geräusch eines herannahenden Helikopters, der Rettung versprach, bevor es dann zum Kriegsgericht ginge, da John diese Suche trotz anderslautenden direkten Befehls eingeleitet hatte? Oder möglicherweise verräterische Geräusche der Taliban, die sich ganz in der Nähe aufhalten konnten?
Noch einmal atmete John tief durch, schloss dabei die Augen und horchte einfach. Zunächst war es mucksmäuschenstill, doch plötzlich glaubte er den leichten Wüstenwind zu hören, den er zwar regelrecht durch sein Haar wehen fühlte, aber es konnte auch eine Einbildung sein. John schob die verwirrenden Gedanken darum beiseite und konzentrierte sich darauf, mögliche andere Geräusche in der Nähe zu hören.
Und tatsächlich schien er leise Stimmen zu vernehmen. John musste ganz in der Nähe des Absturzortes sein, denn er konnte eine Stimme eindeutig einem seiner Kameraden zuordnen. Schnell steckte er seinen Kompass wieder weg, eilte vorsichtig eine kleine Düne hinauf und hielt verdutzt inne, als er in einiger Entfernung etwas Undefinierbares ausmachen konnte. Erst als er durch das Fernglas blickte, erkannte John den abgestürzten Helikopter und seine Kameraden und dass der Absturzort mehrere Kilometer entfernt sein musste.
„Das gibt´s doch nicht“, wisperte er erstaunt und ungläubig zugleich und musste gar ein zweites Mal durch das Fernglas blicken. Der interne Entfernungsmesser des optischen Gerätes zeigte ihm eine Entfernung von über drei Kilometern an.
John wusste nicht so recht, warum er das Fernglas wieder zur Seite legte und in die Weite starrte. Doch als der Absturzort plötzlich in extremer Geschwindigkeit auf ihn zu raste, wich er erschrocken zurück. Er schloss die Augen, schüttelte sich und blinzelte, als er Schwindel aufkommen glaubte.
John schluckte, sah zu Boden und erkannte jedes einzelne Sandkorn in seiner Struktur. Er blickte in den Himmel, hörte den Ruf eines Adlers und folgte dem Geräusch, bis er den Vogel mit dem prächtigen Gefieder und den gefährlichen Krallen über dem Gebirge fliegen sah, dass doch eigentlich viele, viele Kilometer weit entfernt war.
„Was zum Teufel …?“
John hatte keine Zeit, weiterhin über diese gespenstische Situation nachzudenken, die ihm sogar unter der heißen Wüstensonne noch eine Gänsehaut bescherte, und machte sich stattdessen eiligst auf den Weg, um seine Kameraden zu retten.
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„Sheppard! Gott sei Dank. Wir dachten schon, man hätte uns vergessen“, entfuhr es einem seiner Kameraden, der ihm die wenigen Meter, die John noch zur Absturzstelle hatte, entgegen kam. „Wo … wo ist der Heli?“
„Tja, sieht so aus, als hätten die bösen Jungs heute einen Lauf. Mich hat man auch vom Himmel geholt. Den verdammten Heckrotor hat´s getroffen. Wie sieht´s bei euch aus?“
„Stevenson und ich haben nur ein paar Kratzer, aber Holland hat es erwischt.“
John hielt inne und sah zu seinem Kameraden, dessen Gesichtsausdruck Bände sprach. „Sieht übel aus. Ziemlich übel. Wir können hier nicht mehr viel für ihn tun. Haben Sie Ihre Position noch durchgeben können? Unser Funk hat vor zwanzig Minuten den Geist aufgegeben.“
„Ja. Sie wissen Bescheid. Hilfe müsste schon unterwegs sein“, antwortete John und hoffte inständig, dass sich seine Leute mit den Afghanen endlich über eine Rettungsaktion einig wurden.
„Holland. Hast du wieder die Füße nicht stillhalten können?“, brachte John hervor, als er sich zu seinem Kameraden hockte und sich daran machte, den Verband zu wechseln, der sein Bein zierte. Sein Freund antwortete jedoch nicht. John schüttelte ihn leicht. „Holland! Gottverdammt, jetzt mach nicht schlapp!“, entfuhr es John, der noch immer mit dem Verband am Bein seines Freundes beschäftigt war, während seine anderen beiden Kameraden weiterhin Wache und Ausschau nach der versprochenen Rettung hielten.
„Warum? … Hast du Angst, dass du deine Wette doch noch verlierst?“, platzte es gurgelnd aus dem Soldaten, als dieser wieder die Augen öffnete.
„Hättest du wohl gerne.“ Egal wie fest John den Verband auch zog und wickelte, er konnte die Blutung nicht stoppen. John zwang sich, nicht daran zu denken, dass sein Kamerad auch innere Verletzungen haben könnte. Er hatte das Gefühl, sonst den Verstand zu verlieren.
„Seht zu, dass ihr hier wegkommt. Die Bastarde sind ganz in der Nähe. Ich weiß es, ich kann es … ich kann es fühlen.“
„Wir gehen nirgendwo hin. Rettung ist unterwegs, klar? Und so lange wirst du durchhalten. Unsere Leute sind gleich da und dann verschwinden wir. Alle zusammen.“
„Sheppard … sie kommen. Sie sind bald da. Sechs oder acht Mann. Ihr müsst hier weg … ihr müsst.“
„Mit den paar werden wir fertig“, gab John zurück.
„Lass nicht zu, dass sie … dass sie mich … und dich dürfen sie nicht auch noch kriegen. Nein, ich kann das nicht von dir … verlangen. Geh. Geht, bringt euch in Sicherheit.“
„Halt die Klappe!“, platzte es grober aus John als beabsichtigt. „Ruh dich aus. Halt den Mund und ruh dich aus, okay. Unsere Leute sind gleich hier.“
„Verdammter Starrkopf.“
„Ja ja. Ich weiß. Wenn wir es hier raus geschafft haben und du wieder auf dem Damm bist, spendierst du uns ein Bier für den verdammten Starrkopf, klar?“
„Tut mir leid.“
„Shhh. Hör auf.“
„Nein. Du verstehst nicht. Du wirst hier … rauskommen. Das weiß ich. Aber ich … John … du solltest es akzeptieren.“
„Nein und hör mit diesem Gerede auf.“
„Du verstehst es einfach nicht. Noch nicht. Aber … du wirst. Und du … du musst es akzeptieren und annehmen. Das ist besser. Glaube mir … ist besser.“
„Shhh. Hör auf zu reden. Wir alle kommen hier schon wieder heil raus. Ich verspreche es dir, okay? “
Lyle lächelte kurz, bevor ihn ein Hustenanfall packte und ihn abermals Blut spucken ließ. Sein Lächeln erstarb. „Tut … mir leid.“
John ging nicht weiter auf das wirre Gerede ein, denn er glaubte, dass es das Morphin sei, das seinem Kameraden derart den Verstand vernebelte. Er wischte ihm das Blut und den Schmutz aus dem Gesicht, als er bemerkte, wie Hollands Blick ins Leere glitt. „Holland? …. Hey, Holland! … Komm schon. Komm schon. Holland! Verdammt noch mal!“
John wurde von einer merkwürdigen Lähmung erfasst. Alles, was er noch sah, war der Leichnam seines Freundes. Der Rest war bedeutungslos für ihn. Er spürte seine eigenen Verletzungen nicht mehr, auch wenn es nur ein paar Kratzer und Beulen waren. Auch die sengende Hitze, oder der Wüstenwind, der ihm noch immer das Haar zerzauste, der Durst der ihn schon seit Stunden plagte, all das war für ihn weite Ferne gerückt. Er hörte auch nicht das Gebrüll und Geschrei seiner Kameraden, die ihn vor anrückenden Taliban warnten. Erst als einer seiner Kollegen an ihm rüttelte und ihm eine Waffe in die Hand drückte, fand John wieder ins Hier und Jetzt zurück.
Er sprang auf, drehte sich um und blickte seinem Gegner direkt in die Augen …
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John erwachte im Lazarett der Basis und blickte in das ausdruckslose Gesicht seines vorgesetzten Offiziers.
„Mann, Sheppard, diesmal haben Sie aber ganz schön vergeigt …“, begann Colonel Karl Manning, doch John hörte nicht zu. Ihn irritierte vielmehr die Tatsache, dass er sich nicht daran erinnern konnte, wie er es zurückgeschafft hatte.
„Meine Leute?“, krächzte John fragend.
„Ihre Leute? Denen geht’s gut“, beantwortete der Colonel Johns Frage. „Holland hat es nicht geschafft, aber wie mir berichtet wurde, wissen Sie das schon. Und mir wurde sehr viel berichtet. Jetzt bin ich hier und will mir Ihre Version der Dinge anhören, also …“
„Ich … ich weiß nicht.“
„Sie wissen nicht. Woran erinnern Sie sich?“
John versuchte es. Er versuchte wirklich, sich zu erinnern, aber mehr als ein paar unscheinbare, aber doch erschreckende Bilder wollten ihm einfach nicht einfallen. Er schüttelte mit dem Kopf. „Kann ich nicht sagen.“
„Können oder wollen Sie nicht?“
„Kann nicht. Es sind nur Bilder … verschwommene Bilder.“
„Na schön. Ich werde mit General Brewer sprechen, aber ich weiß nicht, ob ich Sie da noch mal raushauen kann. Schlafen Sie etwas, wir reden dann morgen weiter. Vielleicht erinnern Sie sich dann an etwas.“
Colonel Manning verließ das Krankenzimmer und gesellte sich zu dem Arzt, der die letzten Notizen in einer Krankenakte studierte.
„Sie haben es ihm nicht gesagt?“
„Nein. Ich denke, es ist besser, wenn er sich selbst daran erinnert.“
„Aus medizinischer Sicht eine gute Idee, ja“, antwortete der Arzt. „Aber … ich persönlich weiß nicht, ob das, was ihn dazu veranlasst hat, sich im Nahkampf gegen acht Taliban zu behaupten, seinen toten Kameraden meilenweit durch die Wüste zu tragen und zwei seiner Kameraden heil nach Hause zu bringen, etwas ist, woran man sich erinnern sollte.“
„PTSD?“
„Würden meine Kollegen bestimmt sofort diagnostizieren. Jeder Mensch hat seine Grenzen, wenn es um traumatische Erlebnisse geht, aber ich kenne Sheppard. Er ist ein harter Hund. Er kann viele Dinge wegstecken, bei denen manch anderer zusammenbrechen würde. Aber wenn man bedenkt, was Stevenson und Bowman berichtet haben …“
„Drogen? Medikamente?“
„Hatte ich auch im Verdacht, aber er ist absolut clean.“
„Untersuchen Sie ihn morgen noch mal.“
„Hatte ich vor.“
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John hatte eine Menge Ärger am Hals.
Zugegeben, weitere Untersuchungen blieben ergebnislos und bestätigten lediglich, dass Johns Gehör und Sehkraft vollkommen in Ordnung waren. Ein paar Mal bestand er darauf, seine Kameraden aus mehreren Kilometern Entfernung gehört und gesehen zu haben, doch am Ende wurde John klar, besser nicht mehr davon zu sprechen, wenn er nicht wegen eines posttraumatischen Stress-Symptoms oder Schlimmerem vom Dienst suspendiert werden wollte.
Auf eine Verhandlung vor dem Kriegsgericht wurde verzichtet und tief in seinem Inneren wusste er, dass er es nur seinem Status als Sohn eines reichen und einflussreichen Industriellen zu verdanken hatte, `nur´ mit dutzenden Befragungen, Verhören und zu guter Letzt einer offizielle Anhörung vor einem Militärgericht davon gekommen zu sein. Befragungen, Verhören und einer Anhörung, die arg an seinen Nerven zerrten.
Das Urteil der Militärgerichtsverhandlung war für John niederschmetternd.
Eine Degradierung zum Major, der Entzug der meisten Fluglizenzen und eine Strafversetzung – dabei sprach sein Richter noch von ‚Glück gehabt‘ – nagten an ihm.
Doch das alles war nichts im Vergleich zu Johns Ängsten, Befürchtungen, Zweifeln und Sorgen. Er konnte sich noch immer nicht so recht an die Geschehnisse in der Wüste erinnern und er fragte sich insgeheim, ob er es denn sollte.
Ja, er wusste, dass er direkte Befehle missachtet und sich einfach so einen Helikopter geschnappt hatte, hinter feindliche Linien geflogen und abgeschossen worden war und es dennoch irgendwie zu seinen Kameraden geschafft hatte. Er erinnerte sich auch vage daran, mit dem toten Holland auf seinen Schultern im nächsten Stützpunkt angekommen und dann dort zusammengebrochen zu sein.
Doch alles andere schien hinter dem Schleier der Verborgenheit zu ruhen und John schaffte es einfach nicht, die Details hervorzuholen oder eine Erklärung für seine verrücktspielenden Sinne zu finden. Er fragte sich einmal mehr, ob es überhaupt eine Erklärung dafür gab. Womöglich hatte er sich das alles nur eingebildet.
Vielleicht war es auch einfach nur Glück oder ein Zufall oder … oder die Ärzte hatten recht und er zeigte womöglich doch die ersten Anzeichen eines Posttraumatischen Stress-Syndroms. Das fehlte gerade noch.
Während des Fluges hatte John versucht, die Geschehnisse in der Wüste und den Nervenkrieg durch die Anhörungen zu analysieren und für sich abzuhaken. Daran zu rütteln gab es ohnehin nichts mehr und es war ja nicht so, dass er niemals wieder den Steuerknüppel eines Helikopters in den Händen halten durfte. Außerdem war er schon so ziemlich auf jedem Kontinent der Erde gewesen und da wurde es wohl früher oder später Zeit, auch mal die Antarktis zu erkunden.
Wenn er sich nicht dumm anstellte und einmal mehr die Füße stillhalten würde, würde er in McMurdo kein allzu schlechtes Leben haben, auch wenn die Chancen, wieder von da weg zu kommen, praktisch gleich Null waren. Aber er wusste auch, dass er einer der besten Kampfpiloten der Air Force war und die wurden oftmals händeringend gesucht, also bestand doch noch eine winzige Chance. An den merkwürdigen Moment in der Wüste wollte er niemals wieder denken.
Doch das war schwer, denn John erwachte ein weiteres Mal aus einem mehr als verstörenden Traum. Er blickte sich ertappt um und registrierte zu seiner Erleichterung, dass niemand der ohnehin kleinen Crew des Transportfluges, der ihn nach McMurdo bringen würde, auf ihn achtete. Er richtete sich wieder auf, fuhr sich mit den Händen über das Gesicht und versuchte wieder einmal, die Worte und den Gesichtsausdruck seines Freundes Holland im Moment seines Todes aus dem Kopf zu bekommen.
Tief in seinem Inneren wusste John jedoch, dass ihm das aus irgendeinem Grund niemals wirklich gelingen würde.
Einige Monate später
John hatte Recht behalten. Das Leben in McMurdo war größtenteils ganz entspannt. Das militärische Protokoll wurde recht locker gehalten und durch die merkwürdige Forschungseinrichtung mitten im weißen Nirgendwo des südlichsten Kontinents gab es in den letzten Tagen und Wochen auch genug zu tun. Immer wieder mussten irgendwelche Zivilisten, meist Forscher oder Wissenschaftler unterschiedlichster Bereiche dorthin geflogen oder abgeholt werden oder es standen Transportflüge der vielen Güter und Gerätschaften auf den Flugplänen. Doch niemals wurde auch nur einem einzigen Piloten oder einer anderen Person des McMurdo Stützpunktes der Zugang der Forschungseinrichtung gestattet. Man konnte gerade mal die Wohncontainer, die Krankenstation, die Kantine, eben alles, was auf der aktuellen Ebene gelegen war, betreten. Aber wollte man nur in die Nähe des Fahrstuhls, der offenbar tief nach unten ins Eis führen musste, wurde man von schwer bewaffneten Soldaten aufgehalten und bekam unter Umständen mächtigen Ärger, wie Johns Kollege Fredericks.
Auch er war ein Pilot, der seine Strafversetzung im ewigen Eis fristen musste. Doch seine Neugier bezüglich dieses Außenpostens brachte ihm einen mächtigen Anschiss bei Colonel Benson, dem Stützpunktkommandanten ein. Das hinderte ihn jedoch nicht, über seine Erfahrungen und Beobachtungen zu plaudern und zudem auch gleich die Gerüchteküche erneut anzuheizen.
„Da unten soll etwas sein, das nicht von dieser Welt ist.“
„Das Einzige, was nicht von dieser Welt ist, bist du, Fred“, gab ein weiterer Pilot zurück, der sich mit John, Fredericks und einem weiteren Soldaten namens Palance zum Poker verabredet hatte.
„Ja, das erklärt auch diese grünliche Farbe, die du heute schon den ganzen Tag hast“, kam es grinsend von Palance.
„Das liegt an Mishos Erbseneintopf“, gab Fredericks beleidigt zurück.
„Wieso? Der war doch gut“, antworte Palance wieder und sortierte noch immer seine Karten.
„Ich hasse Erbsen. Ich habe sie als Kind gehasst und ich werde sie noch hassen, wenn ich irgendwann ins Gras beiße.“
„Eis, mein Lieber. Du meinst ins Eis. Es gibt kein Entrinnen aus diesem eisigen Paradies. Sieh es endlich ein, Fred. Du kommst von hier nicht weg.“
„Warum sagst du das mir? Sheppard sitzt direkt neben dir. Er ist es doch, der es nicht abwarten kann, von hier wegzukommen. Habe ich recht, Shepp?“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Mir gefällt´s hier.“
„Na klar gefällt´s dir hier. Keine Kugeln, die dir um die Ohren fliegen, kein Sand, der dir in die Ritze kriecht … warum hast du eigentlich nicht das Handtuch geschmissen und dich in der Firma deines Daddys breitgemacht? Sonne, Strand und Meer. Du würdest an der Quelle sitzen und müsstest dir nicht in so mancher Nacht den Arsch abfrieren. Du hättest da allen Luxus und massig Geld, und die Weiber würden dir nur so hinterher rennen.“
John betrachtete nur kurz seinen Kameraden und fragte sich, woher dieser wusste, wer er war und was sein Vater beruflich tat. Doch er ging auf die geradezu provozierende Frage nicht ein und sortierte stattdessen in aller Seelenruhe mit einem Pokerface seine Karten auf der Hand. John hatte schon früh gelernt, zu schauspielern, wenn es um ihn beziehungsweise sein Privatleben ging und die Soldaten waren schon so eng miteinander befreundet, dass solche Kommentare und Spitzen auch nicht mehr ganz ernst genommen wurden. Nur Ned wartete noch immer auf die Beantwortung seiner Frage, warum John noch immer in der Air Force diente.
Aber John hatte keine Lust mit ihm oder sonst wem über seinen Vater und dessen Firma zu sprechen. Er lag seit Jahren im Clinch mit seinem Vater – seit dem letzten großen Streit, kurz nachdem John aus Afghanistan zurückgekommen war, sah er sich zu Hause endgültig nicht mehr als willkommen an.
Patrick Sheppard hatte niemals einen Hehl daraus gemacht, dass ihm die Berufswahl seines ältesten Sohnes überhaupt nicht gefiel und ließ keine Gelegenheit aus, es ihm auch zu zeigen. Auch das Verhalten und die Wortwahl während des letzten großen Krachs waren so extrem gewesen, dass John es als endgültigen Bruch angesehen, wutentbrannt das Haus verlassen und sich vorzeitig zum Abflug in die Antarktis gemeldet hatte.
Ned gab auf. Er würde nichts aus seinem Kameraden herausbekommen.
Eine Weile spielten die Soldaten ihr Pokerspiel weiter, scherzten und neckten sich gegenseitig, doch als der Kommandant des Stützpunktes persönlich in die Runde platzte, war es zunächst aus mit der lockeren Gelassenheit. Blitzschnell ließen die Soldaten ihre Karten fallen und salutierten.
„Rühren!“ Der Colonel wandte sich sodann an John. „Sheppard, ich weiß, Sie haben morgen keinen Dienst, aber General O’Neill möchte morgen früh rüber geflogen werden und Nellis, der morgen Dienst hätte, ist ausgerutscht und hat sich den Arm gebrochen. Also habe ich Sie dafür vorgesehen. Rüber fliegen, dort warten und ´ne ruhige Kugel schieben und ihn später wieder herbringen. Keine Ausflüge, keine Dummheiten … keine Probleme. Klar soweit?“
„Ja, Sir. Ich denke schon.“
„Gut. Ich habe den Eindruck, dass der General recht umgänglich ist und wenn Sie Ihren besonderen Charme spielen lassen und die Füße etwas stillhalten, könnte das ein weiterer Schritt in Richtung einer Tür für Sie sein, die Sie hier wieder herausführt. Außerdem haben Sie dann dafür übermorgen frei.“
„Klingt gut, Sir“, meinte John und nahm erst wieder Platz, als der Vorgesetzte den Raum verlassen hatte und kassierte neugierige und amüsierte Blicke von seinen Kameraden, die liebend gerne mit ihm tauschen würden.
Doch John sollte recht schnell merken, wie umgänglich der General wirklich war und dass es in der Nähe einer geheimen Forschungseinrichtung nicht besonders einfach war, die Füße stillzuhalten und keine Probleme zu bekommen.
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Seit zehn Minuten waren sie in der Luft und der General hatte offenbar Gesprächsbedarf. So hatte er John schon in ein lockeres Gespräch verwickelt und ihm auch einige Einzelheiten zu seiner Ausbildung entlockt, als John glaubte, in einiger Entfernung etwas auf sie zu fliegen zu sehen.
„Was ist denn das?“
„Was? Wo?“, wollte General O’Neill wissen und folgte dem Blick des jungen Piloten.
„Da vorne. Auf zwei Uhr. Da ist ein … keine Ahnung, was das ist. Ne Rakete? Oder eine Drohne oder …“
„Ich sehe nichts“, gab O’Neill nochmals bekannt und sah immer skeptischer zwischen dem Piloten und der Richtung, in der das vermeintliche Objekt zu sehen sei, hin und her. Doch er konnte selbst nicht das Geringste erkennen.
„Sind Sie sicher, dass da was ist? Meine Augen sind noch ziemlich gut, im Gegensatz zu meinen Knien, aber ich kann beim besten Willen nichts erkennen.“
„Ja, ich bin mir sicher, Sir. Da ist etwas und es kommt näher … ziemlich schnell sogar.“
„An alle, die sich im Anflug befinden: Melde Drohne, die selbstständig Ziel erfassen kann. Unverzüglich landen und Motoren ausschalten. Das ist keine Übung“, ertönte plötzlich die Warnung aus dem Funkgerät.
Mit großen Augen sah O’Neill zu John, der den Blick genauso verwirrt und nur mit kurzem Achselzucken erwidern konnte, bevor eine wilde Verfolgungsjagd begann. „Woher wussten Sie … Wie haben Sie …“
„Ich wusste es nicht, Sir, glauben Sie mir. Ich habe das Ding nur gesehen und dann kam auch schon die Warnung“, antwortete John auf die erstaunte Frage und wich mit einem geschickten Manöver erneut der Drohne aus.
John musste sich richtig ins Zeug legen und alles an Konzentration auffahren, um dieser Drohne auszuweichen. Die Anweisungen des Generals waren dabei allerdings wenig hilfreich. Der strahlende Sonnenschein, der den weißen Schnee unter ihnen noch heller leuchten und glitzern und den Himmel in einem hellen, fast gänzlich weißen Licht erscheinen ließ, machten es ihm auch nicht gerade leichter.
John vertraute mehr seinem Instinkt als den Bitten, Befehlen und Anweisungen des Generals und flog scharfe Kurven und Manöver, um dem merkwürdigen und lästigen Ding zu entkommen. Hieß es ’nach rechts‘, flog John nach links. Lautete der Befehl ’nach oben‘, ging John in den Sinkflug über. Doch als endlich eine Möglichkeit kam, die Drohne endgültig loszuwerden, waren sich John und der General über das Hochziehen der Maschine einig.
Die Drohne krachte hinter ihnen in den Schnee, John landete die Maschine und beide glaubten, kurz durchatmen und sich sammeln zu können. Doch diese Drohne hatte wohl andere Pläne. Sie schoss aus dem Schnee heraus und nahm wieder Kurs auf den Helikopter. John und der General versuchten, sich mit einem Hechtsprung aus der Maschine zu retten, doch dann fiel das Ding wenige Meter vor ihnen energielos zu Boden und kam vor Jacks Füßen zum endgültigen Stillstand.
Auf die Frage Was zum Teufel das denn gewesen sei, bekam John nur die Antwort `Das erkläre ich Ihnen vielleicht ein anderes Mal?´
„Wie zum Teufel haben Sie das Ding so früh sehen können, Sheppard?“
„Ich weiß es nicht, Sir. Habe wohl ziemlich gute Augen. Das Ding … hat die Sonne reflektiert und ich habe es aufblitzen sehen“, gab John erklärend zurück. Er setzte sich wieder in den Helikopter und hoffte, dem General würde diese Erklärung auch ausreichen.
Er hatte wirklich keine Lust, sich wieder Befragungen und Untersuchungen bezüglich seiner Sinne und vielleicht noch seines geistigen Zustandes zu stellen, die am Ende doch nur im Sande verliefen, weil man nichts Ungewöhnliches finden konnte. Das sollte endgültig hinter ihm liegen.
„Sie haben wohl so einige Erfahrungen mit Drohnen und Kugeln und anderem, was einem ständig um die Ohren fliegen kann, hm?“
„Nun ja, Sir, Afghanistan ist nicht gerade ein Urlaubsresort.“
„Ja … ja, das stimmt wohl. Haben Ihre Augen wohl gut trainiert. Und … Sie haben so manches Mal nicht auf mich gehört.“
„Tut mir Leid, Sir. Ich dachte nur …“
„Ach, vergessen Sie es Sheppard. Ihre Manöver haben uns unsere Hintern gerettet … wirklich gut geflogen“, lobte O’Neill den jungen Piloten mit einem nachdenklichen Blick.
„Danke Sir.“
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Am Ende des Tages wusste John, dass sein Kollege Fred recht hatte. In diesem geheimen Außenposten gab es tatsächlich etwas, das nicht von dieser Welt war und John steckte mittendrin. Der Ratschlag, die Füße stillzuhalten und keine Ausflüge oder Probleme zu machen, hatte sich praktisch in Luft aufgelöst, als er sich während einer kurzen Erklärung eines Arztes in einen merkwürdig aussehenden Stuhl gesetzt und eine unbeabsichtigte Lichtshow eingeleitet hatte, die sich sehen lassen konnte.
Am merkwürdigsten erschien ihm jedoch ein ganz bestimmter Wissenschaftler in einem grell orangefarbenen Fleece-Pullover, der ihm nicht mehr von der Seite wich, kaum dass er diesen Stuhl wieder verlassen hatte. Es war weniger die Tatsache, dass der Mann weder Punkt noch Komma zu kennen schien, während er John noch mehr verrückt klingende Geschichten erzählte oder ihn bat, den einen oder anderen merkwürdigen Gegenstand anzufassen und ebenfalls zum Leuchten zu bringen.
Es war vielmehr so, dass John im ersten Moment eine Art Anziehung zu diesem Mann spürte, wie er sie in dieser Stärke bisher noch nie gespürt hatte. Es sollte ihn erschrecken, vielleicht sogar schockieren oder ihn sonst irgendwie stören, doch je länger er in Anwesenheit dieses Mannes war, ihm zuhörte und ihn beobachtete, desto stärker schien diese Anziehung zu werden. Mehr noch, es schien sich eine seltsame Verbindung zu ihm zu entwickeln, die John nur noch mehr irritierte.
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Rodney wusste, dass er nicht gerade besonders umgänglich war. Er war unhöflich, laut, hyperaktiv, ungeduldig, vor allem wenn es um die Dummheit anderer ging, und hatte auch keinerlei Probleme, jemanden von Angesicht zu Angesicht einen Idioten zu nennen.
Es fehlte ihm an Ruhe, Ausgeglichenheit, Geduld und vielleicht auch einer sanften Ader, die im Umgang mit anderen Menschen, besonders Kollegen und Untergebenen manchmal wirklich nötig war.
Aber Rodney wusste dies alles nicht, weil man es ihm in seinem bisherigen Leben so oft gesagt, sogar regelrecht vorgeworfen hatte. Nein, Rodney wusste es, weil er es in den Menschen spüren konnte. Er konnte in den Menschen, besonders in deren Gefühlen, lesen wie in einem Buch. Er wusste nicht mehr genau, wann das alles angefangen hatte, aber erinnerte sich noch gut daran, wie schlecht ihm am Anfang immer wurde, wenn er glaubte, sein Gegenüber genauer studieren zu müssen, nur um dann Neid, Ablehnung, Boshaftigkeit und manchmal sogar puren Hass zu spüren.
Rodney schob es seinem Intellekt, seinem Können und seinem Wissen zu, denn er war nicht gerade zurückhaltend diesbezüglich, aber sah auch nicht ein, sich für andere zu verbiegen. Er machte stattdessen das Beste daraus und lernte damit umzugehen. Mehr oder weniger. Nein, er wurde Astrophysiker mit einer Affinität für angewandte Mathematik und weiteren Doktortiteln in Maschinenbau und Ingenieurswesen und blieb sich und seinen Macken treu.
Eine seiner selbst ernannten Macken war sein Recht auf seine Privatsphäre, und da er auch mehr als gewillt war, die Privatsphäre anderer zu respektieren, erzählte er niemandem etwas davon. Es war ohnehin pures Glück, dass es bisher niemand mitbekommen hatte. Abgesehen davon erachtete Rodney seine Zeit als zu kostbar, um weltbewegende Dinge zu entdecken, anstatt sie mit der Psychoanalyse von Leuten zu verbringen, die ihn ohnehin nicht interessierten.
So las er nur noch selten in anderen Menschen, meistens vermied er es sogar ganz. Doch gelegentlich traf er Personen, bei denen es unmöglich schien, sie und ihre Emotionen auszublenden oder gar zu ignorieren. Zugegeben, es war dabei jedes Mal besonders stark und Rodney konnte kaum dagegen angehen. Meist half da nur die Flucht und Abstand.
Rodney verstand bis zum heutigen Tag einfach nicht, was vor sich ging oder was es zu bedeuten hatte. Es war ihm schlichtweg ein Mysterium.
Ein ebensolches Mysterium war auch dieser Pilot. Dieser John Sheppard. Es war für Rodney schon schlimm genug, dass dieser Sheppard das Antiker-Gen besaß und das auch noch in einer Stärke, die beinahe einen Unglauben aufkommen lassen könnte.
Was Rodney jedoch am meisten irritierte, war die Tatsache, dass er in diesem Mann lesen konnte, wie in keinem anderen zuvor und dass er sich in keinster Weise dagegen sträubte. Es war beinahe wie ein Zwang, diesen Mann zu beobachten, zu befragen, mit ihm zu reden und ihn zu studieren.
Doch je tiefer er in diesen Mann sah, desto schwerer fiel es ihm, sich zu konzentrieren und an irgendetwas anderes zu denken. Dass sein Gegenüber das Antiker-Gen besaß rückte für ihn plötzlich in weite Ferne, als er das Gefühl von Versagen, Schmerz, Trauer und ja, sogar Angst spüren konnte. Aber da war noch mehr und Rodney fühlte sich einmal mehr herausgefordert, dem auf den Grund zu gehen. Es spielte keine Rolle mehr, dass er mitten in seinen Erklärungen innehielt und zu dem Mann starrte, der damit beschäftigt war, eine Reihe kleiner Antiker-Geräte zu studieren.
Rodney bekam auch nicht mit, wie Sheppard plötzlich ihn im Gegenzug studierte. Erst als Carson und Elizabeth zurückkehrten und den Major um ein kurzes Gespräch baten, konnte sich Rodney aus etwas losreißen, dass er bisher noch niemals erlebt hatte.
Er sah in das Gesicht des Majors, der dicht vor ihm stand und ihm geradewegs in die Augen blickte. Er war sich nicht ganz sicher, was gerade geschehen war, was zwischen ihm und dem Major geschehen war, aber die Tatsache, dass die Gefühle des Majors nicht nur besonders stark zu ihm herüber geschwappt waren, sondern auch noch mit Bildern behaftet schienen, die Rodney in seinen Grundfesten erschütterten, ließ ihn fast in die Knie gehen.
Rodney ließ den ebenso verwirrt scheinenden Mann ziehen, ohne dabei zu vergessen, dass er weit mehr als dessen Gefühle gespürt und Erinnerungen gesehen hatte. Irgendetwas war an ihm, dass ihm bekannt, geradezu vertraut vorkam. So vertraut, als hätte er gerade einen Teil seiner selbst gesehen, der ihm bisher verborgen war. Rodney musste endlich herausfinden, was vor sich ging und mit ihm geschah.
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Acht Wochen waren seitdem vergangen. Acht Wochen voll Unfassbarem und Unglaublichem. John hatte noch mehr Leute kennengelernt und noch mehr erfahren müssen. Er wurde in das Stargate-Programm eingeführt, hatte sich mit noch mehr außerirdischen Geräten beschäftigen müssen, lernte und trainierte und hatte auch zähneknirschend weitere Untersuchungen über sich ergehen lassen und sich neuen Befragungen gestellt. Die Erfahrungen und Erlebnisse in Afghanistan und auch in der Antarktis versuchte er so weit wie möglich herauszuhalten und zu verharmlosen. Es kostete ihn weniger Mühe als erwartet und am Ende hatte John sogar selbst alles so weit verdrängt, dass es nicht mehr als schemenhafte Erinnerungen an ein paar schlecht gelaufene Tage waren. Nur Hollands Bildnis wollte ihn einfach nicht loslassen. Doch seiner Meinung nach fand John in seiner Arbeit und in den Vorbereitungen für den Aufbruch zu einer der größten Entdeckungsreisen der Menschheit genügend Ablenkung.
Die Zeit verging rasend schnell und der Abreisetermin rückte immer näher. Schon in wenigen Tagen sollte es losgehen. Los zu einem anderen Planeten, in einer anderen Galaxie. John glaubte, noch immer irgendwie in einem Traum zu stecken. Besonders in Momenten, in denen dieser leicht untersetzte kanadische, arrogante und ohne Punkt und Komma quasselnde, nervtötende Mann, der sich gerne als führender Wissenschaftler betitelte, ihm auf Schritt und Tritt folgte. Man könnte meinen, es entwickele sich langsam aber sicher zu einem Albtraum. Der Mann glaubte offenbar, ein gewisses Anrecht auf ihn zu besitzen und ihn je nach Lust und Laune in den verschiedensten Laboren antanzen zu lassen und ihm regelrechte Befehle erteilen zu können. Anfangs hatte John noch gerne mitgemacht und die Art und das Gehabe des Wissenschaftlers geflissentlich ignoriert, teilweise sogar belächelt. Im Grunde war ihm der Mann sogar auf eine gewisse Art und Weise sympathisch und er wollte nicht vergessen, dass diesen Mann etwas Geheimnisvolles umgab, das ihn von Sekunde eins an in einen merkwürdigen Bann zog. Aber da war noch eine andere Seite an ihm, die Johns Geduld in letzter Zeit immer mehr strapazierte.
Abgesehen von der Tatsache, dass er nie so recht wusste, warum immer er derjenige sein musste, der außerirdische Maschinen, Geräte und andere Artefakte bedienen musste. Von deren Nutzen oder Funktionen ganz schweigen. Wer wusste denn schon, ob er nicht selbst mal aus Versehen etwas kaputt machen oder jemanden verletzen konnte, so wie es Carson Beckett in diesem verdammten Stuhl beinahe ergangen war. Und dieser Wissenschaftler mit Namen McKay hatte sich bereits wieder an ihn dran gehängt.
„Major, Sie sollten sich doch bei mir melden, um eines der Geräte, die wir da noch gefunden haben, zu …„
„Doc, ich bin auf dem Weg zu General O´Neill. Ihr Gerät oder was auch immer muss warten. Außerdem, gibt es denn nicht genug Leute mit diesem blöden Gen, die Sie um Hilfe bitten können?“, erwiderte John, als er eilig zu General O´Neills Büro ging.
„Die gibt es wohl. Aber Sie haben nun mal von allen das stärkste Gen und die Ergebnisse, die wir erzielen könnten, wären bei anderen Genträgern beileibe nicht so aufschlussreich und klar, als bei Ihnen. Außerdem haben Sie doch den Befehl erhalten, sich bis zur Abreise für verschiedene Test- und Versuchsreihen zur Verfügung zu stellen. Also bitte.“ McKay deutete mit schnippenden Fingern in Richtung Laboratorium. Auch so eine Sache, die er an dem Wissenschaftler hasste, aber doch schmunzeln ließ.
„Oh, ich fühle mich geschmeichelt …“, entfuhr es John leicht sarkastisch. „Man hat mich gebeten, Sie und Ihr Team zu unterstützen. Es war kein Befehl. Dennoch werden Sie sich gedulden müssen, Doktor McKay. Abgesehen davon wäre es zur Abwechslung mal nicht verkehrt zu wissen, was ich da jedes Mal aktivieren soll. Ich habe nämlich wirklich keine Lust, für irgendwelche Schäden verantwortlich gemacht zu werden oder jemanden zu verletzen oder … Schlimmeres. Von meiner eigenen Gesundheit und meinem Leben ganz zu schweigen.“
„Ja ja, jetzt stellen Sie sich mal nicht so an. Glauben Sie etwa wirklich, dass wir die Sicherheitsvorschriften nicht beachten und auch nicht an mögliche Risiken denken? Was glauben Sie denn, wer vor Ihnen steht?“
„Wollen Sie eine ehrliche oder eher diplomatische Antwort?“, gab John feixend zurück, doch McKay schien es entweder nicht zu verstehen oder nicht darauf eingehen zu wollen.
„Dieses ganze Projekt ist immens wichtig, Major. Es ist so wichtig, dass ich befürchte, dass Sie mit Ihrem kleinen Soldatenhirn gar nicht fähig sind, die Wichtigkeit, die Ausmaße und die Möglichkeiten zu begreifen, die sich uns beim Durchschreiten des Stargates bieten.“
„Oh ich verstehe es sehr wohl. Ich verstehe ganz gut, wie wichtig Ihnen mein starkes Gen ist. Und weil ich selbst auch gerne noch weitere Wichtigkeiten, Ausmaße und Möglichkeiten kennenlernen möchte und das Tor noch durchschreiten will, versuche ich möglichst am Leben und in einem Stück zu bleiben.“
McKay stöhnte. John hätte nicht gedacht, dass die Mundwinkel dieses miesepetrigen Wissenschaftlers noch weiter nach unten sinken konnten, aber es ging.
„Major, uns bleiben nur noch wenige Tage bis zur Abreise und wir haben noch nicht einmal …“
„Na dann ist ja noch genug Zeit. Ich werde jetzt in dieses Büro gehen, Doc, mein Gespräch mit General O´Neill hinter mich bringen und dann vielleicht, aber nur vielleicht, darüber nachdenken, Ihnen bei dem nächsten Artefakt oder was auch immer, behilflich zu sein. Vorausgesetzt natürlich, ich kriege diesmal ein wenig mehr Info als `Und jetzt konzentrieren bitte´. Andernfalls suchen Sie sich jemand anderen. Versuchen Sie es doch mal mit Doktor Beckett. Sein Gen ist vielleicht nicht ganz so stark, aber … um etwas in die Luft zu sprengen, wird es wohl reichen. Nur geben Sie mir vorher bitte Bescheid, damit ich in Deckung gehen kann. Und jetzt entschuldigen Sie mich“, erklärte John, klopfte an die Bürotür des Generals und trat nach der schnellen Aufforderung ein.
Sprachlos blieb der Wissenschaftler zurück.
~~~///~~~
Das Gespräch mit O´Neill hatte nur kurz gedauert und ihm stand nun der Nachmittag zur freien Verfügung. Kurz entschlossen hatte John sich noch zu einem kleinen Einkaufsbummel in Colorado Springs entschieden. Ein paar persönliche Kleinigkeiten, etwas Kleidung und ein dickes Buch hatte er sich gegönnt, denn jeder Expeditionsteilnehmer durfte nur eine bestimmte Anzahl an persönlichen Gütern auf die Reise mitnehmen. Nun saß er gemütlich auf einer kleinen hügeligen Wiese am Rand eines kleinen Parks und ließ sich von der Sonne bescheinen.
Dabei kreisten ihm so manche Gedanken im Kopf herum. Gedanken über die mögliche Zukunft in einer fremden Galaxie und die Frage, ob es wirklich eine gute Idee sei, dort hinzureisen. Er fragte sich auch, was ihn dort erwartete, denn er hatte genügend Berichte von SG-1 und ihren Abenteuern und Missionen lesen können, die ihn schon ein wenig beunruhigten. Aber auch Erinnerungen schossen ihm durch den Kopf. Erinnerungen an Freunde und Bekannte, Erinnerungen an Afghanistan und McMurdo, an seine gefallenen Kameraden und an Kollegen, die noch immer in der Wüste ihren Dienst verrichteten.
Und immer wieder fragte er sich, was es mit seinen verrücktspielenden Sinnen auf sich hatte. Wieso konnte er besser hören und besser sehen als andere? Warum konnte man bei all den Untersuchungen nichts finden? Wieso glaubte man ihm nicht? Und warum kamen ihm jetzt plötzlich Erinnerungen an seine Kindheit in den Kopf? Wieso erinnerte er sich so plötzlich, Knall auf Fall, an seine Mutter? Und wieso gerade an einen Moment, in dem sie ihn herzlich drückte und ihm sagte, dass er etwas ganz Besonderes sei? Bezog sich diese Aussage etwa auf seine Sinne? Hatte sie vielleicht schon damals etwas davon gewusst? So sehr John sich auch bemühte, er konnte sich jedoch nicht daran erinnern, bereits als Kind ähnliche Erfahrungen mit seinen Sinnen gemacht zu haben. Vielleicht war ja alles wirklich nur Einbildung?
John war ratlos. Er wollte diese Erinnerungen kopfschüttelnd wieder zurückschieben, denn selbst nach all den Jahren schmerzte ihn der Tod seiner Mutter noch immer.
Seine Gedanken schweiften zu seinem Vater und seinem Bruder. Er verspürte nicht gerade den Drang, ihnen einen Besuch abzustatten und zu beweisen, dass er noch unter den Lebenden weilte, wie sein Bruder Johns Besuche immer betitelte. Andererseits, wer wusste schon, wie lange er in dieser Galaxie festsitzen würde, denn es war allgemein bekannt, dass es möglicherweise kein Zurück mehr gäbe. War er es da seiner Familie denn nicht schuldig, nach all den vergangenen Jahren zurückzukehren und sie über eine längere Unerreichbarkeit zu informieren? Vielleicht auch eine Versöhnung mit seinem Vater zu versuchen? Oder sollte er sich doch lieber telefonisch melden? Immerhin blieben nur noch wenige Tage, bis die Expedition startete, da würde man ihm wohl kaum noch einen weiteren freien Tag und einen Flug nach Virginia genehmigen.
John zog eine Münze aus seiner Hosentasche und ließ den Zufall und das Schicksal entscheiden.
~~~///~~~
Einige Stunden später fand er sich wieder im Cheyenne Mountain ein und wusste nicht so recht etwas mit sich anzufangen. Das Buch war für die Expedition bestimmt. Es würde wohl ein längeres Unterfangen werden und mit ‚Krieg und Frieden‘ hätte er genug zu tun. Die Zeitschriften und Sudokubücher hatte er schon durch und im Fernsehen lief auch nichts Gescheites.
Er wusste, er würde es früher oder später bestimmt bereuen, aber die Sache mit dem Antikergen und seine Neugier ließen ihm irgendwie keine Ruhe und schon steuerte er eines der Labore an, in denen sich McKay und seine Bande die meiste Zeit aufhielten.
„Na schön, hier bin ich, Doc“, meinte John und sah, wie eine ganze Horde hoch konzentrierter Wissenschaftler und Forscher zuerst erschrocken aufsah, ihn kurz musterte und sich dann aber wieder ihrer Arbeit widmete.
„Es wurde aber auch Zeit! Was hat so lange gedauert? Ihr Gespräch mit O´Neill kann unmöglich so lange gedauert haben. Ich habe den Mann zu Mittag in der Kantine gesehen“, wetterte McKay los, der sich stöhnend und keuchend hinter einem kleinen Tisch erhob.
„Nur zur Information, McKay, ich habe heute Nachmittag eigentlich frei. Trotzdem bin ich hier. Also … wenn Sie mir jetzt freundlicherweise sagen würden, was das Ding, das Sie mir gleich in die Hand drücken, ist und wozu es eigentlich gut sein soll, helfe ich Ihnen mit Ihren Artefakten, Maschinen, Geräten und was sonst noch gerne weiter“, erklärte John und sah, wie es im Kopf seines Gegenübers heftig arbeitete.
„Das wissen wir ja eben nicht. Tss! Hallo?! Was glauben Sie wohl, warum Sie all diese Dinge betatschen sollen. Wir wollen doch rausfinden, was es ist und was es macht.“
„Hm … hatten wir nicht heute Morgen erst diesbezüglich ein Gespräch? Oder bin nur ich es, der sich vage daran erinnert, dass solche Dinge ziemlich gefährlich und leicht nach hinten …“
„Was für ein Soldat sind Sie eigentlich? Jetzt stellen Sie sich nicht so an. Wir haben ausreichend untersucht und gemessen und es kann absolut nichts Schreckliches passieren“, erwiderte McKay ungeduldig und hatte schon ein kleines, graues, würfelähnliches Objekt hervorgezogen.
„Haben Sie das damals auch Beckett gesagt, als er sich in diesen blöden Stuhl setzen sollte?“, lautete Johns schnippische Antwort, bekam jedoch nur ein genervtes Augenrollen zur Antwort.
„Jetzt machen Sie schon. Nehmen Sie den Würfel in die Hand, sehen Sie ihn sich von mir aus gut an und dann … konzentrieren Sie sich … bitte.“ Man merkte es McKay deutlich an, dass ihm das Wort ‚Bitte‘ schwergefallen war.
Nun war es an John, mit den Augen zu rollen und tief durchzuatmen. Es war immer dasselbe. In die Hand nehmen oder anfassen und `bitte konzentrieren´. Irgendwann würde noch mal etwas passieren, dachte John sich, als er nach dem Objekt griff. Natürlich geschah immer etwas.
Angefangen von leichtem Kribbeln in seinen Händen, das Gerät leuchtete oder schaltete sich ein, es projizierte auch schon mal ein merkwürdiges unerkennbares Bild in die Luft. Und manchmal geschah auch einfach gar nichts, was aber wiederum bei den Wissenschaftlern zu ungeahnten Aktivitäten führte. Was John allerdings nie verstand und es interessierte ihn auch nicht. Seine Arbeit war ja getan.
Nur dieses Mal war es völlig anders. Zwar stellte sich wieder dieses Kribbeln in seinen Händen ein, doch es wurde stärker. Ebenso ein Leuchten, das sich augenblicklich einstellte, kaum, dass er den Würfel berührt hatte. Das blaue Glühen wurde immer stärker und heller und aus einem unerfindlichen Grund fühlte John sich plötzlich gar nicht mehr so wohl.
„Major sagen Sie mir, was gerade passiert. Fühlen Sie etwas? Ist da eine Veränderung? Irgendwas Ungewöhnliches?“, wollte McKay wissen und bemerkte Johns besorgten Gesichtsausdruck gar nicht, denn er war voll und ganz von den Daten auf seinem Tablet PC gefesselt.
„Ähm … ein Kribbeln, wie immer. Nur wird es stärker. Und dieses blaue Licht … ich glaube, irgendwas stimmt hier nicht.“
„Und was soll das sein?“, stöhnte McKay eher gelangweilt.
Doch bevor John weiter sprechen konnte, verspürte er plötzlich einen scharfen Schmerz, der wie ein Stromschlag durch seine Hand, über den Arm und in seinen gesamten Körper auszustrahlen begann. Augenblicklich wurde er durch eine unsichtbare Kraft an die rückwärtige Wand geschleudert und blieb regungslos liegen.
„Major!“
Geistesgegenwärtig legte McKay seinen PC zur Seite und stürzte zu dem bewusstlosen Piloten. Er checkte dessen Puls und Atmung und wies einen der anderen Wissenschaftler an, ein Sanitätsteam zu ordern. Ihm entging dabei, dass bereits jemand zum Telefonhörer gegriffen hatte. „Major? … Major, hören Sie mich? … Major?“
McKay rüttelte und schüttelte zunächst sachte, dann immer kräftiger an dem Mann, doch er schien nichts zu erreichen. Sogar den einen oder anderen Klaps auf die Wangen hatte er ihm gegeben, doch John war nicht wach zu bekommen.
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Er schien im Wald zu stehen. In einem ziemlich dichten und warmen Wald und nach näherem Hinsehen erkannte er, dass die Umgebung eher einem Urwald glich. Palmen, Schlingpflanzen, Wurzeln und weitere exotische Pflanzen, soweit das Auge reichte. Er hörte in weiter Ferne das Zwitschern und Trällern der unterschiedlichsten Vögel. Er war schon einmal in urwaldähnlichen Gebieten gewesen, hatte viele während seiner vielen Stationierungen gesehen, aber dieser Ort erschien ihm mehr als seltsam. Erst nach näherem Hinsehen erkannte er den Fehler. Dieser Ort war mit seinen zwei Monden und den vollkommen fremden Sternbildern nicht auf der Erde, und doch schien er ihm irgendwie vertraut. Sehr vertraut.
Er sah sich um, horchte und ließ die Umgebung auf sich wirken. Er spürte die feuchte Hitze auf seiner Haut, roch den Geruch der Erde, die Düfte der vielen Pflanzen, er hörte die Vögel und die Laute anderer Tiere. Es war eigenartig. All diese Eindrücke waren intensiv. Viel stärker, als er es gewohnt war, viel stärker, als es normal war. Doch da war noch mehr. Er hörte eine Stimme, die einem Menschen zu gehören schien. Sie sprach in einer Sprache, die er nicht kannte und doch wusste er, dass man zu ihm sprach. Er blickte in die Richtung, aus der er glaubte, die Stimme zu hören. Er horchte und versuchte die Quelle zu erkennen und plötzlich tauchte unverhofft ein Gesicht vor ihm auf. Ein Mann mit langen schwarzen Haaren, sonnenbrauner, ledriger Haut und dunklen braunen Augen. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er glauben, einem Indianer gegenüberzustehen. Auch er war ihm fremd und dennoch hatte er das Gefühl, ihn zu kennen. Wieder sprach der Mann zu ihm. Wieder waren es Worte, die er nie zuvor gehört hatte, doch aus einem unerfindlichen Grund verstand er sie, obgleich sie keinen Sinn ergaben.
Er wollte antworten, wollte verstehen, doch plötzlich löste sich sein Gegenüber auf und zurück blieb ein helles grelles Licht …-
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„Major? … Kommen Sie schon. Major Sheppard, kommen Sie wieder zu sich … gut, Junge. Gut so“, hallte eine Stimme mit starkem schottischen Akzent in seinen Ohren und das grelle helle Licht, dass er eben noch gesehen hatte, verwandelte sich in die verhasste Stablampe eines Arztes, als er blinzelnd die Augen öffnete.
„Da sind Sie ja wieder. Wir haben uns schon Sorgen gemacht“, erklärte Carson Beckett leise und wedelte noch immer mit der kleinen Leuchte vor Johns Augen herum.
Carson entlockte es ein amüsiertes Schmunzeln, als John genervt aufstöhnte und sich gegen die Lichtfolter wehrte. „Wissen Sie, wo Sie sind?“
„Im Wald …“, meinte John, als er aus dem ersten Reflex heraus antwortete. Doch Carsons stutziger Gesichtsausdruck ließ ihn sich schnell korrigieren. Musste wohl ein Traum gewesen sein.
„Dürfte mal wieder auf der Krankenstation sein. Was ist passiert?“
„Ich dachte, Sie könnten mir das sagen. Sie sind bewusstlos hergebracht worden. Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern?“
„Äh … ich … ich war in McKays Labor und sollte ein Gerät oder so was aktivieren und dann … wache ich hier auf.“
„Aye … Sie müssen so etwas wie einen elektrischen Schlag abbekommen haben und sind quer durch den Raum geflogen. Auch die Untersuchungsergebnisse sprechen für einen Stromschlag. Aber Sie werden bald wieder richtig fit sein. Scheint, als könnten Sie ´ne Menge wegstecken. Hat man denn dieses Gerät, das Sie aktivieren sollten, eigentlich nicht vorher auf seine Sicherheit untersucht?“
„Doch, so wurde es mir jedenfalls versichert“, meinte John und sah bitterböse zu McKay, der nervös die Hände knetend am Fußende des Bettes stand.
„Major, ich schwöre, wenn ich gewusst hätte … Es sprach absolut nichts dafür, dass so etwas passieren könnte. Wir haben alles untersucht und gemessen und genauestens … Ich meine, wer hätte denn wissen können …“
„Sie! Und ich! Ach verdammt, ich hätte wissen müssen, dass früher oder später so etwas passiert. Und wenn ich mich recht erinnere, habe ich Ihnen das auch gesagt.“
„Ja … ja, das haben Sie und … und … es tut mir leid.“ McKay schaffte es wirklich, zerknirscht zu schauen.
Sowohl Carson als auch John mussten über die überraschend einsichtige und aufrichtige Entschuldigung staunen, doch auch wenn John geneigt war, sie zu akzeptieren und anzunehmen, er hatte genug.
Es war eine Sache, dass dieser Mann ihn auf so vielen Ebenen beschäftigte, dass er langsam aber sicher kaum noch an etwas anderes denken konnte, als an diesen eigenartigen Moment in der eisigen Forschungsstation. Von dem Drang, in der Nähe dieses Mannes sein zu wollen, sein zu müssen und dem Gefühl an manchen Tagen auch dessen Stimmung zu kennen, wollte er lieber nichts wissen. Manchmal war es so schlimm, dass er glaubte, sogar zu wissen, was dieser dachte. Langsam aber sicher würde er den Verstand verlieren.
Aber es reichte ihm, als Versuchskaninchen herzuhalten und auf gut Glück irgendwelche Geräte und Maschinen anzufassen und zu aktivieren und jedes Mal zu hoffen, das alles gut ginge und sie den Schlüssel zum Beenden von Hunger, Krankheit und Tod oder was sonst noch entdeckten. Er hatte die Gefahr außerirdischer Technologien kennengelernt, als er noch nicht einmal etwas von Außerirdischen wusste oder gar ahnte. Die Begegnung und die Verfolgungsjagd mit der außerirdischen Drohne hatten ihn noch immer nicht ganz losgelassen, wenn sie ihm mittlerweile auch nur noch einen leichten Schauer über seinen Rücken bescherten.
„Danke, McKay. Aber das war das letzte Mal. Mir egal, mit was Sie demnächst ankommen, selbst wenn Sie glauben, ein Allheilmittel gefunden zu haben und es noch so sicher ist. Nein.“
„Ja, aber …“ Jetzt schaffte es McKay sogar noch, ihn mit großen flehenden Augen anzuschauen. Nein, genug war genug.
„Es bleibt dabei. Mir war schon ziemlich mulmig, als Beckett mich und den General fast vom Himmel geholt hätte und als ich in diesem Stuhl saß und Ihre Anweisungen befolgen sollte, wurde es noch schlimmer. Von den ganzen technischen Spielereien, die Sie mir in die Hand gedrückt haben, will ich schon gar nicht reden. Aber jetzt ist Schluss. Suchen Sie sich jemand anderen oder warten Sie, bis Beckett mit dem künstlichen Gen so weit ist, und probieren es dann selbst aus. Aber ich hänge an meinem Leben. Und ich möchte in ein paar Tagen gerne durch das Tor, also … Entschuldigung akzeptiert, aber ich halte nicht mehr als Versuchskaninchen her.“
„Das … das ist … na schön. Würden Sie mir dann wenigstens erzählen, was es mit dem Würfel auf sich hat? Wissen Sie, wozu er da ist? Kennen Sie mittlerweile seine Funktion oder … oder welche Beobachtungen und Erfahrungen haben Sie machen können?“ McKay war wieder ganz der wissbegierige Wissenschaftler.
„Ist nicht Ihr Ernst, oder? … Das Ding hat mir einen Stromstoß verpasst und mich durch die Luft fliegen lassen. Ich erinnere mich auch vage daran, Bekanntschaft mit der Wand gemacht zu haben und gerade bin ich hier auf der Krankenstation wach geworden und Sie glauben, ich hätte eine besondere Erfahrung gemacht?! … McKay, was zum Teufel ist los mit Ihnen?!“, fragte John aufgebracht und begann langsam, an sich und der Welt zu zweifeln.
Dieser McKay konnte wirklich … eigentlich fand John keine Worte, um diesen Mann zu beschreiben. Er fühlte langsam eine Wut in sich aufsteigen. Er hatte Schmerzen in jedem seiner Glieder und ihm war auch noch immer schwindlig und sein Puls raste. Ganz zu schweigen von diesem merkwürdigen Traum, den er während seiner Ohnmacht gehabt hatte. Aber das würde er McKay ganz bestimmt nicht sagen. Erstens hatte es ohnehin nichts mit den halsbrecherischen Tests zu tun und zum anderen hatte er auch seinen Stolz. John funkelte McKay wütend an.
„Dann haben Sie … nichts bemerkt? … Nein?“, stotterte der Wissenschaftler, als Johns Blick ihn geradezu durchbohrte. „Okay … na gut. Dann … ich lasse Sie dann besser mal alleine. Sie sind hier ja in guten Händen.“
„Gute Idee“, brachte John knurrend hervor und drehte ihm den Rücken zu.
„Ja … ja, dann äh … es tut mir wirklich leid, Major. Ich … ich bin froh, dass Ihnen nichts weiter passiert ist. Das meine ich ernst“, meinte McKay leise.
„Gute Nacht, McKay“, antwortete John, der zwar noch immer sauer war, aber die Aufrichtigkeit des Wissenschaftlers akzeptierte.
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Drei Tage später war der Vorfall zwar nicht vergessen, dafür aber vergeben und Seite an Seite schritten John und McKay mit vielen anderen Mitgliedern der Atlantisexpedition durch das Stargate zu einer neuen Welt in einer fremden Galaxie.
Aus der Stadt in den Dschungel
Es war so einfach, seine Glieder auszustrecken, ein paar Schwünge mit den Armen zu machen und sich in die Lüfte zu erheben. Es war ein unglaubliches Gefühl, diese Leichtigkeit und Freiheit zu spüren. Die kalte Luft, die über seinen Körper streifte, die wärmende Sonne über ihm und das dunkle Blau des Meeres unter ihm. Die Wolken boten ihm keinerlei Widerstand, als er durch sie hindurch flog und sogleich die große, schwimmende Stadt am Horizont entdeckte.
Die grau-goldenen Türme kamen immer näher und er ließ sich die letzten Kilometer vom Wind zu einem der Balkone treiben. Mit Leichtigkeit platzierte er sich auf der Reling, genoss die Aussicht auf den Ozean und sog die frische salzige Luft ein. Ein heimatliches Gefühl hatte sich in ihm ausgebreitet und durchflutete ihn mit Wohlbehagen und Glück.
Doch kaum, dass er sich zu dem großen Fenster drehte, stutzte er. Er starrte nicht auf sein gewohntes Spiegelbild. Er starrte auf das Abbild eines großen Vogels, eines Adlers. Mit seiner für diese Vogelart doch recht imposanten Größe, dem braunen Federkleid, den geradezu bestechenden braun-gelblichen Augen und seinem grau-gelb gefärbten spitzen Schnabel und den scharfen Klauen kam ihm dieser Vogel doch so merkwürdig vertraut vor.
Eine ganze Weile betrachtete er das Tier, das jeder seiner Bewegungen zu folgen schien. Er studierte es und versuchte es zu ergründen. Er sah dem Adler in die Augen und erkannte … sich.
Erschrocken befahl ihm sein erster Impuls die Flucht. Erneut breitete er die Flügel aus, erhob sich in die Lüfte und ließ sich vom Wind tragen. Es dauerte nicht lange, bis er über einem Wald zu fliegen schien und auch gleich eine Lichtung entdeckte, auf der er sich ausruhen wollte. Dieser Wald schien ihm seltsam vertraut. Es war warm und es herrschte hohe Luftfeuchtigkeit. Ein Urwald. Er hörte die unterschiedlichsten Vögel zwitschern und trällern, Grillen zirpten, das Gebrüll und Geschrei verschiedener Affen und andere eigenartige Tierlaute, die er auf Anhieb nicht wirklich zuordnen konnte. Die Blätter der Bäume, Palmen und Sträucher raschelten, doch einer dieser Büsche schien besonders lebendig.
Er blieb auf dieser Lichtung nicht lange alleine. Wieder ertönte ein kurzes Rascheln aus einem Gebüsch vor ihm und es trat ein Fuchs heraus. Ganz ruhig und leise trat er vor ihn, setzte sich und bedachte ihn mit neugierigen, forschenden Blicken. Eigenartig, wie vertraut ihm dieses Tier erschien. Eine ganze Weile geschah nichts, außer einem gegenseitigen Beobachten und Studieren.
Er ließ es einfach geschehen, als der Fuchs sich plötzlich in Bewegung setzte, sich langsam und vorsichtig näherte und ihn beschnüffelte. Wieder sah er in die braunen Augen des Fuchses und tauchte geradezu in sie hinein. Er sah so viel in ihnen. Neugier, Intelligenz, Stärke und auch Mut. Doch dann änderte sich das Braun in seinen Augen und wandelte sich in ein Blau. In ein nur allzu bekanntes Blau …
~~~///~~~
Japsend wachte John auf und rang nach Atem. Auch wenn es diesmal kein Albtraum war, so hatten ihn die Eindrücke und Bilder doch sehr mitgenommen. Nicht so sehr, wie seine üblichen Träume über das Entdecken der Wraith, das Schleichen durch eines ihrer Basisschiffe und sein Schuss auf Colonel Sumner. Diese Bilder entsprachen der Realität und er würde sie niemals wieder los werden.
Ganz zu schweigen von diesem verdammten Iratus-Käfer, der ihm noch vor zwei Wochen am Hals gehangen hatte. Auch wenn die Male an seinem Hals schon so weit verschwunden waren, dass sie kaum noch gesehen werden konnten. Aber dieser neue Traum war mehr als merkwürdig und beschäftigte ihn noch Stunden nach dem Aufwachen.
Wie in Trance hatte John sein morgendliches Training absolviert, geduscht und sich in Schale geschmissen und auch das Frühstück, bestehend aus etwas Obst und einer Tasse starkem Kaffee, hinter sich gebracht. Doch es brachte nicht viel. Er war zwar in der Lage, seine Aufgaben zu erledigen und seinen Dienst zu verrichten, doch immer wieder ertappte er sich dabei, wie er über diese merkwürdig blauen Augen des Fuchses aus seinem Traum nachdachte.
Wieso sah er in ihnen eine Verbindung zu McKay? Wieso bekam er diesen Mann nicht mehr aus dem Kopf?
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Eine kurze Besprechung über die bevorstehende Mission zu einem Planeten aus der Antiker-Datenbank stand an. Es war seit Tagen das Einzige, auf das er sich freute, denn der Besuch ausgerechnet dieses Planeten war ihm, einer Wette und seinem Geschick im Schachspiel zu verdanken.
McKay murrte und knurrte noch immer halblaut vor sich hin, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, dass er gegen den Major in einem simplen Schachspiel verloren hatte. Elizabeth war es jedoch relativ egal, zu welchen Planeten die Mission gehen würde, solange dabei Vorräte für die Missionsmitglieder beschafft würden. Sie schüttelte über das verspielte Wesen der beiden doch erwachsenen Männer den Kopf und fragte sich, mit welch kindischer Idee der beiden Herren sie demnächst rechnen müsste.
Johns Sieg und die Wahl des Planeten kam jedoch nicht von ungefähr. Merkwürdigerweise verspürte John schon den Drang zu diesem Planeten reisen zu wollen, kaum dass er den ersten Blick auf die Datenbank und somit auf die Liste der Planeten geworfen hatte. Und das war gerade mal am zweiten Tag seiner Ankunft in der großen Stadt der Vorfahren gewesen. Es war wie ein Ruf, dem er zu folgen hatte. Und heute sollte es so weit sein.
Elizabeth von einem Besuch dieses Planeten zu überzeugen war nicht das Schwierigste. McKays Einwände und Diskussionen zu ertragen und durchzustehen dafür schon. Das alles entscheidende Schachspiel war daher mehr oder weniger eine Verzweiflungstat, doch John musste zugeben, in dem Wissenschaftler einen starken und ausgewieften Gegner gefunden zu haben.
John goss sich gerade die zweite Tasse Kaffee ein und setzte sich an den Konferenztisch, als McKay und Elizabeth eintraten.
„Guten Morgen“, grüßte die Expeditionsleiterin gut gelaunt, während John seine Antwort in seinen nicht vorhandenen Bart murmelte und wieder an seinem Kaffee nippte.
„Es gibt eine kleine Planänderung, Major“, meinte Elizabeth, als sie an ihrem gewohnten Platz an dem Konferenztisch Platz nahm.
„Was für eine Planänderung? Wo sind Teyla und Ford?“
„Genau das ist die Planänderung. Teyla ist auf dem Festland und kümmert sich um Charin. Sie ist erkrankt, möchte aber nicht in die Stadt kommen. Teyla ist mit einem Arzt hinübergeflogen und pflegt sie. Und Ford liegt mit einer Grippe auf der Krankenstation. Sie haben jetzt die Wahl, die Mission zu verschieben oder mit Rodney allein zu gehen“, erklärte Elizabeth.
„Ich gehe mit Rodney alleine“, gab John schnell zurück. Für ihn kam es nicht infrage, die Erkundungsmission zu verschieben. Er freute sich so lange darauf. Außerdem hatte er Fragen und hoffte, auf diesem Planeten endlich die Antworten zu finden.
„Whoa, whoa, whoa, Rodney hätte da auch noch ein Wort mitzusprechen“, wandte der Kanadier ein.
„Ihnen ist schon klar, dass es ein Zeichen von geistiger Instabilität ist, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen?“, neckte John den Wissenschaftler, worauf dieser nur die Augen verdrehte und erst recht mit seiner Schimpftirade anfing.
„Nein, nein! Es ist Wahnsinn, dort alleine hinzugehen!“
„Ich gehe nicht alleine. Sie kommen doch mit.“
„Nur in Begleitung einer Marine-Einheit!“
„McKay, es ist eine simple Erkundungsmission. Dafür brauchen wir keine Marines. Nur Sie und ich und vielleicht ein ZPM, das es zu finden gilt.“
Es war schon ein wenig gemein von John, Rodney mit einem ZPM zu locken, zumal er selbst davon überzeugt war, auf diesem Planeten keinerlei Technologie zu finden und garantiert kein ZPM. Aber verdammt, er musste einfach auf diesen Planeten. All diese Träume über einen vertrauten heimatlich wirkenden Urwald, Tiere und Eingeborene, deren Laute und Sprache ihm zwar fremd waren, die er aber dennoch verstand. Sein verbessertes Gehör, seine verschärfte Sehkraft … irgendetwas sagte ihm, dass all dies zusammenhing. Er konnte es sich nicht anders erklären, warum er glaubte, gerade auf diesem Planeten die Antworten zu finden.
„Major, können wir nicht in ein paar Tagen reisen? Sie und ich, wir beide wissen, dass es auf diesem Planeten kein ZPM, geschweige denn andere Technologien gibt, für die es sich lohnt, ohne Marines und ohne Teyla und Ford dorthin zu gehen. Außerdem habe ich noch eine Menge Arbeit und laufende Simulationen“, entgegnete McKay entnervt.
„Nein.“
Regungslos starrte Rodney seinem Teamleader in die Augen und glaubte wohl, ihn mit diesem finsteren Blick in die Knie zwingen zu können. Doch John erwiderte mit geübter Beharrlichkeit seinen Blick und blickte intensiv in die blauen Augen des Kanadiers.
Und plötzlich war es geschehen. Ungewollt tauchte John tief in dieses unglaubliche Blau. Es hielt ihn fest, zog ihn immer tiefer und umflutete ihn, bis John ihm nicht mehr entkommen konnte und auch nicht wollte. Er konnte sich nicht mehr rühren, er konnte nichts mehr hören und nichts mehr wahrnehmen als dieses Blau, das ihm eine solche Ruhe und Frieden bot.
Weder Elizabeths Stimme noch ihr stärker werdendes Rütteln an seinem Arm brachten John ins Hier und Jetzt zurück und auch Rodneys Besorgnis nahm er nicht wahr. Zwar haftete Johns Blick noch immer an Rodney, aber er schien nicht registriert zu haben, wie dieser sich ihm näherte und sich vor ihn hockte.
„Major? … Major! … Was ist denn los mit Ihnen, John? … John?“
„Was?“, japste John auf, als er Rodneys Hände auf seinem Arm spürte. Augenblicklich tauchte er wieder auf aus dem Blau, fand sich in Rodneys Augen wieder und sah dann verwirrt blinzelnd in das besorgte Gesicht des Wissenschaftlers.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Rodney stutzig und musterte den Major aufmerksam.
„Was? Ich … äh … was ist gerade passiert?“
„Sagen Sie es mir. Sie sind einfach so … weggetreten. Sie sind regelrecht … pffft, weg gewesen“, erklärte Rodney mehr schlecht als recht und vollzog eine ausladende Armbewegung.
„John?“, wandte sich Elizabeth wieder an ihren Militärkommandanten, der noch immer blinzelnd und japsend vor ihr saß.
„Ich … es geht mir gut. Ich … weiß nicht, was das war, aber es ist alles in Ordnung.“
„Das sehe ich anders. Ich möchte, dass Sie sich bei Doktor Beckett melden.“
„Ach, mir geht es gut!“
„John, das war keine Bitte“, entgegnete Elizabeth beharrlich und ruhig.
Tief durchatmend, nickend und mit mahlendem Kiefer ergab John sich seinem Schicksal. John taumelte die ersten Schritte eher aus dem Konferenzraum, bevor er geradewegs tief in Gedanken und in Begleitung von McKay zur Krankenstation stapfte. Was zur Hölle war da eben nur passiert?
Nach einem kurzen Plausch mit Lieutenant Ford konnte John sich über dessen Diskussion mit Carson amüsieren. Es hatte Aiden einiges gekostet, den Schotten davon zu überzeugen, dass Bettruhe auch im eigenen Quartier eingehalten werden konnte und als der Arzt endgültig davon überzeugt war, dass der Junge mehr Ärger machen konnte, als die Sache wert war, ließ er ihn mit Freuden ziehen. Carsons Kommentar, dass der Major in jüngster Vergangenheit offenbar ein schlechtes Beispiel für den jungen Lieutenant darstellte, ignorierte John mit einem kleinen Schmunzeln. Dafür waren Carsons Fragen und Rodneys Beschreibungen und Einmischungen während der anschließenden Untersuchung nur schwer zu ignorieren. Ganz zu schweigen von Johns eigenen Zweifeln und Gewissensbissen. Obwohl er den Schotten gut leiden konnte und ihm auch vertraute, so war es ihm am Ende wieder einmal unmöglich, über die eigentliche Problematik zu sprechen.
Natürlich hatte John bereits den Verdacht, dass die kürzliche Erfahrung im Konferenzraum mit seinen verrücktspielenden Sinnen zu tun hatte. Dennoch wollte er zuerst selbst die ersehnten Antworten finden.
Nach zahlreichen Untersuchungen musste Dr. Beckett widerstrebend John beste Gesundheit attestieren. Doch er drohte weitere Untersuchungen für den Nachmittag an und so stimmte John zähneknirschend zu, die Mission um einen Tag zu verschieben.
~~~///~~~
Es war Mittag und auf dem Speiseplan stand das leckere und allseits beliebte Salisbury Steak. John und Rodney hatten sich ihre Portionen schon gesichert und waren mittlerweile beim Dessert angekommen, als John beim ersten Bissen ein wenig das Gesicht verzog. Seit wann waren Blaubeermuffins so sauer? Ach verdammt! Spielte nun auch noch sein Geschmackssinn verrückt? Das konnte doch alles nicht wahr sein. Frustriert legte John den Muffin zurück auf das Tablett, als er sah, wie Rodney sich genüsslich dem kleinen Küchlein widmen wollte.
„Rodney nicht!“, entfuhr es John lauter als beabsichtigt und schnappte nach dem Muffin.
„Was zum … hey!“
„Da ist Zitrone drin!“
„Das ist ein Blaubeermuffin! Kein Zitronen…“
„Das Ding ist sauer bis zum Gehtnichtmehr. Glauben Sie mir, da ist Zitrone drin.“
„Hey!“, wandte sich Rodney an einen Mitarbeiter der Kantine, der gerade das Geschirr auf einem der Nachbartische einsammelte. „Ist in diesem Muffin Zitrone?“
„Das ist ein Blaubeermuffin“, erwiderte der junge Mann irritiert.
„Vielen Dank! Die Offensichtlichkeit über den Inhalt von Blaubeeren in einem Blaubeermuffin schreit geradezu zu mir, die Anwesenheit von Zitrone in jeglicher Form ist mir jedoch immer noch ein Rätsel. Also, würden Sie nun freundlicherweise sagen, ob da irgendetwas Zitroniges drin ist, oder wollen Sie gerne die Verantwortung für einen anaphylaktischen Schock übernehmen? Ich reagiere tödlich allergisch auf Zitrusfrüchte und Sie wollen bestimmt nicht sehen, wie ich mich in Todesqualen und Agonie hier auf dem Boden der Kantine wälze. Ganz zu schweigen von den Problemen, die nach meiner Beerdigung auf Sie zukommen.“
„Okay, okay“, wandte der Küchenjunge ein, der bei dem Gedanken an das soeben beschriebene Schreckenszenario ganz blass um die Nase geworden war. „Ich habe gesehen, dass jemand die Zitronenschalen gerieben hat, aber wofür sie dann verwendet wurden, weiß ich nicht. Wäre möglich, dass Zitrone drin ist. Reicht das?“
„Wie viele Zitronen? Das ist so sauer, man könnte meinen, man hätte eine ganze Plantage darin verarbeitet“, murmelte John, als er an dem Muffin roch. Doch der junge Mann verdrehte nur die Augen und stapfte kopfschüttelnd davon.
McKay hingegen war arg verunsichert. Immer wieder sah er von dem Muffin zu Sheppard und wieder zurück. Er wusste nicht so recht, was er von diesem Vorfall zu halten hatte. Und er wusste schon gar nicht, was er von Sheppard zu halten hatte. Der Mann hatte schon seit einiger Zeit ein merkwürdiges Verhalten gezeigt und allmählich glaubte Rodney, dass dies nichts mit den Geschehnissen in dem Wraith Schiff und dem Schuss auf seinen Vorgesetzten zu tun hatte. Irgendetwas war nicht in Ordnung und Rodneys Neugier nahm langsam überhand.
In der Nacht
Rodney erwachte aus einem unruhigen Schlaf. Schon wieder hatte er diesen merkwürdigen Traum, indem er sich auf einer Lichtung inmitten eines Dschungels oder Urwaldes fand und einen Adler beobachtete. Er konnte sich nicht helfen, er konnte es nicht beschreiben, aber dieser Adler hatte etwas Merkwürdiges an sich. Etwas Bekanntes, etwas Vertrautes, auch wenn Rodney schon immer einen enormen Respekt vor diesen Tieren hatte. Ihre Krallen und ihr spitzer Schnabel waren weder zu verachten noch zu verharmlosen. Er hatte nur selten einen Adler in der freien Natur erspähen können, aber die vielen Dokumentationen im Fernsehen hatten ausgereicht, um sich ein sehr lebhaftes und farbenfrohes Bild über die Fähigkeiten und das Jagdverhalten eines solchen Tieres zu machen und das allein war schon etwas beunruhigend. Doch das Tier in seinem Traum …
Wieso musste er ausgerechnet jetzt an Sheppard denken? Wieso hatte er bei dem ersten Traum an ihn denken müssen? Und wieso um alles in der Welt sah er sich jedes Mal als einen Fuchs?
Seine Fantasie spielte ihm in letzter Zeit wirklich ganz üble Streiche. Zugegeben, ein Fuchs galt als listiges und schlaues Tier und Rodney sah sich selbst auch sehr gerne als listig und schlau. Seine drei Doktortitel bewiesen zumindest das Letztere. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass da viel mehr dahinter steckte als nur seine rege Fantasie. So langsam reichte es ihm.
Unfähig noch einmal einzuschlafen, entschied sich Rodney für einen kleinen Spaziergang. Dabei könnte er noch gerade in der Kartografie vorbei sehen und mal einen Blick auf deren Fortschritte erhaschen, bevor er in zwei Tagen einen langen, ausgedehnten, unwichtigen und vermutlich auch mit Fehlern und Irrtümern übersäten Bericht erhielt. So könnte er doch vielleicht gleich auf die Patzer hinweisen und sich eine Menge Zeit und Nerven sparen, wenn die Kartografen am Morgen die vermutlich ellenlange Liste mit sämtlichen Verfehlungen, Hinweisen und Korrekturen fanden.
Aber dazu sollte es nicht kommen, denn als er auf dem Weg zum Labor an einem Balkon vorbeikam, erspähte er dort einen nachdenklichen und in sich gekehrten Sheppard. Offenbar schien nicht nur er an Schlaflosigkeit zu leiden und Rodneys erster Impuls war, einfach weiter zu gehen. Doch da war noch die Sache mit seinem schlechten Gewissen. Wusste Rodney doch, was der Major in letzter Zeit durchgemacht hatte. Erst die Befreiung von den Athosianern, dann der Schuss auf seinen Vorgesetzten, und zu guter Letzt einige Marines, die ihm deswegen das Leben schwer machen wollten … Schon vor Tagen hatte er bemerkt, dass etwas nicht mit dem Major stimmte. Ganz zu schweigen von dessen merkwürdigem Verhalten. Ob das alles zusammenhing?
„Hey Rodney“, ertönte Johns Stimme, kaum dass Rodney schleichend den Balkon betreten hatte.
„Wie … woher haben Sie … ach vergessen Sie´s“, meinte Rodney, der sich für einen kurzen Moment fragte, woher der Major wissen konnte, wer sich da klammheimlich angeschlichen hatte. Doch schnell verwarf er diese Frage und die Gedanken daran. Er wusste schließlich rein gar nichts über die Fähigkeiten des Majors … oder anderer elitärer Soldaten. „Was machen Sie hier draußen?“
„Dasselbe könnte ich Sie fragen“, erwiderte John, als er sich endlich zu dem Wissenschaftler umdrehte.
„Ich? Ach, ich … ich dachte, ich sehe mal in der Kartografie vorbei und verschaffe mir einen ersten Überblick über die Fehler, die mir bald präsentiert werden sollen“, erklärte Rodney mit ausladenden Armbewegungen.
„Verstehe. Tun Sie das immer im Schlafanzug?“, fragte John weiter und Rodney fühlte sich ertappt.
„Na schön. Ich … ich habe nicht schlafen können. Aber in die Kartografie wollte ich trotzdem.“
„Und doch sind Sie nun hier.“
„Ja. Was ist mit Ihnen? Können Sie auch nicht schlafen?“, fragte Rodney und versuchte bei dem mehr als schummrigen Licht eine Regung im Gesicht des Soldaten ausmachen zu können. Sicher war er sich nicht, aber er glaubte, eine gewisse Erschöpfung zu erkennen. Hatte er sich wieder einmal beim Training übernommen? Hatte die hübsche Athosianerin Teyla ihn wieder im Stockkampf in seine Schranken verwiesen?
„Nein, McKay.“
Rodney erster Impuls war es, es dabei zu belassen, sich zu verabschieden und seinen Weg in das Labor fortzusetzen. Doch diesmal lag etwas in der Stimme des Majors, das ihn nicht loslassen wollte. Neugierig war er schon immer. Es waren jedoch nur selten die persönlichen Belange einer anderen Person, die ihn interessierten. Merkwürdigerweise war dies nun anders. Schon seit geraumer Zeit ertappte er sich immer wieder dabei, wie er den Amerikaner beobachtete und sich Gedanken um ihn machte. Würde man ihn nun fragen, würde er niemals zugeben, dass er sich Sorgen um ihn machte. Ein weiteres Mysterium in seinem Leben. Zumindest seit er den Mann kannte. Merkwürdig.
„Ist … ist alles in Ordnung?“, fragte Rodney vorsichtig, als er näher trat.
„Alles bestens.“
„Wieso glaube ich Ihnen das nicht?“
„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen, Rodney“, erwiderte John gelassen. Doch Rodney wusste, dass er sich zu dieser ruhigen und gelassenen Aussage gezwungen hatte.
„Hören Sie, ich bin vielleicht nicht das, was man einen guten Kumpel nennt, zumal wir beide uns auch noch nicht so lange kennen und … und so weiter, aber …“
„Rodney …“, wandte John ein, wurde aber gleich wieder von dem ungestümen Rodney unterbrochen.
„Was zur Hölle ist los mit Ihnen, Major?“
„Gar nichts!“
„Oh bitte! Sie sind schon seit Tagen so … und was war heute Morgen los? Da waren Sie ´ne ganze Weile wie weggetreten. Was zum Teufel war das? Irgendetwas stimmt nicht mit Ihnen und ja, ich bin vielleicht keiner dieser Psychologen oder besonders sensibel, wenn es um die Sorgen und … und Nöte der anderen geht, aber …“
Rodney hielt nur kurz inne und versuchte nicht daran zu denken, dass er sehr wohl mit seiner Fähigkeit als idealer Psychologe oder Krisenmanager durchgehen könnte. Wenn doch nur seine sozialen Kompetenzen ein wenig weiter ausgebaut wären … wenn er nicht aufpasste, würde Sheppard ihn vielleicht doch noch einer Lüge überführen. „Dass Sie etwas beschäftigt, sehe sogar ich.“
„Rodney …“, begann John, als er etwas erwidern wollte. Doch er wusste einfach nicht was. Nach kurzem Nachdenken schüttelte er den Kopf, überkam ihn doch für einen Bruchteil einer Sekunde wieder der Wunsch, mit jemandem über seine verrücktspielenden Sinne zu sprechen. Aber was machte es schon, mit dem Wissenschaftler darüber zu sprechen. Entweder er würde ihm glauben oder John würde sich erneut lächerlich machen. Im schlimmsten Falle würde er auf der Krankenstation landen, Untersuchungen über sich ergehen lassen und seine Diensttauglichkeit abermals unter Beweis stellen müssen. Aber könnte man diesmal mit den lantianischen Geräten und Scannern etwas feststellen?
„Hören Sie, ich weiß, dass … dass es irgendetwas gibt, dass Sie beschäftigt. Irgendwas stimmt doch nicht mit Ihnen“, fuhr Rodney beharrlich fort.
„Es ist kompliziert“, erwiderte John leise.
„Das ist es doch immer.“
„Und Sie würden es mir wohl auch nicht glauben.“
Rodney war kurz davor, aufzugeben und den Major in seinem Brüten und Grübeln alleine zu lassen. Aber wieder einmal merkte er, dass seine Neugier sich immer mehr in Sorge verwandelte. Etwas, das sein sonst so klar und logisch denkender, brillanter Verstand so gar nicht verstehen wollte.
„Versuchen Sie doch mal.“
Ein wenig überrascht sah John zu dem Wissenschaftler, und auch wenn es auf diesem Balkon so dunkel war, glaubte er ehrliche Sorge im Gesicht des Kanadiers zu entdecken. Genau wie am Morgen zuvor, als er erst durch seine blauen Augen wie hypnotisiert schien und dann durch diese wieder zurück in die Realität fand. Auch da schien ihm der Wissenschaftler näher zu sein als je ein Mensch zuvor. Verrückt, wenn man bedachte, dass sie beide sich erst seit einigen Wochen kannten und doch wusste John in seinem tiefsten Inneren, dass er diesem Mann vertrauen konnte.
„Na schön. Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich besser sehen und hören kann als jeder andere?“, fragte John und war gespannt auf die Antwort, die auch prompt kam.
„Dass es für Piloten normal, wenn nicht sogar Voraussetzung ist?“
„Ich meinte, weit jenseits der Voraussetzungen“, erwiderte John und blickte auf den Horizont hinaus, der in der tiefen Nacht vom menschlichen Auge kaum auszumachen war. „Sehen Sie, da hinten kann ich zum Beispiel einen Vogel ausmachen, der seine Kreise über dem Ozean zieht. Vermutlich ist es so eine Art Möwe oder so.“
Die Augen weit geöffnet, beobachtete John das fliegende Tier. Für ihn stellte es keinerlei Probleme dar, sogar das Gefieder des Tieres zu erkennen, während Rodney misstrauisch dem Blick des Majors folgte, aber weit und breit nichts erkennen konnte.
„Es kann alles Mögliche sein oder auch gar nichts. Es ist tiefschwarze Nacht und nicht einmal der beste Pilot mit dem besten Sehvermögen kann da ohne Nachtsichtgerät oder Radar irgendwas erkennen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir noch nicht einmal wissen, ob es hier so etwas wie Möwen gibt. Und selbst wenn, wir sind so weit draußen auf dem Ozean, das Vieh müsste sich schon verirrt haben, bevor man es von der Stadt ausmachen kann“, erwiderte Rodney.
„Hat es auch wahrscheinlich, so wie es seine Kreise zieht und nach den anderen seines Schwarms ruft“, meinte John und beobachtete weiterhin den unsichtbar scheinenden Vogel, während Rodney ungläubig mit dem Kopf schüttelte.
„Major …“
„Sie glauben mir nicht? Okay, nächster Beweis. Zum Thema Gehör … ähm …“, wandte John schnell ein und überlegte angestrengt. Was hatte Rodney gestern Nacht von sich gegeben? „Jeannie ist Ihre Schwester, nicht wahr?“
„Äh … wa… was? Jeannie? Woher …“, stotterte McKay ganz verdutzt, bevor John fortfuhr.
„Ich habe es nicht mehr wortwörtlich im Sinn, aber es war so was wie: ‚Verdammt, was ist das denn für ein Schwachsinn! So was kriegt sogar meine kleine Schwester besser hin!‘ Dann war da noch: ‚Vielleicht hätte ich sie doch besuchen sollen, bevor ich mich dazu bereit erklärt habe, höchstwahrscheinlich als Wraithfutter zu enden.‘“
Je mehr John zitierte, desto mehr entgleiste Rodneys Gesichtsausdruck. Wie um alles in der Welt konnte der Mann davon wissen? Das waren Selbstgespräche! Höchst vertrauliche Selbstgespräche, die er vollkommen unbeschwert in seinem Quartier von sich gab.
„Dann kam noch etwas über Kavanagh, den Sie offenbar mächtig auf dem Kieker haben, ich übrigens auch, aber keine Sorge, ich verrate es niemanden und dann waren da noch dutzende Flüche, die ich jetzt nicht wiederholen möchte. Wollen Ihre kleinen Mini-Mes wieder mal nicht so wie Sie?“
„Sie … Sie haben gelauscht? Oder haben Sie heimlich eine Videoverbindung in mein Quartier geschaltet, um …“
„Rodney, ich war selbst in meinem Quartier zu der Zeit. Falls Sie sich erinnern, es war zwei Uhr nachts und ich habe im Bett gelegen und wollte gerade schlafen, als ich Sie plötzlich in ihrem Quartier herumtigern und fluchen gehört habe. Es gibt keine Videoverbindungen in die Personalquartiere. Nur in die Flure. Das wissen doch. Sie haben doch selbst bei der Installation geholfen. Nein, Sie haben eher überwacht. Abgesehen davon lausche ich generell nicht. Außerdem ist es so gut wie unmöglich, denn die meisten Türen und Wände dieser Stadt sind schallisoliert. Nur leider nicht für mich, glauben Sie mir. Ich habe in der letzten Nacht mehr gehört, als ich je wollte … und nicht nur von Ihnen.“
„Ich … ähm … Sie … Sie haben das wirklich von Ihrem Quartier aus gehört? Aber das liegt mehr als 20 Meter entfernt und ich bin sicher, dass ich leise war.“
John verzichtete darauf, es weiter zu vertiefen. Abgesehen von der Verwunderung des Physikers konnte John auch peinliche Berührtheit in dessen Gesicht erkennen. Aber auch für John war die ganze Situation irgendwie peinlich. Es dauerte eine ganze Weile, in der Rodney schluckte und die Information zu verdauen versuchte, bis er dann ein erstauntes „Huh!“ ausstieß und sich neben John auf dem Boden niederließ. Seine Neugier nahm wieder überhand und so musste John in der kommenden Stunde Rede und Antwort stehen und von seinen Erfahrungen und Erlebnissen in der Vergangenheit erzählen.
Rodneys Unverständnis wich der immer größer werdenden Neugier und Faszination. Hin und wieder hatte John schwere Überzeugungsarbeit zu leisten, als es darum ging, sich abermals untersuchen zu lassen oder den anderen davon zu berichten. Ganz zu schweigen von Johns Ansicht, während der morgigen Mission zu dem bestimmten Planeten endlich die ersehnten Antworten zu erhalten. Es war etwas, dass Rodney beim besten Willen nicht verstehen wollte, bis John von seinem merkwürdigen Traum von Adlern und Füchsen erzählte. Es lief Rodney plötzlich kalt den Rücken herunter, als er sich an seinen eigenen Traum erinnerte. Doch er hielt es für besser, seine ähnliche Erfahrung mit keiner Silbe zu erwähnen – vorerst zumindest nicht. Aber die Neugier war so verdammt groß.
„Können Sie eigentlich auch fühlen, was andere fühlen?“
„Wie meinen Sie das?“, fragte John stirnrunzelnd.
„Na ja, wenn jemand wütend ist oder … oder verängstigt ist oder was weiß ich.“
„Sieht man das demjenigen denn normalerweise nicht an?“, erwiderte John, der sich doch sehr über Rodneys Frage wunderte. Noch mehr wunderte er sich über seine Reaktion und die plötzliche Unsicherheit. Rodney antwortete nur mit einem Schulterzucken, vermied es aber von da an, John in die Augen zu sehen. „Manchmal habe ich das Gefühl, ja. Manchmal denke ich, dass ich das Gleiche fühle, wie mein Gegenüber oder dass ich es zumindest gut nachempfinden kann. Nicht sehr oft, aber hin und wieder passiert es. Und manchmal ist es schon so stark, dass es mich kurz ins Schleudern bringt.“
„Huh.“ Es war wie ein Schlag in die Magengrube für Rodney. Es war zwar nicht wirklich eine Erklärung für ihn, aber er schien zumindest auf einer heißen Spur zu sein. Vielleicht gab es zwischen ihm und Sheppard tatsächlich einen Zusammenhang und die Idee, eine Erklärung auf einem anderen Planeten zu finden, kam ihm auf einmal weniger lächerlich vor.
Eine ganze Weile war vergangen und die beiden Männer entschieden, wieder in ihre Quartiere zu gehen.
„Also Rodney, kein Wort zu den anderen, bis ich weiß, was los ist. Verstanden?“, bat John, als sich die beiden vom Boden erhoben.
„Ja, ja“, gab Rodney murrend zurück, auch wenn es ihm nicht ganz behagte.
„Es ist mein Ernst, McKay. Wenn irgendjemand erfährt, dass ich besser sehen und hören kann, machen mir Elizabeth und Carson die Hölle heiß und ich kann es vergessen, zu diesen Planeten zu reisen.“
„Ist ja schon gut. Glauben Sie wirklich, dort die Antworten zu finden, die Sie suchen?“
„Ich weiß es nicht, okay. Ich weiß es einfach nicht. Aber ich hoffe es. Wenn nicht, dann … dann weiß ich auch nicht mehr weiter.“
„Ich könnte ja auch mal die Datenbank durchforsten. Vielleicht gibt es eine Referenz auf das Gen. Immerhin haben Sie es von Geburt an und das nicht gerade schwach.“
„Ja, vielleicht. Aber irgendwas sagt mir, dass ich auf dem Planeten wohl mehr erreiche.“
„Schön, aber ich komme mit.“
„Wirklich? Heute Morgen haben Sie sich noch arg dagegen gewehrt, mit mir alleine dort hinzugehen. Was hat ihre Meinung geändert?“
„Die Möglichkeit auf eine außerordentliche Entdeckung oder, was ich eher vermute, einen Riesenirrtum, den ich Ihnen dann für den Rest Ihres Leben vorhalten kann“, gab Rodney zurück und hoffte, der Major würde seinen kleinen Bluff nicht erkennen. Hatte er doch mittlerweile selbst einige Fragen, die er beantwortet haben wollte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er dem Soldaten im Grunde seines Herzens doch irgendwie glaubte. Vielleicht war es auch dem Instinkt des Majors und seinem eigenen zuzuschreiben. Denn etwas anderes wollte Rodney partout nicht einfallen, wenn er über all das nachdachte.
John lächelte nur und nickte kaum merklich. Er war mittlerweile zu müde, um sich in weitere Diskussionen mit dem Kanadier einzulassen, außerdem glaubte er, ein verräterisches Zucken um dessen Augenwinkel erkannt zu haben, dass immer dann auftrat, wenn der Wissenschaftler schwindelte oder versuchte, jemandem etwas vorzugaukeln. Es geschah zwar selten, aber das hatte John schon recht früh an ihm beobachten können.
Kaum dass die beiden sich umdrehten und den Balkon verlassen wollten, ertönte ein Kreischen etwas weiter über ihnen. Man konnte den Laut der von John vorhin beobachteten Möwe eindeutig ausmachen. Zuerst hatten beide in den nachtschwarzen Himmel gestarrt, doch nur John konnte das Tier dabei beobachten, wie es nun seine Kreise über vereinzelte Türme der Stadt zog. Mit großen erstaunten Augen blickte Rodney wieder zu John, der nur mit den Achseln zuckte. Spätestens jetzt würde Rodney endgültig von Johns Fähigkeiten überzeugt sein.
Aus dem Dschungel in den Tempel
Es war früh am Morgen, als John und Rodney durch das Tor schritten und sich sogleich auf einer kleinen Lichtung inmitten eines sonst dichten Dschungels wiederfanden. Sofort spürten sie das feucht-warme Klima und mussten einmal mehr tief durchatmen, denn die Luftfeuchtigkeit war ziemlich hoch, sodass man den Eindruck gewinnen konnte, es gäbe keinen Sauerstoff.
Überall ragten Palmen in die Höhe, Farne wuchsen in Massen, exotische Pflanzen schienen mit ihren klaren und knalligfarbenen Blüten um die Wette zu strahlen und es wucherten unzählige Schlingpflanzen um Bäume, Stümpfe und größeres Gestein, sodass kaum ein Zugang in diesen fremden und doch zugleich recht heimisch wirkenden Urwald gefunden werden konnte.
„Ich sagte doch, wir sollten eine Machete mitnehmen“, meinte Rodney, der bisher noch recht enthusiastisch wirkte.
Es wunderte John noch immer, wie begeistert der sonst sehr schnell an allem herumnörgelnde Wissenschaftler über die Absicht eines Besuches auf diesem Planeten war und er fragte sich, ob es wirklich nur Neugier und Interesse an Johns verrücktspielenden Sinnen war. Oder war es vielleicht eher die Tatsache, zumindest für eine Weile aus Atlantis herauszukommen, da in der Stadt nun offenbar ein Grippevirus wütete, zu dessen ersten Opfern die alte Charin und Lieutenant Ford gehörten? Vielleicht würde sich auch Johns Verdacht, dass der Kanadier selbst etwas zu verbergen hatte, bald bestätigen. Nun, so oder so, es würde sich in Kürze herausstellen.
„Ach kommen Sie, Rodney. Ich denke, wir kommen auch so klar“, erwiderte John, während er sich schon mal seiner Jacke entledigte.
Rodneys wollte es ihm schon gleich zu tun. Doch das würde bedeuten, seine empfindliche Haut an seinen Armen der Sonne und den Pflanzen, ganz zu schweigen den gefährlichen Insekten preiszugeben. Wusste der Himmel, was er sich hier für Krankheiten und Verletzungen zuziehen konnte!
‚Nein, da trage ich lieber meine Jacke und lebe sicherer und gesünder‘, dachte sich Rodney, als er geradezu trotzig auf Johns abwartend musternden Blick reagierte und die Arme vor der Brust verschränkte.
John verstand und zuckte nur mit den Achseln. „Ich werde Sie nicht durch den Urwald schleppen, wenn Sie mit einem Hitzschlag zusammenbrechen.“
„Wir werden ja sehen, wer sich als Erstes verletzt oder aus irgendeinem anderen Grund zu Boden geht. Wissen Sie denn überhaupt, wie viele Pflanzen und Getier es hier gibt, die potenziell gefährlich sind?“
„Nein, Rodney. Aber uns wird schon nichts passieren“, gab John geduldig zurück, als er schmunzelte und gleich darauf weitere Nörgeleien und mögliche Diskussionen im Keim erstickte. „Wir sollten erst einmal herausfinden, in welche Richtung wir überhaupt gehen sollen.“
„Ist das denn wichtig?“, wollte Rodney wissen.
„Es wäre wesentlich bequemer, als durch Gehölz zu stapfen, finden Sie nicht? Ich dachte, ich finde hier einen Weg oder einen Pfad oder …“
„Ein Empfangskomitee? Sie wissen doch, dass das mit diesem Indianer nur ein Traum war, oder? Zugegeben, ein möglicherweise sehr fantasievoller Traum, aber ich bin immer noch nicht so ganz davon überzeugt, hier etwas zu finden.“
Während Rodney noch seine langsam aufkommenden Zweifel äußerte, und dies noch erstaunlich beherrscht, war John auf eine kleine Gesteinsformation in der Nähe des Gates geklettert und konnte so seinen Blick zumindest teilweise über den Urwald schweifen lassen. Unbeeindruckt beobachtete Rodney, wie der Major nach kurzer Zeit wieder freudig grinsend hinabkletterte.
„Es war nicht wirklich ein Indianer. Eher so was wie ein … ein Schamane oder so.“
„Tss, wo ist denn da der Unterschied?“, erwiderte Rodney prustend, worauf John nur mit den Augen rollte.
„Ich habe von da oben tatsächlich einen kleinen Pfad ausmachen können, der zu einem Tempel oder so etwas führt. Liegt etwa einen halben Tagesmarsch in diese Richtung.“
Rodney folgte Johns lässiger Deutung in die fragliche Richtung und bekam große Augen. Einen ganzen Tag lang marschieren? Das konnte doch nicht wahr sein!
„Oh natürlich! Ein ganzer Tag. Hin und zurück, quer durchs Gestrüpp! Und natürlich haben wir keinen Jumper genommen, weil Sie ja von Anfang an wussten, dass wir mit ihm nicht durch dieses Tor und die Lichtung kommen, nicht wahr? Können Sie jetzt auch noch hellsehen? Hellträumen?“
John lächelte und schüttelte den Kopf. Er war noch immer so aufgeregt und neugierig und gespannt und hoffte, vielleicht etwas Entscheidendes zu entdecken, sodass ihm nichts und niemand die gute Laune so schnell verderben konnte. Auch ein mehr und mehr schlecht gelaunter Rodney McKay nicht. Und auch nicht die leisen Zweifel, die sich zu seinem eigenen Missmut allmählich in ihm ausbreiten wollten.
War es wirklich eine gute Idee gewesen, dem Kanadier von seinen Träumen berichtet und ihm solche Details anvertraut zu haben? Wie war er überhaupt auf die Idee gekommen? Was hatte ihn da bloß geritten? Nur ein kurzer aber schwacher Moment, in dem sich John in der Gegenwart von Rodney so wohlfühlte und glaubte, ihm alles anvertrauen zu können? Eine merkwürdige Verbundenheit, die er für wenige Augenblicke gespürt hatte? Es war ein weiteres Mysterium, das darauf wartete, entschlüsselt zu werden.
„Ich habe Ihnen gestern und heute Morgen schon gesagt, was wir vielleicht vorfinden können und zu erwarten haben. Wir haben genügend Wasser und PowerBars eingesteckt, haben auch reichlich Munition und Elizabeth will sich auch in etwa sechs Stunden melden. Also … was soll schon schief gehen?“ John grinste Rodney optimistisch an. „Lassen Sie uns gehen. Ich habe den Tempel mit meinem Kompass angepeilt und auch programmiert, auch wenn ich glaube, dass wir es nicht brauchen. Ich denke, ich finde mich hier auch ohne Navi oder Kompass zurecht.“
„Oh ja, natürlich. Hört, hört! Hier spricht der Pilot! Aber wissen Sie was, Major? Auch Piloten sollen sich schon mal verlaufen haben“, entfuhr es Rodney, als er sich in Bewegung setzte und stoisch hinter den Major her stapfte.
„Piloten verlaufen sich nicht. Sie sind allenfalls mal … desorientiert.“
~~~///~~~
Beinahe zwei Stunden waren vergangen, in der John geduldig weitere Fragen zu seinen Sinnen und seine Erfahrungen sowie seinen Träumen beantwortet hatte und nun die aufkommende Nörgelei und das unablässige Fluchen des Kanadiers ertrug. Schon nach etwa zwanzig Minuten hatte Rodney feststellen müssen, dass es besser war, sich doch seiner Jacke zu entledigen. So ließ sich das feuchtheiße Klima zwar besser ertragen, aber die vielen kleinen Schrammen und Kratzer summierten sich allmählich. Immer wieder streifte er an Pflanzen und anderem Gestrüpp vorbei, das ihm auch teilweise ins Gesicht schlug. So kam es, dass er weniger darauf achtete, wohin er seine Füße setzte und dadurch das eine oder andere Mal über eine Wurzel oder Steine stolperte. Es grenzte an ein Wunder, dass er noch nicht zu Boden gegangen war.
Dabei war es doch eigentlich ganz einfach, Johns Spuren zu folgen. Dieser hatte sich bisher kaum mit irgendwelchen Pflanzen angelegt und schien äußerst trittsicher. Bis er abrupt stehen blieb und aufhorchte.
„Sind wir endlich am Pfad angelangt? Ich bin es langsam leid, jeden einzelnen Strauch und jeden einzelnen Grashalm persönlich zu begrüßen“, keuchte Rodney, als er atemlos neben John zum stehen kam.
„Shh! Ich höre da was.“
„Und was? Hören Sie etwas die Palmen wachsen? Major … es ist warm, ich habe Hunger, außerdem kaum noch Wasser und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn …“
„Seien Sie doch mal still, Rodney!“, entfuhr es John etwas lauter und er unterstrich seine Anordnung mit einer knappen Handbewegung, während er weiter in die Umgebung lauschte.
Rodney schwieg zähneknirschend und verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust. Und doch konnte er es nicht lassen, den Soldaten neugierig zu mustern. John sah sich um, drehte sich ganz langsam, versuchte, die Richtung zu bestimmen, aus der er die Geräusche zu hören glaubte.
Es war schwer, die vielen Tierlaute und sogar deren Kriechen, Krabbeln und Nesteln auszublenden, ebenso das leise Rascheln von Blättern der Bäume und Sträucher, durch die der leichte Wind wehte.
John dachte schon daran, es bleiben zu lassen und weiter zu gehen, doch irgendwie hatte er das merkwürdige Gefühl, dass sich etwas zusammenbraute. Und nicht gerade etwas Angenehmes. Schon früher hatte er des Öfteren solche Erfahrungen gemacht. Eine Art Frühwarnsystem, dass es bald brenzlig werden könnte. Er musste sich schon sehr anstrengen und so sah nun auch Rodney, welche Mühe es ihm bereitete.
„Hören Sie wirklich was? Ich meine, läuft Ihr Gehör wieder auf Hochtouren?“
„Ja. Ja, da ist etwas. Ich dachte, ich hätte Schritte oder so gehört, aber die anderen Geräusche überlagern es.“
„Können Sie sie denn nicht irgendwie ausblenden?“, fragte Rodney, dessen Neugier wiederbelebt schien.
„Und wie? Rodney, Sie wissen, ich habe kaum Erfahrung oder … oder Übung mit so einem hochsensiblen Gehör.“
„Dann wird es wohl höchste Zeit, dass Sie sie bekommen, hm? Denn wer weiß, ob und was sich da uns gerade nähert. Also, wie wäre es denn, wenn Sie … versuchen Sie doch mal die Geräusche einfach auszublenden. Eines nach dem anderen. Konzentrieren Sie sich erst darauf und dann einfach ausblenden, bis nur noch eines übrig ist.“
John war schon überrascht, plötzlich derartige Ratschläge zu bekommen. Und das auch noch von McKay. Einmal mehr merkte John, wie interessiert der Kanadier wirklich an seiner Person und dem Geschehen war. Oder war es vielleicht die Furcht vor dem, was auf die beiden noch zukommen konnte? Wenn, wäre es auch verständlich. John überlegte nicht lange und befolgte den Rat.
„Na schön. Was soll´s? Ist einen Versuch wert.“
Rodney nickte zufrieden, während John tief durchatmete und dann die Augen schloss. Doch plötzlich schienen die vielen Klänge einfach zu viel und zu laut und John geriet einmal mehr ins Straucheln, was auch Rodney bemerkte.
„Was ist? Stimmt was nicht?“
„Ist zu viel … zu laut“, stöhnte John und wollte sich schon die Ohren zu halten.
„Dann … dann lassen Sie es. Ist doch jetzt auch nicht so wichtig, oder?“, meinte Rodney, der plötzlich von Sorge erfasst wurde, denn Johns Farbe wich aus seinem Gesicht und er wirkte blasser als je zuvor.
„Nein, nein. Irgendwas ist hier. Irgendwas … kommt auf uns zu“, meinte John, der weiterhin versuchte, den geradezu übermächtig scheinenden Lauten Einhalt zu gebieten.
Rodney wollte näher an seinen Kameraden treten, hatte aber plötzlich die Befürchtung, selbst mit der langsamsten und ruhigsten Bewegung Laute zu erzeugen, die John aus dem Konzept bringen könnten. Außerdem würde er ihm auch damit nicht helfen können. Auch wenn er es noch so gerne wollte.
Nur wenige Sekunden musste Rodney ton- und regungslos ausharren, bis ihm die grünen Augen des Soldaten geradezu hilferufend begegneten. Rodney wagte den Griff zu seinem kleinen Lebenszeichendetektor und hoffte, bei einem Scan nicht nur die Lebenszeichen von Tieren ausmachen zu können, John aber mit einer möglichen Richtungsangabe helfen zu können.
„Konzentrieren Sie sich einfach nur auf ein Geräusch und dann … einfach weg mit ihm. Einfach ausblenden“, wagte Rodney leise zu wispern, während er resigniert mit dem Kopf schüttelte. „Ich kann die Richtung nicht bestimmen, hier muss es vor Tieren und anderen Viechern nur so wimmeln. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen sonst helfen kann.“
Doch John hörte nicht auf ihn und konzentrierte sich auf sein Tun. Es war schwer und mühsam, sich einzelne Töne und Laute aus dem großen Pool zu suchen, der für ihn mittlerweile einem Donnerhall glich. Aber dann … tatsächlich … da war er, der gesuchte Klang. Es waren tatsächlich Schritte. Sie mussten zu großen oder schweren Personen gehören und sie kamen aus der gleichen Richtung, aus der auch sie gekommen waren. Vermutlich war es ein Trupp Marines aus Atlantis, den Elizabeth aus Sorge nun doch noch hinterher geschickt hatte.
Nun konnte John versuchen, sein malträtiertes Gehör wieder zu beruhigen und wieder richtig zu sich selbst zu finden. Was auch nicht ganz einfach sein würde, denn durch die Anstrengungen machten sich hinter seinen Schläfen nun auch noch unterschwellig Kopfschmerzen breit.
John stöhnte leise auf, als er zum Funkgerät griff.
„Was ist? Hat es funktioniert?“
„Ja, es hat funktioniert, aber jetzt habe ich Kopfschmerzen“, antwortete John und sah aus den Augenwinkeln, wie sein Kollege sich zunächst entspannte, dann aber gleich nach der Kopfweh-Nachricht wieder Sorgenfalten zeigte.
„Hier ist Major Sheppard …“, sprach John in das Funkgerät und wartete nur kurz auf Antwort, die jedoch nicht kam. „Hier spricht Major John Sheppard. Ich rufe den Erkundungstrupp … bitte antworten … “
„Glauben Sie, dass Elizabeth uns ein paar Leute hinterher geschickt hat?“, wollte Rodney wissen.
„Das dachte ich auch zuerst, aber jetzt habe ich irgendwie das Gefühl, dass es nicht unsere Leute sind, die da auf uns zu kommen. Außerdem hätten wir bereits etwas von ihnen oder Elizabeth hören müssen“, erwiderte John.
„Aber wer soll es sonst sein?“, fragte Rodney weiter und folgte dem Blick des Majors.
Natürlich konnte er jetzt einen weiteren Versuch starten, wieder hinaus zu horchen und die Schritte vielleicht einer bekannten Person zuzuordnen, aber das würde seine Kopfschmerzen höchstwahrscheinlich verstärken. Er musste jetzt einen klaren Kopf behalten, denn wer wusste schon, was da auf sie zukam.
„Ich will es nicht hoffen, aber ich glaube …“
„Sagen Sie es bitte nicht! Sagen Sie nicht, es sind die Wraith!“, fiel ihm Rodney ins Wort, doch John blickte ihn nur stumm aber ernst an. „Oh nein. Nein! Nein, nein, nein!“
„Sie haben uns wohl noch nicht entdeckt, aber wir sollten zusehen, dass wir hier wegkommen. Wenn wir uns beeilen, kommen wir bald zu dem Pfad und bis zum Tempel haben wir es dann nicht mehr weit.“
„Zum Tempel? Wieso wollen Sie denn jetzt zum Tempel? Die können uns da doch genauso gut erledigen! Wir sollten zurück! Wir sollten zusehen, dass wir nach Hause kommen oder zumindest irgendwie Verstärkung rufen!“
„Wir können jetzt nicht zurück, Rodney. Die sind wahrscheinlich wie wir durchs Gate gekommen und höchstens noch eine Stunde hinter uns. Gehen wir jetzt zurück, laufen wir ihnen direkt in die Arme. Der Tempel ist im Moment unsere einzige Möglichkeit.“
„Und da sitzen wir dann in der Falle.“ Rodneys Stimme hatte einen leicht quietschenden Tonfall angenommen.
„Wir finden dort wahrscheinlich Unterstützung von den hiesigen Eingeborenen-“
„Wenn es denn überhaupt welche gibt!“, unterbrach ihn Rodney abermals.
„Oder zumindest Unterschlupf und ein Versteck, bis Atlantis sich meldet und wir Unterstützung anfordern können“, fuhr John unbeeindruckt fort. „Ich werde mir schon was einfallen lassen, aber jetzt sollten wir wirklich los. Also Bewegung!“
~~~///~~~
Etwas mehr als eine Stunde waren sie nun durch den Dschungel gehastet und John hatte immer seltener auf den Kompass geblickt, dafür über umso mehr nach ihren Verfolgern gelauscht, die immer näherzukommen schienen. Es war Eile angesagt, wenn sie mit heiler Haut zum Tempel gelangen wollten.
Als sie dennoch eine kurze Verschnaufpause auf einer weiteren Lichtung einlegten, war Rodney froh über die Gelegenheit, sich auf den Knien abzustützen und etwas auszuruhen. John schaute sich erstaunt um und hatte das eigenartige Gefühl, hier schon einmal gewesen zu sein. Natürlich! Es war die Lichtung aus seinem Traum. Er erkannte die Bäume und Sträucher wieder. Und dann fiel sein Blick auf Rodney, der mittlerweile auf dem Boden kniete und noch immer nach Luft japste.
In dieser Stellung, mit seiner geröteten Haut an Armen und im Gesicht musste John unwillkürlich an den Fuchs denken, den er in seinen Träumen sah. Warum wusste er nicht so recht, aber er glaubte, dass sein Unterbewusstsein ihm irgendwie etwas mitteilen wollte. Es war höchste Zeit, dass dieses Rätsel endlich gelöst wurde.
„Rodney …“, sprach John leise und beobachtete, wie dieser erschöpft zu ihm aufsah.
„Sind sie noch hinter uns her? … Oder haben wir sie abgehängt?“, fragte Rodney atemlos.
John blickte wieder in die Richtung, aus der sie kamen, versuchte hinzuhören und konnte plötzlich sogar erkennen, wie einige Wraith sich schnell und effizient durch den Dschungel kämpften. Sie mussten ihnen näher sein, als er zu Anfang angenommen hatte. Schnell griff John nach seinem Fernglas, überprüfte den Abstand und fluchte.
„Verdammt!“
„Was? Was ist?“
„Ich glaube, uns bleibt nicht viel Zeit zum Ausruhen. Entweder sie kennen das Terrain oder sie sind eben besser zu Fuß als wir.“,
„Oh wunderbar“, japste Rodney. „Wie weit ist es noch zu diesem verdammten Tempel?“
Während John sich wieder des Fernglases bediente und auch einmal versuchte, ihr Ziel mit bloßem Auge auszumachen, wurde er von einem stutzenden McKay beobachtet.
Irgendwie kam ihm dieser Blick bekannt vor. Diese starren, geradezu durchdringenden Augen hatte er doch schon einmal gesehen. Trotz der Hitze bekam er plötzlich Gänsehaut, denn er erkannte den Mann vor sich als jemand anderen. Etwas anderes. Es waren plötzlich nicht mehr die bekannten braun-grünen Augen des Majors. Es waren die klaren, gelben und scharfen Augen eines Adlers, der praktisch alles erspähen konnte. Die Augen eines Adlers, den er schon einmal gesehen hatte. Letzte Nacht in seinem Traum. Was um alles in der Welt war hier los?
„Rodney? … Rodney!“
„Hm?“, kam es irritiert von dem Wissenschaftler, der ihn völlig konfus anblickte und gegen seine Verwirrtheit blinzelte.
„Alles in Ordnung mit Ihnen?“
„Ja … ja, alles bestens. Wo … wo sind wir jetzt?“, wollte Rodney wissen, als er sich wieder auf die Beine kämpfte und sich den Schmutz von der Hose klopfte.
„Der Pfad ist nicht mehr weit. Vielleicht eine halbe Stunde oder so in diese Richtung“, erklärte John und wies nach links.
„Ach, in diese Richtung? Ich dachte, wir seien schon da.“
„Wie kommen Sie denn auf diese Idee?“, wollte John wissen, der seinen Kompass und das Fernglas wieder in seiner Weste verstaute.
„Äh, hallo?!“, gab Rodney laut von sich und wies auf einen kleinen Trampelpfad, der gerade mal einige Meter neben ihm durch den dichten Dschungel führte. John folgte seinem Blick und der Deutung und stutzte. „So viel zu ‚Piloten verlaufen sich nicht‘ oder wie war das?“
„Ja ja, das ist aber nicht der Pfad, den ich meinte, okay. Ich glaube nicht, dass dieser da zu dem Tempel führt“, meinte John und blickte sich weiter um.
„Ich glaube, in Anbetracht der Umstände und der Tatsache, dass wir verfolgt werden, dürfte es so ziemlich egal sein, welchen Pfad wir nun nehmen. Hauptsache weg von den …“
Rodney konnte seinen Satz nicht mehr beenden, denn just im gleichen Moment sauste eine hellblaue Energieentladung dicht über ihre Köpfe hinweg.
„Wraith!“
Schnell sprangen die beiden Männer in Deckung und robbten hinter einen großen Steinbrocken. Während Rodney noch immer Schwierigkeiten hatte, seine Waffe überhaupt aus dem Holster zu bekommen und zu entsichern, hatte John bereits das Feuer erwidert und feuerte einige Salven in die vermeintliche Richtung.
„Rodney! … Wir müssen hier weg! Ich gebe Ihnen Deckung und Sie laufen schon mal los!“
„Aber … aber wo lang denn? Was, wenn dieser Pfad doch nicht zum Tempel …“
„Ich glaube, das ist jetzt auch völlig egal. Hauptsache wir kommen von hier weg und können die Wraith abhängen und jetzt los! Ich komme gleich nach!“
„Los jetzt!“, befahl John lauter und verlieh seinem Befehl mehr Ausdruck, als er Rodney am Arm packte und ihn mit einem Ruck hinter sich und aus der Schussbahn zog.
Noch einmal sah Rodney unsicher zu John und sprintete dann los. Er rannte in gebeugter Haltung, was das Zeug hielt, und bekam die vielen Schüsse der Wraithwaffen, die ihn nur knapp verfehlten und neben ihm in Bäume, Büsche und auf dem Boden einschlugen, gar nicht mit. Vielleicht ignorierte er sie auch nur. Rodney wusste es nicht, es war ihm auch egal, das einzige, was ihn noch interessierte, war, mit heiler Haut hier wieder herauszukommen. Und das möglichst mit dem Major.
Noch während er lief, riskierte er immer wieder den einen oder anderen Blick über seine Schulter und hoffte, den Soldaten hinter sich zu entdecken. Doch bisher ergebnislos. Er hatte zwar noch die Schüsse gehört, aber erblicken konnte er den Mann nicht mehr.
„Major! … Major!“
„Laufen Sie, McKay! Ich bin direkt hinter Ihnen!“, hallte Sheppards Stimme durch das Gehölz.
Noch einige Schritte konnte Rodney tun, bevor er plötzlich und unverhofft über ein unscheinbares Hindernis stolperte und zu Boden fiel. Ein höllischer Schmerz durchzog seinen rechten Knöchel und Rodney konnte einen Aufschrei nicht mehr verhindern. Ein lauter Knall erfolgte und ließ den Boden, auf dem er lag, leicht erbeben. Steine, Schmutz und Wurzelwerk flogen durch die Lüfte, vor denen sich der Kanadier zu schützen versuchte. Ein fester Griff packte ihn am Arm, zog ihn wieder auf die Beine und spornte ihn zum Weiterlaufen an. Ganz zu schweigen von den Energieentladungen, die dicht über seinen und Johns Kopf sausten.
„John! Was zum Teufel war das?“
„Granate! Los weiter!“, platzte es aus dem Soldaten.
„Ich kann … allenfalls hinken“, stöhnte Rodney, der sich nur unter Schmerzen fortbewegen konnte und in diesem Moment mehr als dankbar für Johns stützenden Halt war.
„Dann hinken Sie schneller. Sie sind uns dicht auf den Fersen.“
Es war leichter gesagt als getan, doch die Gefahr der Wraith, die ihnen immer näherzukommen schienen, Johns unermüdlicher Ansporn und eine gehörige Portion Adrenalin ließen Rodney den Schmerz schnell vergessen und bald war er auch nicht mehr auf die Hilfe seines Kameraden angewiesen. Der kleine, schmale Pfad war kaum noch zu erkennen, dennoch liefen sie immer schneller durch den immer dichter werdenden Wald.
Immer wieder schlugen die Energieentladungen der außerirdischen Waffen neben ihnen ein oder sausten dicht an ihnen vorbei oder über ihre Köpfe hinweg. Mehr als einmal glaubten die beiden, sogar den Lufthauch der vorbeirauschenden Schüsse zu spüren.
Rodney war in seinem ganzen Leben noch nie so schnell gerannt und auch Johns Lungen brannten schon. Seine Beine schmerzten und der Schweiß rann ihm ohne Unterlass über das Gesicht und in die Augen, was seinen Blick so manches Mal leicht verschwimmen ließ.
Sie registrierten das immer lauter werdende Rauschen zunächst nicht, bis sie sich plötzlich an einem Fluss wiederfanden. John verwarf die Idee schnell wieder, ihn durchqueren zu wollen. Die Stromschnellen schienen an diesem Abschnitt doch zu stark zu sein und so blieb den beiden Männern nichts anderes, als dem Fluss zu folgen. Weit kamen sie jedoch nicht, denn schnell fanden sie sich an einem Abgrund wieder, von dem sie beinahe gestürzt wären.
„Toll! Und was jetzt?“, schrie Rodney, der durch den tosenden Krach des niederrauschenden Wasserfalles kaum sein eigenes Wort verstand.
John blickte sich um. Ihre Möglichkeiten waren arg begrenzt, denn zur Seite auszuweichen würde bedeuten, sich am Rand des Wasserfalls und des Dschungels zu halten, der sie zudem höchstwahrscheinlich in die Arme der Wraith treiben würde und eine Umkehr war auch nicht möglich, denn John konnte ein Stück weit hinter ihnen schon einige Wraith aus dem Wald hechten sehen. Da blieb ihnen wohl nur eine Möglichkeit. Und die würde Rodney wohl ganz und gar nicht gefallen.
„Rodney, Sie können doch schwimmen, oder?“
„Ja, natürlich kann ich schwimmen. Wieso fra…“ Die Erkenntnis traf Rodney wie ein Schlag in die Magengrube. Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein! „Oh nein! Nein, nein, nein, nein und habe ich es schon erwähnt? Nein!“
„Ich glaube, wir haben keine große Wahl, was unsere Möglichkeiten betrifft!“
„Sind Sie verrückt? Wissen Sie, wie hoch das ist? Das … das müssen mindestens 60 Meter sein! Sie haben wohl den Verstand verloren!“, entfuhr es dem Wissenschaftler.
„Rodney, entweder da runter oder Leben weg!“
„Wenn wir da runter springen, ist unser Leben auch weg! Mein Leben ist dann weg! Alles, was hier drin ist“, meinte McKay und wies auf seinen Kopf. „Wissen Sie, was sich hier drin alles verbirgt? Ich sage Ihnen, das hat Nobelpreis-Potenzial! Das wäre weg, wenn ich da runter springe!“
„Es ist auch weg, wenn Sie´s nicht tun!“, erwiderte John und wurde immer ungeduldiger.
Nicht nur, dass die Wraith immer mehr aufholten, nein, auch er selbst war nicht gerade begeistert, sich aus einer solchen Höhe hinabzustürzen. Der Aufprall wäre nicht zu verachten und an die Temperatur des Wassers wollte er lieber gar nicht denken.
„Das … das ist Wahnsinn! Kompletter Wahnsinn! Mit Ihnen gehe ich nirgendwo mehr hin!“, schrie Rodney abermals und sah mehr als unsicher zwischen den Wraith, John und dem Abgrund hin und her.
Sekunden später wurde abermals das Feuer auf sie eröffnet. John löste die Halterung seiner P90 und hielt sie mit festem Griff, während er mit der anderen Hand nach Rodneys Handgelenk griff. „Rodney, ich verspreche Ihnen, Sie werden irgendwann den Nobelpreis kriegen!“
„Das würde voraussetzen, dass mir nichts passiert!“
„Das wird´s auch nicht! Ich … ich verspreche es.“ John sah Rodney mit festem Blick in die Augen. „Ich verspreche, dir wird nichts passieren!“
Es war Rodney nicht entgangen, dass John plötzlich zum `Du´ gewechselt war und er glaubte auch etwas in den Augen des Soldaten zu sehen, dass zum Teil wie ehrliche und aufrichtige Sorge wirkte. Es lag aber noch mehr in dessen Blick, das Rodney nicht wirklich erfassen konnte. Es blieb auch keine Zeit mehr, denn eine weitere Energieentladung sauste haarscharf über Johns Kopf hinweg und er konnte sich gerade noch ducken.
„Vertrau mir, okay? Vertrau mir!“
Rodney war nur mit größter Mühe imstande zu nicken, stand er doch wie gelähmt über dem Abgrund, der über Leben und Tod entscheiden sollte. Doch jedes Mal, wenn er zu John sah in dessen klare, funkelnde Augen, wusste er, dass sie beide überleben würden.
Johns Hand glitt von seinem Handgelenk in seine Handfläche und auch dies überraschte den Wissenschaftler einmal mehr. Auch wenn sein Griff sehr fest war, so tat es ihm nicht weh. Es war für Rodney vielmehr so, als ob er daraus Mut, Kraft und Hoffnung schöpfen konnte.
„Auf drei, okay?“, meinte John und sah gerade noch so, wie Rodney abermals nickte. „Ich lasse dich nicht los! Ich werde dich nicht loslassen!“
Diesmal nickte Rodney nicht mehr und er fand auch keine Worte mehr, aber John wusste, dass er verstanden hatte und er konnte sehen, wie sich in Rodney eine plötzliche Ruhe ausbreitete. John zog seinen Freund zunächst dichter zu sich und beide wandten sich dann dem Abgrund zu, während der Soldat zählte.
Bei drei angekommen, gaben sich beide einen Ruck und ließen sich fallen.
Prustend tauchte John wieder auf, hustete kurz und rang nach Atem. Sofort zog er an Rodneys Hand, die er noch immer festhielt, und half so seinem Freund, wieder an die Oberfläche zu kommen.
Rodney spuckte Wasser, japste nach Luft und hustete ebenfalls.
„Rodney! Rodney, alles okay?“, fragte John.
„Verdammt noch mal, John! Das ist doch Wahnsinn!“, entfuhr es Rodney, der noch immer vereinzelt hustete und nach oben zur Klippe des Wasserfalls blickte. „Ich kann nicht glauben, dass ich das überlebt habe!“
Doch kaum, dass John seinem Blick folgte, erblickte er die Wraith, die ihre Verfolgung offenbar nicht aufgeben wollten.
„Los, weg hier“, meinte John und musste Rodney nicht lange bitten, sich in Bewegung zu setzen.
„Schnell, schnell! Ich weiß nicht, wie sich eine Energieentladung ihrer Waffen im Wasser verhält. Die müssen noch nicht mal gute Schützen sein, um uns zu ertränken.“
Im Nu hatten John und Rodney Land erreicht und flüchteten tiefer in den Wald.
Der Tempel der Erkenntnis
„Ich glaube, die Anlage ist nicht mehr weit entfernt.“
„Das hast du vorhin schon gesagt, aber dann stand uns plötzlich ein Wasserfall im Weg. Was hast du als Nächstes geplant?“, platzte es aus dem Kanadier, der direkt hinter John zum Stehen kam, sich auf seinen Knien abstützte und noch immer nach Luft japste. „Wahrscheinlich geht es zur Abwechslung mal bergauf und wir müssen einen Berg erklimmen!“
„Ich glaube, wir haben sie erst einmal abgehängt“, meinte John und beobachtete besorgt, wie Rodney sich auf seinen Knien abstützte und verzweifelt nach Luft rang. „Rodney?“
„Brauche … nur … Luft.“
„Wir sind dem Tempel ein gutes Stück nähergekommen. Wären wir um den Wasserfall herum gegangen, hätten wird mindestens noch ein paar Stunden gebraucht. So sind wir den Wraith zumindest vorerst entwischt.“
„Ach ja? Was lässt dich da so sicher sein?“
„Na ja, ich denke nicht, dass sie uns einfach hinterher springen. Sie werden den Wasserfall umgehen. Falls wir für sie überhaupt noch interessant sind.“
„Ja … ja. Wollen wir hoffen, dass es ihnen die Anstrengung nicht wert ist“, gab Rodney zurück, als er sich wieder aufrichten konnte, ohne zu glauben, gleich an Sauerstoffmangel umzukippen.
„Elizabeth müsste sich bald melden. Dann fordere ich einen Jumper an. Aber ich hoffe, dass wir den Tempel vorher noch finden.“
„Was wäre so schlimm daran, wenn wir den Rest des Weges zum Tempel mit dem Jumper hinter uns bringen?“, wollte Rodney wissen, während er sich wie John durch das Geäst zurück zu einem kleinen Trampelpfad kämpfte.
„Im Grunde nichts. Nur weiß ich nicht, was mich im Tempel erwarten wird und was der Erkundungstrupp davon mitbekommen würde. Von Elizabeth ganz zu schweigen.“
„Was denkst du, würde passieren, wenn Elizabeth davon erführe?“
„Keine Ahnung. Ich habe schon ein paar Mal versucht, mit anderen Leuten darüber zu reden, aber entweder glaubte man mir nicht, oder die Ärzte konnten nichts Ungewöhnliches feststellen oder … oder ich stand kurz davor, wegen Stress suspendiert zu werden. Ich habe wirklich keine Lust mehr auf so etwas.“
„Aber du hast mir davon erzählt“, meinte Rodney. John hielt inne, drehte sich zu ihm und bedachte ihn mit undefinierbaren Blicken. „Du hast mir vertraut.“
„Ja.“
„Warum?“
„Weiß nicht“, erwiderte John nach endlos scheinenden Momenten. „Ich weiß nicht, warum.“
„Weil du tief in dir drin weißt, dass du es kannst? Weil du spürst, dass du es kannst? Dass du es sollst?“
„Ja … woher … Rodney, was ist hier los? Hast du etwa was in der Datenbank gefunden?“
„Nein. Ich weiß nicht mehr als du“, erklärte Rodney, als er entschied, nicht weiter darauf einzugehen. „Lass uns zu dem Tempel gehen. Vielleicht finden wir da endlich ein paar Antworten.“
Es entging Rodney nicht, dass John von Sekunde zu Sekunde irritierter schien. Er wusste, dass er auf einem schmalen Grat wanderte und es nur eine Frage der Zeit war, bis auch er John Rede und Antwort stehen musste.
Ein kleines Rascheln ertönte und ließ John mit erhobener Waffe in dessen Richtung zielen, während Rodney instinktiv einen Schritt näher an John rückte. Doch ihrer beider Vorsicht und Aufmerksamkeit wich plötzlicher Überraschung und Staunen, als ein hechelnder Fuchs aus den Sträuchern kam und sich vor sie hockte.
„Ja, spinn ich denn?“, entfuhr es John, bevor er fragend zu Rodney blickte, der jedoch auch nur mit den Achseln zucken konnte.
„Ich sehe ihn, aber … ich glaube noch nicht so recht. Füchse kommen eher nicht in tropischen Gebieten vor.“
„Genauso wenig wie Adler“, fügte John hinzu, kaum, dass sich der imposante Vogel neben dem Fuchs niedergelassen hatte.
„Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass ein Adler kein Problem hätte, sich mit einem Fuchs anzulegen.“
„Du meinst, ihn auseinanderzunehmen. Die beiden da scheinen allerdings kein Problem miteinander zu haben“, erklärte John, wobei er den Blick nicht von den Tieren ließ. Ebenso wenig, wie diese die beiden Männer nicht aus den Augen ließen.
„Aber vielleicht haben sie ein Problem mit uns“, gab Rodney zurück und John entging nicht, dass dieser sich noch immer dicht hinter ihm hielt.
„Ich weiß nicht … ich denke eher nicht.“
Rodney ließ nur kurz einen Blick über die beiden Tiere streifen, bevor die Anspannung sichtlich nachließ. „Du denkst, es sind dieselben, die du in deinen Träumen gesehen hast?“
„Wie du gesagt hast, Füchse und Adler kommen normalerweise nicht in den Tropen vor, also … gibt es wohl einen bestimmten Grund, warum sie jetzt vor uns stehen.“John ging in die Hocke und sah zuerst dem Fuchs, dann dem Adler direkt in die Augen. Er konnte nicht erklären, warum, aber er bezweifelte, dass diese beiden besonders scheu waren. Langsam streckte er eine Hand aus und beobachtete, wie zunächst der Adler seinen Kopf reckte, bevor auch der Fuchs an ihm schnupperte. Dann drehte er sich um und lief tiefer in den Dschungel hinein, während der Adler sich erhob und dem Fuchs folgte.
„Ich denke, wir sollen ihnen folgen.“
~~~///~~~
Nicht ganz eine Stunde hatten John und Rodney damit verbracht, an den beiden Tieren dran zu bleiben und sich durch den dicksten Dschungel zu kämpfen, bis sie endlich den Tempel erreichten. John sah noch, wie der Fuchs und der Adler auf einer Stufe der großen Treppe vor dem Tempel saßen, bevor sie im nächsten Moment die große Treppe hinauf liefen und sich plötzlich in Luft auflösten. Doch der Anblick des Baus zog die beiden Männer derart in seinen Bann, dass die geisterhaften Tiere zunächst in Vergessenheit gerieten.
Mit dunklem Stein gebaut und unzähligen kaum erkennbaren Verzierungen entsprach der Tempel eher einer alten Ruine, die trotz der vielen Jahrtausende, die sie nun schon überdauert haben musste, noch erstaunlich gut erhalten war. Zwar waren einige Säulen und Statuen bereits umgekippt und schienen im festen Griff der hiesigen Vegetation zu sein, doch dieser Ort kam John mehr als bekannt vor.
Die Pflanzenranken schienen nicht einmal vor der Statur eines Leoparden haltzumachen. Aber warum sollten sie das auch, fragte sich John. Es war nur Stein und doch löste der Anblick dieses Abbildes in John etwas aus, dass er nicht beschreiben konnte. Die Anziehung und der Drang, diesen Tempel zu betreten, schienen fast überwältigend und John hatte Mühe, dagegen anzugehen.
„Ich schätze, wir haben ihn gefunden“, seufzte John erleichtert.
„Scheint so. Ja … das ist er. Das ist der Tempel. Er sieht genau so aus, wie …“
„Was? Du hast ihn schon mal gesehen?“
„In … einem Traum, ja“, gab Rodney endlich zu. „Genau wie du.“
„Im Traum. Du … du hast auch von diesem Tempel geträumt und von den Tieren? Wann? Wie lange schon?“, wollte John wissen.
„Weiß nicht. Ne ganze Weile … seit Antarktika oder besser gesagt, seit wir uns kennengelernt haben.“
„Seit Antarktika“, wisperte John und versuchte, nicht gleich die Geduld zu verlieren. „Rodney … was ist hier los? Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass du mehr weißt? Dass du weißt, was hier los ist und was passiert.“
„Ich weiß nicht, was los ist und ich weiß bestimmt auch nicht, was passieren wird.“
„Aber?“
„Aber ich bin genauso an einer Erklärung interessiert wie du.“
„Einer Erklärung wofür? Für meine überempfindlichen Sinne oder die Tatsache, dass du geschwiegen hast, während ich mich gestern über alles Mögliche ausgelassen habe?“
„Vielleicht eine Erklärung für meinen hyperaktiven Sinn. Vielleicht aber auch für beides. Für uns beide.“
„Deinen … ich verstehe nicht.“
„Doch du verstehst, John. Du verstehst schon eine ganze Weile, das weiß ich. Du kennst nur die Details nicht. Du hast gesagt, dass du mir vertraust, auch wenn du nicht weißt, warum oder wieso. Und ich weiß, dass ich auch dir vertrauen kann. Vertrauen sollte. John, du bist nicht der einzige, der hyperaktive Sinne hat.“
„Wie bitte?“
„Du kannst vielleicht besser sehen und besser hören und auch besser riechen als andere, vor allem wenn man bedenkt, was neulich mit diesen Blaubeermuffins passiert ist, aber ich kann in anderen lesen wie in einem Buch.“
„Ich verstehe nicht ganz …“, gab John zurück, doch mit einem Mal fiel es wie Schuppen von seinen Augen. „Du kannst in anderen … du kannst die Gefühle anderer fühlen. Du hast mich gestern gefragt, ob ich auch die Gefühle anderer spüren könnte, stattdessen kannst du … in mir? Du kannst meine Gefühle lesen?“
„Permanent. Ich kann es nicht kontrollieren!“, verteidigte sich Rodney sofort, als er Johns entrüstete Miene sah. „Ich will es nicht und ich wollte es auch nie, aber … ich kann mich nicht dagegen wehren. Mein Leben lang habe ich versucht, dagegen anzugehen, es irgendwie abzustellen, oder zumindest zu lernen, damit umzugehen oder es zu kontrollieren. Manchmal war es relativ einfach, meistens aber war es so schlimm, dass ich den Raum verlassen musste. Ich fühle es, wenn Menschen nervös sind, wenn sie Angst haben, aufgeregt sind, wenn sie sich freuen, wenn sie sich mögen oder auch nicht. Wenn sie Neid empfinden oder wenn sie etwas amüsiert und dabei muss ich ihnen noch nicht einmal ins Gesicht sehen. Es reicht schon in ihrer Nähe zu sein und manchmal … manchmal scheint es nicht genug Abstand zu geben. Selbst das SGC mit all seinen Ebenen und Fluren war manchmal einfach zu viel für mich.“
John lauschte den Ausführungen des Kanadiers aufmerksam und konnte sich gut vorstellen, welche Qualen sein Gegenüber manchmal über sich ergehen lassen musste. Er konnte es ihm regelrecht nachempfinden, auch wenn sich seine empathischen Fähigkeiten bisher eher sporadisch zeigten.
Der Wissenschaftler hatte auf John bisher immer einen unhöflichen, geradezu unausstehlichen Eindruck gemacht und er war sich sicher, dass man ihm bei seinen Beobachtungen sogar unumwunden recht geben würde. Doch sein Geständnis öffnete John auf eine Art und Weise die Augen, wie er es niemals für möglich gehalten hätte. Nun wurde John klar, dass Rodney dieses pedantische und abweisende Verhalten als Schutzfunktion nutzte. Ihm ging es mit seinem Schweigen, den Geheimnissen und seiner Zurückhaltung in manchen Dingen wohl auch nicht besser.
Auch wenn das Gefühl der Enttäuschung durch diese Erkenntnis allmählich nachließ, konnte er nicht einfach ignorieren, was er soeben gehört hatte.
„Na schön. Wir haben beide Fähigkeiten, die wir nicht wollten, mit denen wir kaum umgehen können, die wir nicht verstehen und die uns wohl auch niemand so schnell abkaufen wird. Wir haben diese Träume und Visionen und die Tiere aus unseren Träumen haben Gestalt angenommen. Irgendwie scheint es eine Verbindung zwischen uns und diesem Tempel zu geben. Ich schlage vor, wir nutzen die Gelegenheit und sehen uns um. Mal sehen, was wir raus finden“, erklärte John, als ein blasser Rodney mit seinem Geständnis endete.
„John, ich weiß, ich hätte dir das schon gestern sagen sollen. Spätestens als du mir von den Träumen erzählt hast. Es ist nicht so, dass ich dir nicht vertraut hätte, das weißt du, oder? Nur, ich …“
„Rodney“, unterbrach ihn John und fuhr sich über den Nasenrücken. „Ich mache dir keinen Vorwurf, okay? Himmel, ich … ich hatte bis vor Kurzem immerhin selbst mit Dingen zu tun, die …“
„Ich will nur nicht, dass du wütend oder enttäuscht bist. Ich weiß nicht warum, aber ich weiß, dass ich damit nicht zurechtkäme. Klingt blöd, ich weiß, vor allem, weil wir uns noch nicht so lange oder so gut kennen, aber … so ist es nun mal.“
„Nein, das … das klingt nicht blöd. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber ich glaube, nichts klingt mehr irgendwie blöde, seit wir den Wasserfall runter gehüpft sind“, erklärte John leise und beobachtete, wie Rodney diese Aussage verarbeitete. Er hoffte auf eine bestimmte Reaktion des Mannes und er wurde auch nicht enttäuscht, als Rodney zunächst erleichtert lächelnd nickte.
„Ich glaube, wir haben so einiges, worüber wir uns mal unterhalten sollten.“
„Ja, absolut“, stimmte John unumwunden zu und zeigte nun seinerseits ein kleines Lächeln.
„Ich meine nicht gerade jetzt und auch nicht gerade hier, aber … irgendwann. Bald.“
„Ja.“
„Und vor allem unter vier Augen. Ich meine, ich will schließlich nicht, dass du deinen Job verlierst oder schlimmer. Wir sind zwar Lichtjahre von der Erde entfernt, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir eine Möglichkeit finden, Kontakt zur Erde aufzunehmen und wenn ich bedenke, wie manch einer der Marines es genießt, deine Autorität infrage zu stellen … es wäre ein gefundenes Fressen für einen von ihnen dich mit dieser „Frag nichts – Sag nichts“-Regel an den Pranger zu stellen und dann … dann …“
John war über das schnelle Plappern und die plötzliche Panik, die sich in dem Kanadier auszubreiten schien, überrascht und einmal mehr schalt er sich einen Narren, jemals an dem Mann und dessen Gefühle gezweifelt zu haben. Andererseits ging so vieles mit ihnen und zwischen Ihnen vor, wer konnte ihnen da einen Vorwurf machen, einmal nicht das Offensichtliche mitbekommen zu haben?
John packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn kurz, aber sanft. „Rodney! Rodney … darüber reden wir auch ein andermal, okay? Lass uns einfach einen Schritt nach dem anderen machen. Jetzt sind wir erst einmal hier. Lass uns zuerst rausfinden, was es mit unseren Sinnen und unseren Fähigkeiten auf sich hat, okay?“
„Ja. Ja, okay.“
„Gut.“ John ließ ihn wieder los und wandte sich nach einem kurzen Augenblick wieder dem Tempel zu, der majestätisch vor ihnen in die Höhe ragte. „Ein LSD wäre jetzt nicht schlecht. Wüsste zu gerne, ob das Ding lantianischen Ursprungs ist.“
John hatte den Satz nicht einmal richtig zu Ende sprechen können, als Rodney bereits seinen Rucksack abgenommen hatte und eilig darin wühlte. „Hah!“ entfuhr es ihm, als er ein gut eingepacktes Bündel aus seinem Gefängnis befreite. „Nur gut, dass ich ihn gut eingepackt habe. Hm! Als ich ob ich geahnt hätte, dass es etwas feucht werden würde.“
John konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen, als er sah, wie Rodney den Lebenszeichendetektor aus seinem Plastikumschlag befreite und ihm überreichte. „Noch eine Fähigkeit, die da zutage kommt?“
„Oh, bitte verschone mich. Mir reicht es schon, dass ich als Briefkasten für jedermanns Gemütsregungen diene. Wie ich meine drei Doktortitel gekriegt habe, ist mir immer noch nicht ganz klar. Da musste ich nicht noch Hellseher spielen.“
„Wäre aber bestimmt nicht schlecht. Ein paar Voraussagungen wären im Kampf gegen die Wraith sicher von Vorteil. Genau wie ein Doktor in Psychologie. Wundert mich, dass du das nicht in Erwägung gezogen hast. Mit deinen Fähigkeiten hättest du dich gut in deine Patienten einfühlen können.“
„Ja“, seufzte Rodney langsam, als sich John noch mal nach ihm umdrehte. „Das war anfangs auch eine Überlegung von mir, aber irgendwann wurde mir der Vorteil einfach zu viel. Ich meine das Thema und die Studien waren bis zum Master durchaus interessant, aber immer wenn ich mich auf die Emotionen anderer konzentriert habe, wurde mir regelrecht schlecht. Wenn ich daran dachte, dass ich das später nicht nur fühlen würde, sondern zusätzlich noch die Litaneien der Leute zu hören bekäme … nein, das ist nichts für mich. Die Physik hat mir in gewisser Weise einen Ausweg geboten. Da konnte ich mich auf andere Dinge konzentrieren und mich meist auch zurückziehen. Egal, was andere vielleicht fühlten oder dachten. Irgendwie funktioniert es noch heute so. Meistens zumindest. Es sei denn, ich laufe einem Major mit unkontrollierbaren Sinnen über den Weg.“
„Tut mir leid, Rodney.“
„Muss es nicht. Es ist auch wohl kaum deine Schuld. Ich meine, ich weiß, wie du dich … wie es für dich sein muss. Wenn einem niemand glaubt, wenn niemand hilft oder eine Erklärung hat oder man einfach nur Angst hat, den Mund aufzumachen, weil man sonst als verrückt oder sonst was abgestempelt wird. Das ist etwas, das wir gemeinsam haben. Das ist ein weiterer Grund, warum ich mit dir gegangen bin.“
„Auch wenn du zuerst ganz und gar nicht begeistert warst und nicht wolltest.“
„Da wusste ich auch noch nicht, was ich jetzt weiß. Ganz zu schweigen von dem, was uns erwarten würde.“ Wieder umspielte ein kleines Lächeln seinen Mund, dass ein wenig mehr Entspannung in John aufkommen ließ.
Rodney räusperte sich, in der Hoffnung damit sich und auch John wieder ins Hier und Jetzt zu bringen. Gespräche über solche Themen fielen ihm mit John erstaunlich leicht, bemerkte Rodney. Doch jetzt hatte keiner der beiden die Zeit, sich dieser neuen Erkenntnis zu widmen. „Apropos, wie sieht es eigentlich an unserer eigenen momentanen Front aus?“, wollte Rodney wissen.
„Keine Wraith. Oder zumindest nichts Besorgniserregendes in unmittelbarer Umgebung. Vermutlich haben sie es aufgegeben und sind zurückgekehrt.“
„Oder sie umrunden den Wasserfall noch. Oder sie campieren am Gate und warten auf unsere Rückkehr oder …“
„Oder wir nutzen so lange die Chance und sehen uns endlich um. Wir haben noch etwa eine Stunde, bevor Atlantis sich meldet, bis dahin will ich etwas rausgefunden haben. Dann lasse ich einen Jumper kommen. Der wird mit den paar Wraith schon fertig. Sollten sie noch da sein.“
„Ja, ja. Na schön. Ich habe mal wieder … ja. Okay. Vielleicht sollte ich …“ Wieder wühlte Rodney in seinem Rucksack und holte nun eine Videokamera hervor. „Keine Sorge. Das Material ist nur für uns. Falls wir nicht mehr hierher zurückkehren können, haben wir wenigstens das. Außerdem könnte es vielleicht als Referenzmaterial für meine Suche in der Datenbank in Atlantis dienen.“
„Du hast dich wirklich noch nicht darin umgesehen?“, fragte John und Rodney schüttelte den Kopf.
„Wann hätte ich das tun sollen? Ich habe erst letzte Nacht von deinen Sinnen erfahren und was mich angeht, so habe ich die meiste Zeit meines Lebens mit anderen Dingen verbracht, als herauszufinden, warum ich die Stimmungen der anderen analysieren kann.“
„Aber neugierig bist du schon, oder? Ich meine …“
„Ich bin ziemlich neugierig. Wie du, glaube ich, dass das alles einen Grund hat und dass es irgendeine Verbindung gibt. Wir beide haben dieselben Träume, beinahe die gleichen Fähigkeiten und wir wurden geradezu magisch hierhergezogen. Abgesehen von Adlern und Füchsen.“
„Ich dachte, du glaubst nicht an Magie?“
„Tu ich auch nicht. Ich denke durchaus, dass es für alles eine Erklärung gibt, auch wenn Einstein einmal sagte, dass die größten Erlebnisse die seien, die uns das Unerklärliche beschert. Nur ob das, was wir da drin erfahren können, etwas Schönes ist …“
John entsicherte seine Waffe in der Hoffnung, dass sie nach dem Hechtsprung ins Wasser noch funktionierte, auch wenn er ernsthaft daran zweifelte. „Finden wir es einfach heraus.“
„Ja, ich war schon immer daran interessiert, das Unerklärliche irgendwann erklären zu können.“
Rodney hielt sich nur wenige Schritte hinter John und filmte alles, was ihm vor die Kamera kam.
Es faszinierte und besorgte beide Männer, dass die große Treppe zur Spitze und gleichzeitigem Eingang zum Tempel mit den steinernen Abbildern der verschiedensten Tiere geziert war. John deutete mit seiner Waffe auf eine Statue, die vielleicht einen halben Meter maß.
„Der Fuchs“, wisperte Rodney ehrfürchtig, sah zunächst zu John, deutete dann aber selbst auf eine weitere Statue direkt neben John.
„Der Adler.“
„Etwa hier sind sie auch verschwunden.“ Beide wechselten einen bedeutungsschweren Blick, bevor sie die Treppe weiter erklommen. „Was meinst du? Hologramme?“
„Die uns quer durch den Dschungel führen? Oder uns in der Nacht heimsuchen? Ich bezweifle es.“
„Hast du eine Ahnung, was es dann zu bedeuten hat?“
„Tja, es sind ja nicht nur die Träume und Visionen, wir haben auch das Gefühl, uns irgendwie mit ihnen zu identifizieren zu müssen und jetzt sehen wir sie hier. Also … wenn ich bedenke, dass wir hier in einer anderen Galaxie und auf einem anderen Planeten sind und die Wahrscheinlichkeit, dass sich exakt dasselbe Leben und dieselben Lebewesen gebildet haben wie auf der Erde, in der Milchstraße eher gering ist, dann … nein. Ich habe absolut keine Ahnung.“
John brummte nur, als er die letzte Stufe emporklomm und eine kleinere überdachte Vorhalle durchquerte, bis er sich vor einer größeren Wand mit einem Relief wiederfand.
„Ein Auge. Hast du das auch in deinen Träumen gesehen?“
„Ich meine mich daran zu erinnern, ja“, antwortete Rodney und nahm das gesamte Abbild auf, während John seine Hand über den Stein gleiten ließ. Dann übergab er den Lebenszeichendetektor an Rodney, der nur kurz mit den beiden Geräten strauchelte, während John weiterhin den Stein abtastete.
Es war ein merkwürdiges Gefühl. Zwar fühlte es sich zunächst wie ein gewöhnlicher kühler Stein an, doch bald spürte er das bekannte Kribbeln in seinen Fingern, in der Hand und schlussendlich im ganzen Arm.
„Das könnte antikischen Ursprungs sein“, hatte John noch aussprechen können, bevor ein Rumpeln ertönte und der riesige Stein sich wie durch Zauberhand zur Seite bewegte.
Finsternis begrüßte die beiden, bevor das Licht der Taschenlampe an Johns Waffe ihnen einen engen Treppenabstieg nach unten erleuchtete. Vorsichtig hatten sich die beiden in den großen Raum gewagt, als plötzlich einige Fackeln in den Ecken des Raumes aufflackerten und den Raum erhellten. Sowohl die Decke als auch die Wände waren mit Abbildern von Tieren und Pflanzen und undefinierbaren Reliefs, manchmal sogar unheimlichen Fratzen verziert. Rodney begann sofort wieder zu filmen, doch das Licht der Fackeln reichte für eine genaue und scharfe Aufnahme nicht aus.
„John, kannst du mir mal hier leuchten? … John?“
John reagierte kaum auf Rodneys Stimme. Die beiden großen länglichen mit Wasser gefüllten Becken, die den Raum dominierten, zogen ihn geradezu in ihren Bann. Rodney trat näher an ihn heran. Er folgte seinem Blick und begann, die Becken mit seinem Scanner zu untersuchen.
„Es ist wohl kein gewöhnliches Wasser, ich kriege hier nämlich einen Energiewert, aber … von Technologie scheint jede Spur zu fehlen. Merkwürdig, merkwürdig.“
„Ich muss da rein.“
„Was? Da rein? Hast du mir nicht zugehört? Ich empfange Energiewerte von dem Wasser. Zugegeben, sie sind schwach, aber … es könnte sonst was sein … und sonst was mit dir anstellen. Es könnte auch sonst was da drin sein, das wir noch nicht mal sehen.“
„Wissen“, antwortete John leise. „Ich denke, da drin finden wir Wissen … die Antworten auf unsere Fragen, Rodney.“
„Du denkst? Ist das einfach nur eine Annahme oder … ist das so eine Sinnessache oder mehr ein Instinkt, Gefühl?“
„Ich weiß es einfach. Du hast mir gesagt, dass du mir vertraust.“
„Ja, aber …“, antwortete Rodney. Er sah die Verzweiflung und das Flehen in den Augen des Mannes und er konnte auch nicht länger seine eigenen Instinkte und Gefühle ignorieren.
„Es tut mir leid, dass … all das. Es tut mir leid, dass ich dich da mit rein gezogen habe. Dass ich dich der Gefahr, von den Wraith geschnappt zu werden, ausgesetzt habe. Dass ich dich quer durch diesen Dschungel gehetzt habe und dann noch der Sprung am Wasserfall … du hättest so oft … Verdammt, ich hätte dich so oft verlieren können. Ich … ich hätte dir das alles früher erzählen sollen. Ich hätte … ich hätte dich fragen sollen und dir die Entscheidung überlassen sollen, mitzukommen.“
„Das hast du doch. John … du hast mich zu nichts gezwungen und ich mache dir keine Vorwürfe wegen den Wraith oder …“, platzte es aus Rodney. „Mit uns geht irgendwas Verrücktes vor. Du hast mir letzte Nacht all das erzählt und ich … ich habe geschwiegen und gehofft, du würdest die Antwort finden, die du mehr suchst als ich. Aber die Wahrheit ist, dass diese Träume und die Visionen auch mir keine Ruhe lassen. Ich will auch eine Antwort auf all die verrückten Dinge, die mit uns passieren. Mir ist klar, dass uns mehr verbindet. “
John trat näher an McKay, nahm einen tiefen Atemzug, bevor seine Hand über Rodneys Wange glitt und griff zögerlich nach dessen Hand. „Ich weiß, wir haben viel zu besprechen, nur … wenn du jetzt in mir liest, weißt du, was ich … was ich für dich empfinde. Ich glaube, ich habe schon in dem Moment, in dem ich dich zum ersten Mal gesehen habe, etwas für dich empfunden. Ich weiß auch, dass ich dich nicht einfach so wieder gehen lassen kann, und ich darf auch nicht von dir verlangen, ein solches Risiko mit mir einzugehen. Ich kann und ich will dich auch nicht zwingen, dem ganzen hier mit mir auf den Grund zu gehen. Aber du sollst wissen, dass ich nicht zulasse, dass dir etwas passiert. Okay? Egal wann, egal wo, egal worum es geht … ich passe auf dich auf. Ich beschütze dich.“
„Ich weiß, ich …“ Rodneys Worte gingen in dem sanftesten Kuss, den er jemals erhielt, unter und für einen Moment glaubte er sogar Raum und Zeit verloren zu haben. Das nächste, das er wieder wahrnahm, war Johns Stirn, die gegen seine lehnte.
„Ich würde niemals dein Leben riskieren. Ich weiß nur, dass wir da rein müssen, wenn wir wissen wollen, was all das zu bedeuten hat und ich kann dich nur bitten, mir weiterhin zu vertrauen.“
Rodney hob den Kopf etwas und sah zu den beiden Becken. „Okay.“
~~~///~~~
Eine merkwürdige Lähmung hatte sie ergriffen, kaum dass sie in ihren jeweiligen Becken lagen. Gerade mal das Gesicht lugte aus dem Wasser, und doch spürten sie, wie sie in etwas hineingezogen wurden, dem sie kaum entrinnen konnten. Ihren Blick starr nach oben gerichtet, verfolgten sie, wie die Bilder und Muster an der Decke verschwammen, miteinander verschmolzen und in blauem Licht verschwanden.
Dann tauchte ein Schamane auf. Lange schwarze Haare mit dünnen Zöpfen umrahmten sein zum Teil bemaltes Gesicht und auch sein Oberkörper war durch farbige Streifen und andere kleinen Figuren geziert. Einzig mit einem großen Lendenschurz und einfachen Sandalen bekleidet stand er zwischen den beiden Becken.
„Endlich seid ihr gekommen.“
„Ich kenne dich … ich habe dich schon einmal gesehen“, erwiderte John, rührte sich jedoch nicht.
„Euer Geist hat mich zu euch gerufen, doch ihr konntet meine Worte nicht verstehen. Nun habt ihr zu mir gefunden. Auch wenn eure Reise sehr lang und beschwerlich war, steht ihr doch am Beginn des Weges.“
„Was geschieht mit uns? Warum kann ich besser sehen und hören als andere?“, verlangte John zu wissen.
„Und warum kann ich seine Gefühle von allen am deutlichsten spüren?“, fügte Rodney hinzu, der ebenso reglos in seinem Becken lag und den Schamanen beobachtete. Es sollte ihn irritieren, dass er die fremd klingende Sprache dieses Schamanen perfekt verstand und was überhaupt gerade mit ihm geschah, sollte ihn beunruhigen. Doch Rodney spürte nichts in dieser Richtung und doch war er im höchsten Maße aufmerksam.
„Mit dieser Kraft wurdet ihr geboren und mit dieser Kraft werdet ihr sterben. Die Entscheidung, ob ihr die Kräfte für das Gute nutzt oder euch selbst ins Verderben stürzt, liegt bei euch.“
„Das ist so was von nicht hilfreich“, beschwerte sich Rodney. „Warum haben ausgerechnet wir diese Kräfte? Was sollen wir mit ihnen? Wie können wir sie nutzen, wenn wir sie schon nicht wieder los werden?“
„Du achtest die Menschen in deinem Stamm und du schützt ihr Leben“, erklärte der Schamane an John gewandt. „Das ist der Weg eines Sentinels. Doch diesen Weg sollst du nicht alleine beschreiten. Du musst dich deinem Führer anvertrauen.“ Er wandte sich Rodney. „Du bist sein Gewissen, du gibt ihm Mut und Stärke, du bist derjenige, der ihm den Weg bereitet und ihn führt. Du wirst ihn stützen und ihm helfen, das Licht in seinem Inneren erstrahlen zu lassen. Dir muss er seinen Geist und seine Seele anvertrauen können. Eure Gedanken werden eins, eure Gefühle werden eins, eure Träume werden eins.“
„Wie? Wie sollen wir das … erreichen?“
„Wandelt durch eure Träume. Ihr müsst eurem Geist erlauben zu sprechen. Wenn es Dunkelheit gibt, müsst ihr euch ihr stellen. Die Dunkelheit wird vor dem Licht fliehen, aber das Licht muss von innen erstrahlen …“
Der Schamane verschwand und John und Rodney glitten tiefer in eine Welt, in der ihrer beider Geist die Führung übernahm und ihnen die Bilder zeigte, die sie sehen mussten.
Sie sahen Bilder der Vergangenheit, hörten die Stimme alter Freunde, verstorbener, entfremdeter und treu gebliebener. Sie sahen längst vergangene Ereignisse, fühlten den alten Schmerz, aber auch die Freude, Furcht, Glück, Liebe, Zorn – dann sahen sie neue Bilder. Die Vergangenheit wandelte sich zur Gegenwart. Sie sahen sich im Tempel, sahen sich im Wasser liegen, bevor dieser Moment sich in tausende Momente der Zukunft wandelte. Alles schien ineinander zu fließen.
Es packte sie, verängstigte sie in einem Moment, beruhigte in einem anderen. Es war eine Anhäufung von Bildern, die so schnell und erbarmungslos vor ihren Augen abliefen und sich in ihre Seelen brannten, dass sie die Schmerzen, die Angst, aber auch die Freude und das Glück all dieser Momente spüren konnten. Es war so überwältigend …
John blinzelte, als er plötzlich wieder ins Hier und Jetzt fand und japste nach Luft. Sein erster Impuls war, sich zu bewegen und aus diesem Becken zu steigen. Doch jede Bewegung schien ihm unendlich schwerzufallen. Mit Mühe hatte er sich etwas aufrichten können und sofort spürte er, wie die umgebende Luft die Nässe an seiner Kleidung noch mehr abzukühlen schien. Noch einmal tauchte er seine Hand in das Wasser und stutzte, denn im Grunde war es angenehm warm.
„Sentinel.“
Rodneys Stimme brachte ihn nun gänzlich zurück. Außer Atem blickte John ihn an und sah, dass auch Rodney wieder vollkommen bei sich zu sein schien, sich aber nur unter Anstrengung halbwegs aufrecht halten konnte.
John kroch schleppend aus seinem Becken und zu Rodney, um ihn aus dieser kleinen Grotte zu holen. Er ließ seinen prüfenden Blick über den Wissenschaftler gleiten und überzeugte sich davon, dass alles in Ordnung mit ihm sei, während er ihn stützte.
„Sentinel“, wiederholte Rodney leise, als er Johns Blick suchte.
„Ja … Guide.“
Rodney stutzte über diesen Ausdruck und folgte Johns Blick zu den Wänden neben dem Eingang, auf denen plötzlich alte eingeritzte Schrifteichen aufglühten.
„Ich schätze, wir haben unsere Antworten“, meinte Rodney, während er sich auf den Rand des Beckens schob und John vor ihm hockte. „Auch wenn ich immer noch nicht so recht weiß, was ich mit all dem anfangen soll.“
„Ich schätze, das finden wir unterwegs raus“, entgegnete John lächelnd und Rodney erwiderte das Lächeln. Dann ertönte ein Knacken und Rauschen aus Johns Funkgerät, das auf dem Rand seines Beckens lag.
~~~///~~~
Es hatte nicht lange gedauert, bis der Jumper sie auf einer Lichtung unweit von dem Tempel aufgelesen und nach Atlantis zurück gebracht hatte. Es überraschte John dabei, dass der Tempel weder aus der Luft noch durch Scans entdeckt werden konnte. John und Rodney war das allerdings mehr als recht.
Noch immer wussten sie nicht so recht etwas mit den Erlebnissen und Offenbarungen anzufangen und doch spürten beide ein gewisses Maß an Ruhe, Sicherheit und vor allem auch Erleichterung.
Ihren Pflichtbesuch in der Krankenstation hatten beide schweigend hinter sich gebracht, bis Elizabeth auftauchte und einen ersten Bericht der beiden wollte. Es überraschte Rodney nicht, zu spüren, wie schwer es John fiel, Elizabeth bezüglich der gemeinsam durchgestandenen Ereignisse im Dunkeln tappen zu lassen. Gerade mal die Wraith und ihre Flucht hatte John erwähnt und gab zum Schluss bekannt, dass weder etwas Außergewöhnliches noch Nützliches auf diesem Planeten zu finden sei. Rodney stimmte zu.
Über den Tempel und ihre Entdeckung verlor keiner der beiden ein Wort. Etwas, womit Rodney mehr als einverstanden war.
Carsons Befund war negativ und so entließ er die beiden mit dem Rat, eine heiße Dusche oder ein heißes Bad zu nehmen, etwas Anständiges zu essen und sich auszuruhen. Vom baden wollte keiner der beiden jedoch etwas wissen, also verabredeten sie sich nach einer Dusche in frischer Kleidung und einigen Sandwiches auf einem Balkon im weniger bevölkerten Teil der Stadt zu treffen.
„Ich weiß nicht, ob mir die Aussicht auf diesem Weg gefällt, John. Wenn das, was wir in diesem Tempel erlebt und gesehen haben, ein Vorgeschmack sein soll …“
John schluckte den letzten Bissen seines Sandwiches hinunter und säuberte sich die Finger mit einer Serviette. „Ich glaube, das war alles nur eine Möglichkeit, eine Version der Dinge und wie sie vonstattengehen könnten. Du hast doch gehört, die Entscheidung liegt bei uns.“
„Ich werde trotzdem die Datenbank anzapfen. Das ist mir alles noch viel zu … voodoomäßig. Ich halte nicht viel von Voodoo. Gleich morgen setze ich mich dran.“
„Okay“, antwortete John lächelnd. Er konnte Rodneys Drang, eine logische Erklärung zu finden, zwar verstehen und er sah auch, wie sehr er im Moment mit sich und den Dingen haderte. Aber John wusste auch, dass es für einige Dinge manchmal schlichtweg keine Erklärung gab. „Rodney … es tut mir leid, wenn ich in diesem Tempel … wenn ich zu weit gegangen bin und ich will auch nicht, dass du denkst, es ginge mir nur um …“
Rodney sah, wie schwer es John fiel darüber zu sprechen, was ihn gerade bewegte oder was er dachte oder fühlte und er fragte sich einmal mehr, ob er wirklich die Gedanken dieses Mannes lesen konnte, so wie der Schamane behauptete. Oder war dazu vielleicht mehr nötig? Er sollte diesen Mann, diesen Sentinel führen, ihn stützen und unterstützen, ihm Mut machen und ihm Vertrauen schenken, doch wie sollte er das anstellen, wenn er sein Leben damit zugebracht hatte, sich vor den Menschen zurückzuziehen, nur weil ihn die Emotionen zu viel kosteten?
Zum ersten Mal in seinem Leben wagte es Rodney ganz bewusst, in einem Menschen zu lesen und was er erfuhr, überwältigte ihn. Er rückte näher an John und kämpfte gegen den Drang, über den Mann herzufallen. Dass dieser Soldat in der Abendsonne auch noch so verdammt gut aussah, machte die Sache auch nicht gerade besser.
„John, ich weiß, dass es dir nicht nur um deine Sinne geht. Ich frage mich nur, ob das, was zwischen uns geschieht, mit dem zu tun hat, was mit uns geschieht.“
„Gut möglich, wenn man diesem Schamanen Glauben schenken soll. Aber … kannst du das denn nicht fühlen?“, fragte John.
„Ich kann es fühlen. Ich fühle, was du für mich empfindest, John. Ich kann nicht sagen, ob es durch diese Sentinel-Sache hervorgerufen wird, aber ich weiß, dass es aufrichtig ist und tiefer geht, als alles was ich bisher …“
„Spielt es denn dann wirklich eine Rolle?“, wollte John wissen.
„Ja und Nein. Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich meinen Anteil an Erfahrungen mit Männern gemacht habe. Trotzdem habe ich immer die Einsamkeit gesucht, aber nicht, weil ich nicht bereit für jemanden wäre oder weil ich prinzipiell niemanden derart in meiner Nähe haben wollte. In jedermanns Innerstes zu sehen, kann einen manchmal ziemlich überfordern. Aber … manchmal war die selbst erwählte Einsamkeit fast unerträglich. Aber jetzt laufen wir so einem Schamanen über den Weg und … und was er gesagt hat, reicht mir nicht, John. Ich bin Wissenschaftler. Ich habe bisher nie an dieses Seelenverwandten- Kram geglaubt. Ich brauche logische, glaubhaft nachvollziehbare Erklärungen für die Dinge.“
„Und der Mensch in dir? Der Mann?“, fragte John leise weiter und sah, wie Rodney ihn zunächst stumm musterte.
„Der weiß nicht, ob er der Rolle eines Führers, eines Guides gerecht werden kann. Himmel, ich weiß noch nicht einmal, was ein Guide wirklich zu tun hat.“
„Erinnerst du dich noch an diesen Moment während der letzten Missionsbesprechung, als ich weggetreten war? Du hast mich zurückgeholt … nachdem ich allerdings erst durch deine Schuld derart … ausgezoned war“, gab John sich halbherzig beschwerend zurück, was Rodney doch dazu brachte, beleidigt die Arme zu verschränken.
„Wieso durch meine Schuld?“
„Weil deine blauen Augen mich derart abgelenkt haben, dass ich plötzlich nur noch daran denken konnte, wie sehr ich in ihnen eintauchen und nie mehr auftauchen will. Es war ruhig in ihnen. Alles ist ruhig in ihnen und klar und rein und friedlich. Ich war an so vielen Orten, Rodney, aber nirgendwo ist es so ruhig und friedlich, wie in deinen Augen.“
Rodney wollte antworten, als er leise nach Luft schnappte, aber dann klappte er den Mund einfach wieder zu.
„Trotzdem war es ein seltsamer Moment. Einer von vielen, die ich in der Vergangenheit hatte. Immer wieder bin ich weggetreten, wenn ich mich zu sehr auf etwas konzentriert hatte. Nur bei dir fühlt es sich nicht mehr so gefährlich, so unheimlich und unangenehm an, als all die Male vorher und nur du warst bisher in der Lage mich da schnell wieder rauszuholen. Und auf dem Planeten? Da hast du mir gezeigt, wie einfach es ist, mich nur ein wenig zu konzentrieren und wie ich meine Sinne richtig einsetzen soll, um herauszufinden, ob da unsere Jungs kämen oder eher eine Horde Wraith.“
„Es hat uns trotzdem nicht davor bewahrt, einen mindestens hundert Meter hohen Wasserfall runter zu hechten.“
„Es waren gerade Mal sechzig Meter, Rodney.“
„Ob sechzig oder hundert, wir hätten drauf gehen können. Wir hätten ebenso gut unten auf irgendein Gestein prallen können, oder wären von den Wassermassen erdrückt worden, wären nie wieder hochgekomm-“
Rodneys Redeschwall, eine Mischung aus Frust, Ärger, Angst und Unglaube, wurde durch einen festen, fast schon stürmischen Kuss seitens John jäh unterbrochen. Ehe Rodney wirklich wusste, wie ihm geschah, erwiderte er auch schon diese Zärtlichkeit mit ebensolcher Inbrunst, die er vorher in seine Beschwerde hatte einbringen wollen.
„Wären wir nicht, Rodney“, hauchte John atemlos, als er sich eher widerwillig von Rodney löste. „Das war die einzige Chance, die wir hatten, das weißt du … ich habe dir gesagt, dass dir nichts passieren würde, dass ich dich beschütze und dass ich dich nicht loslassen würde und das habe ich ernst gemeint. Nicht nur, damit du mir nicht ersäufst … Du gibst mir vielmehr als Hilfe und die Kontrolle über meine Sinne und das weißt du und das siehst du auch in mir … ich lasse dich nicht los, Rodney. Niemals.“
Wieder wusste Rodney nicht so recht, was er antworten sollte, aber trotzdem er wusste, was er zu tun hatte. Vielmehr, was er tun wollte, als er das Ausmaß von Johns Empfindungen begriff. Er ließ seine Hand in Johns Nacken gleiten, zog ihn sanft zu sich und presste seine Lippen auf die des Soldaten.
Der Kuss war zart und süß und nach Johns Empfinden viel zu schnell vorbei, als Rodney seine Stirn gegen die seine lehnte.
„Ich finde raus, was hier vor sich geht. Was mit uns passiert, was das alles zu bedeuten hat. Ich verspreche es.“
„Klingt wie ein guter Plan“, gab John lächelnd zurück, bevor er sich wieder den Lippen des Wissenschaftlers widmete, während hinter ihnen die Sonne immer tiefer im Horizont versank.
Ende
so ein mieser Cliffhangar oO will wissen wie es weitergeht 😀 Super Geschichte
Es wird bald weiter gehen, keine Sorge. Aber das muss erst noch geschrieben werden. Dauert nicht mehr lange 😉
Danke fürs lesen und kommentieren hier auf meiner Seite. Ich hoffe es gefällt dir hier.
Hallo
ich bin zufällig auf Deine Seite und die Story gestossen. Und ich muss sagen … ich bin restlos begeistert. WOW ! Zuerst war ich – als Fan des „richtigen“ Sentinel – etwas skeptisch. Doch das legte sich schon nach den ersten Sätzen Deiner tollen Geschichte.
Johns Gedanken , seine Unwissenheit mit seiner Gabe und die aufkommende Freundschaft zu Rodney sind so klasse umgesetzt , dass es einem schwer fällt einfach aufzuhören mit lesen. Und dann kommt so ein gemeiner Chliffhanger!!!!
Ich hoffe das es hier sehr bald weiter geht , denn ich muss unbedingt wissen wie es weiter geht :o)
LG
Hallo Shalimar und Willkommen auf meiner Webseite.
Ich freue mich, dass du hergefunden hast und noch mehr, dass dir die Story gefällt.
Ich arbeite bereits an der Fortsetzung aber das kann noch ein bisschen dauern, denn ich muss zusehen, auch endlich wieder in meinen anderen Storys, bsplw. in meiner Alexa-Saga weiter zu kommen.
Ich danke dir vielmals, dass du die Story gelesen, und mir auch ein Kommentar hinterlassen hast.
Vielleicht gefallen dir noch weitere Storys oder auch Fanarts von mir. Ich würde mich freuen, dich öfter hier begrüßen zu können.
Hallo Shahar!
Wollte mich eigentlich bei Stargate-Project anmelden hat aber nicht funktioniert. Ich wollte mal bedanken für deine tollen Storys (Alexa Saga). Die sind klasse, besonders die jetzt (Der Sentinel) Mir gefällt der Schluß vom 3. Kapitel. Hört sich jetzt vielleicht ein bischen schwul an. Aber wie du das beschrieben hast wie John nach Rondny`s Hand gegriffen hat. Es kam sehr emotional rüber auf mich. Es zeigt mir :Rodney ich bin, Ich werde dich beschützen, werde alles tun damit du keinen Schaden erleidest. Einfach wahnsinn wie du die Storys schreibst einfach nur bewunderswert. Freue mich bei beiden auf die Fortseztung.
Liebe Grüße aus Österreich Christine Schauer
Hallo Christine und willkommen auf meiner Seite!
Ich freu mich wahnsinnig, dass du dich hier auf meiner Seite verewigt hast. Dafür habe ich sie ja gemacht.
Das zwischen John und Rodney sollte am Ende auch genauso rüberkommen, wie du es empfunden hast. Die Sentinel Story ist als eine SlashStory geplant, wobei ich es aber langsam angehen lasse.
Es freut mich dass sie dir gefällt und auch meine Alexa-Saga, in die ich mein ganzes Herz-Blut stecke. Wie eigentlich in jede Story.
Ich würde mich freuen, auch weiterhin von dir zu hören und/oder zu lesen. 😉
P.S. Warum hat es denn beim Stargate-Project Forum nicht geklappt?
Ahso. Ja das mit den Emails kenne ich. Wenn mein Laptop irgendwann den Geist aufgibt, bin ich auch ganz schön aufgeschmissen.
Was Stargate angeht, geht es mir so wie dir. Ich kann mit SGU so überhaupt nicht anfangen und grolle den PTB immer noch für diese hirnlose F***idee.
Was Gabriel Byrne angeht, ja, mir hat er als Bösewicht/Teufel in End of Days so gut gefallen, da konnte ich mir niemand anderen als Kieran vorstellen. Alleine schon seine Art und Weise und sein Charisma, dass er trotz Teufel noch hatte … *rrrr*
In der Alexa-Reihe muss ich noch einige Updates machen und noch die ganzen Storys mit ihren Kapiteln nachtragen. Aber alles nach un nach, sonst werde ich noch gaga 😀
Aber es freut mich sehr, dass sie dir gefallen.
Hallo ShaharJones
:o( jetzt schau ich seit langer Zeit immer wieder hier rein, in der Hoffnung dass er weiter geht. Doch leider kommt einfach nichts Neues. Ich hoffe doch sehr ,dass Du die Geschichte nicht aufgegeben hast und Du „nur“ einen Hänger hast. Ich würde mich wirklich wahnsinnig über ein weiteres tolles und actiongeladenes :o) Kapitel freuen
LIebe Grüsse Shalimar
Hey,
das würde mich wirklich mehr als freuen, wenn ein neues Kapitel kommt. Jetzt da ich weiß, Du die Story nicht aufgegeben hast,kannst Du Dich darauf sowas von verlassen…ich werde am Ball bleiben. Und immer wieder einen Blick hier rein werfen :o)
Das freut mich zu lesen. 😀
Du kannst in der Zwischenzeit aber auch gerne mal in die anderen Storys auf meiner Seite hineinschauen, Vielleicht ist eine dabei, die dir ebenfalls gefällt oder dein Interesse weckt.
hat mir gefallen suber gemacht und war gut zum lesen ein grosses lob
dankeschön
Du hast da eine spannende, schöne Geschichte erzählt. Die mir gut gefallen hat und das Ende ist ganz nach meinem Geschmack.
Freut mich, dass es dir gefallen hat. Ich arbeite gerade am Plot der 2. Story dieser Reihe.
Hi, habe mir heute mal diese Geschichte zu Gemüte geführt. ich muss sagen, ich bin begeistert. Ich kenne zwar nicht die Serie The Sentinel, aber ich bekomme so eine Ahnung dafür.
Auch ich würde mich freuen wenn es hier irgentwann mal eine Fortsetzung gibt.
lg claudi
Fortsetzung gibt es auf jeden Fall. Ist bereits im Plotting 😉
Hallo 🙂 Lange habe ich es mir vorgenommen, jetzt habe ich die FF endlich gelesen. Das Crossover, auch wenn ich die andere Serie nicht kenne. Aber so konnte ich umso besser alles mit John und Rodney entdecken. Ich bin gespannt, was die beiden jetzt mit ihrer Erkenntnis anfangen werden und ob sie das Ganze zunächst weiterhin für sich behalten oder sich einigen Leuten anvertrauen.
Der Plot für diese Story steht schon. Muss nur noch schreiben ?
Hallo Shahar,
es hat mir gefallen die Story zu lesen. Es gefällt mir gut, was du weiter daraus gemacht hast.
Grüße
Evaine
Freut mich dass sie dir gefällt, Evaine.